Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

In diesem Haus habe ich bereits mehrfach auf die bedrohliche Entwicklung hingewiesen, dass Kita-Gebühren steigen. Wir haben auch deshalb nach der Entwicklung der Elternbeiträge gefragt. Aber auch hier erklärt die Landesregierung, sich im Tal der Ahnungslosen zu befinden:

Über die Ausgestaltung der kommunalen Finanzierung der Kindertagesbetreuung sowie der Höhe und gegebenenfalls Staffelung von Elternbeiträgen in den hessischen Kommunen liegen der Hessischen Landesregierung keine Informationen vor.

Gebührenerhöhungen, Hortschließungen wie z. B. in Wiesbaden mit der Begründung, die U-3-Betreuung müsse finanziert und organisiert werden, Wartelisten für die U-3-Betreuung sind in Hessen an der Tagesordnung. Aber die Landesregierung scheint das nicht zu interessieren.

Die Bundesfamilienministerin fordert die Landesregierungen auf, beim Ausbau auf die Tube zu drücken. Das dürfte der Hessischen Landesregierung schwerfallen, denn die verfährt nach dem Motto: Mein Name ist Hase, ich weiß nicht, wie die Kommunen mit dem Problem umgehen.

Wenn wir einen Blick nach Berlin werfen, bekommen wir Theater der abschreckenden Art vorgeführt, wenn es darum geht, wie Kleinkinder zu betreuen sind. Bundesministerin Schröder sagt, dass der Krippenbesuch die Entwicklungschancen der Kinder verbessert und Müttern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert. Wow, da passt in der Politik der Familienministerin etwas nicht zusammen.

Was will sie denn nun? Will sie den Krippenbesuch, die häusliche Betreuung oder jetzt vielleicht die häusliche Betreuung durch die Großeltern? – Vielleicht sollte sie sich erst einmal mit sich selbst einigen, bevor sie sich dann mit der CSU und dann mit der FDP oder vielleicht doch erst mit der FDP oder anschließend mit der CSU einigt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Am 6. Juni 2012 hat das Bundeskabinett das Betreuungsgeld gebilligt. Geplant war:

15. Juni 2012: erste Lesung, 25. Juni 2012: Anhörung, 27. Juni 2012: Ausschussberatung, 29. Juni 2012: zweite und dritte Lesung, 6. Juli 2012: Bundesrat.

Wenn wir hier während dieser Woche schlechten Stil gesehen haben, wie man mit eiligen Dingen umgeht und wie man mit Gesetzentwürfen ordentlich umgehen sollte, dann muss ich sagen: Der Plan, ein so umstrittenes Gesetz in dieser Eile zu verabschieden, ist noch schlechterer Stil.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber ich bin davon überzeugt, dass auch die Abgeordneten der CDU – und da besonders die Frauen – froh waren, dass es nicht zu diesem Prozedere gekommen ist. Die Reihe der Peinlichkeiten beginnt mit dem Hammelsprung, geht weiter über massive Kritik aus den Ländern, führt zur Einigung der CDU mit der CSU. Am 18. Oktober 2012 sollte abgestimmt werden. Das wäre für die Terminplanung der CSU echt ein toller Schritt gewesen. Aber dann hat die FDP in die Suppe gespuckt.

Meine Herren der FDP, ich neige da dazu, Ihnen ausnahmsweise einmal dankbar zu sein. Allein der Beweggrund stimmt mich nachdenklich. Denn ich habe den Eindruck, dass es Ihnen nicht um die Sache, sondern lediglich um den Preis geht. Es geht doch um die Frage: Was kriegen Sie dafür? – Am Ende werden Sie dem zustimmen.

Wir befinden uns gegenwärtig in der Situation, ein Gesetz zu haben, das jedem Kind einen Krippenplatz garantiert. Aber die Kommunen sind nicht in der Lage, diesen Rechtsanspruch zu erfüllen. Es gibt bereits Wartelisten.

Statt nun alles zur Verfügung stehende Geld dafür aufzuwenden, diesem Rechtsanspruch zur Erfüllung zu verhelfen, kommt die Familienministerin im Namen der CSU daher und bietet den Eltern eine Prämie dafür, die Kinder nicht in einer öffentlichen Einrichtung betreuen zu lassen. Hartz-IV-Bezieherinnen werden hier sowieso wieder diskriminiert, und alle Alleinerziehenden in dem Zuge gleich mit.

Das Chaos, das im Bund herrscht, findet sich auch in Hessen: nichts wissen, nichts wissen wollen, keinen Plan haben, herumwurschteln und am Ende auf die Opposition schimpfen.

(Zurufe von der CDU: Oh! – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Planlos!)

Wir fordern Sie auf: Legen Sie einen Plan vor, der aufzeigt, wie Sie den Mangel an Erzieherinnen beseitigen wollen,

(Beifall bei der LINKEN)

wie Sie Arbeitsbedingungen für die Erzieherinnen schaffen wollen, damit wir nicht jedes Jahr 20 % der ausgebildeten Erzieherinnen verlieren, weil sie lieber in den Einzelhandel gehen, obwohl sie sich durch fünf Jahre Ausbildung gemüht haben. Das ist die Situation, die wir im Moment haben. Sorgen Sie dafür, dass sie ein solches Einkommen haben, dass sie auch bleiben wollen und nicht in den Einzelhandel abwandern, wo sie dann weniger Verantwortung für fast das gleiche Geld tragen müssen.

Fördern Sie nur Kommunen, die keine Horte schließen, um die U-3-Betreuung zu organisieren. Verhindern Sie, dass Bürgermeister versuchen, die U-3-Betreuung komplett über Tagesmütter zu regeln. Hören Sie auf, sich vor der Verantwortung zu drücken, die Sie als Landesregierung haben. Sorgen Sie dafür, dass wir eine vernünftige Kinderbetreuung kriegen.

(Beifall bei der LINKEN)

770 Millionen € will die Bundesregierung zukünftig jährlich für die Finanzierung ausgeben, wenn denn das Entwickeln abgeschlossen ist.

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich bin sofort fertig. – 1 Milliarde € wird das Betreuungsgeld kosten. Das muss man einfach einmal nebeneinanderstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile Frau Abg. Wiesmann von der Fraktion der CDU das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kollegen! Ich bin schon manchmal traurig gewesen, dass wir diese Themen vor nicht ganz gefüllten Rängen behandelt haben. Ich muss ehrlich sagen: Sehr geehrte Frau Kollegin Schott, heute haben die Kollegen, die draußen sind, bei der Eingangsrede nicht viel verpasst.

(Beifall bei der CDU)

Anlässlich Ihrer Großen Anfrage komme ich aber der gestellten Aufgabe wirklich gerne nach.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das war jetzt aber Regierungsüberheblichkeit!)

Nein, die kann ich gar nicht üben, denn ich bin nicht in der Regierung. Da müssten Sie noch einmal nachschärfen.

Ich will das von Ihnen aufgerufene Thema ernst nehmen und nur eine inhaltliche Bemerkung dem voranschicken. Aus Ihren Worten spricht doch: Sie denken, es gibt eine Lösung, ein Muster und einen Plan für alle. Das ist genau nicht unsere Politik.

(Beifall des Abg. Hans-Christian Mick (FDP))

Denn wir setzen darauf, dass Eltern für ihre Kinder und Familien in ihrer Unterschiedlichkeit und in ihrer Diversität für sich Entscheidungen treffen und dass die kleinere Einheit zunächst einmal ihre Verantwortung wahrnimmt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Hans-Christian Mick (FDP))

Aber jetzt zu Ihren Fragen. Sie fragen nach dem Ausbau und nach dem Versorgungsgrad. Da will ich noch einmal den Verlauf der letzten Jahre aufzeigen. Im Jahr 2005 waren es 7,4 % im U-3-Bereich. Im Jahr 2010 waren es 21,1 %. Im Jahr 2011 waren es 26,9 %. Im Juni dieses Jahres – das steht auch in der Beantwortung dieser Anfrage – waren es 30,1 %. Ich kann ergänzen: Aktuell sind es 30,8 % Versorgungsquote bei U 3.

Ich denke, man kann eines wirklich feststellen: Angesichts der Nachfrage und nicht zuletzt unter dem Druck des Rechtsanspruchs ist von den Verantwortlichen vor Ort mithilfe der flankierenden Maßnahmen aus Berlin und Wiesbaden Enormes geleistet worden.

Wenn ich mir den Anstellwinkel der letzten 24 Monate betrachte – deshalb habe ich diese Zahlen auch genannt –, bin ich zuversichtlich, dass die Ziele für den kommenden August weitestgehend erreicht werden können. Darauf kommt es uns an.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Hans-Christian Mick (FDP))

Interessant ist übrigens auch das Ergebnis auf Ihre Frage nach der Betreuungsdauer. Während die Rechtsprechung nahelegt, dass sich der Rechtsanspruch auf ein fünfstündiges Betreuungsangebot bezieht, bieten hessische Kommunen schon heute, soweit sie das insgesamt tun, zu fast 60 % Betreuungsplätze von mehr als sieben Stunden täglich an. Den Bedürfnissen der Eltern, die beide in erheblichem Maß arbeiten müssen oder wollen, wird also schon in höherem Umfang Rechnung getragen, als es das Gesetz erzwingt. Ich finde, auch das ist eine gute und für mich an dem Punkt interessante Nachricht.

Zweitens. Bedarf und Bedarfsermittlung. Die ursprüngliche Zielmarke des Krippengipfels von 35 % ist, wenn man es so will, heute Geschichte. Denn Sie wissen alle – das ist uns klar, und das ist auch der Landesregierung klar –, dass der durchschnittliche Bedarf höher liegen wird.

(Beifall der Abg. Marcus Bocklet und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aufgrund der Umfrageergebnisse des Deutschen Jugendinstituts geht die Landesregierung von einem durchschnittlichen Bedarf von 39 % aus und kalkuliert ihre Investitionsförderung dementsprechend. Deswegen begrüßen wir, die Mitglieder der Fraktionen der CDU und – so denke ich – auch der FDP, ausdrücklich, das Landesinve

stitionsprogramm, mit dem noch einmal 100 Millionen €, davon 55 Millionen € aus Landesmitteln, bereitgestellt werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Übrigens: Auch die häufig und zu Recht angesprochene Betriebskostenförderung wächst auf. 95 Millionen € waren es 2011, 111 Millionen € werden es im Jahr 2012 sein, für das Jahr 2013 sind 133 Millionen € geplant und 150 Millionen € für das Jahr 2014. Wir kommen von 45 Millionen € im Jahr 2007.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, ich fordere Sie auf: Geben Sie diesem Doppelhaushalt Ihre Zustimmung. Denn er stellt sich der Aufgabe, die Kommunen auch in diesem Bereich in ihrer Verantwortung nicht alleinzulassen, den Familien gute und verlässliche Bedingungen zu geben.

Gleichwohl liegt die Aufgabe der Bedarfsermittlung bei den Kommunen. Denn natürlich gibt es vor Ort Unterschiede, und keine kleinen. Wir vermuten, dass der prozentuale Bedarf noch geringfügig zunimmt. In absoluten Platzzahlen aber geht er bereits jetzt in kinderärmeren Regionen zurück. Deswegen ist es nicht überraschend, dass die Ausbauziele nach Jugendamtsbezirken stark variieren, entsprechend den unterschiedlichen Situationen und Bedürfnissen vor Ort. Auch das konnte man der Antwort der Landesregierung entnehmen.

Fulda kommt im Stadt- und im Landkreis mit 33 % bzw. 35 % aus. Frankfurt peilt 50 % an und führt – übrigens auf Initiative der CDU – demnächst ein System ein, das einen zentralen Wartelistenabgleich ermöglicht und nochmals deutlich mehr Klarheit über den tatsächlichen Bedarf verspricht.