Protokoll der Sitzung vom 30.05.2012

Aber, Herr Kollege van Ooyen, das ist auch ein Prozess, der auf beiden Seiten stattfinden muss. Man darf nicht nur mit dem Finger auf die Ordnungsbehörde zeigen, sondern man muss sich auch einmal an die eigene Nase fassen, was die Zusammenarbeit in diesem Bereich angeht.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Ich glaube, dass das Aufschaukeln auf der einen Seite und die Reaktion auf der anderen Seite dem Thema nicht angemessen sind. Wir alle sollten uns dafür einsetzen, dass das Demonstrationsrecht und die Meinungsfreiheit in unserem Lande, die hohe Güter sind, erhalten bleiben. Wir sollten alles daransetzen, dass Menschen demonstrieren und ihre Meinung sagen können, und nicht den Versuch unternehmen, gerade das zu verhindern. Das kann nicht die Aufgabe von Politik und Polizei sein. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention hat Herr Dr. Wilken das Wort.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zweiter Versuch für den Ältestenrat!)

Herr Wagner, den Gefallen werde ich Ihnen nicht tun. – Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Frömmrich, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Ordnungsamt die Veranstalter ein einziges Mal, nämlich am 27. April – zwei Monate nach der Anmeldung aller Veranstaltungen –, zu einem Gespräch gebeten hat

und dass ihnen in diesem Gespräch nur gesagt wurde: „Geht raus aus der Stadt, geht auf ein anderes Wochen ende“? Das ist das einzige Angebot, das den Veranstaltern vom Ordnungsamt – von dem Ordnungsdezernenten Frank, der nicht anwesend war – und vom schwarz-grünen Magistrat gemacht wurde.

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Ordnungsamt alle Bitten um Planungsgespräche seitens des Bündnisses ausgeschlagen hat? Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Ordnungsamt den Anmeldern der Demonstration 24 Stunden davor das erste Gespräch angeboten hat, um die Planung einer solchen Großdemons tration in Frankfurt zu ermöglichen? Wenn Sie das zur Kenntnis nehmen, relativieren Sie bitte die Aussage, es habe keine Zusammenarbeit gegeben. Sagen Sie, wer die Zusammenarbeit verweigert hat: die schwarz-grüne Stadtregierung Frankfurts.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Abg. Frömmrich, Sie haben das Wort zur Erwiderung.

Herr Kollege Dr. Wilken, genau das ist eines der Probleme: Wenn etwas nicht aufgeht und es Probleme gibt, gerade auch bei Absprachen zwischen zwei Seiten, liegt es nie nur an einer Seite, wenn irgendetwas nicht zustande kommt, sondern beide Seiten sind dafür verantwortlich. Meistens ist das so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von daher bitte ich Sie noch einmal, sich an die eigene Nase zu fassen und darüber nachzudenken, was Ihr Anteil daran war, dass es nicht zu einer einvernehmlichen Lösung gekommen ist. – Das ist der erste Punkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweiter Punkt. Es gibt etwas, was Sie mit dem Kollegen Dr. Wagner gemeinsam haben. Sie unternehmen den Versuch – –

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist ein Ablenkungsmanöver! Sie brauchen die doch zur Mehrheitsbeschaffung! – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Wagner, dazu habe ich jetzt überhaupt nichts gesagt. Aber es ist sehr hilfreich, dass Sie das so sehen. Das will ich durchaus zur Kenntnis nehmen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Darum geht es Ihnen also, Herr Dr. Wagner! Ich dachte, es geht um die Sache! Das ist interessant! – Weitere Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht jetzt weiter. Bitte.

Herr Kollege Dr. Wagner, es steht jetzt auf jeden Fall im Protokoll. Wir wissen nun, worum es Ihnen in solchen Debatten eigentlich geht. Das ist schon einmal sehr hilfreich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Mir geht es darum, dass Sie hier die Ordnungsbehörde mit der schwarz-grünen Mehrheit verwechseln. Herr Dr. Wilken, vielleicht machen Sie sich einmal die Mühe, sich mit dem Staatsaufbau, der Verwaltungsebene und mit denen, die da tätig waren, zu beschäftigen. Das Ordnungsdezernat – der Ordnungsdezernent – als Polizeibehörde war dafür zuständig.

Der schwarz-grüne Magistrat war da nicht zuständig. Der hat das nicht entschieden. Es gab keine Entscheidung eines schwarz-grünen Magistrats. Es gab eine Entscheidung der Ordnungsbehörde. Das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Vielleicht sollten Sie aber noch einmal Kommunalrecht belegen, dann würde man Ihnen das klarziehen.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): So funktioniert also Politik!)

Herr Kollege Dr. Wagner hat das aus der anderen Sicht genauso getan; er hat auch vom „schwarz-grünen Magistrat“ gesprochen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das habe ich nicht!)

Ja, das haben Sie. Lesen Sie das Protokoll noch einmal durch. – Von daher sage ich: Da haben Sie auch eine Gemeinsamkeit. Wenn Sie diese Debatte sozusagen dazu benutzen, die erfolgreiche schwarz-grüne Koalition in Frankfurt anzugehen, dann gelingt Ihnen das nicht. Sie sollten sich an die wenden, die in der Sache für die Genehmigung zuständig waren, und das war die Ordnungsbehörde der Stadt Frankfurt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Eieiei!)

Das Wort hat der hessische Innenminister Rhein.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Dr. Wagner und Herr Dr. Wilken, jetzt wächst zusammen, was zusammengehört!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute vielfach gesagt worden, aber ich will es trotzdem noch einmal sagen: Das Demonstrationsrecht ist natürlich auch aus den Erfahrungen unserer Geschichte heraus eines der ganz herausragenden Grundrechte unseres Grundgesetzes.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber es ist eben kein schrankenloses Grundrecht. Herr Mick hat darauf hingewiesen, und der Hinweis ist ein ganz wichtiger, weil er eben ein Hinweis ist, der auch im Zusammenhang mit unserer Historie steht. So haben Ordnungsbehörden unseres Rechtsstaates zu überprüfen, ob Demonstrationen eingeschränkt oder gar verboten werden müssen, weil zu besorgen ist, dass Demonstrationen

unfriedlich verlaufen oder eben andere, gleichgewichtige Rechtsgüter geschützt werden müssen.

Art. 8 rechtfertigt gerade nicht – das ist das, was Herr Dr. Wilken bei dieser Debatte vollkommen ausblendet und was im Zusammenhang mit diesen Demonstrationen und Vorgängen in Frankfurt am Main eine Rolle gespielt hat –, wenn die Behinderung Dritter eben nicht nur eine Nebenfolge ist, die in Kauf genommen wird, sondern wenn geradezu beabsichtigt wird, um die Aufmerksamkeit für das Demonstrationsanliegen zu erhöhen, entsprechende Behinderungen Dritter vorzunehmen.

Das Markenzeichen eines Rechtsstaates ist es eben, dass Entscheidungen von Behörden durch Gerichte kontrolliert und dass sie gegebenenfalls abgeändert werden. Genau so ist es im Übrigen auch hier geschehen. In diesem Fall ist nichts anderes geschehen. Deswegen so zu tun, als sei das ein Verbot einer bösen Behörde – lieber Jürgen Frömmrich, die natürlich schon irgendwie durch einen schwarz-grünen Magistrat gespeist wird –, und sich wegzuducken, geht also nicht.

(Beifall bei der CDU)

Die GRÜNEN sind dabei, wie sie auch bei der Enthaltung beim Flughafenausbau dabei gewesen sind. Ihr seid schon dabei. Das darf man dabei nicht vergessen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Jürgen Frömmrich, ich muss mich ein bisschen revanchieren, das muss schon drin sein.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und Sie waren bei der Oberbürgermeisterwahl dabei! Sie waren das doch, oder?)

Gut, das ist doch okay. Das mit der Oberbürgermeisterwahl ist doch seit dem 25. März erledigt, und ich bleibe euch noch ein bisschen erhalten. Das ist halt die Folge davon.

Davon aber ganz abgesehen, ist es hier genauso gewesen. Da gab es nicht irgendeine böse Behörde, die aus dem Nichts irgendwelche komischen Entscheidungen getroffen hat, sondern wir haben einen ganz klaren rechtsstaatlichen Ablauf gehabt. Zunächst hat das Verwaltungsgericht Frankfurt aufgrund einer Verfügung des Ordnungsamts entschieden, und zwar nach einer mehrstündigen Anhörung. Die haben fünf Stunden lang im Verwaltungsgericht zusammengesessen; die Anhörung dauerte fünf Stunden, und dann hat das Verwaltungsgericht entschieden. Der Verwaltungsgerichtshof hat dann entschieden, die vom Verwaltungsgericht gelockerten Verbote, die vom Verwaltungsgericht bestätigt worden sind, nochmals zu verschärfen. Auch das muss man wissen: Der Verwaltungsgerichtshof hat die entsprechenden Auflagen noch einmal verschärft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann hat das Bundesverfassungsgericht – es ist die höchste deutsche Instanz, die wir haben, und es räumt der Versammlungsfreiheit glücklicherweise immer einen ganz hohen Rang in unserem Lande ein – dieses verschärfte Verbot des Verwaltungsgerichtshofs bestätigt, und zwar indem der Senat eine Abwägung vorgenommen hat. Herr Dr. Wilken, auch das muss man doch einmal hinzufügen: Sie haben das Bundesverfassungsgericht doch selbst angerufen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das wollen die nicht hören! – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das stimmt doch gar nicht!)

Es war eine Abwägung zwischen dem Grundrecht aus Art. 8, im Übrigen durch die Genehmigung der Demons tration am Samstag, einerseits und den Gefahren für Personen und Sachen andererseits. Es war exakt diese höchst richterliche Abwägung, die dann letztlich zum Verbot der Veranstaltung vom 16. bis zum 18.05. geführt hat; es war nicht eine Entscheidung irgendeiner Ordnungsbehörde. Es war keine Entscheidung der Polizei. Nein, es ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gewesen, das dieses Verbot der Veranstaltungen bestätigt hat. Das ist die Realität.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das Urteil!)

Dann finde ich schon, dass es eine ganz eigenartige Auffassung von Rechtsstaat und Rechtsprechung ist, wenn man das nicht akzeptiert, Herr Dr. Wilken. Es ist zu akzeptieren, wenn das Bundesverfassungsgericht eine entsprechende Entscheidung fällt, Punkt, Ende, aus. Da gibt es nichts zu diskutieren. Wer sich dann über diese Entscheidung hinwegsetzt und sich noch damit brüstet, Herr van Ooyen, dass er auf solchen verbotenen Veranstaltungen anwesend gewesen ist, und damit im Übrigen unsere Rechtsordnung infrage stellt, indem er zur Teilnahme an verbotenen Aktionen aufruft, der muss sich schon die Frage stellen: Mit welchem Recht macht er eigentlich solche Aufrufe? – Er muss sich im Übrigen auch die Frage stellen: Ist er im Besitz einer höheren Wahrheit? – Sie tun so, als seien Sie im Besitz der höheren Wahrheit. Was haben Sie getan? – Sie haben schlicht und einfach gegen das Recht verstoßen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, heute zu sagen, all das, was ich Ihnen eben geschildert habe, auch das Verbot, habe nur stattgefunden, weil der Innenminister oder das Innenministerium „zu einer Verschärfung der Lageeinschätzung beigetragen“ habe, wie es im Antrag der Sozialdemokraten so entlarvend heißt, das ist jenseits jeglicher Kenntnis der Abläufe in einem Rechtsstaat, jenseits jeglicher Kenntnis der Abläufe, wie Veranstaltungen genehmigt bzw. verboten werden. Ich finde, derjenige, der so etwas behauptet, sollte sich noch einmal Gedanken darüber machen, welche Meinung er von der Urteilsfähigkeit der höchsten deutschen Richter hat. Diese Gedanken sollten Sie sich schon einmal machen.