An dieser Stelle möchte ich nochmals ausdrücklich auf eine Tatsache hinweisen. Angesichts einer geringen Betreuungsnachfrage im Elterngeldjahr ist eine Zielquote von 50 % für alle unter Dreijährigen gleichbedeutend mit einer Quote von 75 % – also drei von vier – der Ein- und Zweijährigen. Wenn die Kommunen solche Ausbauziele verfolgen – ich finde das gut –, 50 % oder auch nur 40 % oder nur 39 %, dann bedeutet das, dass die große Mehrzahl der Klein- und Kleinstkinder in Hessen, viele noch im Krabbelstadium und mit nur rudimentären Artikulationsmöglichkeiten, zu signifikanten Anteilen außerhalb ihrer eigenen Familie betreut, erzogen und gebildet werden wollen.
Das ist eine Herausforderung gerade auch im Hinblick auf die Qualität dieser Betreuung. Das aber spielt in Ihrer Großen Anfrage zu diesem Thema überhaupt keine Rolle.
Für die CDU kann ich hingegen sagen, dass wir diesen Ausbau sehr guten Gewissens begrüßen und forcieren. Denn im BeP, in der MVO, in den Instrumenten zur Sprachförderung, im Modellversuch zur QSV, bis hin zur geplanten Zusammenführung aller Förderprogramme in einen qualitätsorientierten hessischen KiFöG, erkennen wir den klaren Willen der Landesregierung, verlässlich nicht Kinderaufbewahrung, sondern frühkindliche Bildung zu organisieren, zu orchestrieren und auch finanziell massiv zu unterstützen.
Beispiel Tagespflege. Hier sind unsere Erwartungen eines 30-%-Anteils nicht überall erfüllt. Im Schnitt sind es nur 21 % angestrebte Betreuungsplätze, die dort entstehen sollen. Dabei ist die Tagespflege eine besonders flexible, familiennahe und auch günstige Betreuungsform. Deshalb hat die Landesregierung recht, mit einem doppelten Neuplatzbonus für Tageseltern und Jugendhilfeträger einen eigenen Anreiz zu setzen.
Beispiel Fachkräfte. Hier bin ich kurz, das hatten wir schon an anderer Stelle. Mit der Aufstockung der Ausbildungsplätze für Erzieherinnen um die Hälfte hat das Land wesentliche Voraussetzungen dafür geschaffen, um den steigenden Bedarf möglichst rasch decken zu können. Hessen ist sogar Vorreiter bei der Zertifizierung der Vermittlung von Arbeitslosen in diese Ausbildung. Jetzt aber sind die öffentlichen und die frei-gemeinnützigen Träger gefordert, aus der Personalreserve der teilzeitbeschäftigten Fachkräfte heraus ihren Beitrag zum Schließen der verbleibenden Lücke zu leisten.
Hessen macht große Fortschritte in Sachen Wahlfreiheit und frühkindliche Bildung – eine gute Nachricht. Es bleibt aber für alle Beteiligten noch viel zu tun. Die Landesregierung ist intensiv und mit Konsequenz an ihrer Aufgabe. Wir treten dafür ein, dass sie das auch über 2013 hinaus kraftvoll fortsetzen kann. – Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Die Durchhalteparolen fallen auf! Das macht schon nachdenklich! – Gegenrufe von der CDU)
Entschuldigung Herr Merz, noch einen Augenblick. Ich habe hier noch einen Zettel von Frau Schott für eine Kurzintervention gefunden. Zwei Minuten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Wiesmann, ich habe mich noch einmal gemeldet, weil ich es ziemlich leid bin, jedes Mal hier noch einmal in die Bütt zu müssen, um zu erklären: Bitte sagen Sie mir, an welcher Stelle ich Mütter diskreditiere, die ihre Kinder selbst erziehen, oder ein Bild zu erzeugen versuche, dass es nur einen Weg gäbe, wie man Kinder erziehen kann – wie Sie das eben beschrieben haben.
Was ich tue, ist Folgendes. Ich beschreibe, was nachweislich – – Daran ändert auch Ihr Zwischenruf nichts. Ich mache das nicht. Ich habe an keiner Stelle – – Ich erwarte
An keiner einzigen Stelle habe ich irgendeiner Mutter oder einem Vater die Kompetenz abgesprochen, das Kind ordentlich zu erziehen. Was ich tue, ist: Ich zitiere wissenschaftliche Studien. Ich zitiere das, was selbst die Familienministerin der Bundesregierung in der Zwischenzeit sagt: dass es erwiesen ist, dass Kinder großen Vorteil daraus ziehen, wenn sie sehr früh in einer Einrichtung betreut werden. Nichts anderes tue ich. An keiner Stelle habe ich irgendjemanden in der Weise angegriffen, wie Sie es mir unterstellen.
Es ist nicht mein Modell. Auch das habe ich hier mehrfach gesagt. Aber das ist etwas ganz anderes. Und genau so möchte ich, bitte, auch wiedergegeben werden.
Sie haben selbst beschrieben, wie wichtig die Erziehung in der Krippe ist, wie sehr das den Kindern hilft – ganz abgesehen von allen emanzipatorischen Fragen der Altersversorgung der Mütter usw.
Sie wissen, Berufszertifikate entwerten sich, wenn man sie lange in die Schublade legt. Darüber brauchen wir hier nicht zu diskutieren. Mütter, die drei, vier oder fünf Jahre lang aus ihrem Beruf ausscheiden und zu Hause sind – egal, ob das eine Handwerksausbildung oder ein Diplom war –, können das Ding in den Schrank hängen. Das hat sich bis dahin entwertet. Wir brauchen die Erwerbstätigkeit der Frauen schon für ihre eigene Biografie, für ihre Altersversorgung und für diesen Arbeitsmarkt.
Dass ich jetzt neuerdings auch noch dafür angegriffen werde, was ich alles nicht frage, das hat schon eine neue Qualität.
Aber ganz ehrlich: Wenn die Landesregierung nicht einmal die Fragen nach der Quantität beantworten kann, wie will sie dann Fragen nach der Qualität beantworten?
Sehr verehrte Frau Schott, Sie haben für mich vernehmlich kritisiert, dass nicht alle verfügbaren Mittel auf allen Ebenen da hineingesteckt würden, damit jedem Kind ein Krippenplatz garantiert würde. In diesem Zusammenhang haben Sie auch kritisiert, dass es eine Bundesregierung gibt, die sich anschickt, ein Betreuungsgeld ins Leben zu rufen, das ausdrücklich auch andere Betreuungsformen unterstützen möchte.
Daraus kann ich nichts anderes ersehen – und auch aus der Schärfe, mit der Sie hier das nicht zum ersten Mal vorge
tragen haben –, als dass Sie die Vorstellung verfolgen, es gebe nur eine richtige Lösung oder jedenfalls eine, die allen anderen weitaus überlegen ist.
Das aber ist genau nicht unser Ansatz. Wir respektieren es, dass Eltern und Kinder unterschiedliche Wege gehen, weil sie unterschiedlich sind. Deshalb unterstützen wir auch aus Hessen heraus Maßnahmen, die darauf zielen, dies zu ermöglichen.
Dies gilt übrigens auch im zweiten Schritt, denn wir haben nicht vor – und, soweit ich das überblicke, auch die Landesregierung nicht –, eine Steuerung des Rechtsanspruchs bzw. eines Einlösens in den Kommunen vorzunehmen. Denn das ist eine originär kommunale Aufgabe, und auch zu Recht. Denn die beste Kenntnis und die beste Einsichtsfähigkeit in die unterschiedlichen Gegebenheiten des lokalen Bedarfs bestehen dort. Wenn alle ihre Aufgaben wahrnehmen und natürlich auch der Flankenschutz, von dem ich auch gesprochen habe, verabredungsgemäß von allen anderen Ebenen kommt, dann wird das auch gelingen.
An Ihren Ausführungen aber kann ich nicht erkennen, dass Sie dieser Überzeugung in irgendeiner Weise nahestehen. Im Gegenteil, bei Ihnen erkenne ich doch viele Spuren von sehr planwirtschaftlichem, schematischem Denken an dieser Stelle. Dagegen muss ich uns verwahren. Das teilen wir nicht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es bleibt uns alles nicht erspart, ich Ihnen auch nicht. Frau Kollegin Wiesmann, ich will jetzt einmal da anfangen, wo Sie aufgehört haben. Bei der Frage des Betreuungsgeldes geht es nicht um richtig oder falsch. Es geht nicht darum, ob es nur einen oder mehrere Wege in der Kinderbetreuung gibt. Es geht hier um eine Frage von Prioritäten. In der Situation, in der wir uns befinden, ist und bleibt das Betreuungsgeld eine falsche finanzpolitische und familienpolitische Prioritätensetzung. Das ist das Mindeste, was man dazu sagen kann.
Das Zweite kann ich Ihnen nicht ersparen, ich hatte es eigentlich schon wieder aus meinem Manuskript herausgestrichen. Wer hat Misstrauen gegenüber den Erziehungsleistungen und der Erziehungsfähigkeit von Eltern? Misstrauen haben doch die, die jetzt einen Kompromiss geschlossen haben – nämlich CDU und CSU in der letzten Woche – und die Auszahlung des Betreuungsgeldes daran koppeln wollen, ob die Eltern ihre Kinder rechtzeitig zu den U-Untersuchungen schicken.
Wenn es so weit käme, würde das in Hessen zu der seltsamen Situation führen, dass wir zwei Verpflichtungen hätten, an den U-Untersuchungen teilzunehmen, nämlich durch das Kindergesundheitsschutzgesetz und andererseits das neue Betreuungsgeldgesetz. Das ist doch eine völlig
absurde Situation. Aus beidem, aber insbesondere aus dieser Betreuungsgeldgeschichte und allem, was im Vorfeld in dem Zusammenhang mit Gutscheinen und Sachleistungen diskutiert worden ist, trieft doch geradezu das Misstrauen gegenüber bestimmten Eltern und Kindern. So viel erst einmal dazu.
Drittens. In der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen des Fiskalpakts auch eine Neuregelung der bisherigen Bundesfinanzierung des U-3-Ausbaus stattgefunden hat. Das gesamtstaatliche Ausbauziel wurde auf 39 % Versorgungsquote hochgesetzt. Dem ist die Landesregierung gefolgt. Das bedeutet, auch für Hessen lautet das Ausbauziel – wenn ich das aus der Antwort auf die Große Anfrage richtig verstanden habe – mittlerweile 39 % Versorgungsquote für alle unter Dreijährigen in Kitas und Kindertagespflege.
Der Beitrag des Bundes zur Betriebskostenfinanzierung wurde um weitere 75 Millionen € erhöht. Das stimmt übrigens nicht, es sind jetzt keine 770 Millionen € mehr, sondern es wären dann 845 Millionen € zusätzlich jährlich. So weit, so gut.
Derselbe Bund wird dann 1,3 Milliarden € dafür ausgeben, dass Eltern ihre Kinder nicht in die Kindertagesstätten schicken, die er mitfinanziert. Das finde ich, mit Verlaub gesagt, ziemlich absurd.
Die Frage ist und bleibt, was man mit diesem Geld alles in der frühkindlichen Bildung machen könnte. Meine Antwort ist, man könnte dem etwas näherkommen, was eigentlich seit Langem eine dringende Notwendigkeit ist, nämlich einer gesamtstaatlichen Finanzierung für eine der großen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.
Ohne eine klare und zuverlässige Regelung dieser Frage, etwa im Sinne der von Minister Grüttner immer wieder geleugneten Drittelfinanzierung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, ohne eine gesamtstaatliche Konzeption auf sicherer verfassungsrechtlicher Grundlage, etwa im Sinne der Schaffung einer Gemeinschaftsaufgabe frühkindliche Bildung, wird das alles nach meiner festen Überzeugung auf Dauer nicht funktionieren.
Herr Minister, zum Thema Drittelfinanzierung: Ich habe mir das noch einmal angesehen. Sehen Sie sich noch einmal die Begründung des Gesetzesentwurfs von CDU/CSU und SPD aus der Beschlussfassung des Bundestages an. Natürlich wird davon ausgegangen, unausgesprochen, dass sich Bund, Länder und Gemeinden die Kosten teilen. Es wird auch davon ausgegangen, dass die Länder einen eigenständigen Finanzierungsbeitrag leisten. Davon waren sie bisher sehr weit entfernt, außer mit den jetzt kommenden Landesmitteln in dem Nachklappprogramm, das jetzt erforderlich geworden ist.
Meine Damen und Herren, mir geht es ähnlich wie der Kollegin Schott, auch mich hat beim Lesen der Antwort auf die Große Anfrage eine gewisse Ratlosigkeit befallen. Aus den Antworten der Landesregierung – bzw. der Vielzahl der nicht beantworteten Anfragen – spricht einmal mehr, dass sich das Land in vielerlei Hinsicht hinter einer Aufgaben- und Rollenverteilung der Zuständigkeiten verschanzt. Es ist offenkundig aus den Antworten auf diese