Meine Damen und Herren, daher möchte ich zunächst etwas zum Abg. Schaus sagen. Ich selbst war in der Innenausschusssitzung, um die es hier geht, nicht anwesend. Ich habe aber die entsprechenden Protokollauszüge gelesen. Ich teile die Äußerungen des Abgeordnetenkollegen Schaus zum Verfassungsschutz in weiten Teilen ausdrücklich nicht. Die Meinungen des Kollegen Schaus zum Verfassungsschutz sind teilweise aus meiner Sicht ziemlich krude. Aber es sind Meinungen, die in einer Demokratie glücklicherweise jeder, erst recht jeder Abgeordnete, frei äußern darf.
Allerdings bin ich ebenso wie der Innenminister der Meinung, dass ein Abgeordneter, der dem hessischen Verfassungsschutz vorwirft, von einem rechtsextremistischen Angriff im Vorfeld gewusst zu haben, Ross und Reiter nennen muss.
Meine Damen und Herren, diese Vorwürfe können nicht einfach als Meinungsäußerung im Raum stehen bleiben. Hier fordern wir, klare Belege zu bringen oder diese Vorwürfe zurückzunehmen.
Gleichzeitig möchte ich hier aber sehr deutlich sagen,dass ich die Angriffe der FDP auf Herrn Schaus als Vizepräsidenten wirklich für ungehörig halte.
Wenn eine Fraktion mit der Amtsführung des Präsidenten oder eines seiner Stellvertreter nicht einverstanden ist, gibt es einen in der Geschäftsordnung vorgesehenen Weg: den Ältestenrat. Dies ist nicht ohne Grund so geregelt, sondern gerade weil hier vor der politischen Instrumentalisierung,
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das hat nichts mit der Amtsführung zu tun!)
Meine Damen und Herren, die FDP hat hier den Angriff auf die Aussagen des innenpolitischen Sprechers der Fraktion DIE LINKE mit dem Amt des Vizepräsidenten vermengt. Die Debatte, ob ein Vizepräsident sich im Ton vergriffen hat, kann man natürlich führen.
Herr Kollege Rentsch, die Würde des Amtes verlangt es aber, dass dies in angemessenem Ton und an einem angemessenen Ort passiert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP,gerade derjenige, der selbst Fingerspitzengefühl und Anstand einfordert,sollte dies auch mit Fingerspitzengefühl und Anstand tun.
Dass gerade die FDP in dieser Debatte derartig unangebracht agiert, verwundert mich wirklich sehr. Das hätte ich von der FDP nun wirklich nicht erwartet. Ich bin mir auch sicher,dass Ruth Wagner hier meine Meinung geteilt hätte.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nein, das ist eindeutig falsch! Sie hat sich noch viel mehr aufgeregt als wir!)
Herr Kollege Hahn, diese so genannten hessischen Verhältnisse sind sicher für uns alle nicht einfach. Aber gerade weil dies so ist, ist es wichtig, dass wir hier korrekt miteinander umgehen.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Das ist billig,Ruth Wagner anzuführen! Ihr seid eine Bürgerrechtspartei a. D.!)
In der Presseerklärung vom 22. August hat sich die FDP meiner Meinung nach im Ton arg vergriffen. Der Dringliche Entschließungsantrag, in dem Sie den Kollegen unter anderem auffordern, sein Amt als Vizepräsident niederzulegen, ist im Plenum und erst recht in einer Aktuellen Stunde eindeutig am falschen Platz.
Ich möchte diese Diskussion nicht unter den Teppich kehren. Ich möchte aber auch nicht, dass hier das Amt des Vizepräsidenten instrumentalisiert wird. Lassen Sie uns daher diese Debatte dort führen und auch Ihren Entschließungsantrag dort behandeln, wo es hingehört: im Ältestenrat. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will daran erinnern, dass Hermann Schaus im Innenausschuss als Abgeordneter der Linksfraktion und nicht als Vizepräsident gesprochen hat.
Es ist nicht nur sein Recht, sondern seine Pflicht, als Abgeordneter der Linksfraktion unsere Positionen und Interessen zu vertreten.
Wenn die FDP der Meinung ist, Hermann Schaus sei seinem Auftrag als Vizepräsident, in öffentlichen Auftritten Überparteilichkeit zu wahren, nicht nachgekommen, dann soll sie das beweisen. Dies ist nicht der Fall.
Ich will daran erinnern, dass es auch in der inhaltlichen Frage Nachholbedarf gibt. Denn die Behauptung, es hätte im Vorfeld keinerlei Hinweise auf aggressiv militante und vernetzte Rechtsextremisten im Schwalm-Eder-Kreis gegeben, ist absurd. Gerade dies wird aber vom Innenminister wie auch vom Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, Herrn Eisvogel, einmütig behauptet. Sowohl die Berichte der Medien,der Polizei,Hinweise aus der Bevölkerung, Anzeigen wegen Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund, die Aussagen der Zeugen und der Familie des Opfers – ich begrüße ausdrücklich die Mutter des Opfers im Hause – wie auch die Verfassungsschutzberichte von 2005, Herr Bouffier, weisen nach und lassen überhaupt keinen Zweifel daran,
dass sowohl die sogenannte Freien Kräfte Schwalm-Eder als auch ihr offensichtlicher Anführer, der militante NPDKader und spätere Attentäter längst hätten bekannt sein müssen. „Panorama“ deckte auf, dass gegen den Täter bereits eine Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung mit rechtsextremem Hintergrund vorlag, die jedoch postalisch nicht zugestellt werden konnte.Der Täter hat es erreicht, seinen Namen vom Briefkasten herunterzunehmen und keine Adresse zu hinterlassen. Die Strafanzeige wegen schwerer Körperverletzung gegen diesen Täter mit dem rechtsradikalen Hintergrund lag schon lange vor.
Denn die Minderheitsregierung von FDP und CDU wird den ausdrücklichen Kreuzzug der bayerischen CSU gegen die LINKE wahrscheinlich weiter mit betreiben.
Es ist sicher ein Punkt, über den man reden sollte, dass sich diese rechteste Formation der CDU und auch die rechteste Formation der FDP in dieser Bundesrepublik für einen Kreuzzug gegen DIE LINKE nicht zu schade ist.
Das Grundgesetz der Bundesrepublik hat sich ausdrücklich nicht auf eine bestimmte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung festgelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Offenheit der Wirtschaftsordnung immer wieder
betont. Die Transformation und Aufhebung des Kapitalismus, wie sie von allen großen Parteien noch zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Grundgesetzes im Jahre 1949 gefordert wurde,ist im Rahmen der Verfassung möglich. Die marxistische Gesellschaftsanalyse, die den Kapitalismus als ein System der Ausbeutung, der Entfremdung und des Klassenhasses kritisiert, ist nicht nur weltweit als einer der Grundpfeiler des modernen sozialwissenschaftlichen Diskurses und Denkens anerkannt. Sie hat auch in der wissenschaftlichen und politischen Geschichte Hessens einen hervorragenden Platz.
Ich erinnere an die Frankfurter Schule und Theodor Adorno oder an die Marburger Abendroth-Schule mit ihrer marxistischen Geschichtsanalyse. Ihre demokratischen Verfassungsinterpretationen und ihre Bindung an den linken Flügel der Arbeiterbewegung in Hessen haben eine bedeutende Rolle eingenommen. Auch auf dem Boden der christlichen Sozialethik hat sich eine radikale Kapitalismuskritik entwickelt, die Elemente der marxistischen Gesellschaftsanalyse anerkennt;es geht um die Verteidigung der Verfassung, die Freiheit der Wissenschaft und die demokratische Sicherung der politischen Auseinandersetzung. Dafür werden wir uns einsetzen, dafür werden wir kämpfen. Wir glauben nicht, dass Ihre Verfassungsinterpretation der Verfassung wirklich gerecht wird. – Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN – Mark Weinmeister (CDU): Gott schütze Deutschland! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Jetzt fehlt nur noch die Internationale! – Gegenruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE): Später!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht ist jemand einmal so freundlich, Herrn van Ooyen darauf aufmerksam zu machen, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland in einer sozialen Marktwirtschaft leben und nicht im Kapitalismus, dass Eigentum grundsätzlich geschützt ist, wenngleich es verpflichtet.
Meine Damen und Herren, das, was Sie hier an Klassenkampfparolen hinterlassen haben, die Diktatur des Proletariats, ist mit unserer Verfassung nicht vereinbar. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie noch einmal deutlich gemacht haben, wo Sie bei diesen Fragen stehen.
Lassen Sie mich zum Thema zurückkommen. Das Thema ist ein sehr ernstes. Wir sind der FDP sehr dankbar, dass sie es in der Aktuellen Stunde aufgegriffen hat.Wir leben in einer Zeit, in der die Sicherheitslage als schwierig – manche sagen sogar, als gefährlich – zu beurteilen ist. Sie erinnern sich an die Sauerland-Gruppe, die im vergangenen Herbst aufgegriffen worden ist. Sie haben terroristische Anschläge zur Kenntnis nehmen müssen. Wir haben in Hessen schmerzlich zur Kenntnis nehmen müssen, dass es extremistische Anschläge auch in unserem Land gibt, von Rechtsextremisten im Schwalm-Eder-Kreis, wie Sie das eben dargestellt haben.
In einer solchen Situation ist es besonders wichtig, dass das Vertrauen in unsere Verfassungs- und Staatsorgane gegeben und deren Integrität unbestritten ist. Herr Kollege Schaus, das gilt insbesondere für unsere Sicherheitsorgane.