Protokoll der Sitzung vom 29.03.2012

Denn dass in Saudi-Arabien Menschenrechte wenig gelten, ist bekannt.

Ansonsten werden Waffenlieferungen in zahlreiche Spannungsgebiete zumeist geräuschlos abgewickelt. Die deutschen Waffenproduzenten haben die Konkurrenz aus Ländern wie Frankreich oder Großbritannien längst überholt. Die Ausfuhren gehen in mehr als 130 Länder. In jüngster Zeit schwangen sich die Golfstaaten zu den Hauptimporteuren auf. So waren im letzten Jahr die Vereinigten Arabischen Emirate die Nummer eins, und auch Saudi-Arabien vergibt gigantische Aufträge nach Deutschland.

Große Abnehmer sind unter anderem auch die Türkei und Griechenland. Diese Länder rüstet die Bundesrepublik gegeneinander auf.

Es ist wichtig, Griechenland finanziell unter die Arme zu greifen. Eine Bedingung müsste aber lauten, dass der Rüstungshaushalt dort wirklich heruntergefahren wird. Prozentual zum Bruttoinlandsprodukt gerechnet ist der Militäretat Athens doppelt so hoch wie im Restbereich der EU. Dennoch werden dort weiterhin Waffen geordert, da gibt es keine Einschränkungen – während Löhne und Ge

hälter gesenkt werden. Das ist ein skandalöser Zustand. Wir sollten hier Initiativen ergreifen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich nenne Ihnen einen weiteren Aspekt deutscher Rüstungspolitik: Nicht nur in der Türkei, sondern auch in Saudi-Arabien wurde eine Fabrikanlage für deutsche Sturmgewehre gebaut. Außerdem werden Leopard-Panzer dorthin verschifft, die können schon rein geografisch nicht gegen den Iran eingesetzt werden, wohl aber gegen Israel, gegen aufständische Nachbarstaaten wie Bahrain und vom Bautyp her gegen die eigene Bevölkerung. Für mich ist der Export von 200 Kampfpanzern nach SaudiArabien ein fatales Zeichen gegenüber den Freiheitsbewegungen in der arabischen Welt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Lieferungen von Waffen und Ausrüstungen zur Kriegsführung sowie zur innerstaatlichen Unterdrückung an diktatorische Regimes ist ein permanenter Skandal deutscher Außen- und Außenwirtschaftspolitik. Das sehen die beiden christlichen Kirchen in ihrem gemeinsamen Rüstungsexportbericht der GKKE genauso.

Mir ist unbegreiflich, dass Deutschland Waffen in Staaten liefert, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Wie sollen wir das denjenigen vermitteln, die sich im eigenen Land für Freiheit und Menschenrechte engagieren? Um unser Ziel des grundsätzlichen Verbots des Waffenhandels zu erreichen, brauchen wir ein breites gesellschaftliches Bündnis. Die Kampagne gegen Rüstungsexport spiegelt den gesellschaftlichen Konsens wider. Die Menschen wollen nicht, dass Deutschland die Welt aufrüstet. Die Bundesrepublik handelt mit ihrer exportorientierten Genehmigungspraxis diametral gegen den Willen einer breiten Mehrheit. Das machen wir publik, sicherlich auch in den nächsten Jahren.

(Beifall bei der LINKEN – Vizepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vorsitz.)

Die Aufschrei-Kampagne der Friedensbewegung fordert von der Bundesregierung, den skandalösen Waffenhandel endlich wirksam zu unterbinden.

Noch ein anderer Aspekt muss dabei ins Auge gefasst werden. Die Bundesregierung genehmigt nicht nur Rüstungsexporte in immer größerer Zahl, sie sichert viele dieser Geschäfte mit staatlichen Ausfallbürgschaften ab und beteiligt auch den Steuerzahler an einigen Waffenexportgeschäften. Wir fordern die Beschränkung dieser Ausfallbürgschaften auf zivile Produkte, die an nicht militärische Empfänger geliefert werden.

Wir fordern Sie auf, in Hessen eine neue gesellschaftliche Debatte über Rüstungskonversion zu führen. In diesem Zusammenhang begrüße ich ausdrücklich den Antrag, den die GRÜNEN eingebracht haben. Die Umstellung von militärischer auf zivile Produktion und ein Ende der skandalösen Waffenlieferungen gehören auf eine Agenda der Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch ein Ende der verdeckten militärischen – –

Sie müssten zum Ende Ihrer Rede kommen.

Ja, ich komme zum Ende meiner Rede. – Auch ein Ende der verdeckten militärischen Grundlagenforschung an der Universität ist notwendig.

In diesem Sinne werden sich auch in diesem Jahr wieder in zahlreichen hessischen Gemeinden Menschen an den bevorstehenden Ostermärschen beteiligen, auch die Mitglieder meiner Fraktion. Es wäre schön, wenn sich andere hier Anwesende diesen Demonstrationen anschließen würden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr van Ooyen. – Als nächster Redner spricht zu uns Jürgen Frömmrich von den GRÜNEN.

(Holger Bellino (CDU): Geht das auch ohne die finanzielle Unterstützung von Honecker?)

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe darauf gewartet und gehofft, Willi würde es noch schaffen, den Werbeblog für die Ostermarschkampagne hineinzubekommen. Aber man hat ja gesehen, es ist ihm auf den letzten Metern noch gelungen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es ist aller Ehren wert, über die Rüstungsexportpolitik der Bundesrepublik Deutschland zu diskutieren. Wir haben dazu auch einen Antrag vorgelegt.

Wir bedauern sehr, dass der Anspruch der Bundesrepublik Deutschland, eine restriktive Rüstungspolitik zu betreiben, in der Praxis nur unzureichend umgesetzt wird. Eine restriktive Rüstungspolitik sollte sich an den Zielen der Gewaltvermeidung, der Menschenrechte und einer nachhaltigen Entwicklung orientieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Leider müssen wir feststellen, dass es ein dramatisches Missverhältnis zwischen den friedenspolitischen Zielen Deutschlands einerseits und den fragwürdigen Exporterfolgen der deutschen Rüstungsindustrie andererseits gibt. Es ist nicht ganz verwunderlich, wenn der Bericht der Bundesregierung über die Exportpolitik der konventionellen Rüstungsgüter im Jahr 2010 mit dem Logo des Wirtschaftsministers versehen ist. Dort kann man lesen: Wirtschaft, Wachstum, Wohlstand. – Meine Damen und Herren, dies ist keine gute Headline für den Bericht über wachsende Rüstungsexporte der Bundesrepublik. Falsches Ministerium, falsches Logo.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deutschland liegt auf Platz drei bei den Rüstungsexporten. Das SIPRI-Institut meldet: Mit 30 % werden die meisten Waffen aus den USA exportiert. Die Ausfuhr aus Russland liegt bei 24 %. Deutschland zählt mit 9 % zu den großen Waffenexporteuren. Frankreich und Großbritannien liegen mit 8 bzw. 4 % aller Waffenexporte hinter der Bundesrepublik Deutschland. In den letzten fünf Jahren haben die Waffenexporte um 24 % zugenommen. In Deutschland sind die Waffenexporte um 37 % gesteigert worden. – Meine Damen und Herren, das ist keine gute

Entwicklung. In diesem Bereich sollten wir restriktiver vorgehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Auf Druck der grünen Bundestagsfraktion wurden schon im Jahr 2000 die politischen Grundsätze der Bundesregierung für Rüstungsexporte deutlich verschärft. Leider müssen wir erkennen, dass diese Grundsätze keine ausreichende Bindekraft entfalten. Entgegen den Grundsätzen setzen sich oft die wirtschafts- und industriepolitischen Interessen gegen die Menschenrechtsinteressen durch.

Wurden 1997 noch Ausfuhren in Höhe von 707,4 Millionen € getätigt, waren es im Jahr 2010 schon Ausfuhren in Höhe von 2,1 Milliarden €. Darin sind die geplanten Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien noch gar nicht enthalten.

Bereits jetzt sind 70 % aller Produkte der deutschen Rüstungsindustrie für den Export bestimmt. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Brasilien oder Indien sind die zahlungskräftigsten Abnehmer deutscher Rüstungsgüter. Dem wachsenden Rüstungsexport stehen eine mangelnde Transparenz und eine fehlende parlamentarische Kontrolle bei den Rüstungsexporten gegenüber. Deshalb hat unsere Bundestagsfraktion im Januar dieses Jahres Eckpunkte für ein Rüstungskontrollgesetz vorgelegt.

Meine Damen und Herren, wir müssen an der Debatte um die Rüstungsexporte und auch bei den Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien sehr genau sehen, dass dieser Problembereich mangelnd transparent ist und wir dafür eine ordentlich funktionierende parlamentarische Kontrolle brauchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Zu den Zielen, die unsere Bundestagsfraktion formuliert hat, gehören beispielsweise die gesetzliche Verankerung von Rüstungsexportentscheidungen, eine verbindliche Berichtspflicht, die Federführung beim Auswärtigen Amt und nicht beim Wirtschaftsministerium, die Stärkung der Kontrollrechte des Parlaments, ein Verbot der Lizenzvergaben für Drittstaaten – Willi van Ooyen hat das gerade für die Gewehre gesagt – eine Endverbleibskontrolle, die sicherstellt, dass Waffen, die in NATO-Partnerländer geliefert werden, auch wirklich dort verbleiben, und letztendlich die Einführung eines Verbandsklagerecht.

Diese Vorschläge für ein Rüstungsexportgesetz werden dazu führen, dass in diesem Bereich restriktiver und zurückhaltender bei den Exporten in Drittländer vorgegangen wird. Wir finden es wichtig, dass wir in diesem Bereich restriktiver und zurückhaltender vorgehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Gegensatz zu den LINKEN sind wir aber nicht für eine generelle Einstellung der Exporte.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Gestern für Autos, heute für Waffen!)

Frau Kollegin Wissler, vielleicht verhindert vertiefte Sachkenntnis auch die muntere Debatte. – Herr van Ooyen, wenn Sie einmal in die Anlage 7 des Berichts der Bundesregierung sehen, können Sie entnehmen, dass es durchaus Lieferungen gibt, die unter diesen Bereich der Rüstungsexporte fallen, die aber für humanitäre Zwecke oder für VN-Missionen dienen. Frau Kollegin Wissler, ei

nige Beispiele, auch für Sie: Minenräumgeräte, die nach Afghanistan und nach Jordanien gehen. Frau Kollegin Wissler, wollen Sie das in der Tat verbieten?

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Geländewagen mit Sonderschutz an Hilfsorganisationen oder Botschaften in Jordanien, Kenia oder Aserbaidschan: Wollen Sie das wirklich verhindern, Frau Kollegin Wissler?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lkw-Teile für den Katastrophenschutz nach Haiti: Frau Kollegin Wissler, wollen Sie das wirklich verhindern? Teile von Maschinenpistolen für VN-Missionen, also für UN-Missionen, nach Kambodscha und in den Libanon: Wollen Sie in der Tat verhindern, dass diese Institutionen, die im Auftrag internationaler Organisationen tätig sind, mit solchen Gütern, die sie schützen, beliefert werden? Frau Kollegin Wissler, wir glauben, nein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der LINKEN)

Um Aspekten der Menschrechte mehr Gewicht zu verleihen und der Gefahr innerstaatlicher Repression zu begegnen, sollten die gemeinsamen Standpunkte der EU zu Waffenexporten im Außenwirtschaftsgesetz und im Kriegswaffenkontrollgesetz verankert werden. Dazu gehören erstens die Einhaltung internationaler Verpflichtungen, zweitens die Achtung der Menschenrecht und des humanitären Völkerrechts, drittens die Berücksichtigung der inneren Lage im Endbestimmungsland, viertens die Aufrechterhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der jeweiligen Religion, fünftens die Sicherung der nationalen Sicherheit der Mitgliedsstaaten sowie befreundeter Länder, sechstens die Bewertung des Verhaltens des Käuferlandes gegenüber der internationalen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung der Art der von ihm eingegangenen Bündnisse und der Einhaltung des Völkerrechts, siebtens die Verminderung des Risikos der Abzweigung von Militärtechnologie oder Militärgütern im Kaufland oder der Wiederausfuhr von Militärgütern unter unerwünschten Bedingungen und achtens die Vereinbarkeit der Handelsaktivitäten mit der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Empfängerlandes.

Das sind gute grundsätzliche Standpunkte, die von der EU formuliert worden sind. Andere europäische Länder, wie Großbritannien, Schweden, Dänemark, Tschechien und Österreich, haben diese gemeinsamen Standpunkte bereits in nationales Recht übernommen. Die Rüstungsexportrichtlinien und die gemeinsamen Standpunkte der EU enthalten viele gute Kriterien für eine restriktive Exportpolitik. Wir sollten diese Normen auch bei uns gesetzlich verankern. Es würde auch der Bundesrepublik Deutschland gut anstehen, die EU-Standpunkte in nationales Recht zu überführen.