Ein Aufschieben dieser Reform ist nicht mehr vertretbar. Die Klage ist deshalb der einzig mögliche und richtige Schritt. Wer sich dagegen wehrt, muss zur Kenntnis nehmen, dass wir ihm deutlich sagen, dass er zum Schaden der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes handelt.
Ich will das sehr deutlich sagen, weil hier immer wieder – zu Recht – über die Situation der Kommunen gesprochen wird. Auch die hessischen Kommunen sind massiv von dem Ungleichgewicht im Länderfinanzausgleich betroffen. Von jeder Milliarde, die Hessen weniger in den Länderfinanzausgleich einzahlen muss, erhalten die Kommunen 230 Millionen € – eindeutig ein Betrag, der nicht zu vernachlässigen ist.
Herr Schäfer-Gümbel, Sie haben uns vorgetragen, das sei alles nicht so schlimm. Herr Schäfer-Gümbel, ich will für Sie in aller Klarheit die Zahlen wiederholen, die der Herr Ministerpräsident schon genannt hat, die aber anscheinend bei Ihnen nicht angekommen sind. Ohne den Länderfinanzausgleich wäre das Land Hessen schuldenfrei. Seit 1999 hat Hessen knapp 30 Milliarden € in den LFA eingezahlt und im gleichen Zeitraum 18,8 Milliarden € neue Schulden aufgenommen. Das kann man relativ einfach rechnen – da reichen die Grundrechenarten aus der Schule –: 30 minus 18,8. Wie viel da übrig bleibt, können Sie sich selbst ausrechnen.
Seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland haben mit Hessen und Baden-Württemberg nur zwei Länder immer in den Länderfinanzausgleich eingezahlt. Das zeigt, der Länderfinanzausgleich stellt die Lebenswirklichkeit auf den Kopf. Ohne den Länderfinanzausgleich müsste Hessen keine neuen Schulden machen, könnte Rücklagen bilden oder zusätzliches Geld in Infrastrukturmaßnahmen, in Leistungen für Familien und vor allem noch mehr Geld in die Bildung investieren.
Was bedeutet das? Warum müssen wir das heute noch einmal diskutieren? Weil das Unterlassen einer Klage vor
dem Bundesverfassungsgericht verantwortungslos gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes wäre. Es würde den hessischen Bürgerinnen und Bürgern schaden. Seit Januar 2011 ist auf der Ministerpräsidentenkonferenz mehrfach über eine Reform verhandelt worden. Ein Teil der Länder hat sich in dieser Frage aber kein Stück bewegen wollen. Insbesondere die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Kraft, SPD – –
Unter anderem aus dem Bericht des Ministerpräsidenten, Herr Kollege Schmitt. Sie hätten zuhören sollen, dann wüssten auch Sie das.
Ministerpräsidentin Kraft hat im Übrigen Anfang Februar in aller Öffentlichkeit angekündigt – das können Sie in den Zeitungen nachlesen –, dass sie nicht bereit ist, irgendwelchen Änderungen am System vor 2019 im Verhandlungswege zuzustimmen. Weil das so ist, bleibt in einem Rechtsstaat nur noch das Mittel der Klage. Was denn sonst?
Auch das sei Ihnen in Erinnerung gerufen: Allen drei bisherigen Finanzausgleichsreformen ist jeweils ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorausgegangen. Es sind die Urteile aus den Jahren 1986, 1992 und 1999. Was sagt uns das? Das sagt uns, dass eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ein wirkungsvolles Mittel ist, um die, die nicht verhandlungsbereit sind, letztlich an den Verhandlungstisch zu zwingen. Herr Kollege Al-Wazir, ich bin sicher, wenn es ans Eingemachte geht, wenn es an die Kohle geht, dann wird auch Frau Dreyer an den Tisch kommen, dann wird auch Frau Kraft an den Tisch kommen – und all die anderen, die sich heute verweigern.
Ich will in aller Kürze zusammenfassen, worum es hier und heute für Hessen geht. Sie, die vereinigten Links-Oppositionsparteien,
treten im September an, weil Sie die Verantwortung für dieses Land übernehmen wollen. Oder hat sich daran etwas geändert? Ich bin gespannt, wie Sie den hessischen Wählerinnen und Wählern vermitteln wollen, dass Sie ihnen im Namen der Solidarität immer mehr Einkommen aus der Tasche ziehen wollen und dann das Geld bereitwillig weiterreichen an andere, die es ihren Bürgern für Wohltaten zur Verfügung stellen.
Ihre Einstellung und Ihr finanzpolitischer Irrglaube zeigen nur eines: Sie wollen zwar die Macht, aber Sie sind nicht bereit, echte Verantwortung für dieses Land zu übernehmen.
Frau Schulz-Asche, das wurde vorhin an Ihren Bemerkungen, an Ihrer Reaktion auf die Rede meines Kollegen Christean Wagner von der CDU-Fraktion und an Ihrem seltsam motivierten Beifall deutlich. Als es ernst wurde, als Kollege Wagner zu den Kernthemen kam, war Ruhe; da waren Sie nicht mehr bereit, eine Reaktion zu zeigen. Wenn es ernst wird, dann kann man sich darauf verlassen, dass auch die SPD weg ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden gegen den Länderfinanzausgleich klagen, da dies der einzig gangbare Weg ist, zum Wohle des Landes zu handeln. Herr Al-Wazir hat uns angekündigt, dass sich die GRÜNEN – wie so häufig – einen schlanken Fuß machen: viel Gerede, aber nichts, was Hand und Fuß hat.
Herr Schäfer-Gümbel, ich will auch eines noch sehr deutlich sagen: Es geht hier um die Frage „Hesse oder Genosse?“ Es geht nicht um die Frage, ob Sie ein großer hessischer Politiker aus den Reihen der SPD sind, sondern darum, wie Sie sich heute verhalten. Es geht darum, ob Sie sich an die Seite der Genossin Kraft stellen, ob Sie sich an die Seite des Genossen Wowereit stellen, ob Sie sich an die Seite des Genossen Platzeck stellen. Meine sehr verehrten Damen und Herren der Sozialdemokratie, heute ist für Sie die Stunde der Wahrheit.
Sie müssen heute, und zwar in namentlicher Abstimmung, die Frage beantworten, ob Sie mehr Genosse oder mehr Hesse sind. Wer sich aus parteipolitischem Kalkül gegen die Klage des Landes Hessen stellt, der schadet aktiv den hessischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich beantrage zunächst einmal namentliche Abstimmung über unseren Änderungsantrag.
Sie können dann beweisen, meine Damen und Herren, insbesondere Herr Wagner kann es beweisen, der jetzt lacht – –
Herr Dr. Wagner hat damals dem von den Schwarz-Gelben verhandelten Länderfinanzausgleich im Kabinett zugestimmt. Jetzt kann er beweisen, ob er damals einem verfassungswidrigen Gesetz zugestimmt hat oder nicht.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))
Da können Sie noch so viel zurufen. Sie werden nachher Ja oder Nein rufen müssen, ob Sie damals einem verfassungswidrigen Gesetz zugestimmt haben oder nicht.
Der Ministerpräsident hat angeführt, dass man mittlerweile in einer anderen Situation sei, weil sich die Verhältnisse geändert haben. Das war das Hauptargument. Der Ministerpräsident zitierte den baden-württembergischen Ministerpräsidenten, der von einem System gesprochen hat, das irrsinnig sei, der von einem „bescheuerten System“ gesprochen hat. Er hat angefügt, es sei doch wohl anerkannt, dass ein solches System nicht weitergeführt werden könne.
Der Ministerpräsident hat aber vergessen, zu sagen dass die Landesregierung dieses System ausgehandelt und er ihm im Kabinett in Person zugestimmt hat. Er hat also einem „bescheuerten System“ zugestimmt. Ich glaube, eine größere Selbstanklage kann es nicht geben, als gegen selbst ausgehandelte Dinge vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen.
Zu den Änderungen der Verhältnisse sagte er – anders, als er es gegenüber der „FAZ“ dargestellt hat, wo er noch von sieben Ländern gesprochen hat –, dass 2007 fünf Länder 6,9 Milliarden € gezahlt haben. Im letzten Jahr seien es drei Länder gewesen, die insgesamt 7,9 Milliarden € gezahlt haben. Was der Ministerpräsident aber vergisst, zu sagen: Die Aufkommen und Steuereinnahmen, die verteilt worden sind, haben sich in dieser Zeit natürlich massiv verändert. Die Länder hatten in dieser Zeit insgesamt 14 Milliarden € mehr Steuereinnahmen. Ich glaube, wenn von 14 Milliarden € 1 Milliarde € mehr verteilt wird, macht das die Relationen deutlich.
Aber viel entscheidender ist, dass sich die Verhältnisse tatsächlich geändert haben. Vor sieben Jahren – zu dem Zeitpunkt, den der Herr Ministerpräsident anführt – hat Hessen in den Länderfinanzausgleich mehr als das Doppelte eingezahlt als heute. Die Kurve geht ständig nach unten. Herr Al-Wazir und mein Fraktionsvorsitzender haben es schon erwähnt: Die Zahlungen in den Länderfinanzausgleich gehen seit 2007 ständig zurück. Darauf will man eine Klage begründen. Viel Vergnügen.
Die Stümperei geht weiter. Nach dem Flughafen, als man gegen sich selbst geklagt hat, und dem RWE-Urteil von gestern wird die nächste Stümperei auf den Weg gebracht. Das kann sehr teuer werden.
Als nächstes Argument wird angeführt, die Einwohnerveredelung sei nicht korrekt. Darüber kann man reden. Dazu, dass das Bundesverfassungsgerecht objektive, nachvollziehbare Gründe dafür sucht, muss ich sagen: Die gibt es nicht. Es gibt keine wissenschaftliche Begründung dafür, warum die Einwohnerzahlen von Hamburg oder Bremen mit 135 % gewichtet, also veredelt werden. Eine Anmerkung: In Hessen gibt es übrigens auch eine Einwohnerveredelung, z. B. 140 % für Frankfurt. Da kommt man ins Nachdenken.
Aber es gibt auch keine wissenschaftliche Untersuchung, die erklärt, warum die Einwohnerzahlen der Kommunen nur mit 100 % gewertet werden. Ich möchte einmal ein Urteil sehen, das belegt, 135 % sind nicht wissenschaftlich abgesichert, 64 % aber schon – obwohl auch dazu nichts vorliegt. Am Ende wird es nur eine Entscheidung geben können, bei der es heißt: Entweder es bleibt so, wie es ist, oder in beiden Fällen werden die Einwohnerzahlen bzw. die Kommunen zu 100 % gewichtet.
Dann werden wir sogar die Verlierer sein, und das möchten wir verhindern. Das ist doch irrsinnig: Seit zwei Jahren reden Sie von einer Klage. Bis zum heutigen Tage haben wir noch keine Klageschrift in der Hand gehalten. Wir wissen daher überhaupt nicht, wie die Landesregierung die Klage in den Details begründet.
Ich komme nun, wie es der Herr Finanzminister im Umweltausschuss ausgedrückt hat, zum „Bluthochdruck“-Argument, nämlich zu den Ausgaben in den anderen Ländern. Herr Wagner hat es heute ausgeführt. Rote Köpfe habe ich aber übrigens nur bei den anderen gesehen.
Dazu muss man Folgendes wissen: In der „FAZ“ gibt es zu diesem Argument einen wunderschönen Artikel von Herrn Peffekoven. Er sagt – als Jurist muss man wissen, was das bedeutet –, dieses Argument sei „völlig abwegig“. Es sei völlig abwegig, darüber im Zusammenhang mit den Ausgaben der anderen Länder zu diskutieren. Wenn Sie das schon tun, sollten Sie sich das hier einmal vor Augen halten.