Protokoll der Sitzung vom 28.08.2008

Insofern ist auf der Bundesebene schon vieles in der Pipeline. Denn es wurde erkannt, dass bei den Kindern aus Familien mit geringem Einkommen oder bei Familien, die Hartz IV beziehen, oft Not herrscht, wenn nach den Sommerferien eingeschult wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn mehrere Kinder in die Schule gehen. Der Bedarf reicht von A wie Anspitzer bis zu Z wie Zeichenblock. Die Liste, die den Eltern mitgegeben wird und auf der steht, was sie für ihre Kinder besorgen müssen, ist lang. Das kann sich ganz schnell relativ heftig summieren.

Die Materialliste ist also lang. Schätzungsweise werden in jedem Schuljahr 60 c allein für die normale Ausstattung benötigt. Darin sind noch nicht einmal die Arbeitshefte enthalten. Das wissen alle, die Kinder in der Schule haben oder hatten.

Bildung muss für alle erschwinglich sein. Bildung ist kostspielig,über Jahre hinweg.Frau Schott,ich denke,insofern ist das, was Sie gesagt haben, auch vollkommen richtig.

Es stellt sich die Frage, wie die Eltern, die vom Transfer oder von Niedriglöhnen leben – Letztere möchte ich aus

drücklich einbeziehen –, die Kosten angesichts der knappen Regelsätze aufbringen sollen. Sie erinnern sich alle: Damals wurde die sogenannte Pauschalierung eingeführt. Einmalleistungen wurden abgeschafft. Der Eckregelsatz sieht monatlich genau 18,20 c dafür vor. Mit diesem Betrag sollen auch Zeitungen, Zeitschriften, Bücher und sonstige Bildungsmaterialien erworben werden. Dieser Betrag reicht dafür schlichtweg nicht aus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN)

Mit dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches XII im Jahre 2005 wurde das Regelsatzsystem reformiert. Das Beispiel mit dem Schulbedarf wie anderes auch zeigt, dass das den tatsächlichen Bedürfnissen heute nicht mehr entspricht. Deshalb begrüßt die SPD-Landtagsfraktion ausdrücklich die Bundesratsinitiative, die das Land Rheinland-Pfalz im Oktober 2007 gestartet hat. Sie hat zum Ziel, diese Lücke im System wieder zu schließen.

Rheinland-Pfalz hat vorgeschlagen, Empfängerinnen und Empfängern des Arbeitslosengeldes II oder der Sozialhilfe zweimal jährlich eine zusätzliche Pauschale in Höhe von 20 % des Regelsatzes genau für den Schulmittelbedarf zu gewähren. Je nach Alter des Kindes läge der Betrag zwischen 83 c und 111 c. Damit könnte der größte Teil des Bedarfs abgedeckt werden. Die Gesamtkosten für den Bund würden ungefähr 124 Millionen c betragen.

Das ist eine sehr gute Idee. Zudem wäre das eine Lösung, die sehr schnell eingeführt werden könnte. Deswegen begrüße ich diese Bundesratsinitiative.

(Beifall bei der SPD)

Das Problem ist nur, dass die von der Union geführten Länder trotz der Erkenntnis, dass die Regelsätze nicht ausreichen, nicht zustimmen. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten werde ich jetzt wiedergeben, was Herr Ministerpräsident Müller gesagt hat. Er sagte, eine Änderung der Regelungen sowohl im Sozialgesetzbuch II als auch im Sozialgesetzbuch XII sei unverzichtbar. Hört, hört, das hat er gesagt. Trotzdem konnten sich die von der Union geführten Länder nicht dazu durchringen, dem Gesetzentwurf des Landes Rheinland-Pfalz im Bundesrat zuzustimmen. Vielmehr wird dieser wichtige Gesetzentwurf seit Monaten von den von der Union geführten Ländern im Bundesrat blockiert. Das Problem wird ausgesessen. Es werden Anträge dazu gestellt.

(Zuruf)

Frau Lautenschläger, doch, das ist leider so. Ich finde es sehr schade,dass Sie nicht die Kraft hatten,zusammen mit Frau Dreyer aus Rheinland-Pfalz gegen Herrn Rüttgers und Herrn Müller an einem Strang zu ziehen und diese wichtige Bundesratsinitiative im Sinne der bedürftigen Familien durchzusetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN)

Ich muss noch eines sagen. Frau Müller-Klepper, ich war schon etwas verwundert, von Ihnen eine Pressemeldung lesen zu können, in der Sie genau das Entsprechende fordern. Sie sollten ab und zu mal mit Frau Lautenschläger über das Verhalten der CDU-geführten Bundesländer im Bundesrat sprechen. Das wäre wahrscheinlich sehr erkenntnisreich.

Insofern wurde jetzt angekündigt, es werde zu einer Regelung kommen. Sie wird aber erst ein Schulhalbjahr später in Kraft treten können. Ich hoffe, wenigstens diese Re

gelung wird dann einhellige Zustimmung finden. Ich hoffe, bei diesem sozialpolitischen Problem wird kein Hin- und Herschiebebahnhof eröffnet. Vielmehr muss endlich eine Lösung gefunden werden.

Wir alle wissen, dass es hinsichtlich der finanziellen Ausstattung der Schulkinder keinen weiteren Aufschub geben darf. Ich hoffe deswegen, dass Sie die Blockade im Bundesrat möglichst schnell beenden.

Frau Schott, ich möchte aber auch noch Folgendes sagen. Es reicht nicht aus, ein Problem aus der Gesamtproblematik der Kinderarmut zu bekämpfen. Es reicht nicht aus, nur über einen Fonds zu sprechen. Vielmehr müssen wir ein Bündel an Maßnahmen schnüren. Es genügt nicht, in jeder Stadt, in jeder Kommune, in jedem Kreis oder meinetwegen auch in jedem Bundesland eine Teilproblemlösung für ein grundsätzliches Problem zu suchen.

Vielmehr müssen wir strukturelle und bundeseinheitliche Lösungen anstreben und durchsetzen. Sicherlich können wir über kurzfristige Zwischenlösungen sprechen. Ich habe bereits im Dezember vergangenen Jahres ein ZehnPunkte-Programm der SPD gegen Kinderarmut vorgelegt. Darin sind genau diese grundsätzlichen Veränderungen skizziert.

Über diese und andere Maßnahmen sowie über die Finanzierung, die Sie vorgeschlagen haben – ich muss Ihnen sagen, sie ist nicht sonderlich seriös –, wird in den kommenden Monaten konkret zu sprechen sein. Ich freue mich auf diese Gespräche und danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Fuhrmann, vielen Dank. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält nun Frau Kollegin Schulz-Asche das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kinder haben ein Recht darauf, nicht in Armut aufzuwachsen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Armut heißt nicht nur ein Mangel an Geld, sondern auch ein Mangel an Teilhabe. Dies betrifft die Teilhabe an der Bildung und am gesellschaftlichen Leben. Die Voraussetzungen für die Teilhabe zu schaffen, ist Aufgabe einer guten Sozialpolitik.

Wir dürfen nicht zulassen, dass den Kindern in unseren Schulen und Kindergärten der Magen knurrt. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Kinder kein Schulmaterial haben, an den Ausflügen nicht teilnehmen können, nicht ausreichend bekleidet werden können oder keine Fahrkarten für Bus und Bahn haben. Es gibt Grundvoraussetzungen, um an dem gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können und um gute Startchancen ins Leben zu haben.

Auch der Musikunterricht oder die Mitgliedschaft in einem Verein sind gerade für Kinder wichtige Voraussetzungen dafür, sich als anerkannte Mitglieder der Gesellschaft zu fühlen und tatsächlich auch anerkannte Mitglieder der Gesellschaft zu sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Nach Auskunft des Hessischen Statistischen Landesamtes leben in Hessen rund 26 % der Familien in Armut. Der Grund dafür findet sich nach wie vor in unzureichender Kinderbetreuung und schlechten Beschäftigungschancen gerade auch für Frauen mit Kleinkindern. Im Vergleich zu Männern werden Frauen bei gleichwertiger Arbeit geringer bezahlt. Das sind die finanziellen Ursachen der Kinder- und Familienarmut in Hessen.

Ich hoffe, dass wir mit dem Armuts-Reichtums-Bericht noch sehr genauen Aufschluss darüber bekommen, wo diese Probleme ihren Grund haben. Über die Sozialgesetzbücher II und XII ist die Finanzierung des Lebensunterhalts auch von Kindern sicherzustellen, und zwar so, dass Kinder gesetzlich vor Armut geschützt sind. Es herrscht eine große Einigkeit darüber, dass die Regelleistungen für Kinder und Jugendliche derzeit völlig unzureichend sind.

Wir GRÜNE haben übrigens von Anfang an darauf hingewiesen, dass eine grundsätzliche Absicherung gerade für Kinder notwendig ist, und zwar sowohl im SGB II als auch im SGB XII, aber dort nicht gewährleistet ist. Ich danke ausdrücklich an dieser Stelle den Wohlfahrtsverbänden, die nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass hier großer Handlungsbedarf besteht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Wie groß die Einigkeit inzwischen ist, zeigt auch, dass im Mai dieses Jahres der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert hat, bis Ende 2008 die Regelleistung für Kinder unverzüglich neu zu bemessen und dabei den besonderen Bedarf von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen. Es gibt also einen breiten Konsens, die Regelleistung zu erhöhen. Die schlechte Nachricht ist allerdings, dass die Bundesregierung keine Anstalten macht, dies zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Florian Rentsch (FDP): Ein Skandal ist das!)

Aus diesem Grunde hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits im letzten Jahr hier aktiv in diese Frage eingegriffen, und wir haben einen Härtefonds „Lernen ohne Hunger“ vorgeschlagen, weil deutlich wurde, dass Kinder von Mittagessen in Schulen und Kindergärten abgemeldet wurden. Wir haben festgestellt, dass einige Kommunen versucht haben, auf diesen wachsenden Missstand zu reagieren. Wir haben letztlich eine Landesregierung gehabt, die dieses Problem erkannt, allerdings eine Lösung gefunden hat, die leider nicht die Kinder in den Kindergärten berücksichtigt und auch unzureichend mit den Kommunen abgestimmt ist.Als Landtag haben wir inzwischen ein verbessertes Verfahren auf den Weg gebracht.

Heute beraten wir über einen Antrag der Linksfraktion zum Schulmittelfonds. Es ist tatsächlich so, dass die Eltern, die das Arbeitslosengeld II beziehen, ihren Kindern kaum eine gute Schulausstattung finanzieren können. Wenn man davon ausgeht, dass das bei der Einschulung rund 150 c kostet, dann ist uns allen klar, dass die Mittel, die in Hartz IV dafür vorgesehen sind, nämlich 1,33 c im Monat, bei Weitem nicht ausreichend sind, um den Bedarf zu decken. Das ist ein Skandal. Ich denke, dass man das immer wieder als solchen brandmarken und die Bundesregierung zum Handeln auffordern muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Florian Rentsch (FDP) und Marjana Schott (DIE LINKE))

Wir sollten auch – darum bitte ich die Linkspartei – nicht vergessen, dass einige Kommunen in diesem Fall bereits angefangen haben, zu reagieren. Dazu gehören Darmstadt und Wiesbaden, um einige Beispiele zu nennen.Wir sollten deswegen nicht den Fehler begehen, mit Anträgen zu kommen,die den gleichen Fehler machen,den die Landesregierung im letzten Jahr gemacht hat, nämlich die Kommunen, die das Problem bereits erkannt haben, mit Beschlüssen des Landtages zu bestrafen.Von daher denke ich,dass wir im Ausschuss ausführlich darüber diskutieren müssen, wie eine solche Regelung im Einzelnen aussehen könnte. Das werden wir auch tun. Wir werden im Sozialpolitischen Ausschuss sehr ausführlich über diesen Antrag beraten müssen.

Wir haben weiter das Problem, dass der Schuljahresbeginn 2008 bereits hinter uns liegt. Das Schuljahr hat begonnen. Wir haben eine Reihe von anderen Problemen, die Sie eher kampagnenartig auch in den Kommunen und wahrscheinlich bald im Landtag einbringen.Es macht keinen Sinn, zum Schuljahresanfang die Schulmittel erhöhen zu wollen, am Winteranfang die Bekleidungshilfe usw. usf. Deshalb sollten wir die verschiedenen Bedarfe im Zusammenhang diskutieren, und zwar mit den Kommunen, denn die sind am Nächsten an der Situation armer Kinder. Deshalb sollten wir zu einer gemeinsamen Lösung kommen. Und das werden wir im Ausschuss auch so anstreben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg.Petra Müller-Klepper (CDU) und Florian Rentsch (FDP))

Dann sollte man auch vorsichtig sein, denn dieser Antrag, den Sie gestellt haben,hat Haushaltsmittel zur Folge.Deswegen denke ich, dass es ein Antrag ist, der in die Haushaltsberatungen gehört, und zwar dann auch abgestimmt werden kann, wie er finanziert werden kann. Aber das sollten wir in Ruhe beraten. Das ist auch nichts, was sich hier auf die Schnelle entscheiden lässt.

Vor allem aber – das möchte ich ausdrücklich betonen – sollten wir den Bund nicht aus der Verantwortung lassen. Es kann doch nicht sein, dass Landesmittel auf Dauer gebunden werden, als gäbe es keine Verpflichtung des Bundes, für den Abbau der Kinderarmut zu sorgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Petra Müller-Klepper (CDU), Petra Fuhrmann (SPD) und Florian Rentsch (FDP))

Meine Damen und Herren,es gibt originäre Aufgaben der Landespolitik im Sozialbereich. Diese Härtefonds können nur die akute Not lindern.Aber sie sind kein Beitrag zum nachhaltigen Abbau von Kinderarmut. Dazu brauchen wir ein Bildungssystem, das Kinder individuell fördert, Schularbeit und konkrete Hilfen für Teilhabe am Wohnort. Darauf sollten wir uns alle konzentrieren. Wir brauchen auch konkrete Hilfen für die Eltern.

Arbeitslosigkeit, fehlende Betreuungsmöglichkeiten, Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt – all das sind Punkte, die wir landespolitisch angehen können. Hier gemeinsam wirkungsvolle Maßnahmen zu entwickeln, ist die Aufgabe einer Landesregierung, die sich soziale Gerechtigkeit zum Ziel gesetzt hat.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns deswegen gemeinsam dafür kämpfen, dass die Bundesregierung end

lich ihrer Verantwortung gerecht wird und durch eine bedarfsgerechte Grundsicherung dazu beiträgt, allen Kindern eine Teilhabe am Gemeinschaftsleben zu ermöglichen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie der Abg. Petra Müller-Klepper (CDU) und Florian Rentsch (FDP))

Vielen Dank, Frau Kollegin Schulz-Asche. – Für die Fraktion der CDU erhält Kollege Bauer das Wort.

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag greift einen Missstand auf, der so nicht bleiben kann. Es ist richtig: Armut ist ein Problem. Es ist auch ein Problem für Hessen und in Hessen. Es ist ein Problem, dass Kinder aus diesen Verhältnissen Probleme bei der Teilhabe an Bildung haben. Oftmals ist das mit Hindernissen verbunden. Das führt zu Nachteilen. Das fängt schon bei der Ausstattung etwa mit Schulheften an.