Protokoll der Sitzung vom 08.07.2009

Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU und FDP. Gegenstimmen? – SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN...

Der Rest ist unerheblich.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE):Was ist denn das?)

Das war hier in diesem Haus. Ich spreche hier über Bewusstseinsspaltung. Es gibt in diesem Haus einen Abgeordneten, der heißt Frank Sürmann und ist von der FDPFraktion. Ist das so? Herr Sürmann ist gleichzeitig in der FDP-Fraktion im Kreis Bergstraße.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Herr Sürmann hat einen Antrag unterschrieben, der am Montag im Kreistag der Bergstraße zur Debatte stand. Dort steht Folgendes:

Der Kreistag des Kreises Bergstraße fordert das Land Hessen auf, auf die im aktuellen Finanzplan des Landes Hessen für die Jahre 2008 bis 2012 vorgesehene Kürzung des Kommunalen Finanzausgleichs um jährlich 400 Millionen c landesweit zu verzichten, bis der Kommunale Finanzausgleich neu geregelt ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie kommen mir hier mit Parteipolitik. Aber das ist Bewusstseinsstörung, was hier stattfindet. Ihre eigenen Kolleginnen und Kollegen haben ganz offensichtlich nicht aufgepasst, was ihnen vom Finanzminister untergeschoben wurde.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Jetzt versuchen Sie es über die kommunale Familie einzuholen. Was Sie hier veranstalten, ist lächerlich und ärmlich.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Nun klingt Kommunalfeindlichkeit sehr abstrakt. Deswegen haben wir in der Tat versucht, symbolischer klarzumachen, worum es eigentlich geht. Denn in vielen Kommunen sind wir inzwischen in einer Situation, wo weniger nichts ist. Viele Kommunen sind jetzt schon in einer Situation, dass sie eigentlich nicht mehr können.Viele der Be

lastungen, die die Kommunen auch nach der „Operation düstere Zukunft I“ auf sich genommen haben, als die kommunale Familie an vielen Stellen eingesprungen ist, als Sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion über das Internet den Kommunen erklärt haben, was sie jetzt alles nicht mehr bekommen – –

Herr Kollege, die zehn Minuten sind um.

(Günter Rudolph (SPD):Was? Es war so schön gerade!)

Es war so schön, Herr Präsident. Ich bin aber sicher, dass der Minister gleich reden wird. – Ein letzter Satz:Weniger ist nichts. Sie sind an einem Punkt, wo Sie die Kommunen ausbluten.Deswegen sagen wir Ihnen:Beenden Sie dieses Schauspiel. Nehmen Sie die Kürzung zurück. Dann können Sie auch Gespräche mit den Kommunalen Spitzenverbänden führen. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Peter Beuth (CDU): Billiges parteipolitisches Schauspiel!)

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Kollege Stephan gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie haben mich bezüglich der Tatsache angesprochen, dass ich am Montag nicht in der Sitzung des Kreistags Bergstraße war. Ich stelle dazu fest, dass ich mich schriftlich entschuldigt habe, lange bevor die Resolution gekommen ist. Ich wusste auch nicht, dass es zu einer Resolution kommen würde. Von daher gesehen, verwahre ich mich gegen Ihre Behauptung, dass ich mich an diesem Tag gedrückt hätte. Ich habe Termine in Wiesbaden wahrgenommen.

(Günter Rudolph (SPD): Sie waren nicht da!)

Ich war nicht da. Das ist so.

(Zurufe von der CDU)

Ich sage Ihnen zweitens: Ich habe, als ich den Antrag zum ersten Mal gesehen und gelesen habe, das eine oder andere nachzusteuern versucht. Ich habe in der Fraktion der CDU im Kreistag Bergstraße gesagt, ich könne nicht einmal hü und einmal hott sagen, deshalb könne ich diesem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe darauf hingewiesen, dass der Finanzminister das Angebot gemacht hat,über die Dinge zu sprechen und die Situation nicht eskalieren zu lassen. Von daher gesehen glaube ich,dass ich an dieser Stelle richtig gehandelt habe. – Danke.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Stephan. – Das Wort zur Gegenrede wird nicht gewünscht.

Ich darf auf der Tribüne den ungarischen Generalkonsul, Herrn Tamás Mydlo, begrüßen. Herzlich willkommen, Herr Generalkonsul.

(Beifall)

Das Wort hat Frau Kollegin Enslin für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Konsolidierungsversuche der Landesregierung zum Haushalt beschränkten sich in der Vergangenheit überwiegend darauf,das Tafelsilber des Landes zu verscherbeln,anstatt das strukturelle Defizit von 1,5 Milliarden c erfolgreich anzugehen. Dann kamen die Initiativen und die Kommunen dran und spürten schmerzhaft die Einsparversuche. Da war die Landesregierung nicht zimperlich. Auf der einen Seite wurden hochelitäre Rennklubs mit Wohltaten bedacht, die, wie wir wissen, auch nicht geholfen haben, auf der anderen Seite wurden wichtige soziale Infrastrukturen ohne Vorankündigung zerstört.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frauenhäusern, Schuldnerberatungsstellen und viele Initiativen wurden ohne Rücksicht auf Verluste die dringend notwendigen Zuschüsse gestrichen.

Leidtragende waren neben den Initiativen auch die Kommunen, die, wenn sie wichtige Projekte nicht sterben lassen wollten, trotz ihrer schon angespannten finanziellen Situation eingesprungen sind.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Schon beim Haushalt 2009 hat der Finanzminister keine Chance ausgelassen, um immer wieder von der Rekordverschuldung in Höhe von rund 3 Milliarden c abzulenken und mit dem Finger auf den für Hessen ungerechten Länderfinanzausgleich zu zeigen. Meine Damen und Herren, da macht es sich der Minister ein bisschen zu einfach.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer hat denn das Land bei den Solidarmodellverhandlungen der Bundesländer vertreten? Das waren doch Sie, Herr Minister Weimar. Natürlich können wir nachvollziehen, dass ein Geberland wie Hessen am Ende im Vergleich nicht schlechter dastehen möchte als vorher.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Herr Kollege Beuth, wir haben heute Morgen eine Diskussion über Stilfragen geführt. Halten Sie sich doch einfach einmal an Ihre Forderungen von heute Morgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

In diesem Fall liegt es aber eben nicht nur am Länderfinanzausgleich, sondern auch an den Bundesergänzungszuweisungen. Ich kann den Unmut verstehen, wenn durch diese Zuschüsse an bestimmte Länder der Wettbewerb verzerrt wird, weil damit Maßnahmen, z. B. Neuansiedlungsboni, finanziert und damit Unternehmen auch aus Hessen abgeworben werden. Vom Jammern allein ändert sich die Situation aber nicht. Wir vermissen ein aktives

und engagiertes Handeln, um diese – in Ihren Augen – Ungerechtigkeiten abzubauen. Wo ist denn da das Reformkonzept aus dem Hause Weimar? Darauf warten wir. Die Kommunen jetzt zusätzlich zur Kasse zu bitten und zudem den KFA ab 2011 um die stattliche Summe von 400 Millionen c zu reduzieren,ist schlicht einfallslos und trifft den Kern des Problems nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es ist kein Wunder, dass die Kommunalen Spitzenverbände aufschreien. Wie wir gehört haben, geht das quer durch alle Parteien. Leider wurde in der Vergangenheit versäumt, die finanzielle Ausstattung der Kommunen endlich auf eine solide Basis zu stellen, die sie unabhängiger von Konjunkturschwankungen machen würde. An eine echte Gemeindefinanzreform hat man sich bislang nicht herangetraut. Stattdessen müssen die Kommunen immer mehr Aufgaben übernehmen,z.B.den gesetzlichen Anspruch für die Betreuung der über Dreijährigen,die etliche Löcher in den kommunalen Haushalten hinterließ. Auch der angestrebte Anspruch für unter Dreijährige wird die Kassen der Kommunen zusätzlich belasten.

Zudem besteht die Gefahr, dass viele Kommunen die Mittel aus dem Bundesprogramm nicht nutzen können, weil sie sich die Kofinanzierung nicht leisten können. Allerdings müssen wir auch feststellen, dass die Kommunen in der Zeit sprudelnder Einnahmen ihre hohen Schulden nicht entsprechend abbauten – das hat diese Landesregierung auch nicht gemacht –, und natürlich gab es auch Kommunen, die von diesen hohen Einnahmen enorm profitierten.Es ist auch zutreffend,dass die Kommunen in den anderen Bundesländern einen geringeren Zuschuss als die in Hessen bekommen. All das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Landesregierung gegenüber den Kommunen eine Verantwortung hat. Sie muss sie unterstützen, wichtige Zukunftsaufgaben bewältigen zu können, und darf sie nicht noch zusätzlich belasten.

Ich habe mich gefreut, dass Kollege Rock heute Morgen in der Diskussion um den Reichtums- und Armutsbericht noch einmal darauf hingewiesen hat,wie wichtig die Kommunen sind. Deshalb bitte ich Sie, denken Sie auch bei dem geplanten Abzug der Mittel aus dem KFA daran.

Die Zinslast für kommunale Investitionen im Rahmen von Bundes- und Landesprogrammen in Höhe von 1,7 Milliarden c soll aus dem KFA-Topf beglichen werden, sodass hierdurch ein zusätzlicher Mittelabzug entstehen wird. Gerade ärmere Kommunen, die die Konjunkturprogramme nicht voll ausschöpfen können, haben hier das Nachsehen.

Es wird aber noch schlimmer kommen. Nach der aktuellen Steuerschätzung ist mit 8,7 Milliarden c Steuermindereinnahmen für den kommunalen Gesamthaushalt zu rechnen. Für 2010 geht die Prognose sogar von 10,7 Milliarden c Steuermindereinnahmen aus. Diese Einnahmeverluste sind zum Teil auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen. Sie sind auch auf Steuerrechtsänderungen zurückzuführen, die die Kommunen zusätzlich belasten. Für die hessischen Kommunen bedeutet das geringere Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich für das Jahr 2009 in Höhe von ca. 115 Millionen c und für 2010 in Höhe von 350 Millionen c. Für 2011 ist sogar mit einem Minus von 400 Millionen c zu rechnen – und dann kommen Sie noch mit Ihren Kürzungen in Höhe von rund 400 Millionen c.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)