Protokoll der Sitzung vom 14.05.2008

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend. Dieser Gesetzentwurf ist eine Einladung an alle Fraktionen, eine Einladung zur Diskussion, wie wir in diesem Hause vorwärtskommen. Es ist nicht der Stein des Weisen, weil ich glaube, den kann es in diesem Bereich nicht geben. Ich glaube aber, dass Sie so wenig recht haben wie die anderen.

(Lachen der Abg. Hannelore Eckhardt (SPD))

Deshalb hoffe ich – das ist mein letzter Satz –, dass wir in den nächsten Wochen ein gemeinsames Verfahren finden werden, um ein ordentliches Gesetz zu schaffen. Nehmen Sie diese Einladung bitte an. Wir sollten gemeinsam versuchen, ein neues Gesetz in Hessen auf den Weg zu bringen. Die Sozialministerin hat das beispielsweise schon angenommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank,Herr Rentsch.– Das Wort für die SPD-Fraktion erhält der Abgeordnete Herr Dr. Spies.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Selbstverständlich ist die SPD-Fraktion gern bereit, den von der FDP vorgetragenen Gesetzentwurf in seinen Auswirkungen, Details und Bedeutungen adäquat zu prüfen. Selbstverständlich halten wir es immer für richtig, Gesetze, die dieses Haus beschlossen hat, einer Überprüfung ihrer Wirkungen zuzuführen. Dabei – das muss ich allerdings sagen – sei dahingestellt, ob denn ein Zeitraum von sechs Monaten

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sechs Monaten?)

in einem jahreszeitlich abhängigen Geschäftsbereich nun wirklich schon ausreicht, um die Wirkung eines Gesetzes abschließend zu beurteilen, um Erfahrungen daraus zu ziehen usw.Aber natürlich gehen wir davon aus, dass dieser Gesetzentwurf nur das Wohl der Menschen im Blick hat. Deshalb werden wir ihn wohlwollend prüfen.

Worüber sprechen wir? Wir sprechen beim Rauchen über ein Problem, das weit über 100.000 Todesfälle im Jahr in Deutschland zur Folge hat, davon über 3.300 allein durch Passivrauchen von Menschen, die nicht rauchen wollen. Rauchen, also Tabak, zählt in die Spitzengruppe der zehn gefährlichsten Suchtmittel. Wegen seiner Häufigkeit und seiner leichten Verfügbarkeit wird er von Experten weit vor einer Vielzahl illegaler Drogen eingeordnet. Er verursacht Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs, Gefäßerkrankungen, und, und, und. Das haben wir hier alles schon diskutiert.

Am spannendsten sind die Auswirkungen auf Herzinfarkte. Rauchverbote haben in Italien zu einem Rückgang

der Herzinfarktrate um 11 %, in Frankreich um 15 % und im Staate New York um 8 % geführt.

Wenn die Rauchverbote in Deutschland nur die Hälfte davon erreichen würden, nur eine Senkung der Infarkthäufigkeit um 5 %, so wären sie die erfolgreichste Einzelmaßnahme der gesundheitlichen Prävention, die es in diesem Lande je gegeben hat, und deutlich erfolgreicher als die Einführung des Sicherheitsgurtes.

Das sollten wir im Blick haben, abgesehen von der Frage, ob wir denn wirklich wollen, dass es mehr als vermeidbar viele Orte gibt, in denen Kindern und Jugendlichen durch Vorbilder der Nikotingebrauch nahegebracht wird. Aber wir sehen die gute Absicht der FDP und sind selbstverständlich gern bereit, Ihre Argumente zu prüfen.

Kommen wir zum ersten Argument.Die FDP führt – Herr Hahn hat das in seiner Pressekonferenz deutlich dargestellt – erhebliche wirtschaftliche Einbußen an. Was sind die Fakten? Das Statistische Landesamt hat sich dieser Frage gestellt. Das Statistische Landesamt kommt zu einem außerordentlich interessanten Ergebnis.

Für das vierte Quartal 2007 – also das spannendste in dieser Frage, als das Gesetz gerade eingeführt war – hatten die Schankwirtschaften in Hessen einen Umsatzrückgang von 14,8 %. Das ist spürbar. Die rein getränkegeprägte Gastronomie hatte einen Umsatzrückgang um 13 %. Das ist spürbar, ohne Zweifel.

Aber im zweiten Quartal, als es überhaupt noch kein Rauchverbot gab, hatten die Schankwirtschaften nicht 14,8 %, sondern 15,2 % Umsatzrückgang. Im zweiten Quartal hatten die getränkegeprägten Gastwirtschaften nicht 13 %, sondern 13,6 % Umsatzrückgang.

Was schließen wir daraus? – Gastwirtschaften haben ein Problem. Da geht keiner mehr hin. Nur mit dem Rauchverbot hat das überhaupt nichts zu tun.Viel interessanter ist, dass die Speisegaststätten, von denen immer alle sagen, die müsse man ausnehmen, die seien nicht betroffen, in Hessen im zweiten Quartal einen Umsatzrückgang von 5 % und im vierten Quartal einen von 8 % hatten. Die beklagen sich aber nicht. Die wissen, was das wert ist.

Meine Damen und Herren, deshalb sollten wir bei dieser Frage einmal sehr genau schauen, welche Daten und Fakten auf dem Tisch liegen. Bei allem Respekt – wenn der DEHOGA eine Umfrage macht, mit der sie die Meinung bestätigt, die schon vor einem Jahr falsch und durch keine Fakten aus anderen Ländern belegt war, dann ist das mit einer gewissen Zurückhaltung zu sehen.

Aber wir sind selbstverständlich der Ansicht, dass die FDP an dieser Stelle einen sehr positiven Anspruch hat, und selbstverständlich gerne bereit,diesen Gesetzentwurf zu prüfen, erwarten dann aber, dass wir in der Anhörung sehr harte Fakten und klare Zahlen bekommen, und werden das Statistische Landesamt bitten,uns detaillierte Daten und nicht nur gefühlte Umsatzveränderungen darzustellen.

Dann komme ich zum zweiten zentralen Argument der FDP. Das ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit. Herr Präsident, mit Ihrer freundlichen Erlaubnis zitiere ich den Verfassungsgerichtshof des Landes Rheinland-Pfalz:

Derartige Regelungen werden grundsätzlich,

gemeint ist das Rauchverbot als Einschränkung der Berufsausbildungsregelung –

sofern sie im Übrigen unverhältnismäßig sind, bereits durch vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert. Zwar rechtfertigt die Möglichkeit, dass eine gesetzliche Maßnahme im Einzelfall zur Existenzgefährdung oder gar -vernichtung führen könnte, im Allgemeinen noch nicht, sie unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit von Verfassungs wegen zu beanstanden.

Nanu? Die haben gar nichts gegen ein Rauchverbot. Die halten den Vorrang des Gemeinwohls für legitim. – Die Regelung kann allerdings

... unvereinbar sein, falls sie damit Ungleichheiten außer Acht lässt, die typischerweise innerhalb eines Berufs bestehen, und deshalb einen Teil der Berufsgruppe ohne zureichenden Grund unverhältnismäßig belastet.

Meine Damen und Herren, dann müssen wir allerdings sehr ernsthaft darüber nachdenken, ob denn die Verfassung die Ausnahmen, die jetzt schon bestehen, tatsächlich zulässt. Vielleicht besteht das Problem der verfassungsmäßigen Bedenken gerade dadurch, dass wir für manche Kneipen Ausnahmen zulassen und für andere nicht. Vielleicht würde es uns geradezu drohen, wenn man dem Gesetzentwurf der FDP folgt, dass das Gesetz noch viel verfassungswidriger als vorher wird und wir noch viel kompliziertere Ausnahmeregelungen als die, die Sie vorgeschlagen haben, haben, die – mit Verlaub – für eine Partei, die ständig erklärt,man müsse überall die Regelungen abschaffen oder einfacher machen und sonst was, schon von einer eindrucksvollen Detailliebe gekennzeichnet sind. Vielleicht steigern wir damit die verfassungsmäßigen Bedenken, statt sie abzubauen.

(Florian Rentsch (FDP): Man kann es Ihnen nicht recht machen!)

Aber auch für diese Frage gibt es namhafte Experten, die uns das sicherlich im Detail erläutern können. Selbstverständlich gehen wir davon aus, dass die FDP auch in dieser Frage vor allem das Wohl der Bürgerinnen und Bürger in Hessen im Auge hat. Deshalb werden wir selbstverständlich gern und ergebnisoffen in der Anhörung prüfen, was wir an weiteren Informationen bekommen werden.

Meine Damen und Herren, abzuwägen ist dagegen insbesondere der Schutz von Jugendlichen, von Kindern usw. Rauchen hat Vorbildwirkung, ob wir das wollen oder nicht.

(Florian Rentsch (FDP): Deshalb rauchen wir beide nicht!)

Wenn wir darüber nachdenken, wer denn eigentlich die wichtige Zielperson ist, dann müssen wir sagen: Es ist nicht der erwachsene aufgeklärte Raucher, der sich völlig frei von psychischen oder körperlichen Beeinflussungen aus einer freien und bewussten Entscheidung dem Rauchen widmet. Nein, das Problem ist doch: Wie stellen Sie denn mit Ihrer Regelung sicher, dass die Teenager nach dem Fußballtraining, wenn sie gemeinsam in die Kneipe gehen, nicht dem Gruppendruck ausgesetzt sind, in eine Rauchereinraumkneipe mitgehen zu müssen?

(Florian Rentsch (FDP): Was wollen Sie gegen das Vereinsheim machen?)

Das ist die entscheidende Frage. Damit ist, glaube ich, auch klar, um wessen Schutz es geht.

Aber auch diese Frage, wie weit man das mit der gesetzlichen Regelung,die Sie vorschlagen,erreichen kann,wer

den wir selbstverständlich gerne ergebnisoffen prüfen. Deshalb stimmen wir der Überweisung an den Ausschuss zu und sehen mit Interesse einer ohne Zweifel umfangreichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf und einer umfangreichen Beratung entgegen. Dann werden wir einmal schauen, wie all das, was hier an Behauptungen über die Auswirkungen des bestehenden hessischen Gesetzes in den Raum gestellt wird und sich leider durch überhaupt keine hessischen Daten bestätigen lässt, und all das, was an verfassungsmäßigen Bedenken in den Raum gestellt wird und mit dem Text der Entscheidung aus RheinlandPfalz, aber genauso aus Sachsen und Schleswig-Holstein nur mit Mühe unter einen Hut zu bringen ist, zu bewerten ist. Dann sehen wir uns das alles einmal in Ruhe an, und dann werden wir zu einem Ergebnis kommen.

Meine Damen und Herren, wichtiger allerdings wäre es für die Zukunft, wenn das Hohe Haus nicht alle halbe Jahre wieder Rauchverbote diskutieren,sondern sich vielleicht einmal mit Fragen effektiver Prävention und Vermeidung einer der wichtigsten Noxen der modernen Gesellschaft befassen würde. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Spies. – Das Wort hat Herr Dr. Jürgens für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben im letzten Jahr im Hessischen Landtag ein Gesetz zu einem umfassenden Nichtraucherschutz in öffentlichen Gebäuden und im Gastgewerbe verabschiedet. Dieser Nichtraucherschutz war damals nicht nur hier im Landtag, sondern auch draußen bei den Menschen sehr weitgehend akzeptiert und ist auf nahezu einhellige Zustimmung gestoßen.

Jetzt, kurze Zeit später, versucht die FDP zum wiederholten Male den Nichtraucherschutz in Gaststätten praktisch wieder aufzuheben. Denn nichts anderes wäre es, wenn wir Ihrem Gesetzentwurf folgen würden. Sie wollen in allen Einraumgaststätten den Nichtraucherschutz wieder aufheben, und das bedeutet: in der weit überwiegenden Anzahl aller Geschäfte.Wenn Sie sich hier in Wiesbaden

(Florian Rentsch (FDP): Übrigens eine sehr schöne Stadt!)

einmal im Innenstadtbereich bei den Gaststätten rund um den Landtag umschauen,dann werden Sie feststellen:Das sind, jedenfalls soweit ich sie kenne, in der weit überwiegenden Anzahl Einraumgaststätten, und zwar auch die Restaurants und Speisegaststätten, von denen Sie selbst gesagt haben, dass der Nichtraucherschutz dort allgemein akzeptiert ist und teilweise sogar zu Umsatzverbesserungen geführt hat. Also selbst in Ihrem eigenen Bestreben, die Eckkneipen zu schützen, schießen Sie noch über das Ziel hinaus und wollen den Nichtraucherschutz generell den wirtschaftlichen Interessen opfern. Das ist aus unserer Sicht nicht vernünftig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Fraktion hat sich im letzten Jahr die Entscheidung wahrlich nicht leicht gemacht. Sie haben darauf hingewiesen, dass in allen Fraktionen darum gerungen wurde. Eine große Mehrheit im Landtag hat sich schließlich zu einer

Lösung durchgerungen. Es gibt aus unserer Sicht bei den wesentlichen Gründen, die uns damals geleitet haben, derzeit überhaupt keine neuen Erkenntnisse, die uns zu einer Änderung unserer Position bewegen sollten.

Inzwischen habe ich allerdings Zweifel, mit welcher Ernsthaftigkeit dieses Anliegen eigentlich von der damals in der Mehrheit befindlichen CDU-Fraktion mitgetragen wurde.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Das waren noch Zeiten!)

Ohne neue Erkenntnisse in der Sache, lediglich veranlasst durch vorläufige Entscheidungen – ich betone: vorläufige Entscheidungen – der Gerichte, Entscheidungen, die auch in eine andere Richtung gingen – Herr Spies hat darauf hingewiesen, und ich komme darauf nachher zurück –, gerät plötzlich, das müssen wir erleben, die geschäftsführende Gesundheitsministerin politisch ins Schwanken und kündigt ihr totales Umfallen an. In allem Ernst, Frau Lautenschläger: Welche Ihrer Positionen soll man Ihnen künftig eigentlich noch abnehmen, wenn Sie in einer so zentralen Frage wie dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung plötzlich den gesundheitspolitischen Wendehals geben? Das kann doch wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Fakten sind nach wie vor unverändert.Wir haben die Studie über die Schädlichkeit des Passivrauchens der Deutschen Krebsforschungsgesellschaft studiert. Wir haben die Auswirkungen des Passivrauchens in der Schwangerschaft, durch Studien belegt, zur Kenntnis genommen. Wir haben uns auf dieser Grundlage für einen konsequenten Nichtraucherschutz entschieden.

Aber die Frage ist: Hat die CDU-Fraktion sich eigentlich mit dieser Frage nicht beschäftigt, oder haben Sie neue Studien, die wir noch nicht kennen, die diese älteren Studien widerlegen? Gibt es irgendeinen nachvollziehbaren Grund, warum Sie, Frau Lautenschläger, als Gesundheitsministerin umfallen? Gibt es denn all diese Gefahren durch das Passivrauchen plötzlich nicht mehr? Oder, anders ausgedrückt: Haben Sie im letzten Jahr unzulässig dramatisiert, oder verharmlosen Sie heute die Gefahren? Beides wäre aus unserer Sicht unverantwortlich. Diese Fragen müssen Sie beantworten.