Gleichwohl sind die Grundrechte, die im Grundgesetz verankert sind, auch mit Einschränkungen versehen.
Diese Rechtsgüter, d. h. die Versammlungsfreiheit und die Meinungsfreiheit, werden immer dann begrenzt, wenn der Schutz der Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit gefährdet wird.
In diesem Spannungsverhältnis befinden wir uns, wenn wir über das Verbot oder die Nichtgenehmigung von Demonstrationen, in diesem Falle in Frankfurt, reden. Herr Kollege Grumbach ist darauf auch eingegangen.
Meine Damen und Herren, wir bedauern ausdrücklich, dass es bei den Kooperationsgesprächen zwischen den Veranstaltern der Demonstration und der Ordnungsbehörde der Stadt Frankfurt, die es im Übrigen gegeben hat
ja, Herr Kollege van Ooyen, mehrere konnten auch nicht stattfinden, wenn Sie sich einmal die Verbotsverfügung anschauen –, nicht zu einer einvernehmlichen Lösung gekommen ist, die zu einer Genehmigung der geplanten Demonstration bei gleichzeitiger Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geführt hat.
Das bedauern wir ausdrücklich, obwohl wir wissen, wie schwierig diese Gemengelage ist. Es geht da nicht nur um eine Demonstration; es geht um viele Veranstaltungen an mehreren Tagen in einer Stadt. Es geht um eine Vielzahl von Veranstaltungen mit insgesamt 17 Anmeldern von Demonstrationen. Die Gemengelage ist schwierig. Ich glaube, es ist aber alle Mühe wert, zu versuchen, diese Veranstaltung zu genehmigen, im Sinne unseres Grundrechts auf freie Meinungsäußerung und Demonstrationsfreiheit.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Die muss nicht genehmigt werden!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kollege Bellino, es ist natürlich legitim, am Bankenstandort und vor den Bankentürmen in Frankfurt friedlich zu demonstrieren und seine Kritik am Kapitalismus zu äußern. Herr Kollege Bellino, das ist legitim. Man muss diese Kapitalismuskritik nicht teilen; man mag die Argumente nicht gut finden; man muss aber ertragen, hinnehmen und akzeptieren, dass diese Kritik geäußert wird. Das zeichnet im Übrigen gute Demokraten aus, Herr Kollege Bellino.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Holger Bellino (CDU): Das hat niemand bestritten! Was soll das?)
Es zeichnet gute Demokraten gerade aus, dass sie die Meinung der Andersdenkenden respektieren und akzeptieren.
Sie müssen sie nicht teilen. Sie sollten sie aber akzeptieren, und sie sollten ertragen, dass es am Kapitalismus eben auch Kritik gibt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist nicht das Thema!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen ist schon die Überschrift Ihres Antrags, so finde ich, einigermaßen krude. Man weiß dann auch gleich, wo die Reise hingeht. In der Überschrift heißt es: „... betreffend extremistische Gewalttaten und Infragestellung unseres erfol
greichen Wirtschaftssystems bedrohen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“. Die „Infragestellung unseres erfolgreichen Wirtschaftssystems“ gefährdet eben nicht die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Das darf man bei uns. Dieser Satz ist Quatsch, das ist Unsinn. Das ist mitnichten so.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Holger Bellino (CDU): Das hat keiner bestritten! Sie sollten einmal zuhören!)
Wenn Sie sich zu dem, was die freiheitlich-demokratische Grundordnung angeht, vielleicht einmal die Definition des Bundesverfassungsgerichts anschauen, werden Sie sehen, dass dem nicht so ist. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, vor allem das Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortung der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrheitsprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Da steht nicht drin, dass man das Wirtschaftssystem nicht infrage stellen darf. Von daher gehen Sie fehl, und in dieser Frage sollten Sie einmal die Definition des Bundesverfassungsgerichts nachlesen.
Man kann bei uns gegen das Wirtschaftssystem demonstrieren. Das ist erlaubt, und es ist gut so, dass Menschen ihre Meinung frei und offen äußern können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben es mit einer Finanz- und Wirtschaftskrise zu tun. Wir haben es in vielen Ländern mit einem Zusammenbrechen der Realwirtschaft zu tun. Wir haben in Griechenland, Spanien und Portugal Arbeitslosigkeit und Verarmung. Wir haben es mit Menschen zu tun, die keine Perspektive mehr haben. Wir haben es in Griechenland mit Wahlergebnissen zu tun, die beängstigend sind, weil sie die Ränder stärken und weil dort Extremisten stark werden. Das kann einen doch nicht kaltlassen. Daher muss man doch wenigstens Verständnis dafür haben, dass es Menschen gibt, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen und dagegen demonstrieren. Das muss man doch verstehen. Das unterscheidet uns.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))
Herr Kollege Bellino, vielleicht hören Sie einmal zu, das wird vielleicht dazu führen, dass das eine oder andere auch für Sie klar wird.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Reden Sie jetzt zum Thema! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Ich habe gerade noch einmal versucht, zu sagen, warum es viele Menschen gibt, die das Gefühl haben, dass sie dagegen demonstrieren müssen.
Herr Kollege Beuth, das unterscheidet uns im Übrigen von anderen Staaten, die Andersdenkende niederprügeln oder die Opposition in Kerker stecken. Es unterscheidet uns, dass diese Menschen bei uns frei, offen und natürlich gewaltfrei demonstrieren können. Das sage ich ganz deutlich.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Judith Lannert (CDU): Sagen Sie etwas zum Thema!)
Meine Damen und Herren, wenn man die Grundrechte abwägt, muss auf der anderen Seite natürlich auch klar sein, dass diese Grundrechte, zu protestieren und die Meinung frei zu äußern, friedlich und gewaltfrei in Anspruch genommen werden. Es kann nicht sein, dass ganze Städte lahmgelegt werden.
Es kann nicht sein, dass man in Frankfurt die gesamte Innenstadt lahmlegt, obwohl das Bundesverfassungsgericht – vertiefte Sachkenntnis verhindert die muntere Debatte – dazu auch gesagt hat, dass es zu Beeinträchtigungen kommen und dass es geplante Beeinträchtigungen geben könne. Herr Kollege Grumbach hat das gerade zitiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen es in diesen Fragen hinbekommen, auf der einen Seite die Grundrechte auf Demonstrations- oder Versammlungsfreiheit zu wahren. Wir müssen aber auch die Rechte Dritter schützen. Das ist der Konflikt, in dem wir uns befinden. Ich glaube, dass man diesen Konflikt lösen kann. In vielen anderen Fällen ist es geschehen.
Ich glaube, dass wir auch die Rechte von Anwohnerinnen und Anwohnern, von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und von Selbstständigen in der Stadt Frankfurt schützen müssen. Deshalb wünschen wir uns, dass die Kooperationsgespräche zwischen den Anmeldern und den Demonstranten auf der einen Seite und der Stadt Frankfurt auf der anderen Seite wieder aufgenommen werden, mit dem Ziel, dass dieser Interessenkonflikt zwischen der Demonstrationsfreiheit und dem Schutz der Rechte Dritter gelöst wird. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Demonstrations- und Meinungsfreiheit muss eben auch die Rechte der in der Stadt lebenden und arbeitenden Menschen im Blick haben.
Ich glaube, das werden am Ende die Gerichte entscheiden. Es sollte aber wenigstens der Versuch unternommen werden, diesem Anliegen gerecht zu werden.
Ich komme zum Schluss. – Noch einmal: Die Demonstrationsfreiheit muss verteidigt werden, aber die Rechte der in Frankfurt lebenden und arbeitenden Menschen müssen gewahrt werden, und es muss ein klares Bekenntnis zur Gewaltfreiheit geben. Solche Szenen wie am 31. März dürfen in Frankfurt nicht mehr stattfinden. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Frömmrich. – Bevor wir in der Rednerrunde fortfahren, freue ich mich über einen Ehrengast heute Morgen. Herzlich willkommen, Herr Dr. Jung, Kirchenpräsident von Hessen und Nassau. Sie haben heute Morgen schon die Andacht gehalten. Es ist schön, dass Sie hier sind. Herzlich willkommen.
Wir fahren mit einer Kurzintervention von Herrn Kollegen Bellino fort. Sie haben zwei Minuten Redezeit, Herr Bellino.
Herr Kollege Rudolph, das werden wir sehen. Ich habe mich aber nicht auf eine Einlassung von Ihnen gemeldet, sondern auf Einlassungen des Kollegen Frömmrich. – Herr Frömmrich, meine Damen und Herren, dazu möchte ich zunächst einmal feststellen: Seien Sie sicher, wir benötigen die LINKEN nicht.