Diese Professorin empfiehlt vielmehr, dass die Politik zur Vermeidung neuer Kohlekraftwerke die Laufzeiten für die Kernkraftwerke verlängern solle. Das war zweimal die Auffassung von Frau Kemfert, 2010 und 2011. Ich frage: Was ist denn das? Ist das auch die Position der hessischen SPD? Wofür steht die hessische SPD? Diese Frage wird bis zum Ende des Wahlkampfs ungeklärt bleiben. Keiner weiß es.
Deshalb bin ich bei Herrn Gabriel. Ich glaube, Gabriel hat recht: Wir brauchen auch in Deutschland weiterhin moderne Kohle- und Gaskraftwerke, damit uns die Kosten nicht durch die Decke schießen. Dafür brauchen wir einen Regulierungsrahmen. Das mag Frau Kemfert vielleicht nicht so sehen, aber Herr Gabriel und Frau Kraft haben an dieser Stelle unsere Unterstützung.
Wir wollen weiterhin bezahlbare Energien, wie es Walter Arnold gesagt hat. Wir wollen Versorgungssicherheit. Deshalb kümmern wir uns auch darum. Ich will nicht ausmalen, was passieren würde, wenn wir einen Blackout bei der Stromversorgung im Rhein-Main-Gebiet hätten, am größten Internetknoten, am Sitz der Deutschen Börse.
Das alles zeigt: Wir müssen das Problem der fehlenden Speicherbarkeit für erneuerbare Energien lösen. Wir brauchen einen Regulierungsrahmen, der es zum einen wieder ermöglicht, in konventionelle, moderne Kraftwerke zu investieren. Zum Zweiten müssen wir die erneuerbaren Energien so steuern, dass sie auch speicherbar werden. Nur wenn sie speicherbar sind, sind sie auch rund um die Uhr einsetzbar. Das ist der Unterschied.
Deshalb will ich zum Schluss sagen: Wir sind als FDP dafür kritisiert worden, dass wir ein Moratorium für den Ausbau verlangen, bis die Frage der Speicherfähigkeit geklärt ist.
Ich will kurz nach Baden-Württemberg schauen. Die grünrote Landesregierung in Baden-Württemberg hat es geschafft, dass zwischen Mannheim und Konstanz in der ersten Jahreshälfte nicht ein einziges neues Windrad gebaut worden ist. Wissen Sie, wie man so etwas nennt? Moratorium.
Vielen Dank, Herr Staatsminister Rentsch. – Damit ist auch die Aktuelle Stunde der FDP abgehalten worden.
Ich lasse nun über den Dringlichen Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Hessen bleibt das Land des Mittelstandes, Drucks. 18/7720, abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktionen von CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und die Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieser Antrag angenommen.
Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Politikwechsel für Hessen durch „UmFairTeilen“ – Drucks. 18/7675 –
Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten pro Fraktion. Frau Kollegin Wissler, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Bitte schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! 15 Jahre CDU-geführte Landesregierung waren für die Menschen in Hessen keine guten Jahre. Roland Kochs Leuchtturmprojekte stürzen in sich zusammen. Durch den einen Flughafenausbau haben Sie eine ganze Region verlärmt, an dem anderen Flughafen hebt kein Flieger ab. Die Privatisierung des Uniklinikums ist ein Desaster, und die EBS ist fast pleite. Die Einführung von G 8 ist auf ganzer Linie gescheitert, und die „Operation düstere Zukunft“ hat die soziale Infrastruktur in Teilen zerstört und kulturellen Initiativen die Arbeit erschwert. Die Kommunen in Hessen sind chronisch unterfinanziert und werden durch den sogenannten Kommunalen Schutzschirm gezwungen, harte Kürzungsmaßnahmen durchzusetzen, wie Bibliotheken, Jugendzentren und Schwimmbäder zu schließen.
Bei der Energiewende liegt Hessen im Bundesländervergleich weit hinten, weil die großen Energiekonzerne mit der Hessischen Landesregierung noch immer eine treue Verbündete haben. Ihre Regierungszeit ist geprägt von Skandalen, von Vetternwirtschaft, Stellenbesetzung nach Parteibuch, Mauscheleien bei der EBS, Wortbruch beim Nachtflugverbot und die Psychiatrisierung unbequemer Steuerfahnder.
Meine Damen und Herren, diese Landesregierung tut so, als sei Hessen das Land der Glückseligen, und zeichnet ein rosarotes Bild von Hessen, zu dem alle Ja sagen. Sie zeichnen auch ein rosarotes Bild von der Lage am Arbeitsmarkt.
Ob 96 % der Hessinnen und Hessen sich wegen oder trotz der Landesregierung in Hessen wohlfühlen, das ist die Frage, Frau Lannert.
Die Landesregierung tut so, als sei auf dem Arbeitsmarkt alles in Ordnung. Dabei hat gerade die „FAZ“ im Dezember eine Liste von bundesweit 68 Unternehmen veröffentlicht, die aktuell einen Stellenabbau von mehr als 200 Beschäftigten in Deutschland vollzogen oder für die nächste Zeit angekündigt haben. Auf dieser Liste stehen erschreckend viele hessische Unternehmen, ganz oben natür
lich Schlecker; da sind in Hessen 2.000 Arbeitsplätze weggefallen. Auf Platz 3 folgt Neckermann mit über 3.000 Arbeitsplätzen.
Auf der Liste stehen Lufthansa trotz des angeblichen Jobmotors Frankfurter Flughafen, der Offenbacher Druckmaschinenhersteller manroland, Opel, Merck, Clariant, HP, das Solarunternehmen SMA sowie eine ganze Reihe Banken mit Sitz in Frankfurt, darunter die Deutsche Bank, Sal. Oppenheim, Union Investment, die Landesbank HessenThüringen. Auch das Uniklinikum Gießen-Marburg steht auf dieser Liste. Da fehlen noch einige, weil die Commerzbank noch dieses Jahr zusätzlichen Stellenabbau ankündigte, Infraserv, Vodafone und auch Praktiker, wo jetzt Stellen wegfallen werden.
Da frage ich Sie: Was hat der Ministerpräsident, was hat der Wirtschaftsminister – er ist jetzt nicht da –, was haben die eigentlich dafür getan, um diese Arbeitsplätze zu behalten? – Leider herzlich wenig. Ich erinnere mich, wie die Beschäftigten von manroland vor der Staatskanzlei standen und dort für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstriert haben, aber der Ministerpräsident es nicht für nötig hielt, vielleicht einmal herauszukommen und mit den Beschäftigten zu sprechen. Ich finde, das ist ein Umgang mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Land, der des Ministerpräsidenten überhaupt nicht würdig ist.
Statt sich um die realen Probleme im Land zu kümmern und dorthin zu fahren, wo die Menschen der Schuh drückt, macht der Ministerpräsident eine Sommerreise, bei der man sich fragt, ob das noch Wahlkampf oder schon Urlaub ist: Schiffchen fahren auf dem Edersee, Sommerrodeln und der hessischen Brauchtumspflege huldigen. „Hessen bleibt locker“, plakatieren Sie.
Aber angesichts von 300.000 Niedriglöhnern, einer wieder zunehmenden Verschärfung auf dem Ausbildungsmarkt und einer zunehmenden Kinder- und Altersarmut bin ich der Meinung, dass die Botschaft „Hessen bleibt locker“ bei diesen Menschen durchaus zynisch ankommen kann. Was bei denen locker ist, sind ihre Beschäftigungsverhältnisse, und darüber machen sie sich Sorgen.
Wir wollen einen Politikwechsel in Hessen, und das wird nicht ohne Mehreinnahmen für den Landeshaushalt gehen. Angesichts der Tatsache, dass durch die Steuerpolitik der letzten Jahre, die als eine ständige Umverteilung von unten nach oben stattgefunden hat, die Reichsten in diesem Land selbst in der Krise noch reicher geworden sind, ist es höchste Zeit, über Umverteilung nicht nur zu reden.
Diese Landesregierung hat im Bundesrat allen Steuersenkungen zugestimmt. Das heißt, Sie sind natürlich mitverantwortlich für die Misere der öffentlichen Haushalte. Wir sind der Meinung, dass sich die Menschen, die mit den dicksten Autos auf den öffentlichen Straßen fahren und die in öffentlich finanzierten Theatern und Opern immer in der ersten Reihe sitzen, stärker an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben beteiligen müssen.
Sie dürfen sich dem auch nicht entziehen, indem sie ihr Geld in die Schweiz oder sonst wohin bringen. Wir wollen eine sozial gerechte Steuerpolitik. Wir wollen hohe Ein
kommen und Vermögen stärker besteuern. Wir wollen Unternehmensgewinne stärker besteuern, und wir wollen kleine und mittlere Einkommen entlasten.
Ja, das klingt so ähnlich wie Ludwig Erhards: „Wohlstand für alle“. – Herr Bauer, denken Sie einmal darüber nach, wer eigentlich der Erfinder dieses Spruches ist. Das ist nämlich Ihre Tradition.
In Zeiten der sozialen Marktwirtschaft, auf die Sie sich gern berufen, galt durchaus der Grundsatz, dass es nicht klug ist, wenn die Schere zwischen Arm und Reich so weit auseinandergeht. Da ging es schon um Wirtschaftskonzepte, die der gesamten Gesellschaft dienen sollten und nicht nur einem kleinen Prozentsatz oben. Denken Sie einmal darüber nach.
Hessen braucht Mehreinnahmen, um seinen Aufgaben nachzukommen. Hessen braucht dringend mehr bezahlbaren Wohnraum. Viele Menschen geben mehr als 50 % ihres Gehalts für die Miete aus und wohnen trotzdem viel zu beengt. Betroffen sind Familien, Studierende, Normal- und Geringverdiener, die zunehmend aus den Innenstädten vertrieben werden, weil sie die Mieten nicht mehr zahlen können.
Herr Hahn, ich finde es schon zynisch, wenn Sie als stellvertretender Ministerpräsident diese Sorgen und Nöte mit den Worten kommentieren, es sei ja nicht Aufgabe der Landesregierung, allen Menschen in der Rhein-Main-Region eine bezahlbare Wohnung zur Verfügung zu stellen und dafür zu sorgen, dass sie eine haben. Dann verweisen Sie die besorgten Mieter darauf, dass es in Karben jede Menge bezahlbaren Wohnraum gebe. In Ihrer Berechnung ist natürlich nicht enthalten, dass es vielleicht Fahrkosten gibt, die dann anfallen, dass es vielleicht für Eltern nicht ganz einfach ist, weil es kein vernünftiges Betreuungsangebot mit langen Öffnungszeiten gibt.
Aber Sie haben nicht die Arbeitsplätze in Karben, um in Frankfurt innenstadtnahe Stadtteile nach Karben umzusiedeln, damit sie dort niedrigere Mieten zahlen. Wo Sie die alle mit Arbeit versorgen wollen, das können Sie mir einmal zeigen.
Die Landesregierung hat den sozialen Wohnungsbau an die Wand gefahren. Jährlich fallen 3.000 Wohnungen aus der Sozialbindung. Die gehen dem sozialen Wohnungsbau verloren. „Privat vor Staat“ ist Ihr Motto. Sie wollten die Nassauische Heimstätte verkaufen, weil Sie sagen: Wohnungsbau ist keine Kernaufgabe des Staates. – Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass es gelungen ist, das zu verhindern.
Die Versorgung der Menschen mit Wohnraum ist zu wichtig, um es allein dem Markt zu überlassen. Auch bei studentischem Wohnraum sieht es in Hessen schlecht aus. Hier liegt Hessen im Bundesländervergleich auf dem drittletzten Platz. Deswegen wollen wir, dass Hessen der Verantwortung endlich nachkommt und mehr bezahlbaren Wohnraum schafft – 4.000 neue Sozialwohnungen pro
Jahr, 2.000 Wohnungen für Studierende. Geben Sie den Kommunen endlich wieder ein wirksames Instrument an die Hand, dass sie Leerstände bekämpfen können.
Wir wollen Umverteilung für gute Bildung. Ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz reicht nicht aus. Er muss auch in der Praxis umgesetzt werden. Die Menschen sind es leid, dass permanent Land, Bund und Kommunen sich gegenseitig die Schuld zuschieben, wer verantwortlich ist. Was wir brauchen, sind mehr Kitaplätze und Lösungen für diese Probleme.