Soziale Marktwirtschaft ist etwas anderes als der freie Markt, den Sie so gerne propagieren. Der grundlegende Denkfehler einer neoliberalen Wirtschaftspolitik, den Sie leider noch nicht einmal angesichts dieser globalen Finanzkrise hinterfragt haben, ist genau dieser Mythos vom sogenannten freien Markt.
Um gute Ordnungspolitik betreiben zu können, muss man sich eben bewusst sein, dass der Markt kein naturgegebenes System ist. Jeder Markt ist von Menschen konstruiert – dem einen bringt er Vor-, dem anderen Nachteile. Ein gut organisierter Markt bringt allen Marktteilnehmern sowie der Volkswirtschaft insgesamt Vorteile. In die Finanzkrise hat uns gerade geritten, dass diese Regel in krasser Form verletzt wurde.
Der freie Markt ist ein Mythos. Er ist frei nur innerhalb bestimmter Regeln, die ihn strukturieren, und selbstverständlich können diese Regeln geändert werden. Es ist keineswegs so, dass wir den Märkten hilflos ausgeliefert wären. Wir politisch Verantwortliche sind vielmehr in der Pflicht, diese Regeln ständig auf ihren Nutzen für die Gesellschaft zu überprüfen und anzupassen. Das ist unser Job, und Sie haben sich ihm schon viel zu lange verweigert.
Genau in dieser Herangehensweise an Politik besteht übrigens ein zentraler Unterschied zwischen uns. Sie betrachten Wirtschaft als Selbstzweck, als eine Art Tabuzone, aus der sich der Staat tunlichst vollständig herauszuhalten habe, und Sie nehmen dafür in Kauf, dass die Idee der sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards, die Sie in Ihrem Antrag bemühen, allzu oft zugunsten der Profitmaximierung von wenigen pervertiert wird.
Nein, zur sozialen Marktwirtschaft gehört immer auch ein gutes Regelwerk. Die soziale Marktwirtschaft ist ein der Gesellschaft dienendes Instrument. Sie ist kein Selbstzweck.
Meine Damen und Herren, für uns GRÜNE ist Wirtschaftpolitik kein bloßes Heraushalten. Wir haben ein klares Ziel. Wir wollen den ökologischen Umbau hin zu einer emissions- und ressourcenarmen Wirtschaftsweise, damit auch die nach uns folgenden Generationen noch gut auf diesem Planeten leben und wirtschaften können.
Ich sage Ihnen: Gerade in der hessischen Realwirtschaft in Industrie, Dienstleistung und Handwerk wächst täglich die Zahl derer, die diese Erkenntnis und dieses Ziel teilen.
Ja, es geht der deutschen Wirtschaft insgesamt derzeit gut. Wir haben gestern schon ausführlich darüber gesprochen. Auch der hessische Arbeitsmarkt entwickelt sich. Gleichzeitig können wir aber nicht darüber hinwegsehen, dass viele Tausend Frauen und Männer auch und gerade in Hessen ihren Arbeitsplatz verlieren oder Angst um ihn haben müssen. Ich nenne nur Opel, Manroland, Neckermann, Lufthansa, Schlecker. Deshalb: Nur wie Sie auf immerwährendes Wachstum zu setzen, koste es, was es wolle, ist extrem kurzsichtig.
Uns GRÜNEN ist es nicht egal, zu welchem Preis der Aufschwung erkauft wird. Der massive Ausbau auch der Leih arbeit in den letzten Jahren, Herr Krüger, und vermehrte Niedriglöhne sind für die Betroffenen entwürdigend. Sie sind aber auch ein ökonomisches Problem, weil sie wiederum die Binnennachfrage hemmen. Dieser Kurs ist schlicht und einfach falsch.
Die entscheidende Schwäche einer Wirtschaftpolitik, die so blind auf Wachstum setzt, ist ihre Abhängigkeit vom Öl. Da wir endlich weg müssen vom Öl, da wir mehr tun müssen gegen den Klimawandel, da wir effizienter mit den begrenzten Ressourcen umgehen müssen, brauchen wir eine konsequente Strategie der ökologischen Modernisierung unserer Wirtschaft. Ihre Politik verpasst diese Chance.
Ohne eine ökologische Neuausrichtung der Industrie hin zu einer ressourcensparenden Ökonomie auf der Basis erneuerbarer Energien gelingt der Wandel zu einer solchen Neuausrichtung der Wirtschaft insgesamt nicht. Wir GRÜNE wollen, dass Hessen wieder Vorreiter beim ökologischen Umbau wird. Wir wollen, dass „Made in Germany“ künftig ein Label für modernste, umweltfreundlichste Produktion ist. Dafür ist nun einmal ganz entscheidend, wie die deutsche und wie die hessische Industrie diesen Übergang zu einer ressourcen- und emissionsarmen Wirtschaftsweise meistert.
Das kann nur schaffen, wer Ökonomie und Ökologie zusammen denkt. Es genügt einfach nicht, auf ein paar neue Zukunftstechnologien zu setzen und ansonsten mit Steuergeldern zu konservieren, was keine Zukunft hat. Material- und Energieeffizienz, das sind die großen Zukunftsthemen vom mittelständischen Maschinenbauer bis zum Chemiekonzern.
Meine Damen und Herren, diese Transformation unserer Wirtschaft ist kein Projekt für wenige Jahre. Es gibt keine One-Size-fits-all-Lösung für den ökologischen Umbau. Entscheidend ist der Wettbewerb um Innovationen.
Wir GRÜNE wollen deshalb Ziele setzen und nicht den Weg vorgeben. Wir wollen ideologische Erhaltungssubventionen und Monopolstrukturen abbauen und mehr Wettbewerb schaffen, weil das für den Erneuerungsmechanismus der Marktwirtschaft von elementarer Bedeutung ist.
Wir wollen den Wissenstransfer von den Unis und Garagen in die Unternehmen erleichtern, Hürden zur Selbstständigkeit abbauen und ein Klima von Toleranz und Kreativität schaffen, damit wir die Innovationskraft Hessens verstärken.
Meine Damen und Herren, uns GRÜNEN ist nicht egal, was und wie produziert wird, weder in sozialer noch in ökologischer Hinsicht.
Deshalb wollen wir gerade in Hessen, das so überproportional vom Dienstleistungssektor geprägt ist, eine Stärkung der Realwirtschaft. Gerade den in Hessen starken Branchen wie der Chemie, der Automobilindustrie oder der Logistik kommen zentrale Rollen beim ökologischen Umbau der Industriegesellschaft zu. Ich will das kurz am Beispiel der für Hessen besonders wichtigen chemischen Industrie ausführen.
Meine Damen und Herren, Ressourcen- und Materialeffizienz sind nicht nur dringend notwendig. Das ist vor allem ein zentraler Leitmarkt der Zukunft. Die Potenziale einer Effizienzstrategie für die deutsche Ingenieurskunst und Innovation sind riesig. Um diese Innovationen zu begüns tigen, braucht es aber neben projektbezogener Forschungsförderung auch klare ordnungsrechtliche Vorgaben wie z. B. die Ökodesign-Richtlinie oder Änderungen im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz.
Unsere starke hessische Chemieindustrie könnte davon profitieren. Bei der Chemie machen die Materialkosten rund 40 % der Gesamtkosten eines Betriebs aus, Personalkosten dagegen nur 16 %. Gerade die ressourcenintensive chemische Industrie steht deshalb vor der Herausforderung, ihre Abhängigkeit von Öl und anderen Grundstoffen noch weiter zu mindern. Das ist einerseits ökologisch zwingend, andererseits aber auch ökonomisch in höchstem Maße sinnvoll.
Die Chemieindustrie ist eine Schlüsselbranche für die ökologische Modernisierung unserer Wirtschaft. Ohne sie kann der Strukturwandel nicht gelingen. Die Potenziale der weißen Biotechnologie und auch der Nanotechnologie für die Energie- und die Ressourceneinsparung sind groß. Wir werden aber auch weiterhin im Sinne einer nachhaltigen Technikfolgenabschätzung die Risiken benennen und Handlungsempfehlungen für die verträgliche Nutzung dieser Potenziale sichern.
Meine Damen und Herren, Hessen ist ein Industrieland. Damit das auch so bleibt, setzen wir auf eine klassische Stärke unserer Wirtschaft: die Fähigkeit zur Wertschöpfung durch Innovation. Wir stehen für eine moderne, für eine grüne Industriepolitik, die die richtigen Anreize für die Zukunft setzt. Der Blaumann muss grün werden.
Vielen Dank, Herr Kollege Klose. – Als nächster Redner hat sich Herr Frankenberger von der SPD-Fraktion gemeldet. Bitte schön.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Morgen bekommen die hessischen Schülerinnen und Schüler ihre Zeugnisse. Dies hat die Landesregierung zum Anlass genommen, sich selbst ein Zeugnis auszustellen. Die CDU- und die FDP-Fraktion mussten das aufschreiben und haben es hier in Form des vorliegenden Antrags in den Landtag eingebracht.
Sie haben damit das gemacht, wovon viele Schülerinnen und Schüler in Hessen träumen: sich selbst die Noten gegeben. Das Ergebnis ist, wie es bei den meisten Schülerinnen und Schülern zu erwarten war: alles in Ordnung, Leistung einwandfrei, Ergebnis hervorragend.
Aber, meine Damen und Herren, wenn die Leistung bisher bescheiden war, dann fällt es den Eltern in der Regel auf, wenn das Zeugnis auf einmal ein Sehr gut aufweist. Das ist auch bei den hessischen Bürgerinnen und Bürgern so.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag enthält wie auch andere bekannte Anträge – einen davon haben wir gestern im Rahmen des Setzpunktes der CDU miteinander diskutiert –
das bekannte Eigenlob. Dieser Antrag ist nicht mehr als eine Ansammlung von Daten und Fakten, lässt aber die notwendigen Perspektiven auf die zukünftigen Herausforderungen nicht erkennen.
Das sind Allgemeinplätze – erfolgreiche Industriepolitik, da wird ein Netzwerk begrüßt, die Landesregierung soll positiv unterstützen, usw. Herr Kollege Krüger, ich habe das nicht so ganz verstanden. Sie haben zu dem Antrag geredet. Aber was wollten Sie uns eigentlich damit sagen?
(Judith Lannert (CDU): Das haben Sie gestern schon nicht verstanden! – Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))
Der vorliegende Antrag ist eben nichts anderes als die Ansammlung von Daten und allgemeinen Unverbindlichkeiten. Jetzt sind wir uns doch einmal einig,
nicht Hessen allein, sondern Deutschland ist erfreulicherweise – das freut auch uns – bisher insgesamt gut aus der Krise gekommen.
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Darin sind wir uns einig! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Mit Ihnen schon gar nicht!)
Aber es tut uns leid, an dem Redebeitrag des Kollegen Krüger und auch an der gestrigen Debatte war nicht zu erkennen, wo denn der herausragende Beitrag von Hessen an dieser Entwicklung liegt.