Protokoll der Sitzung vom 14.05.2008

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Es geht um eine weitere Qualitätsentwicklung, und hierzu gehören die unterschiedlichen Aspekte,die bereits angesprochen worden sind. Hierzu gehören aus meiner Sicht ganz zentral eine Reduzierung der Gruppengrößen in den Kindertagesstätten und die Verbesserung der inhaltlichen Qualität der Arbeit, im Sinne eines möglichst frühen Ausgleichs von sozialen und daraus resultierenden Bildungsbenachteiligungen.

Viertens. Nun zum Zentrum dieser Debatte: die Flexibilisierung der Betreuungsangebote im Hinblick auf die sich rapide verändernden Lebens- und Arbeitsbedingungen in der,wie man so schön sagt,globalisierten Arbeitswelt.Das betrifft vor allem die Mütter – aber nicht nur.

Ihr Antrag bzw. das Vorgehen, das Sie abgeleitet haben, also das Programm des Landes, müsste sich daran messen lassen, welchen tatsächlichen Beitrag ein solches Vorgehen zur Förderung einer oder mehrerer dieser vier großen Zielsetzungen leisten würde. An dieser Stelle finde ich, dass die Bilanz eher dünn ausfällt – vor allem wenn man ins Zentrum einer betrieblich unterstützten Kinderbetreuung – d. h. einer betrieblich mitfinanzierten Kinderbetreuung – betriebliche oder betriebsnahe Kindertagesstätten stellt. Hierzu möchte ich zum Schluss noch vier Anmerkungen machen.

Erstens. Der Beitrag einer solchen Strategie zum quantitativen Ausbau wird angesichts des eher geringen Fördervolumens – das ändert sich auch nicht angesichts der Zahlen, die Sie, so glaube ich, aus einem anderen Programm zitiert haben – und der Tatsache, dass es sich zumindest in diesem einen Fall um eine Anschubfinanzierung handelt, nach meiner Einschätzung eher bescheiden sein. Denn diese Förderkulisse wird und kann keine Massenbewegung auslösen.

Der Aufwand für den Aufbau eigenständiger Einrichtungen ist für jeden Träger enorm hoch. Das wird sicherlich auch für die Betriebe gelten, denn in den Betrieben hat man in aller Regel nicht das Know-how zur Verfügung, das sich bei den kommunalen sowie freien Trägern in jahrzehntelanger Praxis sowie gemeinsamer Diskussion entwickelt hat.

Es ist auch fraglich, ob man hierauf wirklich eine zuverlässige sowie langfristige Strategie bauen kann, weil Betriebe, so, wie die Dinge nun einmal stehen, in der Regel nach ihren kurz- und mittelfristigen Renditeerwartungen sowie kurz- und mittelfristig tatsächlich erzielten Renditen handeln und dementsprechend Geld ausgeben. Daher

ist es aus meiner Sicht fraglich,ob sich Betriebe auf Dauer auf ein solches Risiko einlassen würden. Wenn dem so wäre,dann wäre dies schön.Dennoch sind,wie ich dies bereits gesagt habe, Zweifel angebracht.

Zweitens. Es gibt noch eine Reihe praktischer Fragen, die ich aber aus Zeitgründen weglassen möchte. Daher skizziere ich dies nur stichwortartig: Wenn Sie im ländlichen Raum in drei unterschiedlichen Gemeinden drei Betriebe haben – das ist beispielsweise bei uns im Gießener Raum sehr unschwer vorstellbar, aber das gilt auch für andere Regionen –, die es allein nicht packen und sich gemäß Ihrer Philosophie zusammenschließen, dann würde sich die Frage stellen:Wo packt man die betriebsnahe Einrichtung hin? Würde für die Eltern, die ihre Kinder zur Kindertagesstätte bringen müssten, im Verhältnis zum jetzigen Zustand so furchtbar viel gewonnen? Das nur am Rande.

Unter dem Aspekt der stärkeren Vernetzung und der Verankerung der Kindertagesstätten im Gemeinwesen können betriebliche oder betriebsübergreifende Einrichtungen sogar schädlich sein – ich sage das mit Vorsicht –,denn die Aufgabe der Vernetzung ist schon für die bestehenden Einrichtungen, deren Träger, ich habe es gesagt, meist über langjährige Erfahrung verfügen, eine ausgesprochene anspruchsvolle Aufgabe.Umso mehr müsste das für Newcomer in der Kinder- und Jugendhilfe gelten, und das noch mehr unter den eben angedeuteten Bedingungen, dass sich z. B. Betriebe aus durchaus unterschiedlichen Gebietskörperschaften zusammenschließen wollen oder können. Denn es ist offensichtlich, dass dann der gemeinsame Bezugspunkt des Gemeinwesens fehlt. Ich glaube also, dass hier ein Problem liegt.Wenn man die Qualitätsentwicklung hin zu Familienzentren ernst meint, muss man darauf eine fachliche Antwort geben.

Drittens. Unter dem Aspekt der Qualitätsentwicklung, wie vorhin gesagt, ist kein wesentlicher Zugewinn zu erwarten.Von diesem Bereich wird keine große Innovation ausgehen. Aber wir gehen davon aus, dass sich betriebliche Kindergärten so verhalten wie andere auch.

Viertens. Es ist in der Tat etwas – deswegen haben wir unseren Dringlichen Antrag so gestellt, wie wir ihn gestellt haben – unter dem Aspekt der Flexibilisierung des Betreuungsangebotes zu erwarten. Das ist dringend erforderlich. Jeder, der einmal in Randstunden gearbeitet hat, jeder, der weiß, wie es Müttern – es sind vor allen Dingen immer wieder die Mütter – geht, die Teilzeit arbeiten, welche Hektik ausbricht, wenn man das Kind um 12 Uhr abholen muss, das dann noch nicht zu Mittag gegessen hat, und man erst noch einkaufen muss, der weiß, dass ein flexibles Angebot notwendig ist, das auf die Bedürfnisse der Frauen und zum Teil auch der Männer abgestimmt ist.Das ist auch der harte Kern der Begründung des Programms, auf das ich schon mehrfach hingewiesen habe. Es deutet den Mangel an flexiblen Betreuungsangeboten als Eingliederungshindernis in den Arbeitsmarkt. Das ist auch richtig.

Bei aller Notwendigkeit, auf die Situation flexibilisierter Arbeitszeiten, veränderter Arbeitszeiten, einer veränderten Arbeitswelt im Interesse von Frauen, von Familien und Kindern auch mit Kinderbetreuungsangeboten zu reagieren, will ich auf eine Gefahr hinweisen. Es gibt Berichte, die besagen, dass das keine aus der Luft gegriffene Gefahr ist. Es könnte auch der Fall eintreten, dass Unternehmen, die solche flexibilisierten Arbeitszeiten, auf welche Art und Weise auch immer, zur Verfügung stellen, ohne Weiteres davon ausgehen, dass sich jede Arbeitneh

merin auch gefälligst dann nicht so anzustellen hat, wenn einmal ungewöhnliche Arbeitszeiten anfallen,

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

bzw. dass sie sich auf Dauer auf eigentlich ungewöhnliche flexibilisierte Arbeitszeiten einzustellen hat, nach dem Motto: Jetzt geben wir schon so viel Geld dafür aus. Dann wollen wir an dieser Stelle auch einen Profit davon haben. – Das ist schon eine Entwicklung, die, glaube ich, nicht ganz unplausibel ist.Wie gesagt: Es gibt Hinweise aus der Praxis, dass dies tatsächlich passiert. Wenn das so wäre, wäre für die Eltern und im Grunde auch für die Kinder nichts gewonnen.

Es ist – damit komme ich auf ein Argument von vorhin zurück – auch fraglich, ob mit einem fernab vom Wohnort, vom Gemeinwesen mit seinen formellen und informellen Hilfesystemen liegenden Betreuungsplatz für Eltern und Kinder auf Dauer etwas gewonnen wäre.

Zusammenfassung. Dies sind alles Aspekte, die bei der Planung und Umsetzung solcher Ansätze, wie in dem Antrag nicht wirklich beschrieben, beachtet werden müssen. Meine Damen und Herren, wir sagen nicht, dass betriebliche Einrichtungen auszuschließen sind. Wie käme man dazu? Denn es gibt sie bereits. Die Realität zeigt, dass es durchaus funktionierende Modelle gibt, vor allem da, wo aus großen Betrieben und Verwaltungen heraus eigene gemeinnützige Träger gebildet worden sind, wie z. B. in meiner Wohnstadt Gießen am Gießener Uniklinikum, und zwar zu seinen nicht privatisierten Zeiten, damit das an dieser Stelle auch einmal gesagt ist.

(Beifall bei der SPD – Florian Rentsch (FDP): Das passt auch hierher!)

Ja, unbedingt. – Unter anderem in Gießen kann man sehen, wie die Förderung von studentischen Initiativen aussieht. Das ist ein Aspekt, der hier ein bisschen außen vor bleibt, der aber in den Kontext gehört. Die Förderung von studentischen Initiativen oder das Sich-Einkaufen von Betrieben und Verwaltungen in die Einrichtungen anderer Träger funktioniert. Auch das hat die Justus-LiebigUniversität gerade bei einer neu entstehenden Einrichtung getan. Die Justus-Liebig-Universität fördert nach einem gewissen Problem am Anfang auch studentische Initiativen der Kinderbetreuung.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich komme zum Ende. – Ich denke, dass dieser Weg der Zusammenarbeit zwischen Betrieben, Verwaltungen und bereits bestehenden Einrichtungen, seien es kommunale oder freier Träger, schnellere, bessere, flexiblere und – um es mit dem Modewort zu sagen – passgenauere Lösungen ermöglicht als der aus meiner Sicht unverhältnismäßig aufwendige und in seinen Ergebnissen zumindest zweifelhafte Aufbau einer neuen oder parallelen Struktur. Der eigentliche Weg wäre die Vernetzung zwischen betrieblichen Notwendigkeiten und vorhandenen Betreuungsangeboten. Betriebe können zusätzliche Plätze kaufen. Sie können zusätzliche Ganztagsangebote und erweiterte Öffnungszeiten im Einzelfall und im Kontingent finanzieren.Sie können eine Notfallabdeckung bei Krankheit mitfinanzieren und manches andere mehr. Aus solchen Geschäftsbeziehungen können sich, wenn sie funktionieren,

auch ganz neue partnerschaftliche Beziehungen zwischen Betrieben und Einrichtungen entwickeln. Das wäre, auch aus vielen anderen Gründen,wünschenswert.Darauf hebt unser Antrag ab. – Letzter Satz, Herr Präsident.

Ich bitte darum.

Deswegen ist dies aus unserer Sicht die realistischere und sachdienlichere Alternative.Vor diesem Hintergrund hoffen wir auf eine konstruktive Ausschussberatung. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Vielen Dank, Herr Abg. Merz. Ich darf Ihnen im Namen des Hauses für Ihre erste Rede einen Glückwunsch aussprechen.

(Allgemeiner Beifall)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Rentsch für die Fraktion der FDP das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute hier im Hause etwas Lichtprobleme.

(Axel Wintermeyer (CDU): Lichtprobleme!)

Lichtprobleme, korrekt. Ich weiß nicht, ob das Licht aus Biomasse ist. Sollte das so sein, sollte man auf jeden Fall noch einmal über die Energiewende nachdenken.

Herr Kollege, wenn ich Sie unterbrechen darf: Sie werden sich daran gewöhnen müssen, dass man in einem Haus, das licht- und sonnendurchflutet ist, immer „Lichtprobleme“ hat, weil die Sonne morgens woanders steht als mittags.

(Zurufe: Oh!)

Vielen Dank, Herr Präsident.Wir waren uns nicht ganz sicher, ob das Präsidium für die Variierung der Lichteinstrahlung zuständig ist. Das ist also nicht der Fall.

Meine Damen und Herren,die Kollegen der Union haben einen Antrag zum Thema betriebsübergreifende Kinderbetreuung und eine Neuausrichtung in diesem Bereich vorgelegt. Auch der Änderungsantrag der Sozialdemokraten beschäftigt sich mit diesem Thema. Ich glaube, wir können es relativ kurz machen: Ja, es ist ein richtiger Schritt. Beide Anträge zielen in die richtige Richtung. Es gibt in diesem Parlament, Gott sei Dank, keine Streitigkeiten mehr darüber. Ich finde, die Sozialdemokraten machen einen guten Schritt, weil sie mit der Aussage, sie wollen auch im kommerziellen Bereich Kinderbetreuung organisieren, aus meiner Sicht auch eine Neuausrichtung

der Sozialdemokratie durchführen. Sie sagen: Ja, es soll nicht nur Kinderbetreuung im althergebrachten staatlichen Bereich sein, sondern auch im kommerziellen Markt soll Kinderbetreuung möglich sein. – Wir als FDP begrüßen das. Wir halten das für einen richtigen Schritt von der SPD.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die FDP ist der Auffassung, dass Kinderbetreuung eben nicht nur von den althergebrachten Akteuren, von den Wohlfahrtsverbänden und dem Staat durchgeführt werden sollte, sondern dass sich in diesem Bereich ein erheblicher Markt darstellt, der leider in Deutschland bis jetzt in keiner Weise richtig angesteuert worden ist.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Frau Kollegin Fuhrmann, Sie haben es geschafft, dass ich Sie auf jeden Fall erwähnt habe. Aber das mache ich immer besonders gerne.Wir waren gemeinsam – Sie werden sich gut erinnern – vor zwei Jahren in Holland und haben uns dort die Kinderbetreuungseinrichtungen angeschaut. Sie werden mit mir sicherlich gemeinsam festgestellt haben, dass dort, wenn ich mich richtig erinnere, die größte Supermarktkette in Holland ein Modell entwickelt hat, dass auf dem Dach eines jeden ihrer Supermärkte eine Kinderbetreuungseinrichtung ist, und zwar deshalb, weil der Staat dies steuerlich bevorzugt. Sie versuchen damit, in einen neuen Markt einzudringen, der Kinderbetreuung heißt. Zu erwähnen ist vor allem, dass die Qualität der Einrichtung – Frau Kollegin, davon konnten wir uns gemeinsam überzeugen – sehr, sehr hoch war.

Ich glaube, wenn man beobachtet, wie die Kinderbetreuung in anderen Ländern neu organisiert wird, wie andere Länder den Weg vom althergebrachten staatlichen System zu neuen Systemen gehen,wo man auch versucht,private Unternehmen einzubinden und sagt: „Ja, private Unternehmen können bei der Kinderbetreuung einen wichtigen Anteil darstellen“, Frau Kollegin, dann muss man auch diese Wege gehen.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ich hoffe, dass die SPD mit uns bereit ist, diese Wege zu beschreiten und dass wir eben nicht mehr über die althergebrachte staatliche Kinderbetreuung reden. Frau Kollegin Fuhrmann, „Private vor dem Staat“, das könnte auch für die Sozialdemokraten ein neues Motto werden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Die Modelle, die wir hier diskutieren, sind aus meiner Sicht richtig. Wir brauchen gerade in Unternehmen Kinderbetreuung, weil es für viele Eltern sehr vorteilhaft ist, wenn Kinder vor Ort am Arbeitsplatz betreut werden. Wenn sich das Ganze in den Tagesrhythmus einbinden lässt, macht das Sinn. Es ist im Antrag der Union gesagt worden,es gehe nicht nur um große Betriebe,in denen das heute schon praktiziert wird. Wir waren vor Kurzem mit der Fraktion beim Betriebskindergarten der Commerzbank in Frankfurt. Dass die sich das leisten können, ist relativ wahrscheinlich. Aber man sieht, dass dort eine gute Arbeit geleistet wird. Unsere Frage muss sein: Wie bekommen wir die kleinen und mittelständischen Unternehmen dorthin, da mitzumachen?

(Beifall bei der FDP)

Wir haben auch schon einmal darüber diskutiert, und ich will es gerne noch einmal aufnehmen, dass auch der Hes

sische Landtag bisher keine Kinderbetreuung anbietet. Wir sollten gemeinsam darüber reden, vielleicht im Ausschuss, wo das bleibt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es ist richtig, dass alle Unternehmen, im öffentlichen Bereich, aber auch im privaten Sektor, diese Möglichkeiten nutzen sollten.An dieser Stelle hat der Hessische Landtag eine Vorbildfunktion. Es gibt in der Nähe eine Kindertagesstätte der evangelischen Kirche. Hier bieten sich Kooperationsmöglichkeiten an. Wir werden in den nächsten Wochen darüber diskutieren, ob der Hessische Landtag nicht einen eigenen Akzent setzen kann.