Insofern ist das ein erster Schritt. Wir fragen uns, wieso man dafür fünf bzw. drei Jahre braucht. Wir fragen uns auch, warum, zum Teufel, Sie eigentlich einen Modellversuch brauchen.
Ich möchte dazu gern aus einer sehr interessanten Studie mit dem Titel „NUBBEK“ zitieren, die von der Bundesregierung in Auftrag gegeben wurde. Sie ist übrigens kein gutes Ergebnis und besagt, dass sich in gut 15 Jahren die pädagogische Prozessqualität nicht verändert hat. Das heißt, die Qualität von Kindergärten wird deutlich kritisiert, auf mehreren Seiten. Was ich jetzt zur Qualität zitieren will, bedeutet auch, dass wir bereits im Rahmen der Nationalen Qualitätsinitiative einen nationalen Kriterienkatalog für beste Fachpraxis entwickelt und erfolgreiche Methoden der systematischen Qualitätsentwicklung in Kindertagesstätten erprobt und vielfach angewendet haben. Insofern stehen konkrete erfolgreiche Methoden zur Verfügung. Ich muss es so sagen, wie es ist: Ihr Modellversuch ist wieder einmal ein Zeichen dessen, dass es ein dummer, fauler Kompromiss war und dass Sie nicht die Kraft haben, den Bildungs- und Erziehungsplan für dieses Land flächendeckend umzusetzen. – Das ist das eigentliche Problem.
Ich glaube auch, dass es richtig ist, dass der Gedanke gescheitert ist, Kindergärten weiter zu verschulen. Der große Fortschritt der Beschreibung des Bildungs- und Erziehungsplans ist, damals auch mit Prof. Fthenakis aufgestellt, dass er richtig beschreibt, dass es mehr gibt, worauf es in Zukunft ankommt, als nur die bloße Wissensvermittlung. Er besagt: Es geht darum, wie wir die Kinder auch musisch und kulturell bilden, ihnen mehr soziale Kompetenzen beibringen und das Entdecken und Forschen lehren. Er besagt sogar, dass wir Kindern Methoden zur demokratischen Partizipation, die wir auch weiterentwickeln müssen, beibringen.
Ich bin froh, dass die Kindergärten das umsetzen. Ich muss auch ganz ehrlich sagen: Ich glaube, wir brauchen eine verstärkte Diskussion darüber, wie das jetzt auch einmal in den Grundschulen vor sich geht. Das ist auch eine schulpolitische Frage. Während in den Kindergärten die Bereitschaft vorhanden ist, das zu tun, sind die Grundschulen wahrlich noch Meilen davon entfernt. Wir brauchen auch in Grundschulen eine bessere frühkindliche Bildung. Das wird ein großer Auftrag werden.
(Minister Stefan Grüttner: Das tut weh! – Hans- Jürgen Irmer (CDU): Was ist daran so schlecht, Herr Kollege?)
Herr Kollege Irmer, mein Sohn ist gerade in der dritten Klasse. – Ich komme zum Fazit. Von den Zielen, die im Bildungs- und Erziehungsplan beschrieben worden sind, sind die Grundschulen landesweit Meilen entfernt. Es wäre an der Tagesordnung, über die Qualitätsverbesserung in Grundschulen gründlich nachzudenken, nicht nur nachzudenken, sondern die Ziele auch so umzusetzen, wie sie im BEP beschrieben sind. Da merke ich momentan wenig Bewegung. Dass jetzt Grundschullehrerinnen mit in Kindergärten gehen, ist nichts Schlechtes; aber es wäre notwendig, dass Grundschullehrerinnen ihre Methoden auch breit angelegt verändern.
Ich glaube, dass wir deshalb feststellen können: Die qualifizierte Schulvorbereitung ist ein Ergebnis dessen, dass sich die CDU und die FDP über Jahre nicht einigen konnten. Am Ende kommt jetzt ein organisatorischer Murks heraus, der aber grundsätzlich nicht falsch ist, weil es letztlich dazu führt, dass dorthin mehr Geld fließt, dass womöglich mehr Ressourcen zur Verfügung stehen, womit wir den Erzieherinnen und Erziehern dann ermöglichen, mehr Zeit und Personal zu haben, um sich besser mit den Grundschulen zu vernetzen. Das ist alles nicht schlecht. Wir sagen aber: Eine flächendeckende Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans steht fünf Jahre nach der Beschlussfassung des Hessischen Landtags noch immer aus. Das, was Sie als Hessische Landesregierung, als CDU und FDP dazu beitragen, ist eigentlich blamabel. – Ich danke Ihnen.
Danke schön, Herr Kollege Bocklet. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Schott von der Fraktion DIE LINKE gemeldet. Bitte schön, Frau Schott. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Antrag von FDP und CDU geht es darum, die Landesregierung für ein Modellprojekt der qualifizierten Schulvorbereitung, also den Übergang von der Kita zur Schule, zu loben. Pädagogisch ist es völlig unstrittig, dass ein guter Übergang von der Kita zur Schule für ein Kind förderlich ist. Nun ist das Projekt aber so ausgerichtet, dass es auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Kita und Schule setzt, was auch wirklich Sinn hat.
Herr Rock, das aber erscheint mir insofern problematisch, da das wohnortnahe Kitas voraussetzt. Aufgrund meiner Forderung nach mehr wohnortnahen Kita-Plätzen kam die FDP zu der Erkenntnis, dies gefährde den freiheitlichdemokratischen Staat. In einer Presseerklärung vom ges trigen Tag sagt die FDP:
„Wenn es nach dem Willen der LINKEN ginge, dürften Eltern zukünftig ihre Kinder nicht mehr in einer Tagesbetreuung nahe dem Arbeitsplatz der Mutter oder des Vaters geben.“
Herr Rock, das ist grober Quatsch. Da mir Herr Rock aber nicht zuhört, kann er immer nur irgendwelche Behauptungen in die Presse schreiben, was ich gesagt hätte, ohne dass er es je gehört hat. Ich meine, diesen Nachweis tritt er gerade wieder an.
„Genau das ist Inhalt ihres neuesten Antrags. Schrittweise wollen sie mit dieser Entmündigung der Bürger unseren freiheitlich-demokratischen Staat untergraben“, erklärte René Rock, familienpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion...
Wenn also der wohnortnahe Kindergarten für einen gut gelingenden Übergang zur Schule hilfreich ist und gleichzeitig unsere Demokratie gefährdet, haben wir ein echtes Dilemma; denn erstens loben die CDU- und die FDPFraktion dann die Regierung für ein Projekt, das die Freiheit und die Demokratie in diesem Land gefährdet, und zweitens müssten wir diese gefährlichen Kitas schleunigst schließen. Ich glaube, es ist besser, wir schicken die FDP nach Hause.
(Norbert Schmitt (SPD): Das macht der Wähler! – Gegenruf von der FDP: Das haben Sie nicht zu entscheiden!)
Der Landtag stellt fest, dass die frühkindliche Bildung entscheidend dazu beiträgt, die Entwicklungschancen von Kindern zu verbessern. Ein die Ressourcen und Talente von Kindern unterstützender Übergang vom Kindergarten in die Grundschule ist ein wesentlicher Faktor, um Kindern optimale Startchancen zu bieten, und dient der Chancengerechtigkeit.
Dieser Feststellung kann ich folgen. Den dann folgenden Jubel kann ich allerdings nicht teilen. Nun kann man sich freuen, dass für eine kleine, ausgewählte Gruppe die Dinge besser werden sollen. Hier liegt aber genau das Problem; denn was die Landesregierung immer wieder macht, ist: Sie schafft Modellprojekte, lobt sich öffentlich für ihre Leuchttürme, bleibt aber in der Fläche unzulänglich.
Was alle Kitas brauchen, ist ein besserer Betreuungsschlüssel, d. h. mehr Personal. Das ist aber nicht einfach zu finden; denn erstens werden in Hessen zu wenige Erzieherinnen ausgebildet, und zweitens sind die Arbeitsbedingungen, die Bezahlung und die damit einhergehende gesellschaftliche Anerkennung so, dass Anreize für junge Menschen fehlen, diesen Beruf zu ergreifen. Die Hessische Landesregierung hat 2009 die Mindestverordnung für das Personal heraufgesetzt und zugesichert, die Kosten zu übernehmen. Als es aber ans Zahlen ging, mussten die Kommunen lange warten, und viele Kommunen wurden ganz und gar im Regen stehen gelassen. Das ist und bleibt bis heute ein Skandal.
Trotz der Erhöhung der Standards sind die Gruppen in den Kitas noch immer zu groß, um allen Kindern wirklich gerecht zu werden, d. h. alle entsprechend ihren Potenzialen und Entwicklungsbedürfnissen zu fördern. Außerdem brauchen wir Gebührenfreiheit, damit Eltern nicht darüber nachdenken müssen, ob sie sich eine Betreuung in der Kita leisten können. Immer noch besucht in Hessen nicht einmal die Hälfte der Kinder über drei Jahre eine Kita. Stattdessen bekommen wir mal wieder ein Modellprojekt ausgelobt, das wissenschaftlich begleitet werden soll und am Ende womöglich in der Schublade verschwindet. Wir bekommen jetzt mit dem Modellprojekt im Vorfeld der Einschulung besondere Aufmerksamkeit für die Kinder, dann kommt der Schulbeginn, und damit endet für viele Kinder mit dem letzten Schulgong die pädagogische Betreuung.
Es gibt nach wie vor zu wenige Ganztagsschulen. Manchmal gibt es eine mehr oder weniger qualifizierte Nachmittagsbetreuung. Immer mehr Kommunen schließen aber die Horte, weil sie das Geld brauchen, um die U-3-Betreuung zu finanzieren – denn dazu sind sie verpflichtet –, und weil sie Angst vor den Klagen der Eltern haben. Die Kinder, die in die Grundschule gehen, sind diejenigen, die dann in die Röhre schauen. Wo bleibt denn da die Konsistenz in der Erziehung? – Auf diesen Flickenteppich einen Leuchtturm zu stellen, ist kontraproduktive Symbolpolitik.
Von den unzähligen Kitas in diesem Land – dazu haben wir vorhin schon Zahlen gehört – haben sich 60 Standorte dafür interessiert, an diesem Modellprojekt teilzunehmen. Nicht einmal diese 60 Standorte werden gefördert, sondern nur 30, und üppig ist die Förderung wahrhaftig nicht. Vielleicht haben sich die Übrigen ja auch gedacht: Das, was gefördert wird, ist gut. Aber das, was die Landesregierung fordert, ist mit dem, was sie an Ressourcen bietet, nicht zu leisten.
Ich muss zugeben, das tue ich ganz unumwunden, als ich das Rahmenkonzept gelesen habe, war ich hellauf begeistert. Allerdings ist mir völlig unklar, wie die Einrichtungen diese ambitionierten Ideen mit den dafür vorgesehenen Mitteln in die Tat umsetzen sollen. Der wissenschaftliche Rahmen ist gut, der stammt ja auch von Prof. Fthenakis. Bei der Ausstattung hat die Regierung aber gespart. Das ist nichts Neues. Bei 300 € pro Kind und Jahr frage ich mich, wie die Kitas die Kleingruppenarbeit finanzieren wollen. Neben der üblichen Arbeit her? Wann soll die enge Zusammenarbeit mit den Eltern stattfinden? Statt der Betreuung der Kinder oder zusätzlich? Denn Stellen entstehen aus dieser Finanzierung wohl kaum. Sollen auch noch differenzierte Kleingruppen entstehen, oder
kommen die Kinder mit den Sprachdefiziten mit den Kindern mit den motorischen Störungen in dieselbe Kleingruppe? Am Ende bleibt die Mehrarbeit an den Erzieherinnen hängen. Und das ist vollkommen inakzeptabel.
Gute Politik für Eltern und Kinder macht man anders. Ich kann daraus nur folgern: Ein Leuchtturm ohne Leuchtfeuer gibt nicht nur kein Licht, sondern er erlaubt auch keine Orientierung. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Als Nächste spricht zu uns Frau Ravensburg von der CDU-Fraktion. Sie haben das Wort, Frau Ravensburg. Bitte schön.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Hessen ist vorn in der frühkindlichen Bildung. Der hessische Bildungs- und Erziehungsplan ist nach wie vor bundesweit wegweisend mit dem Blick auf das einzelne Kind mit seinen Stärken und seinen Talenten, unabhängig vom Bildungsort.
Herr Bocklet, der hessische Bildungs- und Erziehungsplan ist längst Gegenstand des pädagogischen Konzeptes in einem Großteil der hessischen Kindertagesstätten und der Grundschulen. Er gibt den Eltern wichtige Hilfestellungen, und er kümmert sich auch um die Tageseltern und bietet ihnen Konzepte zur Umsetzung.
Von Anfang an hat der Bildungs- und Erziehungsplan auf Freiwilligkeit und nicht auf Zwang gesetzt. So ist die Einführung der Vorlaufkurse auf freiwilliger Basis, an denen jetzt über 95 % der Kinder mit Sprachförderbedarf auch teilnehmen, genauso eng mit den Zielen des Bildungsplans verbunden wie die hessenweite Unterstützung der Familienzentren als niederschwellige Anlaufstelle für die Eltern in unserem Land.
Gleiches gilt auch für die Einführung der qualifizierten Schulvorbereitung als weiterer verstärkender Baustein für den Bildungs- und Erziehungsplan.
Herr Merz, Sie haben gesagt, wir bieten nicht den Bildungs- und Erziehungsplan und sind nicht für die hessenweite Implementierung. Das ist falsch.
(Gerhard Merz (SPD): Das habe ich auch nicht gesagt! Ich habe nur gesagt, Sie machen es nicht! Dass Sie es wollen, schon!)
Wir sind selbstverständlich dafür. Denn wir wollen beides – den Bildungs- und Erziehungsplan und zusätzlich die Schulvorbereitungszeit. Es ist Kultusministerin Henzler und unserem Sozialminister Herrn Grüttner gelungen, mit Prof. Fthenakis und dem Institut für Frühpädagogik, wiederum den gleichen Experten, die auch den Bildungsund Erziehungsplan gemacht haben, ein Konzept zu finden, das garantiert, dass die qualifizierte Schulvorbereitung ein auf diesen Bildungs- und Erziehungsplan aufbauendes gemeinsam getragenes Konzept ist und damit Hessen wiederum wegweisend sein wird.
Zukünftig werden die letzten zwei Jahre in der Kindertagesstätte besonders in den Fokus genommen. Denn gerade den Übergängen widmet auch der Bildungs- und Erziehungsplan die besondere Aufmerksamkeit. Sprache, Bewegung, soziale Kompetenz, das Lernen zu lernen und die Gestaltung des Übergangs von der Kindertagesstätte in die Grundschule – das sind die Schwerpunkte. Denn wir dürfen die Augen nicht davor verschließen: 75 % der Kinder schaffen diese Übergänge problemlos, aber wir haben auch 25 % der Kinder, die unsere besondere Hilfe benötigen. Das sind unter anderem Kinder mit Behinderungen, Kinder aus schwierigen sozio-ökonomischen Verhältnissen oder Kinder mit Migrationshintergrund. Zunehmend sind es auch die Jungs, denen wir unsere besondere Aufmerksamkeit schenken sollten.
Die Schulvorbereitungszeit hilft aber allen Kindern, sich auf die Schulzeit gut vorzubereiten. Deshalb ist die qualifizierte Schulvorbereitung auch für alle Kinder da. Sie soll denen, die gefährdet sind, die notwendige Unterstützung geben und allen Kindern die Angst vor dem Neuen nehmen. Die Kinder sollen befähigt werden, die Übergänge als Zeitfenster zu nutzen, in denen sie lernen, mit Veränderungen in ihrem Leben gut umzugehen.
Umso wichtiger ist es, dass die Bildungsverläufe von der Kindertagesstätte bis in die Grundschule konsistent verlaufen. Deshalb arbeiten auch die Kindertagesstätten und Grundschulen auf Augenhöhe zusammen und bilden in diesen Tandems Lerngemeinschaften.
Herr Bocklet, dass Sie hier sagen, dass die Grundschulen in Hessen schlechte Arbeit leisten müssen, hat mich sehr schwer enttäuscht. Das ist schlicht und einfach falsch.
Unser Ziel ist, dass Bemerkungen wie „Der Kindergarten hat aber dies gesagt, und die Schule sagt jenes“, die es tatsächlich in der Vergangenheit gab und die zu Verunsicherungen von Eltern geführt haben, ein Ende haben. Und sie haben längst ein Ende. Die Hessische Landesregierung und wir als Landtag stellen 5 Millionen € für dieses Projekt zur Verfügung. So können sich jetzt hessenweit von Bad Karlshafen bis nach Zwingenberg 30 Tandems aus Kitas und Grundschulen aufmachen, um ihren Kindern noch bessere Chancen zu eröffnen. Damit kann auch die gesamte Betreuungsvielfalt gut abgedeckt werden. Dass wir hiermit den richtigen Weg gehen, hat auch die große Zahl der Bewerber für das Modellprojekt gezeigt. Die Begeisterung, unsere Jüngsten als Entdecker und Forscher zu fördern statt verkümmern zu lassen und unsere Kinder zu verantwortungsvoll und wertorientiert handelnden Kindern zu erziehen, das ist das Ziel der frühkindlichen Bildung. Das hat über 60 Kindertagesstätten und Grundschulen überzeugt, sich hier zu bewerben.
Aber als ich mich auf die Rede heute hier vorbereitet habe, kam auch der Antrag von der SPD, Herr Merz. Da war ich schon enttäuscht. Denn Ihr Antrag hat eigentlich gar nichts mit dem Setzpunkt heute zu tun. Sie verlagern die Diskussion auf einen Nebenkriegsschauplatz.