Wir haben Projekte anzuschieben, die gut überlegt sind, keine unausgegorenen.Wir haben mit hessischen Schulen nicht zu experimentieren, sondern wir haben alle gemeinsam Verantwortung für das zu übernehmen, was wir tun.
PISA hat der vergangenen, verfehlten Bildungspolitik die Quittung erteilt. Meine Damen und Herren, die unionsregierten Länder haben gezeigt,dass mit permanenten Leistungsanforderungen – und wir ergänzen jetzt: mit zunehmender Eigenverantwortung – Qualitätssteigerungen zu erreichen und zu erhalten sind.
Deswegen sind Innovationen und Nachhaltigkeit gefragt. Es ist Neues gefragt und Verlässlichkeit. Es ist kein Stückwerk gefragt, sondern mehr Qualität durch ein Gesamt
Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache.Als erster Rednerin erteile ich Frau Kollegin Habermann für die SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kultusministerin, wenn der Prozess zur Selbstständigkeit der Schulen zehn Jahre dauert – ich gebe Ihnen Recht, was diesen Zeitablauf betrifft –, dann kann man feststellen, dass Sie die letzten vier Jahre vergeudet haben.
Bei den Erkenntnissen, die Sie uns heute verkündet haben,hatte ich manchmal den Eindruck,Sie haben Ihr Amt als Kultusministerin erst in der vergangenen Woche übernommen und sich dann mit der einschlägigen Fachliteratur über Autonomie und Qualitätsentwicklung beschäftigt.
Frau Kultusministerin, ich stelle mit Genugtuung fest, dass nach fast eineinhalb Jahren beharrlicher Diskussion der SPD-Fraktion zumindest in Ihren Reden die Erkenntnis angekommen ist, dass die Einführung von Qualitätskontrolle und Bildungsstandards nur dann einen Sinn hat, wenn gleichzeitig die Selbstverantwortung der Schulen entwickelt wird. Ohne Selbstständigkeit ist Evaluation und Standardsetzung ein stumpfes Instrument. Denn die Schulen müssen die Möglichkeit haben, eigenverantwortlich zu entscheiden, wie sie die vorgegebenen Ziele erreichen,mit welchen Methoden,mit welchem Personal, mit welcher Unterrichtsorganisation und mit welchen Unterrichtsinhalten. Ohne die Entwicklung von Rahmenvorgaben und Bildungsstandards fehlen das gemeinsame Ziel, an dem sich alle Schulen orientieren, und die Vergleichbarkeit, die Anregung für weitere Entwicklungen bietet.
„Qualitätsentwicklung und Schulautonomie sind lediglich zwei Seiten einer Medaille“, habe ich in meiner Rede zur zweiten Lesung des Schulgesetzentwurfs am 23.11.2004 formuliert. Immerhin sind zumindest diese Worte heute auch bei Ihnen angekommen – wenn auch die Taten noch unzureichend sind.
Meine Damen und Herren, ich will aber nicht nur mich selbst, sondern auch die Kultusministerin zitieren, und zwar aus ihrer Regierungserklärung vom 20.09. des vergangenen Jahres. Die Kultusministerin fragte damals: „Was wird mit der Selbstständigkeit der Schule, wie wird sie weitergehen, welchen Rahmen wird sie bekommen?“ Frau Wolff unternahm in dieser Sitzung auch den Versuch, diese Frage zu beantworten: „Das ist eine Großbaustelle unseres derzeitigen Schulwesens und unserer Schulpolitik.“
Frau Kultusministerin, ich kann Ihnen heute ohne Einschränkung bestätigen, dass die Selbstständigkeit der Schulen auch noch im Jahr 2006 eine Großbaustelle ge
Meine Damen und Herren, so entstehen zusammenhanglose Bauruinen an völlig unterschiedlichen Stellen des Grundstücks. Es fehlen Koordination, eine klare Zieldefinition und ein schlüssiges Gesamtkonzept, das die Bereiche Schulbudget, Unterrichtsorganisation, Unterrichtsinhalte, Evaluation, Bedeutung der Bildungsstandards und die Frage der notwendigen Unterstützungssysteme sinnvoll zueinander in Beziehung setzt.
Stattdessen folgen den Bruchstücken und Bauvorhaben immer neue Ankündigungen, bis die nächste Regierungserklärung offenbart, dass der Bauplan immer noch ein Geheimnis dieser Landesregierung bleibt.
Im September haben Sie noch für das Jahr 2005 ein Gesamtkonzept mit den Worten angekündigt: „Wir werden das gesamte Konzept noch in diesem Jahr veröffentlichen und ein Bündel von Maßnahmen beschließen“.
Frau Kultusministerin, was Sie heute vorgelegt haben, ist ein Flickenteppich geblieben. Den roten Faden zu finden ist auch für die an den verschiedenen Projekten beteiligten Schulen eine schier unlösbare Aufgabe. Während die Zeit verstreicht, rückt die Vision der VhU einer selbstständigen Schule in Hessen im Jahr 2015 in immer weitere Ferne.
Das Projekt „Selbstverantwortung plus“ ist ein gemeinsamer Handlungsauftrag aller Landtagsfraktionen an die Landesregierung vom September 2003. Mitinitiiert wurde dieses Projekt von der SPD-Fraktion. Deshalb haben wir auch mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt, wie dieses Projekt vor Ort umgesetzt wurde.
Heute, im Januar 2006, ist festzustellen, das Projekt „Selbstverantwortung plus“ steckt noch immer in den Kinderschuhen. Dies liegt ausdrücklich nicht an der Verantwortung der beteiligten Schulen und Schulträger, sondern ist allein der Zögerlichkeit der Hessischen Kultusministerin geschuldet, die offensichtlich zum Jagen getragen werden musste.
Frau Kultusministerin, ich will gar nicht so kleinlich sein, Ihnen vorzuhalten, dass die Kooperationsvereinbarungen zwischen den beteiligten Schulen, den Schulträgern und der Hessischen Landesregierung laut Projektplanung bereits mit Ablauf des Jahres 2004 abgeschlossen werden sollten. Inzwischen ist der 01.04.2006 der Stichtag für den Abschluss dieser Vereinbarungen.
Nur ein einziger Schulträger hat die Vereinbarung bisher unterzeichnet. Erst vier der 17 beteiligten Schulen haben mehr als ein Jahr nach dem vereinbarten Projektbeginn die ihnen zugesagte kaufmännische Verwaltungskraft zur Unterstützung der Projektdurchführung. Gerade drei der Projektschulen konnten die Mittel für die pädagogische Verstärkung einsetzen. Noch in der vergangenen Woche wurde in einem Gespräch mit den Schulleitern über die Grundlagen für eine Kooperation verhandelt.
Frau Kultusministerin, wenn Selbstverantwortung gemäß Ihrer Regierungserklärung wirklich der Schlüssel zur Qualität im Bildungssystem ist – ich denke, diese Tür hat mehrere Schlösser, auf die ich auch noch zu sprechen
kommen werde –, dann wäre etwas mehr an Initiative und klaren Signalen aus dem Kultusministerium wünschenswert gewesen, um schnellstmöglich zu auswertbaren und auf alle anderen Schulen übertragbaren Ergebnissen zu kommen.Frau Ministerin,wenig Anlass also für Eigenlob. Zu loben ist allein die Beharrlichkeit der Schulen, auf ihrem Weg vorankommen zu wollen.
Meine Damen und Herren, noch weniger Anlass zum Selbstlob gibt es beim Blick auf die anderen Bauruinen Ihrer Großbaustelle „selbstverantwortete Schulen“. Bereits Moos angesetzt hat das Projekt der Bildungsregionen Groß-Gerau und Main-Taunus. Entstanden 1998 noch unter rot-grüner Regierung als Ideenskizze, wurde im April 2002 die erste Kooperationsvereinbarung zwischen Schulträger und Land unterzeichnet, mit dem Ziel, eigenverantwortliche Budgets für die Schulen einzurichten. Seit dem Ende des Jahres 2004 ist hier Stillstand eingekehrt. Die Schulen, die auf weitere Schritte zur Selbstständigkeit hofften, sind enttäuscht worden. Auch die Ausdehnung des Projekts „Bildungsregion“ auf andere Kreise ändert nichts an der Feststellung, dass mehrere Jahre intensiver Arbeit letztlich vergeudet erscheinen, da die Ergebnisse nicht evaluiert wurden und keine weiter gehenden Ziele definiert wurden.
Meine Damen und Herren, letztlich stehen „Selbstverantwortung plus“ und „Bildungsregion“ zusammenhanglos nebeneinander, unkoordiniert, und ohne dass der Stellenwert in einem Gesamtkonzept deutlich würde. Man fragt sich eigentlich nur: Wollten Sie nicht, oder können Sie es nicht besser? Da aber beide Alternativen letztlich zum selben Ergebnis führen,ist die Beantwortung dieser Frage rein akademisch und für die Bildungspolitik in diesem Land gleichermaßen ein Hemmschuh.
Bei dem Projekt „Schule gemeinsam verbessern“ wurde immer betont – wohl auch, um den Stillstand zu rechtfertigen –, dass es ein langwieriger Prozess sei, die Schulen ins Boot zu holen. Mit der neu kreierten Unterrichtsgarantie plus dagegen werden die Schulen im kommenden Schuljahr einfach ins Wasser geworfen. Allerdings ist das Mäntelchen der Selbstverantwortung bei dieser Maßnahme nicht so entscheidend wie das, was sich darunter verbirgt. Schon der Name „Unterrichtsgarantie plus“ macht deutlich, worum es in erster Linie geht. Es geht darum, das Scheitern der Unterrichtsgarantie zu verschleiern. Die Unterrichtsgarantie plus ist ein durchsichtiger Versuch,die Verantwortung für Ihre Flickschusterei in der Personalpolitik zukünftig auf den hessischen Schulen abzuladen.
Schon die Unterrichtsgarantie war ein Reinfall und wurde spätestens seit der Streichung von 945 Lehrerstellen im Rahmen der Zukunftstotaloperation 2003 höchstens noch von Ihrer eigenen Fraktion ernst genommen. Was folgte, war personalpolitisches Chaos. Im darauf folgenden Schuljahr wurden die zur Erteilung der Unterrichtsstunden notwendigen fehlenden Lehrerstellen als Sondermaßnahme deklariert und teilweise über BAT-Verträge abgedeckt. Jetzt werden diese BAT-Stellen wieder häppchenweise in Planstellen umgewandelt und als zusätzliche Bildungsinvestition der Landesregierung verkauft.
Dieses Hin und Her hat dazu geführt, dass viele junge Lehrer und Lehrerinnen Hessen den Rücken zugewandt haben und in andere Bundesländer gegangen sind, die ihnen reguläre Stellen bieten konnten. Die Folge war in vielen Schulen eine lange und manchmal vergebliche Suche nach jungen Lehrkräften zu Beginn des letzten Schuljahrs. Insofern ist das Geschenk an die hessischen Schulen auch ein Danaergeschenk. Denn viele Schulen werden Mühe haben, geeigneten Ersatz für ausfallende Unterrichtsstunden zu finden.
Aber dann – Frau Kultusministerin, das ist der Selbstzweck dieser Maßnahme – haben die Schulen bei Unterrichtsausfall den schwarzen Peter in der Hand, insbesondere wenn sie nicht auf pädagogisch und fachlich qualifizierte Vertretung im Unterricht verzichten wollen.
Meine Damen und Herren, welche Blüten dieses Vorgehen jetzt schon treibt, war heute Morgen einem Artikel in der „Offenbach Post“ zu entnehmen. Unter der Überschrift „Werden private Firmen bald die Unterrichtsgarantie erfüllen?“
wird das Angebot eines Privatunternehmens an Schulleitungen in Stadt und Kreis Offenbach erörtert. Die Firma bietet an, gegen die gesamten Mittel, die die Schulen für die Unterrichtsgarantie plus erhalten, die Vertretung zu garantieren. – Frau Kultusministerin, so haben wir uns die Qualitätsoffensive in Hessen nicht vorgestellt.
Meine Damen und Herren, so wünschenswert die Übertragung von Verantwortung auf die Einzelschule ist,bleibt der bittere Nachgeschmack, dass hier in erster Linie vom Versagen der Landesregierung bei der personellen Ausstattung der Schulen abgelenkt werden soll. Auch der Schritt, die Verfügung über einen Großteil der Fortbildungsmittel den Schulen zu übertragen, ist aufgrund der unzureichenden finanziellen Ausstattung zunächst nur der Auftrag, den Mangel zu verwalten.
Frau Kultusministerin, zum ersten Mal haben Sie in Ihrer Regierungserklärung im Februar 2005 die Ablösung der Wochenstundentafel durch eine flexible Jahresstundentafel angekündigt. Sie sagte damals:
die Schulen werden in naher Zukunft eine Jahresstundentafel und nicht mehr eine im Detail vorgeschriebene Stundentafel für jede Woche haben.
Ich habe diese Ankündigung damals ausdrücklich begrüßt. Immerhin umfasst die „nahe Zukunft“ jetzt doch einen Zeitraum von eineinhalb Jahren, bis im August 2006 aus der Ankündigung Realität werden soll. Doch mein Beifall vorhin galt auch der Tatsache, dass diese Ankündigung nicht den Charakter einer unendlichen Geschichte wie beispielsweise die des Bildungs- und Erziehungsplans hatte. Lange genug stand die mangelhafte Flexibilität der Wochenstundentafel in der Kritik als einer der Hemmschuhe für einen Unterricht, der sich an den Bedürfnissen der Schüler und ihrer Leistungsförderung orientiert.
Unbefriedigend ist weiterhin, dass in Hessen von der KMK empfohlene abschlussbezogene Bildungsstandards und voluminöse Fächerlehrpläne ohne jeden Bezug zueinander bestehen. Die Entwicklung von abgespeckten Kerncurricula auf der Basis der Bildungsstandards hätte