Protokoll der Sitzung vom 20.11.2012

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens möchte ich die Einsätze in bestimmten Quartieren ansprechen; das Thema wurde gerade bereits erwähnt. Es ist an der Zeit, nicht nur bei der Feuerwehr oder bei der Polizei, sondern auch beim Rettungsdienst über mehr Vielfalt unter den Beschäftigten zu sprechen, über viel mehr Auszubildende mit Migrationshintergrund, über Sprachenvielfalt. Wenn man in bestimmte Quartiere fährt, kann es nützlich sein, entsprechende muttersprachliche Mitarbeiter dabei zu haben. Über all diese Dinge müssen wir nachdenken, wenn wir die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Rettungsdienste tatsächlich erleichtern wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man alles gesetzlich regeln muss.

(Beifall der Abg. Holger Bellino (CDU) und Lothar Quanz (SPD))

Mit dem Gesetzentwurf der SPD haben wir einen Ansatz, anhand dessen wir über diese Fragen diskutieren können. Wir werden dazu eine Anhörung durchführen. Wie gesagt, der Intention stehen wir sehr wohlwollend gegenüber. Wir werden dann abwarten, was die Anzuhörenden dazu sagen. Sie können das aus der Praxis heraus wahrscheinlich besser beurteilen als wir. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Holger Bellino (CDU))

Das Wort hat Frau Abg. Bächle-Scholz für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wer schon einmal in einer Notsituation, so wie ich, die Leistungen des Rettungsdienstes in Anspruch nehmen musste und den Sanitätern, Rettungsassistenten und Notärzten sein Leben verdankt, wird die Arbeit dieser Personen zu schätzen wissen. So kann ich, wie Sie sicherlich alle, nur dafür sein, dass diese Menschen optimalen Schutz bei ihrer Arbeit erhalten, gerade weil sie an jeden Ort, an den sie gerufen werden, zu jeder Zeit, ohne zu zögern, fahren müssen. Sie können nicht vorher lang und breit untersuchen und abwägen, welche Risiken für sie bestehen oder welche Eigenschutzmaßnahmen angezeigt sind. Diese Personen, deren Arbeit für uns alle unverzichtbar ist, müssen vor Übergrif

fen geschützt werden, egal von welcher Person oder aus welchem Grund die Gefahr ausgehen mag. Es können Patienten in ihrer besonderen gesundheitlichen Lage sein, das Umfeld, z. B. aus einer besonderen kulturellen Situation heraus, Dritte, die nur auf Randale aus sind, oder alkoholisierte Personen. Sicherlich besteht über die Grenzen aller Fraktionen hinweg Einigkeit, dass Gewalt gegenüber Rettungsdienstpersonal nicht akzeptiert werden kann.

(Beifall bei der CDU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und doch ist es ein Gebot der Vernunft, dann – und nur dann – gesetzgeberisch tätig zu werden, wenn es wirklich erforderlich ist. Dies in den Blick genommen, ist jedoch festzustellen, dass der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion das Erfordernis eben nicht belegt.

Der Antragsteller stellt in seiner Begründung fest, dass sich die Gefahren in den letzten Jahren erhöht hätten. Dies hört und liest man immer wieder. In der Antwort des Innenministeriums im Einvernehmen mit dem Sozialministerium auf die Kleine Anfrage Drucks. 18/4612 kann man jedoch sehen, dass dieses Phänomen sehr unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Die befragten Rettungsdienstorganisationen konnten jedenfalls keine signifikante Größenordnung feststellen.

Gleichwohl wurde aber auch von einer zunehmenden Verrohung der Patienten und einer gesunkenen Hemmschwelle berichtet. Hierbei wurde auch auf eine subjektiv empfundene Zunahme von Fällen verwiesen. DRK und ASB berichten allerdings übereinstimmend, dass es nicht zu relevanten Verletzungen aufgrund von Übergriffen kam. Die Johanniter-Unfall-Hilfe in Hessen berichtet von fünf Fällen tatsächlicher Angriffe auf Rettungsfachpersonal in fünf Jahren.

(Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vor- sitz.)

Auch haben die Leistungserbringer, wie in der Antwort auf die Kleine Anfrage ausgeführt wird, in der Weise reagiert, dass das DRK in Kooperation mit der Polizei Fortbildungen zum Thema „Umgang mit Gewalt im Einsatz“ und die Johanniter-Unfall-Hilfe Kurse unter der Prämisse „Eigenschutz geht vor Fremdschutz“ anbieten.

Also, das Problem besteht, und ab und zu wird auch in den Medien darüber unterrichtet. Weil das so ist, hat die Landesregierung das Thema bereits aufgegriffen und behandelt. In der Landesarbeitsgruppensitzung „Qualitätssicherung im Rettungsdienst“ am 31.08. vergangenen Jahres berieten die Landesregierung und die betroffenen Verbände über diese Problematik. Es ist somit festzustellen, dass eine Auseinandersetzung mit dem Thema schon lange vor Ihrem Gesetzentwurf stattgefunden hat.

Ohnehin sind die Rettungsdienstorganisationen schon mit dem Thema befasst. Auf den Internetseiten rettungsdienstmagazin.de und rettungsdienst.de kann man einem Artikel mit der Überschrift „Gewalt gegen Retter“ entnehmen, dass sich die Leistungserbringer mit dem Thema auseinandersetzen und hierzu Kurse anbieten. Hier lässt sich das zugrunde liegende Konzept erkennen: Deeskalation geht vor Selbstverteidigung. – Dies ist meiner Meinung nach auch weiterzuverfolgender Ansatz.

Nur am Rande sei noch auf die Änderung des Strafrechts hingewiesen. § 113 StGB, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, wurde auf Feuerwehrleute und Mitar

beiter von Rettungsdiensten erweitert. Der neu eingeführte § 305a Strafgesetzbuch stellt Fahrzeuge und Ausrüstung dieser Organisationen unter besonderen Schutz.

Bereits durch diese Änderungen sind zweifelsohne Verbesserungen der Sicherheit herbeigeführt worden. Daher sollte man wenigstens einige Zeit verstreichen lassen, um sicher feststellen zu können, ob nicht dadurch das Problem, soweit es überhaupt existiert, gelöst werden konnte.

Für mich bleibt bei dieser Fragestellung daher offen, ob die richtige Antwort auf die aufgeworfene Frage gleich eine Änderung des Rettungsdienstgesetzes ist oder ob nicht andere Maßnahmen eine sinnvollere Lösung herbeiführen können. Sie wollen die Träger verpflichten, Gefährdungsanalysen durchzuführen und verbindlich alle zwei Jahre Schulungen durchzuführen. Wir sind der Meinung, dass die Dienste am besten selbst wissen, wie sie mit einer zunehmenden Anzahl an Übergriffen umgehen.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Welche Träger?)

Wir können hier nur Unterstützung leisten. Ihre Maßnahmen hingegen belasten die Organisationen nur mit zusätzlichem Zeitaufwand und Kosten.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das ist falsch! Sie kennen das Rettungsdienstgesetz nicht! Das sind die Landkreise und kreisfreien Städte, und nicht die Organisationen!)

In Bezug auf die Kosten der geforderten Gesetzesänderung bleiben Sie die Antwort auf die Höhe schuldig – dies mag angehen –, und Sie konnten auch jetzt in Ihren Ausführungen noch keine Kosten benennen. Jedoch frage ich mich: Wer soll diese Kosten tragen? Sie sprechen vom Land. Bislang sind diese bei den Trägern. Frau Schulz-Asche, Sie sagen auch nicht, wer die Kosten übernehmen soll – egal, ob jetzt für Deeskalationskurse oder die Supervision.

Nachdem ich unterstellen darf, dass Ihnen die Beantwortung der Kleinen Anfrage vorlag, als Sie Ihren Gesetzentwurf formulierten, wundert es mich jedoch sehr, dass Sie nicht auf die Feuerwehren und das THW eingegangen sind. Es war nämlich auch zu lesen, dass das Personal des THW bedrängt und die Feuerwehrleute angegriffen, ja sogar mit Silvesterraketen beschossen wurden.

Wenn Sie eine Schutzausbildung für Mitarbeiter des Rettungsdienstes fordern, sollten Sie wenigstens so konsequent sein, die anderen Helfer, denen wir als Gesellschaft ebenso viel verdanken, genauso gut zu behandeln. Hier war die Kleine Anfrage schon einen wesentlichen Schritt weiter. Die CDU-Fraktion stellt sich nicht gegen eine Verbesserung des Schutzes von Rettungskräften.

(Günter Rudolph (SPD): Das wäre noch schöner!)

Frau Bächle-Scholz, kommen Sie bitte zum Schluss.

So hat sie auch nichts gegen eine Anhörung zu diesem Thema. Doch sollte diese Anhörung nicht nur im Sozialausschuss, sondern gemeinsam mit dem Innenausschuss behandelt werden.

(Günter Rudolph (SPD): Die haben eigentlich genug Arbeit!)

Ich bitte Sie, lassen Sie uns die Anhörung gemeinsam mit den Leistungserbringern für eine Lösung abwarten, und dies, ohne zu dramatisieren oder auf der anderen Seite zu bagatellisieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Danke sehr, Frau Bächle-Scholz. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Dr. Spies gemeldet. Für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer: Herr Dr. Spies hat zwei Minuten Redezeit.

Die braucht man gar nicht. – Verehrte Frau Kollegin, der Blick ins Gesetz hilft bei der Rechtsfindung ungemein, auch ins Rettungsdienstgesetz. Träger des Rettungsdienstes sind laut Hessischem Rettungsdienstgesetz die Kreise und kreisfreien Städte, nämlich die kommunale Ebene, die für die Sicherstellung des Rettungsdienstes zuständig ist. Genau die müssen dafür zuständig sein, in ihrem Bereich sicherzustellen, dass das stattfindet. Darin sehe ich überhaupt kein Problem.

Was die Frage der Kosten angeht – vielen Dank für Ihren Hinweis –, reden wir über eine Größenordnung in der zweiten Hälfte der Million, um einmal in Hessen den gesamten Rettungsdienst erstzuqualifizieren. Der Rest geht in die laufenden Aufgaben. Dazu muss man auch mit den Kostenträgern reden, also mit den Krankenkassen, weil letztendlich der Rettungsdienst deren Aufgabe ist. Wenn das Land dazu einen Anschub gibt, kann man in der Frage sehr schnell weiterkommen, um jede Unklarheit in der Frage der Finanzierung zu beantworten.

Letzte Bemerkung, weil Sie auf die Kleine Anfrage verwiesen haben. Sie haben selbstverständlich recht, dass die Zahl der Fälle, die zentral in Rettungsdienstorganisationen als ernst zu nehmende Körperverletzung gemeldet werden, sehr gering ist, weil nämlich die Mehrzahl der Betroffenen solche Vorfälle überhaupt nicht weitergibt. Genau deshalb kommt es darauf an, die reale Situation zu erfassen, wie wir sie inzwischen kennen, bei der wir selbstverständlich Handlungsbedarf haben, weil es um das Sicherheitsgefühl der Betroffenen geht. Wenn Sie das auf andere Bereiche ausdehnen wollen, sind wir in dieser Frage selbstverständlich offen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke, Herr Dr. Spies. – Dann darf ich die nächste Rednerin aufrufen, Frau Kollegin Schott für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau BächleScholz, eines fand ich bezeichnend. Sie haben nicht gefragt: „Brauchen wir an der Stelle mehr Hilfe für die Rettungsdienstler?“, sondern Sie haben als Erstes einmal gefragt: „Können wir es finanzieren? Dann können wir uns überlegen, ob wir es brauchen.“ So herum machen Sie Politik.

(Widerspruch bei der CDU)

Das beschreibt Ihre gesamte Haltung zur Politik.

(Widerspruch der Abg. Holger Bellino und Helmut Peuser (CDU))

Ich denke, unsere Aufgabe ist es, zu beschreiben, was wir brauchen. Gibt es Menschen, die für andere im Einsatz sind und in dieser Arbeit in Not geraten, dann muss man darüber nachdenken, wie man diesen Menschen mehr Sicherheit gewährt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass wir das tun müssen, müssen wir anschließend schauen, wo wir das Geld dafür hernehmen. Das ist unsere Aufgabe, und nicht andersherum.

(Zuruf des Abg. Helmut Peuser (CDU))

Nicht die Inhalte plattmachen mit der Kommentierung: Wir haben kein Geld dafür. – Das kann es nicht sein.

(Holger Bellino (CDU): Totaler Nonsens! Wir haben das beste Rettungsdienstgesetz in ganz Deutschland!)

Das ist überhaupt kein Nonsens, sondern das ist das, wie ich Politik verstehe.