Demonstrations- und Gewaltfreiheit sowie die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gehören zusammen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war ja zu befürchten, dass wir es wieder mit dem Plenarmittwochs-Ritual zu tun haben würden. Die Planungen von CDU und LINKEN sind aber nicht ganz aufgegangen.
Wenn man sich einmal die Einstiegsrede von Herrn Dr. Wagner anschaut, dann muss man schon sagen, dass sie ziemlich krawallig angelegt war. Das kann man nicht anders sagen.
Am Anfang muss aber festgestellt werden, dass auf der großen Blockupy-Demonstation am 19. Mai über 20.000 Menschen ein Grundrecht, das Demonstrationsrecht, wahrgenommen haben. Die Menschen haben friedlich gegen die ihrer Ansicht nach verfehlte Politik zur Bewältigung der europäischen Schuldenkrise und der fehlenden Regulierung der Finanzmärkte demonstriert. Das war gut und erfreulich. Wir hätten uns gewünscht, dass mehr der angemeldeten Veranstaltungen genehmigt worden wären – bei gleichzeitiger Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Wir bedauern sehr, dass die Veranstalter der Blockupy-Demonstration und die zuständige Ordnungsbehörde in Frankfurt keine einvernehmliche Lösung zur Genehmigung einer größeren Zahl der geplanten Veranstaltungen gefunden haben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Da hätten Sie mit uns reden müssen! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Auch Sie bedauern anscheinend die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts!)
Herr Kollege Dr. Wagner, das hat mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nichts zu tun. Man hätte sich schon vorher in einem dialogischen Prozess mit den Veranstaltern und der Ordnungsbehörde darauf einigen können, dass man ein Konzept genehmigt, bei dem auch kleinere Veranstaltungen in der Stadt hätten stattfinden können. Herr Kollege Wagner, an Ihren Zurufen merkt man aber, dass Sie an einem Dialog und an einem Austausch überhaupt kein Interesse haben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie ignorieren die Gewalt!)
Wir haben immer gesagt, dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 des Grundgesetzes und das Demonstrationsrecht und die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 des Grundgesetzes in unserem Land hohe Güter darstellen. Ich glaube, da sind wir uns alle einig. Ich habe beim letzten Mal schon gesagt: Viele Menschen in vielen Ländern dieser Erde kämpfen zurzeit darum, ein solches Demonstrationsrecht zu haben. Sie setzen zum Teil ihr Leben dafür ein, dass sie ein solches Demonstrationsrecht bekommen.
Deswegen sind wir alle, alle politischen Parteien, alle politisch Verantwortlichen, aufgerufen, diese hohen Güter, diese Grundrechte zu schützen.
Herr Kollege Wagner, wir haben in den Debatten aber auch gesagt, dass das Grundrecht aus Art. 8 Grundgesetz Schranken hat. Der Kollege Mick hat das eben noch einmal ausgeführt. Diese Rechtsgüter werden durch den Schutz der Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit begrenzt. In diesem Spannungsverhältnis haben wir uns im Vorfeld der Demonstrationen befunden. Das muss man doch einmal zur Kenntnis nehmen. Wir haben auch immer gesagt, dass es nicht angehen kann, dass eine Stadt über Tage lahmgelegt oder auch nur beeinträchtigt wird.
(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Nein, genau darum geht es! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Frau Kollegin Wissler, wenn es vorher Aufrufe zur Lahmlegung der Stadt gab, ist es Aufgabe auch der Sicherheitsbehörden, eine Abwägung der genannten Grundrechte auf der einen Seite und der geschützten Rechte Dritter auf der anderen Seite vorzunehmen.
Sie sollten sich einmal mit dem Grundgesetz beschäftigen. Sie sollten sich einmal damit beschäftigen, wie Rechtsgüter abgewogen werden. Sie stürzen sich in einer platten Art und Weise auf jede Bewegung, auf jede Demonstration und umarmen sie, weil Sie sie vereinnahmen wollen. Sie sollten sich einmal mit den Grundlagen des Genehmigungsrechts beschäftigen, bevor Sie hier solche Zurufe machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, daran sehen Sie – auch in Richtung von Herrn Kollegen Wagner gesagt –, dass wir in dieser Frage eine klare und rechtsstaatlich einwandfreie Position haben. Wir haben immer gesagt, dass es nicht geht – wie es im Vorfeld dieser Demonstration der Fall war –, dass zu Massenblockaden, Besetzungen, Belagerungen und Lahmlegungen aufgerufen wird.
Herr Kollege Wagner, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, die andere Seite der Medaille ist aber – auch darüber muss man diskutieren –, dass es Gefahrenanalysen und Einschätzungen der Sicherheitslage gab, die man aus jetzigen Beurteilung als überzogen und unangemessen ansehen muss. Das muss man einfach einmal attestieren.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das Bundesverfassungsgericht hat es anders gesehen, als Sie es jetzt behaupten!)
Sie wissen doch, das eine ist die Gefahreneinschätzung im Vorfeld, auf die sich das Bundesverfassungsgericht nachher bezieht,
und das andere ist, wie die Realität aussah, die zu dieser Gefahreneinschätzung geführt hat. Dies muss man einmal klarstellen. Ich sage: Im Nachhinein war es offensichtlich, dass die Gefahreneinschätzungen der Sicherheitsbehörden überzogen waren und dass man von Annahmen ausgegangen ist, die nachher nicht eingetroffen sind.
Das ist eine ganz klare Sache; damit muss man sich auseinandersetzen. Herr Kollege Wagner, es wird notwendig sein, sorgfältig auszuwerten, wie es zu diesem deutlichen Auseinanderklaffen zwischen der erwarteten und der real vorhandenen Sicherheitsbedrohung kam. Hieraus müssen
zumindest ist das für uns so – Konsequenzen gezogen werden, um dem friedlichen Protest den größtmöglichen Freiraum zu geben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Grundlage, wenn wir über das Demonstrationsrecht und über Art. 8 Grundgesetz reden, ist, dass wir alles unternehmen, um das Demonstrationsrecht zu schützen – also um Demons trationen zu ermöglichen, und nicht, um sie zu verhindern. Wir müssen es ermöglichen, dass die Menschen ihre Meinung auf der Straße frei und offen sagen.
Es kann nicht sein, dass überzogene Gefahreneinschätzungen zu Demonstrationsverboten führen. Herr Kollege Wagner, wenn Sie, was die Einschätzung der Gefahrenlage betrifft, denselben Maßstab bei Fußballspielen anlegen würden, müssten Sie einen Teil der Bundesligaspiele in Deutschland verbieten lassen, weil die Gefahrenlage im Vorfeld so eingeschätzt werden kann, dass es nicht verantwortbar ist, sie durchzuführen. Herr Kollege Wagner, da legen Sie andere Maßstäbe an.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ich lege überhaupt keine anderen Maßstäbe an! Das stimmt nicht!)
Herr Kollege Dr. Wagner, dem Innenminister hätte es gut angestanden, im Vorfeld einer solchen Demonstration nicht auch noch das sprichwörtliche Öl ins Feuer zu gießen und die Stimmung anzuheizen. Es hätte dem Innenminister gut angestanden, zur Deeskalation beizutragen, also besonnen und abgewogen zu argumentieren. Herr Innenminister, das, was seitens Ihres Hauses – auch von Ihnen – zum Teil verlautbart wurde, war nicht hilfreich.
Meine Damen und Herren, bei allem Verständnis für die schwierige Lage und für die Erfahrungen aus der Antikapitalismusdemonstration am 31. März muss ich doch fragen: Ist die Demonstration am 31. März jetzt diejenige, auf die man sich immer bezieht, wenn man in Frankfurt irgendwelche Demonstrationen absagen will? Herr Kollege Wagner, das ist die Schlussfolgerung aus dem, was Sie hier gerade gesagt haben. Wenn demnächst in Frankfurt Demonstrationen stattfinden sollen, wird man mit dem Hinweis auf die Gewaltexzesse am 31. März immer argumentieren können, dass es unter Umständen wieder dazu kommt und dass man sie deswegen untersagen soll.
Deswegen kann man das so nicht machen. Unsere Grundlage muss doch sein, dass wir es den Menschen, die protestieren wollen, ermöglichen, eine solche Veranstaltung durchzuführen. Wir müssen es ermöglichen, dass so etwas gemacht wird, und wir dürfen keine Anstrengungen unternehmen, um das zu verhindern. Das ist der grundsätzliche Unterschied zwischen uns.
Es ist auch zu bedauern, dass einige Organisatoren und manche Aktivisten der Blockupy-Proteste im Vorfeld nicht in der Lage waren, ohne Relativierung klarzustellen, dass Gewalt gegen Personen oder auch gegen Sachen kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein darf. Wir bedauern ausdrücklich, dass das im Vorfeld nicht gesagt worden ist.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP – Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Das haben wir aber glasklar gesagt!)
Gerade im Hinblick auf die Demonstration am 31. März wäre eine deutliche Klarstellung der Organisatoren hilfreich gewesen. Am 31. März gab es bekanntlich nicht nur erhebliche Sachbeschädigungen, sondern es wurde auch ein Polizeibeamter verletzt – Herr Kollege Schaus, deswegen ist Ihr Zwischenruf, er sei schon wieder im Dienst, völlig abwegig –, und es musste tagelang darum gebangt werden, dass er sein Augenlicht behält. Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen. Ein Zuruf wie der, den Sie hier eben gemacht haben, geht völlig an der Sache vorbei.
Ich glaube, dass wir in dieser Diskussion ein bisschen mehr Sachlichkeit walten lassen sollten. Wir müssen in solchen Prozessen ganz klar zwischen den Grundrechten auf der einen Seite und den Schutzrechten Dritter auf der anderen Seite abwägen.
In Frankfurt hatten wir eine schwierige Gemengelage. Im Vorfeld gab es leider sowohl aufseiten der Anmelder der Demonstration als auch aufseiten der Ordnungsbehörde Probleme, zusammenzukommen. Da hätten wir uns ein anderes Vorgehen gewünscht. Wir hätten uns sehr gewünscht, dass man zu einvernehmlichen Lösungen kommt.
Aber, Herr Kollege van Ooyen, das ist auch ein Prozess, der auf beiden Seiten stattfinden muss. Man darf nicht nur mit dem Finger auf die Ordnungsbehörde zeigen, sondern man muss sich auch einmal an die eigene Nase fassen, was die Zusammenarbeit in diesem Bereich angeht.