Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

Wir brauchen Leih- und Zeitarbeit möglicherweise in einem ganz geringen Rahmen, aber nicht in dem Ausmaß, das wir zurzeit in diesem Land haben, nicht in diesem Wildwuchs, den wir haben und der sich ständig ausbreitet und nur dazu führt, dass wir reguläre Beschäftigungsverhältnisse verlieren. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Für die CDU-Fraktion erhält Herr Boddenberg das Wort.

(Zuruf von der SPD: Oh!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass es durchaus sinnvoll ist, dass man in einer zweiten Runde auf das eine oder andere eingeht, was hier vorgetragen worden ist. Ich will zu der ersten Rednerin, Frau Ypsilanti, kommen, die sich aus meiner Sicht heute etwas anders als Herr Schäfer-Gümbel noch ein Stück mehr von dem entfernt hat, was mit der Agenda 2010 im Bund mit Unterstützung oder maßgeblicher Gestaltung durch den damaligen Bundeskanzler Schröder verabschiedet wurde.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Frau Ypsilanti, das kann man doch sagen. Das haben Sie auch an verschiedenen Stellen gesagt. Dann sollten Sie auch hierher kommen und genau das wiederholen. Ich halte wesentliche Elemente der Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen Bundesregierung für verfehlt. Im Ergebnis ist es aber heute so, dass Sozialdemokraten, die nicht in Hessen wirken, sondern im Deutschen Bundestag sitzen, nach wie vor der Überzeugung sind, dass die jüngsten Erfolge auf dem Arbeitsmarkt zumindest in Teilen, vielleicht in wesentlichen Teilen, genau mit dieser Agenda 2010 zusammenhängen. Dann kommen Sie bitte auch hierher, und sagen Sie, dass Ihre Parteifreunde in Berlin Unrecht haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Insofern will ich vom Grundsatz her Folgendes sagen.Wir haben schon oft über diese grundsätzliche Frage gesprochen, Herr Dr. Spies. Ich gehöre zu denen, die durchaus aus dem Wahlergebnis vom 27. Januar gelernt haben.

(Günter Rudolph (SPD): Na ja!)

Sie haben doch aufgerufen, dass ein solches Wahlergebnis und auch frühere Wahlergebnisse immer wieder deutlich gemacht haben und zunehmend deutlich gemacht haben, dass wir an verschiedenen Stellen nicht nur ein strukturelles Problem haben, beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt, sondern dass wir nach wie vor auch ein Kommunikations- oder Vermittlungsproblem haben, nicht nur in der Arbeitsmarktpolitik. Das gilt nicht nur für die CDU oder die Große Koalition in Berlin.

Deswegen gehört das für mich zu den wesentlichen Erkenntnissen aus dem Januar-Wahlergebnis. Ich glaube, es gibt hier niemanden, der in den letzten Wochen Grund hatte, sich für dieses Ergebnis lange feiern zu lassen.Also sollten wir vielleicht alle einmal über die Frage nachdenken, was uns dieses Wahlergebnis sagt. Es sagt uns aus meiner Sicht: Ja, wir haben an verschiedenen Stellen große Probleme der Vermittlung von Maßnahmen politischer Arbeit. Da ist es nicht nur die CDU, sondern es sind auch die Sozialdemokraten, die an verschiedenen Stellen Probleme haben – das sagen auch die Umfragen in diesen Tagen –, Dinge zu verkünden, die auf den ersten Blick nicht ganz erfreulich oder angenehm sind.

Deswegen sage ich, in der Arbeitsmarktpolitik gibt es keine Schwarz-Weiß-Lösungen.

(Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Da gibt es keine Schwarz-Weiß-Lösung, dass wir so tun, dass das, was nicht sein darf, nicht sein kann – oder andersherum, dass das, was nicht sein kann, auch nicht sein

darf, dass wir erst einmal einen Mindestlohn flächendeckend von Norden nach Süden machen und ein Problem gelöst haben. Frau Ypsilanti, darüber haben wir oft gesprochen, aber das ist den Menschen völlig zu Unrecht Sand in die Augen gestreut.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir sagen, es macht Sinn, dass man differenziert. Deswegen haben wir gemeinsam mit der SPD im Bund ein Entsendegesetz verabschiedet – bei einigen Themen durchaus mit Bauchschmerzen. Die FDP hat nicht umsonst kurz „Post“ gerufen, weil dieses Gesetz aus meiner Sicht ordentlich missbraucht worden ist.Auch das war damals Teil der Kritik der Liberalen.

Da es an verschiedenen Stellen so ist und auch sichtbar ist, dass eine Einfachlösung sich nirgendwo anbietet, schlage ich vor, dass wir versuchen, zunächst einmal sachlich eines festzustellen. Da bin ich etwas enttäuscht, wenn Frau Hölldobler-Heumüller hier so tut, als sei die CDU die Partei, die in Kauf nehme, dass Menschen von der Tafel ernährt werden, weil sie unter die Armutsgrenze fallen.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Frau Hölldobler-Heumüller, wir sollten uns wechselseitig nicht unterstellen, dass das irgendjemand gut findet. Das will ich hier in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall bei der CDU)

Wir können über die Wege streiten. Wir können darüber streiten, dass die CDU die Sorge hat – das ist der zentrale Punkt unserer Argumentation –, dass Arbeitsplätze verloren gehen, dass Arbeitsplätze gar nicht erst entstehen, wenn sie zu teuer sind, dass Arbeitsplätze nicht wettbewerbsfähig sind. Ich sage sehr deutlich, ich weiß, dass viele Arbeitsplätze auch heute schon rein finanziell betrachtet nicht wettbewerbsfähig sind, aber trotzdem in Deutschland noch existieren.

Da sind aber viele Arbeitsplätze dabei, die es nur deshalb weiterhin gibt – das hat Frau Müller-Klepper schon gesagt –, weil sie „alimentiert“ werden, da der Markt sie nicht hergibt. Hier bleibt es bei der Position der CDU-Fraktion. Wir sagen: Bevor wir jemanden in die Arbeitslosigkeit schicken, weil sein Arbeitsplatz gar nicht erst geschaffen wird, weil es sich vielleicht um eine Dienstleistung handelt, die sich Menschen nur dann leisten, wenn sie einen bestimmten niedrigen Preis hat, sagen wir für diesen Fall eine Förderung zu – natürlich streng reglementiert und mit der sehr klaren Ansage an die Wirtschaft, dass es nicht sein kann, dass hier Mitnahmeeffekte stattfinden. Dagegen muss sich die Politik nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten wehren. Wir sagen: Diesen Arbeitsplatz wollen wir lieber alimentieren, statt ihn gar nicht zu haben.

Herr Boddenberg, Ihre Redezeit ist leider zu Ende.

Herr Präsident, lassen Sie mich noch einen Satz in Richtung FDP sagen. Es ist das Thema Kündigungsschutz angesprochen worden. Die Schweiz ist als Beispiel erwähnt worden. Häufig wird in diesem Zusammenhang auch Dänemark genannt. Auch da gibt es keine einfache Lösung, denn man muss, wenn man genau hinschaut, schon feststellen, dass es beispielsweise in Dänemark sehr wohl ei

nen Kündigungsschutz gibt, allerdings keinen, den der Gesetzgeber par ordre du mufti verhängt, sondern der muss miteinander verabredet werden. Das ist branchenabhängig und sehr unterschiedlich ausgestaltet.

Insofern schlage ich auch der FDP-Fraktion vor: Lassen Sie uns versuchen, weiterhin bei der Sache zu bleiben und keine Schwarz-Weiß-Lösungen hier feilzubieten. Es gibt keine Schwarz-Weiß-Lösungen. Ich glaube, dass von der schwarz-roten Koalition im Bund der richtige Weg eingeschlagen worden ist, der mehreren Facetten des Problems Rechnung trägt.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Boddenberg. – Zu einer Kurzintervention hat Frau Kollegin Ypsilanti für die SPD-Fraktion das Wort.

(Axel Wintermeyer (CDU): Das geht nicht bei fünf Minuten Redezeit! – Weitere Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, wir haben das geklärt. Das ist zulässig. Ich erteile jetzt Frau Ypsilanti das Wort.

(Axel Wintermeyer (CDU): Das ist nicht zulässig! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Hier wird die Geschäftsordnung gebogen!)

Beruhigen Sie sich doch. Herr Boddenberg hat mich etwas gefragt, und Herr Boddenberg soll eine Antwort darauf bekommen.

Herr Boddenberg, ich gehöre zu den Parteimitgliedern, von denen Sie erwarten können, dass sie klar Stellung beziehen,wenn etwas nicht richtig läuft.Natürlich habe auch ich Kritik an der Agenda 2010 geübt. Ich glaube z. B., dass die damals festgelegten Regelsätze heute zu niedrig sind und dass wir viel früher hätten nachsteuern müssen.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen auch, dass bei der Gesetzgebung zur Leiharbeit Probleme bestehen, weil sich die Leiharbeit in eine Richtung entwickelt hat, die wir heute aus sozialpolitischen Gründen nicht mehr mittragen können.

(Beifall bei der SPD)

Sie und Ihre Ministerin haben hier aber nichts anderes getan, als zu versuchen, darüber hinwegzutäuschen, dass Sie sich im Bundesrat ganz schäbig verhalten haben.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben zur Tariftreue vor der Wahl noch schnell ein Gesetz gemacht. Bei der ersten Möglichkeit, die sich geboten hat, haben Sie im Bundesrat aber dafür gesorgt, dass dieses Gesetz nicht mehr zur Anwendung kommen kann, weil Sie verhindert haben,dass es europatauglich gemacht wird. Diese Diskussion haben Sie heute mit einer ganz anderen Diskussion hinwegzuwischen versucht.

(Michael Boddenberg (CDU): Wir denken über bessere Lösungen nach, Frau Ypsilanti!)

Sie sind nicht darauf eingegangen, haben keine Stellung bezogen. Ich sage Ihnen, das werden sich die Menschen merken. Sie haben in diesem Bereich nichts dazugelernt,

und deshalb denke ich, dass das Wahlergebnis vom 27. Januar auch heute noch stimmt.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Ypsilanti. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Es wird vorgeschlagen, den Antrag der SPD-Fraktion betreffend Handeln für Hessen: Gute Arbeit braucht soziale Rahmenbedingungen, mit dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dem Entschließungsantrag – –

(Widerspruch bei der SPD)

Zur Geschäftsordnung, Herr Kahl.

Herr Präsident, der Antrag der SPD-Fraktion und der Änderungsantrag der GRÜNEN sollen selbstverständlich überwiesen werden. Wir bitten aber, dass über den Entschließungsantrag jetzt und hier abgestimmt wird, wie es üblich ist.

Herr Kahl, vielen Dank für den Hinweis. Ich bitte, mein Versehen zu entschuldigen.