Natürlich macht man eine solche Beratung immer so, dass man sich auch Einzelpunkte ansieht und dabei Änderungen in Erwägung zieht. Das war auch einer der Gründe dafür, dass wir uns einmal durchgerungen haben, Gesetze grundsätzlich zu befristen, und wir uns als Landtag mit Dingen, die nicht ständig auf der Tagesordnung stehen, regelmäßig befassen. So passiert das heute mit dem Architekten- und Stadtplanergesetz.
Hessen hatte als eines der wenigen Länder eine Sonderregelung geschaffen. Es wurde die Möglichkeit geschaffen, die Berufsbezeichnung Architekt und Stadtplaner bereits nach einer dreijährigen Studienzeit zu vergeben. Wir müssen jetzt feststellen, dass das in der Realität so gut wie keine Anwendung gefunden hat. Die meisten Absolventen haben ohnehin vier Jahre lang studiert, zumindest diejenigen, die später als Architekten oder Stadtplaner tätig waren.
Deshalb – das ist die einzige materielle Änderung, die in dem Gesetzentwurf vorgesehen ist – wird künftig als Eintragungsvoraussetzung für die Berufsbezeichnung eine Mindestdauer von vier Jahren Vollzeitstudium vorausgesetzt. Die bisherige Ausnahmeregelung, die sowieso nicht genutzt wurde, entfällt. Wie der Minister schon ausgeführt hat, ist dies auch mit dem Bologna-Prozess problemlos vereinbar. Insoweit begeben wir uns auch nicht aus diesem Rahmen heraus.
Der inhaltliche Grund dafür, das haben auch schon die Vorredner genannt, sind die Qualitätsanforderungen, die an eine solche Ausbildung gestellt werden sollten. Von daher ist die Studiendauer ein wichtiger Punkt. „Mindestens vier Jahre“ trägt auch der Anforderung an die Sicherheit und den höheren Qualitätsstandards Rechnung. Das ist auch das, was die Praxis erwartet.
Mit diesem Gesetzentwurf vollziehen wir das nach, was es in der Realität schon gibt. Wir folgen dem Vorgehen in anderen Ländern und auch in Mitgliedstaaten der EU. Gleichzeitig erleichtert die Veränderung den Wechsel in andere Länder oder ins EU-Ausland, weil wir jetzt im selben Geleitzug wie die anderen Länder sind und – Herr Klose, ich greife Ihren Punkt auf – somit Hürden abgebaut werden.
Klar ist auch, dass eine solche Regelung eine geringfügige nachteilige Auswirkung haben könnte, wenn schon jemand im Vertrauen auf die alte Regelung sein Studium begonnen hat. Dafür gibt es eine Übergangsregelung bis 2020. Das heißt, wir haben acht Jahre Zeit geschaffen für eine Ausbildung, die im Grundsatz nur drei Jahre beansprucht. Das ist sehr großzügig bemessen, das begrüßen wir auch. Damit sollten jegliche Probleme durch eine Übergangsregelung gelöst sein.
Außerdem vereinfacht das Gesetz die Anrechnung von berufspraktischen Tätigkeiten zwischen Erst- und Zweitstudium. Auch das ist ein pragmatischer Umgang mit den Interessen des Berufsstands und wird im Übrigen auch von den Kammern ausdrücklich unterstützt.
Insofern kann ich zusammenfassen: Die Beendigung der Ausnahmeregelung, die so gut wie keine Anwendung gefunden hat, ist die einzige materielle Veränderung im Gesetz. Ansonsten schreiben wir ein bewährtes Gesetz fort. Wir wollen die Geltungsdauer dieses Gesetzes um acht Jahre verlängern. Danach soll – auch das halte ich für wichtig – eine erneute Evaluierung vorgenommen werden. Danach können wieder die Erfahrungen, die innerhalb der nächsten acht Jahre gemacht werden, einbezogen werden.
Ich freue mich, dass sich hier, wie es aussieht und wie es die beiden Vorredner von SPD und GRÜNEN signalisiert haben, eine breite Mehrheit abzeichnet. Das ist ein gutes Zeichen. Das ist auch ein gutes Zeichen, dass wir den Architekten und Stadtplanern senden. Wir kommen insge
samt zu einer klugen und sinnvollen Lösung. Wir freuen uns auf die Anhörung und das weitere Verfahren. Und wir werden das Verfahren konstruktiv weiter begleiten. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Büger. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Das war die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Hessischen Architekten- und Stadtplanergesetzes, Drucks. 18/5834.
Wir hatten vereinbart, ab 13 Uhr in die Mittagspause einzutreten. Das tun wir. Wir sehen uns um 15 Uhr wieder. Ich unterbreche die Sitzung.
Noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist der Dringliche Antrag der Fraktion der SPD betreffend „Landessozialbericht“ nacharbeiten – Beschluss des Landtags umsetzen, Drucks. 18/5885. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 66 und kann, wenn nicht widersprochen wird, nach Punkt 50 aufgerufen und sofort abgestimmt werden. – Das machen wir so.
Außerdem eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist der Dringliche Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend hessische Industrie stärken – Chancen der ökologischen Modernisierung nutzen, Drucks. 18/ 5886. Wird die Dringlichkeit auch hier bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 67 und kann, wenn nicht widersprochen wird, mit dem Tagesordnungspunkt 14 aufgerufen werden. – Ich sehe keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.
Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend das wäre Roland Koch nicht passiert: „chaotisches“ Regierungshandeln unter Volker Bouffier – Drucks. 18/5842 –
Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Als Ers ter hat sich Herr Kollege Wagner für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Wagner, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was ist bloß aus dem politischen Erbe von Roland Koch geworden?
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Lebhafte Zurufe von der CDU – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So eine Heuchelei! Zehn Jahre lange haben Sie Roland Koch beschimpft!)
Vor zwei Jahren wechselte das Ministerpräsidentenamt von Roland Koch zu Volker Bouffier. In der Tat haben wir GRÜNE sehr viel Kritik an der Politik von Roland Koch geübt,
und wir sehen an den reihenweise einstürzenden Leuchttürmen von Roland Koch, dass diese Kritik berechtigt war.
Ob die Privatisierung der Uniklinik in Gießen und Marburg, ob die Privatisierung bei der JVA Hünfeld, ob die European Business School, ob G 8, ob der Flughafen Kassel-Calden – überall einstürzende Leuchttürme von Roland Koch. Da haben wir überhaupt nichts zurückzunehmen.
Wir haben Kritik an der Politik von Roland Koch geübt. Aber eines konnte man Roland Koch nicht vorwerfen. Man konnte ihm nicht vorwerfen, dass er nicht wusste, wo er hin wollte. Man konnte ihm auch nicht vorwerfen, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, das, was er wollte, auch umzusetzen. Roland Koch wusste, was er wollte, und hat das auch umgesetzt bekommen. Volker Bouffier weiß nicht, was er will, und noch nicht einmal das bekommt er umgesetzt. Das ist der entscheidende Unterschied.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zu- rufe von der CDU)
Wir können im Hessischen Landtag zu verschiedenen Themen unterschiedlicher Auffassung sein. Das ist gut so, das gehört zur Demokratie. Aber wir alle müssen von einer Regierung erwarten können, dass sie sauber regiert und dass sie das Verwaltungshandeln beherrscht. Genau das ist seit zwei Jahren in diesem Land unter Volker Bouffier nicht mehr der Fall.
Einige Beispiele dafür: die verkürzte Schulzeit zum Abitur, G 8. Da sagt die frisch ins Amt gekommene Kultusministerin, sie wolle darüber jetzt noch einmal nachdenken. Nachzudenken ist immer gut. Dann kommt der Ministerpräsident und sagt auf dem CDU-Parteitag, die Gymnasien bekämen ein Wahlrecht. Daraufhin fragen wir die Ministerin, wie das eigentlich ist, wann das Wahlrecht kommt, wie die Pläne aussehen. Die Ministerin sagt: So war es doch nicht gemeint. – Dann sagt Herr Irmer im Ausschuss: Doch, so war es gemeint, es kommt zum Schuljahr 2013/2014. – Daraufhin sagt Herr Blechschmidt: Das, was Herr Irmer gesagt hat, war nur die Privatmeinung von Herrn Irmer. – Gestern haben nun Herr Bouffier und Frau Beer gemeinsam erklärt, die Wahlfreiheit komme doch zum Schuljahr 2013. Regieren darf man nicht nur wollen, regieren muss man auch können.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zu- rufe von der CDU Ein weiteres Beispiel: der Energiegipfel, für den sich der Ministerpräsident so sehr rühmt. Da wurde lange und hart darum gerungen, welcher Wert festgeschrieben wird, was den prozentualen Anteil der Windvorrangflächen an der Landesfläche angeht. Man hat sich auf die Formulierung verständigt: „in der Größenordnung von 2 %“. – Das ist eine ganz wichtige, ganz entscheidende Marke für die Energiewende in unserem Land. Vor ein paar Tagen fand in Kassel eine Kabinettssitzung statt, auf der über das Umsetzungsgesetz diskutiert wurde. Da hieß es auf ein- mal, es sollen „bis zu 2 %“ sein. Das ist aber genau die Formulierung, um die man auf dem Energiegipfel gerun- gen hat, die man gerade nicht wählen wollte. Deshalb: Re- gieren darf man nicht nur wollen, regieren muss man auch können. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Nächstes Beispiel: die Nassauische Heimstätte. Herr Schäfer, Sie schauen mich gerade so freundlich an.
Diese Landesregierung hat über Monate eine Debatte über den Verkauf der Nassauischen Heimstätte geführt, um in dieser Woche zu sagen: Das war nur eine Idee von uns, das kommt nicht. – Über Monate haben Sie die Mieter und ihre Familien verunsichert,
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das haben Sie gemacht! Sie waren der Verunsicherer! – Weitere Zurufe von der CDU)
ohne irgendein klares Ziel und ohne irgendein Ergebnis. Regieren darf man nicht nur wollen, regieren muss man auch können.
Es ist gut so, dass die Nassauische Heimstätte nicht verkauft wird, aber Sie hätten uns und den Mieterinnen und Mietern diese Debatte ersparen sollen. Das Einzige, was Sie erreicht haben, Herr Dr. Wagner, vielleicht war das das geheime Ziel – –
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie sind doch schon dabei!)
Das Einzige, was Sie erreicht haben, Herr Dr. Wagner, Sie Großstratege, ist, dass Boris Rhein in Frankfurt, auch wegen dem Thema Nassauische Heimstätte, die OB-Wahl krachend verloren hat. Wenn das der Plan war, dann herzlichen Glückwunsch zu diesem grandiosen Erfolg.
Ich will Herrn Dr. Wagner, meinem Namensvetter, die Antwort nicht schuldig bleiben und ihn auch nicht länger auf die Folter spannen. Herr Dr. Wagner, „Karneval“ ist ein gutes Stichwort.
Wir alle erinnern uns an die Büttenrede von Volker Bouffier in Bad Schwalbach, wo er gegen Ende gesagt hat, dass die Landesgartenschau nach Bad Schwalbach kommt. Dann hat er festgestellt: Das Kabinett hat dazu noch gar nichts beschlossen. – Er hat daraufhin seine eigene Rede für eine Narretei erklärt, und wenige Woche später hat das