Protokoll der Sitzung vom 29.03.2012

Dass es gar keine Waffen produzieren soll. Wenn Sie dieser Auffassung sind, dann frage ich auch: Woher kriegt die Bundeswehr ihre Waffen?

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Keine!)

Auch keine mehr. Das ist eine grundlegend pazifistische Position – ich darf hier Willy Brandt zitieren –, die allerdings von der Sozialdemokratie nicht geteilt wird. Ich wundere mich übrigens auch, dass DIE LINKE für sich in Anspruch nimmt, mittlerweile eine pazifistische Partei zu sein, und zwar in allen Teilen. Wenn dem nicht so sein sollte, dann ist das Ihre Position, die mag Ihnen – –

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Militaristen pur! – Gegenruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE): Jetzt regen Sie sich einmal nicht so auf, Herr Irmer!)

„Militaristen pur“, na ja. – Ich will keinem Pazifisten aberkennen, dass er sich als Pazifist in der Tat gegen jede Form von Krieg und Aufrüstung verwahrt. Das ist eine ehrenhafte Position. Willy Brandt hat für uns einmal die Position beschrieben:

Die SPD ist keine pazifistische Partei, obwohl Pazifisten in unseren Reihen sind, die... geachtet werden.

(Beifall bei der SPD)

Das ist, glaube ich, die richtige Position, die die Sozialdemokratie ausgewogen wahrnimmt. Man kann auch über Libyen, weil dies hier schon angesprochen wurde, sehr viel diskutieren. Ich glaube aber nicht, dass dieser Krieg mithilfe des großen Papierfliegers beendet worden wäre. Ganz im Gegenteil: Gaddafi hätte sicherlich denjenigen, die man sonst gemeinhin aus Ihren Reihen vielleicht als Revolutionäre bezeichnet, mit seiner Armee und der damit verbundenen Luftüberlegenheit den Garaus gemacht, um es ganz deutlich zu sagen; und diese Auseinandersetzung wäre anders ausgegangen. Jetzt kann man sich darü

ber unterhalten, ob das Ziel, das wir vielleicht haben, erreicht wurde. Es wird aber sicherlich nicht zu bestreiten sein, dass diese militärische Auseinandersetzung anders ausgegangen wäre.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben allerdings ein Thema in diesem Antrag überhaupt nicht angesprochen, das sicherlich auch viele derjenigen umtreibt, die sich mit Rüstungsexporten beschäftigen – Herr Müller –, die sogenannten Dual-Use-Güter, man könnte auch sagen: „zwei Verwendungsmöglichkeiten“. Wie auch immer, es ist ein ständiges Thema.

Vor zwei Wochen hat die „Auto Bild“ groß kritisiert, dass beispielsweise deutsche Zugmaschinen offenkundig auch in Länder geliefert werden, die als Gruppe die arabischen Staaten, wie ich sie einmal insgesamt nenne, geheißen werden. Es gab große Kritik an Volvo, Mercedes und Iveco. Man wollte offenkundig den GRÜNEN Herrn Fischer und Frau Hohmann-Dennhardt treffen, nach dem Motto: „So reden Sie, und so handeln Sie“. Man kann diese Maschinen dazu benutzen, um Bagger und Raupen zu transportieren. Selbstverständlich kann man darauf auch einen Panzer setzen.

Jetzt zur Konversion. Wie sieht denn die Konversion dieser Fahrzeuge aus? Was heißt denn das für das Achsenwerk von Mercedes in Kassel?

(Zuruf von der CDU: Es wird nicht mehr gebaut!)

Machen wir das jetzt dicht, weil Zugmaschinen offenkundig dafür genutzt werden, um auch Panzer zu transportieren? Was ist mit dem Unimog, dem Universalen Motorgerät, das die Straßenmeistereien in Hessen gern fahren, das aber leider auch gern von Armeen genutzt wird? Dürfen die grundsätzlich nicht mehr exportiert werden? Was passiert mit dem Mercedes-Geländewagen, den Herr Frömmrich schon genannt hat, der gepanzert durchaus dazu dient, entsprechende Personen der UNO zu transportieren? Dürfen die nicht mehr exportiert werden?

Herr van Ooyen, es gibt also eine Vielzahl von Gütern, wo die Entscheidung nicht so einfach ist, zu sagen: Das ist jetzt ein Militärgut. – Es definiert sich am Ende über die Frage, wie es genutzt wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Damit sind wir bei etwas, was sicherlich, nachdem die OstWest-Konfrontation in Deutschland Gott sei Dank durch die Einheit beendet wurde, auch die Frage der Konversion als solche betrifft. Die DDR hat nachweislich originäre Rüstungsgüter nur zu einem geringen Teil produziert, weil die DDR im Rahmen der Aufteilung des Warschauer Paktes für die Produktion der Güter nicht vorgesehen wurde. Vielleicht war das auch ein Misstrauen gegenüber den Deutschen. Ich weiß es nicht, ob das vielleicht eine Rolle gespielt hat.

Aber ein großer Teil der dort produzierten Güter – auch für die Nationale Volksarmee und die verbündeten Truppen – hat, obwohl sie unter dem Aspekt hergestellt wurden, den ich gerade genannt habe – dual use –, schlicht und einfach dazu geführt, dass die Betriebe danach dichtgemacht wurden. Denn die Güter brauchte niemand mehr – weder die entsprechende Funktechnik noch die Fallschirme noch die anderen für eine Armee notwendigen Güter. Wir unterhalten uns aber nicht über Dual-Use-Güter. Wir unterhalten uns über die umgekehrte Frage, näm

lich über diese Güter, die von der Waffenindustrie oder der Wehrtechnikindustrie, wie sie Herr Schork genannt hat, in der Regel in geringer Zahl produziert werden.

Herr Schork, wenn man sich mit Konversion beschäftigt, sollte man schon ein wenig davor warnen, dass man eben einmal aus der Rakete eine Teflonpfanne entwickelt und damit das Problem dieses Betriebes geregelt ist.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Das habe ich nicht gesagt! – Gegenruf von der SPD: Das ist aber eine zündende Idee!)

Aber alle, die sich mit Konversion beschäftigen, sagen, dass das eben nicht so einfach ist. In der Regel ist damit Arbeitsplatzverlust verbunden. Als Pazifist kann man grundsätzlich sagen, dass das dann eben so ist.

(Günter Rudolph (SPD): Man kann auch sagen: Ist mir egal!)

In der Regel ist es auch nicht so, dass die gesättigten Märkte, die wir in der Bundesrepublik Deutschland haben, sagen: Wir brauchen zusätzliche Produkte aus diesem Bereich. – In der Regel ist auch die Fahrzeugindustrie, um diese einmal zu benennen, nicht darauf angewiesen, zusätzlich von Krauss-Maffei Wegmann noch ein paar Hinweise zu bekommen, wie man beispielsweise bessere Unimogs baut. In der Regel ist damit eine Einstellung der Produkte verbunden. Das kann man so fordern. Das ist auch nicht das Problem eines Pazifisten, aber es ist das Problem von uns, wie wir damit umgehen.

Jetzt kommen wir zum Bundesland Hessen. Wir als Bundesland Hessen sind sicherlich der falsche Ansprechpartner. Wir verfügen weder über eine Landwehr, die die Produkte abnimmt, noch sind wir diejenigen, die diese entsprechenden Firmen besitzen – es sei denn, man würde ein bisschen interpretatorisch in der Verfassung nachlesen und den Bereich der Eisen- und Stahlproduktion erweitern und sagen, wir müssten jetzt Krauss-Maffei Wegmann in Gemeineigentum überführen. Ich wundere mich, dass diese Forderung nicht kommt. Dann könnte das Land Hessen direkt eingreifen. Das ist ja sonst eine Forderung, die Sie gern stellen. Man muss sich also schon überlegen, was wir dort machen.

Herr van Ooyen, den Prozess als solchen, Abrüstung weltweit zu betreiben, wollen wir vorantreiben. Aber den anderen dahinterstehenden Prozess der europäischen Einigung, der auch bedeutet, dass ein Punkt der Friedensdividende eintritt, der von Ihnen immer wieder formuliert wird, nämlich Rüstung im wahrsten Sinne des Wortes, was die Produkte angeht, vergleichbarer zu machen und nicht zu teuer zu machen, um dann auch die Kosten für die Armeen in Europa zu reduzieren – angesichts der Vielfalt von verschiedenen Betrieben, die wir in Europa haben –, voranzutreiben, würden Sie doch wahrscheinlich als ersten Schritt teilen. Wenn Sie dies als ersten Schritt teilen, dann ist Ihre Position, die Sie da formuliert haben, wonach wir im Rahmen der NATO sicherlich dabei sind, die verschiedenen Betriebe oder die verschiedenen Länder mit verschiedenen Funktionen zu versehen – das ist sogar schon bei der Armee geplant, dass gewisse Kontingente von Armeen nur noch für gewisse Bereiche gestellt werden, sodass der eine die Marine stellt, der andere einen Teil der Luftwaffe und der nächste einen Teil des Heeres stellt –, dass dies sich dann natürlich auch bei den Rüstungsbetrieben auswirken wird und am Ende das Militär günstiger machen wird.

Jetzt können wir darüber streiten, ob es klug war – ich merke, dass wir auf das Ende zugehen – die Bundeswehrreform so, wie sie gemacht wurde, durchzuführen. Wir können uns auch lange darüber streiten, ob die Verheißungen eines gewissen Herrn K. T., der behauptet hat, dass man 8 Milliarden € bei der Bundeswehr im Bereich der jetzt anstehenden Umstrukturierung einsparen kann, tatsächlich so wahr waren. Ich höre von denjenigen, die im Bundestag sind, nur, das wird alles teurer werden. Das alles kann man diskutieren.

Aber wir sollten vielleicht noch einen abschließenden Punkt benennen, der in der Tat ein bisschen problematisch zu sein scheint. Sie führen hier Syrien an. Ich will einen anderen Punkt von Herrn Schork benennen. Das, was hier im Antrag zu Syrien genannt wird, ist ein bisschen merkwürdig. Denn die Position mehrerer Mitglieder Ihrer Bundestagsfraktion ist, wenn wir das richtig nachgelesen haben, die Forderung nach einer Aufhebung der Embargomaßnahmen gegen Syrien.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Meine Damen und Herren, wenn das der Punkt ist, dann kann ich Ihnen nur sagen: Es geht doch wohl maßgeblich um Rüstungsgüter.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Deswegen schreiben die auch solche Briefe dahin!)

Herr van Ooyen, das abschließend zum Thema Pazifismus: Das müssten Sie dann schon näher erklären, wieso eine Zivilmaßnahme – es ist offensichtlich keine militärische – –

Herr Kollege Warnecke, Sie müssten zum Ende kommen.

Sie müssen erklären, wieso eine zivile Maßnahme wie die Einschränkung der Belieferung eines Staates, der offenkundig gegen seine zivile Bevölkerung Krieg führt, jetzt keine aus Ihrer Sicht zu treffende Maßnahme ist, sondern offenkundig – jedenfalls indirekt – Rüstungslieferungen aus Russland und anderen Staaten notwendig sind, um dort die, wie ich finde, diktatorische Ordnung aufrechtzuerhalten. Ich denke, das müssten Sie noch einmal erklären. – Ich danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Warnecke. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr van Ooyen gemeldet. Bitte schön. Zwei Minuten.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Herr Warnecke, was die Frage der Waffenlieferung angeht – gerade was Syrien betrifft –, da gibt es nicht nur die Waffenlieferungen, die von der Sowjetunion oder von China dorthin gemacht werden,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Die Sowjetunion gibt es nicht mehr!)

sondern es geht im Grunde genommen darum, dass dort eine Gegenarmee ausgestattet worden ist und wir dort einen Bürgerkrieg inszeniert haben. Das Gleiche gilt übrigens für Libyen. Irgendjemand hat gesagt, wir würden sozusagen das Blut nicht sehen, das dort geflossen ist.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Nein! Wer hat da was inszeniert? Das ist eine komische Geschichtsbetrachtung! Jetzt müssen Sie das mal sagen!)

50.000 Tote hat der Krieg gegen Libyen gekostet, und er ist zu Ende. Das sage ich noch einmal deutlich. Diese Gaddafi-Unterstützung fand doch mithilfe der Bundesrepublik und Europas statt.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben doch auf die Hilfe gesetzt, die als Waffenlieferungen an Gaddafi durch Frontex gegangen sind.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Wer wollte denn nach Libyen reisen zu Gaddafi? Die Hessische Landesregierung!)

Das sind doch halbherzige und doppelbödige Diskussionen, die Sie hier führen. Ich will Ihnen Folgendes sagen: Statt Waffen zu produzieren, können wir auch etwas anderes produzieren. Denn das ist im Grunde genommen von der Berechnung her ganz einfach. Die Waffenproduktion lohnt sich nur, wenn man einen Krieg gewinnt und denjenigen, den man besiegt hat, dafür zahlen lässt. Sonst rechnet sich diese Waffenproduktion überhaupt nicht.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie sind im Denken der Sowjetunion verhaftet!)

Lassen Sie uns von daher andere Dinge produzieren, die vernünftig sind und gebraucht werden und die helfend sind – beispielsweise im Bereich der Katastrophenschutzentwicklung. Aber Waffen zu produzieren ist wirklich Unsinn und auch volkswirtschaftlich nicht zu begründen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr van Ooyen. – Herr Warnecke, Sie haben zwei Minuten Zeit, zu antworten.