Protokoll der Sitzung vom 20.11.2013

Das ist auch gut so, weil es ein wichtiges Thema ist, das die Gemüter der Menschen erhitzt. Der Kollege Ackermann konnte es nicht wissen: Das Thema haben mein Kollege Heinz Lotz und ich durch zwei Kleine Anfragen hier im Landtag eingebracht – nur damit es im Protokoll ordentlich vermerkt ist.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich glaube, und das beruhigt mich ein wenig, dass es in diesem Landtag, jenseits von unterschiedlichen Positionen im Detail, eine große Mehrheit gegen das Thema Fracking gibt. Es gibt eine einzige Partei, die im Wahlkampf offensiv vertreten hat: Wir müssen Fracking prüfen, Fracking ist eine Option, damit schreiten wir voran. – Diese Partei hat gerade einmal 5,0 % bekommen.

Herr Sürmann, es nutzt auch nichts. Sie reden so, als ob Sie mit diesem fulminanten Wahlkampfschlager die großen Prozente eingefahren hätten.

(Zuruf des Abg. Karlheinz Weimar (CDU))

Akzeptieren Sie doch einmal, dass die Menschen diese Technologie nicht wollen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hätte mir an dieser Stelle ein paar nachdenklichere Töne von der FDP gewünscht. Wenn Sie jetzt den Begriff des

„Clean-Fracking“ aufbringen, ist das ein klassisches „Green-Washing“ von Begriffen. Was ist denn Clean-Fracking? Das bedeutet, dass vielleicht irgendwann in der Zukunft ohne Zusatz von Chemikalien gefrackt werden kann. Das ist ja schön und gut. Aber was ist mit der Frage des Flowbacks? Das benzolhaltige Tiefenwasser, das zum Teil mit nach oben kommt und zum Teil krebserregend und ebenfalls grundwassergefährdend ist – all dies wird mit diesem Begriff nicht geklärt. Das müssen wir an dieser Stelle ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Sürmann, wenn Sie sagen, man wisse in Hessen nicht, wie die Situation sei, man müsse alles prüfen, dann kann ich nur erwidern: Wir haben doch im Auftrag des HLUG eine erste Studie bekommen, in der ziemlich deutlich gesagt wird, was geht und was nicht geht. Das müssen wir auch zur Kenntnis nehmen. Deswegen ist dieser Weg richtig.

Wir sollten alle Möglichkeiten nutzen, Fracking zu verbieten. Natürlich wäre es das Beste, dies auf Bundesebene im Berggesetz zu ändern. Wir müssen aber auch schauen, welche Möglichkeiten wir haben. Die Idee, die die LINKEN aufbringen, ist interessant, das über eine Verordnung festzuschreiben. Ich bin jedoch skeptisch – ich bin kein Jurist –, ob man mit einer Verordnung ein Bundesgesetz aushebeln kann. Das wäre der Stein der Weisen. Ich glaube nicht, dass es funktionieren würde. Aber wir müssen es prüfen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Diese Prüfung bekommen wir nicht mehr in den letzten vier Wochen dieser Legislaturperiode hin. Diese Prüfung sollten wir im neuen Landtag ausgiebig miteinander diskutieren. Wir müssen prüfen, ob die Bergverordnung Möglichkeiten gibt, diesen politischen Willen des Hessischen Landtags zu dokumentieren.

Wir werden uns beim ersten Punkt des Antrags der LINKEN enthalten. Dem zweiten Punkt werden wir zustimmen.

Jede politische Ebene sollte schauen, was sie tun kann: der Bund mit dem Berggesetz, wir in Hessen mit der Bergverordnung. Was machen wir in den Regionen? Wir haben in der Regionalversammlung Nordhessen, das ist auch historisch, erstmalig verankert, dass wir in der Planungsregion alles tun werden, um im Regionalplan Fracking zu verhindern. Deswegen mein Appell: Jede politische Ebene sollte in ihrem Zuständigkeitsgebiet sehen, welche Möglichkeiten sie hat, das Erdgasfracking zu verhindern und zu verbieten.

Lassen Sie uns das gemeinsam tun. Ich glaube, dass die Chancen gut stehen, unabhängig davon, welche Regierung es in Hessen gibt. Es ist klar, dass die Frackingpartei, die FDP, sich nicht an der Regierung beteiligen will. Vielleicht haben Sie in den nächsten fünf Jahren die Zeit, dazu möchte ich Sie auffordern, Ihre Position kritisch zu durchleuchten und das überwiegende Interesse der Menschen ernst zu nehmen.

Fracking ist keine Zukunftsenergie. Der Zukunft gehören die erneuerbaren Energien. In diesem Sinne: Glück auf.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Gremmels. – Für die Landesregierung wird jetzt Frau Staatsministerin Puttrich sprechen.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir müssen heute nicht über Urheberschaften diskutieren, sondern können festhalten, dass es in Hessen einen breiten Konsens darüber gibt, dass es sich bei Fracking, solange Gesundheitsschäden nicht ausgeschlossen werden können, solange umwelttoxische Stoffe eingesetzt werden müssen, solange Gefährdungen von Wasser nicht ausgeschlossen werden können, um eine Technologie handelt, die in Hessen nicht angewandt werden soll. Das ist der erste Punkt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt ist – ich kann es sehr kurz machen –: Eine Rechtsverordnung in Hessen zu ändern, ohne dass eine rechtliche Grundlage im Bundesberggesetz vorhanden ist, geht schlicht und einfach nicht. Das Bundesberggesetz muss geändert werden, um hier rechtssicher Möglichkeiten zu schaffen, Fracking mit der Vorsicht einzusetzen, wie ich es gerade angesprochen habe. Der Versuch, das über eine Verordnung zu machen, mag zwar politisch interessant klingen, er greift aber schlicht und einfach nicht.

Ich will deshalb darauf hinweisen, was die Landesregierung in den vergangenen eineinhalb Jahren schon mehrmals gemacht hat. Das Umweltministerium hat sich in der Umweltministerkonferenz mit diesen Themen mehrmals initiativ beschäftigt. Im Rahmen des Bundesrates hat die Hessische Landesregierung den entsprechenden Initiativen zur Änderung des Bundesberggesetzes zugestimmt.

Es wurde darauf hingewiesen, dass im Februar dieses Jahres eine entsprechende Entschließung im Bundesrat beschlossen wurde. Insofern gilt für uns nach wie vor – ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das zukünftig anders sein wird –, dass die Forderungen, die von hessischer Seite gestellt werden, dass eine verbindliche Umweltverträglichkeitsprüfung eingeführt werden soll, dass es weiter gehende Änderungen im Bundesberggesetz geben muss, dass weitere Umweltgesetze auch geändert werden müssen, weiter Bestand haben werden.

Das Thema Fracking ist in Hessen nach wie vor ein Thema, das kritisch ist. Risiken können nicht ausgeschlossen werden. Die gesetzlichen Grundlagen müssen geschaffen werden – ohne jetzt in die einzelnen Details zu gehen. Wir haben sie bereits mehrfach diskutiert.

Das ist auch gerade Gegenstand der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene, indem der Bereich Umwelt, bei dem ich dabei sein durfte, dem Bereich Energie wiederum die entsprechenden Empfehlungen gegeben hat, hier klare Formulierungen zu verwenden, damit zukünftig bundesgesetzlich klar geregelt ist, unter welchen Voraussetzungen Fracking nur stattfinden könnte.

Denn eines ist klar: Alle miteinander sagen, die Technologie ist noch nicht ausreichend erforscht, um im Moment

Risiken ausschließen zu können. Insofern gilt schlicht und einfach: Der Versuch, es in Hessen über eine Verordnung zu regeln, ist untauglich. Uns verbindet die Gemeinsamkeit, hier mit höchster Vorsicht heranzugehen und die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen zu schaffen. Das werden wir in den nächsten Monaten auch tun. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin Puttrich. – Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Aussprache zum Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Fracking über Hessische Bergverordnung verbieten.

Es ist beantragt, dass wir die beiden Absätze unter „Der Landtag fordert die Landesregierung auf“ getrennt abstimmen. Wer möchte Abs. 1 zustimmen? – Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? CDU und FDP. Enthaltung? – SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Wer möchte Abs. 2 zustimmen? – Das sind SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Damit ist der Antrag insgesamt abgelehnt.

Wir fahren fort in der Tagesordnung. Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Familiennachzug syrischer Flüchtlinge – Drucks. 18/ 7780 –

Bevor ich Herrn Roth das Wort erteile, darf ich Frau Kollegin Schulz-Asche auf der Besuchertribüne begrüßen. Wenn ich „unsere ehemalige Kollegin“ sage, so ist das „ehemalig“ noch nicht sehr lange her – herzlich willkommen im Hessischen Landtag, den Sie gut kennen.

(Allgemeiner Beifall)

Jetzt darf ich Herrn Roth für die SPD-Fraktion bitten, den Antrag einzubringen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist gerade vier Wochen her, da konnte ich zusammen mit dem zurzeit amtierenden Präsidenten auf den Golanhöhen stehen, unmittelbar an der syrischen Grenze, und einen Blick in dieses Land werfen. Vor uns, auf der rechten Seite, lag ein kleines Dorf, links eine Kleinstadt – ohne Fernglas und mit eigenen Augen gut zu sehen. Wir erfuhren, dass wenige Tage zuvor zwischen diesen beiden Orten ein erbitterter Kampf stattgefunden hatte: in dem Dorf Oppositionelle, die sich dort zusammengefunden hatten, und in der Kleinstadt Regierungstruppen, die wild aufeinander geschossen haben. Wenn man dort steht und das sieht, holt einen emotional ein, was man im Kopf schon vorher wusste: dass in diesem Land ein brutaler Krieg tobt.

Man kann nachvollziehen, warum in diesem Land etwa ein Viertel der Menschen – etwa 5 Millionen – auf der Flucht sind, 3,5 Millionen davon innerhalb des Landes und etwa 1,5 Millionen außerhalb in den benachbarten Ländern, einige wenige davon auch bei uns. Deshalb war es richtig, dass wir in der letzten Plenarsitzung einen gemeinsamen

Antrag verabschiedet und die Landesregierung einstimmig gebeten haben, eine Anordnung zu treffen, damit Syrer, die in unserem Land leben, die Chance bekommen, Angehörige zu sich zu holen. Das haben wir an Kriterien gebunden. Das ist so weit einvernehmlich geschehen, und das ist gut so.

Aber nachdem das Ministerium die Anordnung veröffentlicht hat, ist uns durch die Reaktion von Flüchtlingsorganisationen, mehr noch aber der Wohlfahrtsverbände und mir zuletzt auch durch Kirchengemeinden – die Domgemeinde in Wetzlar an erster Stelle – bald deutlich gemacht worden, dass sie bei allem Engagement, das sie zeigen, bei allem, was sie selbst einzubringen bereit sind, an Grenzen stoßen. Die Hauptgrenze, an die sie stoßen, ist die Krankenversicherung. Diese kann niemand von den Genannten übernehmen, in den allerwenigsten Fällen können es die hier lebenden Angehörigen der Syrer tun. Aus diesem Grund haben wir den Dringlichen Antrag nachgeschoben, um an dieser Stelle analog die Regelungen im Asylbewerberleistungsgesetz anzuwenden. Das ist der inhaltliche Punkt, um den es geht.

Den zweiten Teil will ich nutzen, um etwas zum Verfahren zu sagen. Alle Betroffenen und die Kolleginnen und Kollegen in den Fraktionen wissen, wie sehr meine Fraktion und ich bemüht waren, einen gemeinsamen Antrag hinzubekommen. Dazu stehen wir nach wie vor. Wir haben diesen Antrag auch in den Fraktionen abgestimmt – bis dahin, dass wir die Änderungswünsche der CDU im vorliegenden Antrag drin stehen haben. Wir sind nach wie vor für das gemeinsame Verfahren offen, aber die konkrete Situation der Betroffenen beunruhigt uns, und wir sind angesichts dieser Situation ungeduldig. Es muss einen Schritt weitergehen, damit das, was wir ursprünglich beabsichtigt hatten, auch bei denen ankommt, für die wir es in der letzten Plenarsitzung beschlossen haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Aus diesem Grund – das ist ein Fehler in der Tagesordnung – beantragen wir nicht eine direkte Abstimmung heute, sondern wir bringen diesen Antrag ein, damit er sowohl im Sozialpolitischen Ausschuss als auch im Innenausschuss beraten und dann in der nächsten Plenarsitzung verabschiedet werden kann.

Herr Roth, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich will zum Schluss ausdrücklich sagen: Unser Bemühen, zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen, geht so weit, dass wir im Verfahren – wenn wir dahin kommen, dass sich ein gemeinsamer Antrag abzeichnet – bereit sind, unseren sofort zugunsten eines gemeinsamen Antrags zurückzuziehen, der diese Fragen regelt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Roth. – Frau Öztürk wird jetzt für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu uns sprechen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Roth, herzlichen Dank für die Hinweise, die Sie zum Schluss noch zum Verfahren gemacht haben. Das ist eine gute Grundlage, um den ganzen Bereich abzuräumen und nicht darüber zu diskutieren, warum es kein gemeinsamer Antrag geworden ist. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir in dieser Frage – wie auch schon im September – als Plenum geschlossen dahinter stehen und einen gemeinsamen Antrag verabschieden, damit das Signal, das nach außen hin wirken soll, auch ankommen kann. Daher bin ich ganz zuversichtlich, dass wir hier im Dezember einen gemeinsamen Antrag beschließen werden.

Es ist die Frage der syrischen Familien, die uns allen sehr nahegeht. Die Frage, dass die syrischen Familien auch ihre Angehörigen außerhalb der 5.000er-Kontingente holen können, ist auch ein politisches Thema gewesen, für das wir uns gemeinsam entschieden haben. Wie es so oft im Leben ist, gibt es in der Praxis den einen oder anderen Fallstrick, den man im Vorfeld vielleicht nicht beachtet hat. Deswegen ist es ganz legitim, dass wir jetzt gemeinsam versuchen, mit diesem Antrag in der Anordnung die einen oder anderen Korrekturen vorzunehmen, damit auch die Familien ernsthaft hierher geholt werden können.