Protokoll der Sitzung vom 17.09.2009

(Lang anhaltender Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch.

Ich habe gehört – ich hoffe, das stimmt –, dass der Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Drucks. 18/1111, inzwischen verteilt ist. Dann reihen wir ihn zu Tagesordnungspunkt 79 ein.

Wir haben jetzt zwei Kurzinterventionen zur Rede des Kollegen Rentsch. Das ist zunächst Herr Kollege Dr.Wilken, dann Herr Kollege Grumbach. Dann hat Herr Kollege Rentsch noch einmal Gelegenheit zur Antwort.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Das passt ja!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Rentsch, noch einmal für Sie zur Kenntnis: Wir wollen keine DDR zurück, wir wollen keinen Stacheldraht, wir wollen keine Mauer. Unsere Abscheu dagegen ist genauso groß wie Ihre. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

(Clemens Reif (CDU):Was wollen Sie denn? – Holger Bellino (CDU): PDS-Geld! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Aber deswegen habe ich mich nicht gemeldet. Herr Rentsch, Sie haben zum „Wachstum stärken“ durch Ihre Politik etwas gesagt. Sie haben sich gegen die Verstaatlichung der Banken gewandt. Ja, was passiert denn im Moment? Die Bundesregierung kauft zum vierfachen Nennwert ein Viertel der seitdem sogenannten ComerkelBank. Das ist genau das Gegenteil von Verstaatlichung,

sondern das ist die Sozialisierung der Verluste. Dann nennen Sie das auch noch „Wachstum stärken“.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie wollen das Gleiche wie die NPD!)

Meine Damen und Herren, auch Sie werden sicherlich nicht bestreiten, dass wir in einem sehr reichen Land leben. Wir stellen fest, dass der Reichtum in diesem Land äußerst ungerecht verteilt ist. Es ist unsere Aufgabe in der Politik, das wieder umzudrehen, damit – jetzt sage ich unseren Slogan –

(Zurufe von der CDU: Reichtum für alle!)

Reichtum für alle da ist. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Nun Herr Kollege Grumbach.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Das kann nur noch bes- ser werden!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch hat ein kluges Bewertungssystem für politische Systeme gefunden. Er hat nämlich den Schaden beschrieben, der in der früheren DDR angerichtet worden ist, mit etwa 1,7 Billionen c. Das finde ich einen klugen Maßstab. Die DDR hat dafür 40 Jahre gebraucht. Wenn man sich die jetzige Wirtschaftskrise anschaut, wird man feststellen können, dass es Vertreter Ihrer politischen Position in zehn Jahren geschafft haben, den gleichen Schaden im Westen Deutschlands anzurichten.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Herr Kollege Rentsch hat Gelegenheit zur Antwort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Wilken, zur Frage der LINKEN ganz ernsthaft: Wir haben uns im letzten Jahr sehr viel mit Ihnen auseinandergesetzt.

(Günter Rudolph (SPD): Sie haben es hin und wieder erwähnt, ja!)

Wir haben jetzt festgestellt, eigentlich lohnt es sich gar nicht, sich mit Ihnen auseinanderzusetzen. Denn das, was Sie in Deutschland plakatieren, was Sie auf Wahlkampfveranstaltungen sagen, was Ihre Spitzenkandidatin in Hessen fordert – dazu werden wir gleich noch kommen: soziale Unruhen –, hat so wenig mit Demokratie zu tun, dass es sich wirklich nicht lohnt, sich mit Ihnen auseinanderzusetzen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Selbst die Französische Revolution war demokratisch!)

Jetzt komme ich zu Herrn Kollegen Grumbach. Herr Kollege Grumbach, ich glaube nicht, dass Sie den Vergleich

ernst gemeint haben, weil ich Sie besser kenne und schon hoffe, dass Sie die Probleme der DDR nicht nur auf die große finanzielle Verschuldung beziehen, sondern auch darauf, wie Menschen unterdrückt worden sind und in Unfreiheit leben mussten.

(Helmut Peuser (CDU): Hohenschönhausen! – Minister Jörg-Uwe Hahn: Schifflersgrund!)

Deshalb brauchen wir nicht in einen Wettbewerb einzutreten, welche Probleme größer waren. Denn die stehen fest, darüber müssen wir uns nicht auseinandersetzen. Aber eines ist doch vom Grund her klar: lieber eine Marktwirtschaft mit Fehlern als eine Planwirtschaft mit System. Herr Kollege Grumbach, das ist doch der Unterschied.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Minister Jörg- Uwe Hahn, an die SPD gewandt: Da klatscht nie- mand von euch!)

Ich bin immer wieder überrascht, wie Sie doch versuchen, es zu relativieren, weil es ein bisschen zeigt, warum sich die hessischen Sozialdemokraten im letzten Jahr für diese Richtung entschieden haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Nun hat für die Landesregierung Herr Wirtschaftsminister Posch das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Fraktionen – –

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sind doch im Hessischen Landtag! – Gegenrufe von der CDU und der FDP)

Herr Posch, entschuldigen Sie ganz kurz. – Ich habe gerade Herrn Posch das Wort gegeben, und ich bitte, dem Minister bei seinen Ausführungen zuzuhören.

(Günter Rudolph (SPD): Das waren die eigenen Leute!)

Vielen Dank. Ich glaube, das wird uns schon gelingen. – Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Titel des Antrags von CDU und FDP lautet: „Soziale Marktwirtschaft garantiert Freiheit, Wohlstand und soziale Sicherheit“. Das ist so, und daran ändert auch die gegenwärtige Wirtschaftskrise nichts. Denn es ist ein Bekenntnis zu einem erfolgreichen System der letzten 60 Jahre.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege Wilken, Sie versuchen das immer sehr grundsätzlich zu machen. Eben haben Sie versucht darzustellen, dass unsere Verfassung kein Wirtschaftssystem vorherbestimmt bzw. impliziert. Ich teile diese Auffassung

nicht. Ich will Ihnen sehr deutlich sagen:Aus dem Grundrechtekatalog, insbesondere Art. 2, nämlich der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Rechtsstaats- und dem Sozialstaatsprinzip, ergibt sich für uns, dass soziale Marktwirtschaft und Demokratie unmittelbar zusammengehören.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE):Alle Menschen sind gleich! – Gegenrufe von der CDU: Nur manche sind gleicher!)

Wir haben dieses Jahr wichtige 60-Jahr-Gedenktage. Ich glaube, diese Gedenktage sind Anlass, deutlich zu machen, welchen erfolgreichen Weg Deutschland in den letzten Jahrzehnten genommen hat, von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu einer Republik, die fest auf dem Leitbild einer freiheitlichen und demokratischen Grund- und Werteordnung steht.

Meine Damen und Herren, Deutschland und den Deutschen geht es heute so gut wie noch niemals zuvor in der Geschichte. Ich komme auf die Probleme, die wir haben, gleich noch zu sprechen. Ein wesentlicher Baustein dafür, dass es uns so gut geht, ist die soziale Marktwirtschaft. Deswegen erlauben Sie mir, nur einige Fakten zu nennen.

Das verfügbare Jahreseinkommen der Haushalte hat sich von 1950 bis heute preisbereinigt mehr als verfünffacht. Die durchschnittliche Arbeitszeit je Arbeitnehmer sank von jährlich 2.400 Stunden im Jahr 1950 auf 1.350 Stunden im Jahr 2008. Der Warenkorb, für den man 1950 noch eine volle Stunde arbeiten musste, war 2008 bereits nach elf Minuten verdient.

Unter Bezugnahme auf die Entwicklung im anderen Teil Deutschlands will ich auf Folgendes hinweisen. 1950 musste man für ein Pfund Kaffee noch über 26 Stunden arbeiten, heute sind es gerade noch einmal 20 Minuten. In der DDR musste man für Kaffee wochenlang anstehen. Das ist die Realität.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP)

Vor diesem Hintergrund ist es geradezu grotesk, ein Erfolgsmodell infrage zu stellen. Wenn von den LINKEN immer wieder diskutiert wird, das kapitalistische System habe versagt, und es müsse überwunden werden, dann ist es das,was in der DDR praktiziert worden ist.Ich kann Ihnen sagen, ich habe meine Großeltern in der DDR öfter besucht. Ich musste immer Kitt mitnehmen, damit die Fenster nicht herausfielen. Das war die Realität in der DDR. Aber das verleugnen Sie, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Konjunkturelle Schwankungen sind einer sozialen Marktwirtschaft immanent, und sie sind auch völlig normal. Gleichwohl wissen wir, dass wir konjunkturellen Schwankungen entgegenwirken müssen. Damit kommt die Rolle des Staates ins Spiel. Unsere sozialen Sicherungssysteme haben genau diese Aufgabe,nicht nur in strukturellen Krisen, wie wir sie jetzt haben, sondern auch in konjunkturellen Krisen denjenigen zu helfen, die unverschuldet in Not geraten sind bzw. nicht zu den Siegern dieses Gesellschaftssystems im konkreten Fall gehören.

Meine Damen und Herren, außergewöhnlich ist im Moment in der Tat die Tiefe des Konjunkturtals. Allerdings hat die Finanzkrise bestimmte Ursachen, die wir nicht vergessen sollten. Ich weiß nicht, wer von Ihnen vor Kurzem die Sendung über den Ausgang der Immobilienkrise

in Amerika gesehen hat. Der Beginn der Krise war nicht marktwirtschaftliches Handeln, sondern die politische Idee, Menschen Wohnungseigentum zu vermitteln, ohne einen Pfennig Geld in der Hand zu haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)