Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

Trotz der deutlich verbesserten Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte darf dies über eines nicht hinwegtäuschen: Die Lage bleibt angespannt.

Etwas weiter in der gleichen Rede:

Eine echte Gesundung der Staatsfinanzen wird sich – das muss aufgrund dieser Zahlen jedem klar werden – selbst bei konsequentester Konsolidierung und weiterhin guten Steuereinnahmen erst mittelfristig einstellen.

Meine Damen und Herren, es war das gleiche Bild, Jahr für Jahr. Ein Haushalt ohne Schulden wurde immer auf die mittelfristige Sicht verschoben. Immer hieß es: Mittelfristig werden wir das Ziel der Begrenzung der Verschuldung schon erreichen. – Verschoben auf mittelfristige Sicht.

Genau so ist das wieder bei dem Antrag von CDU und FDP,der uns heute vorgelegt wird.Auch hier wird das Ziel der Sanierung der Haushalte wieder auf mittelfristige Sicht verschoben. Auf diese Weise werden wir das verfassungsrechtlich verankerte Ziel, bis 2020 ohne neue Schulden auszukommen, nie erreichen. Daher noch einmal unser Vorschlag, die Möglichkeiten des bisherigen gesetzlichen Instrumentariums zu nutzen und nach § 50 Abs. 3 Haushaltsgrundsätzegesetz eine Alternativrechnung vorzulegen.

Ich sage es noch einmal:Wir wollen die Neuverschuldung schrittweise zurückführen, und wir wollen die steuerpolitischen Rahmenbedingungen konkretisieren, die dafür sorgen, eine ausreichende Finanzierung der staatlichen Aufgaben darzustellen. Sie werden mir natürlich gleich vorhalten, ich hätte vergessen, dass wir uns in einer tiefen wirtschaftlichen Rezession befinden. Mitnichten, das habe ich nicht vergessen. Das müssen wir sehr genau im Auge behalten. Darum müssen wir auch genau planen, wie sich das Steuerwachstum in Zukunft entwickelt und

wie wir die Einnahmen in diesem Land, in der Bundesrepublik und auch in Hessen, künftig konkretisieren.

Ich hatte es schon angesprochen:Wir haben Instrumente, die bisher nicht ausreichend genutzt wurden.Wir möchten eines, das bisher angestaubt war und in der Mottenkiste lag, zu neuem Leben erwecken und möchten Sie bitten, es anzuwenden und mit uns gemeinsam eine solche Alternativrechnung zu prüfen.

In ihrem Antrag stellen CDU und FDP wieder die alten Instrumente fest. Sie jammern uns wieder vor, der Länderfinanzausgleich sei so hoch wie lange nicht mehr, und er sei mit schuld an den hohen Verlusten in Hessen.Aber Sie sind auch gefordert, den Länderfinanzausgleich neu zu verhandeln. Davon lese ich überhaupt nichts in Ihrem Antrag. Da muss ein bisschen mehr dazukommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Landesregierung hat eine Haushaltsstrukturkommission berufen. Diese Haushaltsstrukturkommission darf aber nicht zum reinen Streichorchester werden. Die Haushaltsstrukturkommission darf nicht dazu dienen, jetzt zu schauen, dass wir die öffentlichen Ausgaben auf das herunterfahren,was uns auf Bundesebene von Angela Merkel, Guido Westerwelle und Horst Seehofer an Steuereinnahmen gerade noch übrig gelassen werden soll. Die Haushaltsstrukturkommission muss auch die Aufgabe haben, zu definieren, was staatliche Aufgaben sind, die der Staat finanzieren will. Zumindest aus meiner Sicht ist es eine hohe Verpflichtung dieser Kommission, den Bedarf an Einnahmen zu definieren, die wir in Hessen brauchen, um einen Haushalt verantwortungsvoll zu gestalten. Hier erwarte ich von der Hessischen Landesregierung, dass sie sich an verantwortlicher Stelle einbringt, um die Einnahmen zu stabilisieren – ein Thema, das wir am heutigen Nachmittag noch diskutieren werden.

Ich komme zum Schluss.Unser Antrag zielt darauf ab,den Zielkonflikt zwischen Verschuldungsverbot, der Finanzierung staatlicher Aufgaben und der Steuerpolitik zu lösen. Aus diesen drei Aufgaben wollen wir einen tragfähigen Ausgleich finden. Wir möchten Sie bitten, mit uns in diesen Diskurs einzusteigen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth. – Das Wort hat der Kollege Willi van Ooyen, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Fraktion begrüßt es ausdrücklich, dass die schwarz-gelbe Landesregierung endlich einmal klarmachen soll, was jetzt schon die Spatzen von den Wiesbadener und Berliner Dächern pfeifen: Ohne eine nachhaltige, aufgabengerechte und wirksame Korrektur der Steuereinnahmen hin zu einer wirklichen Besteuerung von Vermögen und Kapital sind ausgeglichene Länderhaushalte Fantasterei.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde es deshalb auch drollig, wie CDU und FDP angesichts von milliardenschweren Haushaltslöchern über Schuldenbremsen und ausgeglichene Haushalte fabulie

ren und Haushaltsstrukturkommissionen als Alibi für nachhaltige Haushaltskonsolidierung herhalten müssen. Aber weniger drollig und umso gefährlicher ist es, trotz milliardenschwerer Defizite von Landes- und Kommunalhaushalten und Steuerausfällen von 320 Milliarden c bis 2013 weitere Steuergeschenke zu versprechen.

Zur Erinnerung. Alleine dieses Jahr werden die Steuersenkungen der letzten Jahre mit bis zu 600 Millionen c als Mindereinnahmen zu Buche schlagen. Wer jetzt noch meint, da müsse noch hinterhergesenkt werden, riskiert die Stabilität öffentlicher Haushalte und programmiert den Abriss des Sozialstaates.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie müssen endlich in Hessen aufzeigen, wie Sie mit Ihrer bundesrepublikanischen Verantwortung der Verarmung öffentlicher Kassen entgegentreten und solide Finanzen in Bund, Ländern und Kommunen erreichen wollen.

(Leif Blum (FDP):Wer zahlt das eigentlich?)

Wenn Sie allein Ihre milliardenschweren Steuergeschenke für Unternehmen und Vermögende in die Tat umsetzen würden,was Sie jetzt vorhaben,können Sie jede Woche Haushaltsstrukturkommissionen einsetzen, aber ändern nichts am Einnahmeproblem des hessischen Landeshaushalts. Schon dieses Jahr wird das Land Hessen insgesamt einen Schuldenberg von über 38 Milliarden c schultern müssen. Deshalb trägt gerade diese Landesregierung eine enorme Verantwortung für die Steuerpolitik und sollte sich deshalb nicht wieder hinter der Wirtschaftskrise, der Berliner Steuerpolitik oder dem Länderfinanzausgleich verstecken. Ihre Parteien haben jetzt in Bundestag und Bundesrat die Verantwortung.

(Heinrich Heidel (FDP): Das ist auch gut so!)

Also nutzen Sie sie, um die skandalöse Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte zu beenden.

(Beifall des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Wir kommen heute Nachmittag darauf zurück. – Euren Antrag finde ich in dieser Richtung ganz ansprechend. Das gleicht sich ein wenig dem an, was wir immer gefordert haben. Das wollte ich damit sagen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr habt auch noch nie das DIW in euren Anträgen zitiert!)

Ich attestiere euch Lernfähigkeit.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen und demonstra- tiver Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Kollege van Ooyen, wenn ihr euch einig seid, machen Sie bitte weiter.

Herr Weimar, wenn Sie demnächst im Bundesrat über die ersten schwarz-gelben Steuergeschenke für Unternehmen und Vermögende abstimmen, werden wir dies in diesem Hause wieder zum Gegenstand der Verhandlungen machen.Wer so wie CDU und FDP die Steuern um 30 bis 90 Milliarden c senken will, der spart den Staat kaputt und hinterlässt Ruinen statt allgemeinem Wohlstand. Ge

nau deshalb finden wir die Intention des Antrags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN richtig, dass die Landesregierung uns mittels einer Alternativplanung aufzeigen soll, wie steuerpolitische Rahmenbedingungen ausgestaltet werden sollen, um wieder solide Finanzen zu haben.

(Lachen des Ministers Karlheinz Weimar)

Wir sind dann auch gerne an Ihrer Seite,wenn Sie über die Einnahmeeffekte von Substanzsteuern wie der Grundsteuer, der Erbschaftsteuer, der Schenkungsteuer oder der Vermögensteuer wieder für eine solidarische Steuerund Einnahmesituation sorgen wollen. Deshalb möchte ich noch einmal erwähnen, dass allein unser Vorschlag einer bescheidenen Vermögensteuer von 1 % für Einkommensmillionäre und einer angemessene Erbschaft- und Schenkungsteuer dem Land Hessen und den Kommunen bis zu 1,8 Milliarden c bringen würde.

Damit wäre zwar momentan die Neuverschuldung nicht gestoppt, aber immerhin halbiert, und das strukturelle Defizit des hessischen Landeshaushalts von 1,2 bis 1,5 Milliarden c behoben, ohne dass Sie bei Lehrern, Polizisten und Sozialarbeitern kürzen müssten. Wir haben als Fraktion immer gesagt, dass wir diese Diskussion über vernünftige Einnahmebedingungen für die Länderhaushalte brauchen, und wir werden sie so lange führen, bis in diesem Hause der letzte Abgeordnete weiß, dass es vernünftige, solidarische und bezahlbare Alternativen zu dieser neoliberalen Umverteilung gibt.

(Leif Blum (FDP): Unerhört! Wo gibt es denn neoliberal?)

Das ist doch Ihr Herzblut. – Ich möchte aber auch in Richtung der bündnisgrünen Antragsteller unsere Skepsis zum Ausdruck bringen, dass die grüne Litanei über den ewig anhaltenden Schuldenkönig Weimar nicht wirklich Bestand hat. Einerseits hat dieser Finanzminister die politische Verantwortung für ein 1,5 Milliarden c schweres strukturelles Defizit, dass gerade in sogenannten guten Zeiten keine Mehreinnahmen vereinnahmt und Minderausgaben veranlasst wurden. Da geben wir Ihnen recht. Andererseits ist das Auflegen von Konjunkturpaketen das Gebot der Stunde.

Darüber hinaus wollen wir im Haushaltsausschuss mit Ihnen auch darüber diskutieren, dass diese Alternativplanung nicht auf das Land Hessen beschränkt werden darf, sondern auch die solide und aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen Bestandteil dieses Alternativplans sein muss.

Es kann nämlich nicht sein, dass die finanzschwachen Kommunen nach der jetzigen Finanzplanung spätestens 2011 mit den Kürzungen im Kommunalen Finanzausgleich um 400 Millionen c die Zahlmeister der Haushaltskrise werden, während das Land Hessen im PRGlanz ein Sonderprogramm nach dem anderen für kommunale Aufgaben auflegt. Sie nehmen den Kommunen heute das Geld weg, um morgen mit viel Getöse ein Sonderprogramm aufzulegen. Eine solche Politik von der einen in die andere Tasche ist unseriös und unredlich. Aber was gerade jetzt nicht geht, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist das scheinheilige Unterstützen von Konjunkturpaketen und das Einstellen zusätzlicher Lehrer und Erzieher, um Wochen später solches Handeln als Schuldenorgie zu definieren und eine sofortige riskante Kursänderung zu fordern.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Gott- fried Milde (Griesheim) (CDU))

Die Schulden, die wir jetzt aufnehmen, sind gute Schulden, weil sie den Menschen und der strapazierten Wirtschaft aus der Krise helfen. Ich würde mir deshalb von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mehr Redlichkeit im Umgang mit den Finanzen wünschen.

Das sagen ausgerechnet Sie von den LINKEN! – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Lieber Frank Kaufmann, in der letzten Haushaltsausschusssitzung haben Sie die Frage gestellt, was „diskretionär“ bedeute. In der Volkswirtschaftslehre bedeutet das nichts anderes, als dass die öffentliche Hand den Wirtschaftseinbruch durch aktive Fiskalpolitik bekämpft. Das wollen wir tatsächlich tun. Antizyklisches Verhalten ist deshalb nötiger denn je. Kommende Generationen werden sich für neue Schulen, vernünftige Kindergärten und eine ordentliche Infrastruktur bei uns bedanken und nicht über uns als Schuldenmacher richten. Solch ein Vorhaben ist das Gebot der Stunde. Zu kritisieren wäre hier unserer Meinung nach, dass diese Impulse wegen der Betonkoalition verpuffen und trotz neuer Straßen und schöner Klassenzimmer nichts erreicht wird. Bei der Schlussfolgerung, wie diese Krisenkosten finanziert werden, unterscheiden wir uns dann aber deutlich von CDU und FDP.Während CDU und FDP die kleinen Leute die Zeche für die Wirtschafts- und Finanzkrise zahlen lassen wollen, wollen wir die Verursacher der Krise, die Millionäre und Kapitaleigner, an den Kosten ihrer Krise beteiligen. (Beifall bei der LINKEN)

Es bleibt dabei, dass das unsinnige Kreditverbot – also im Mantel der sogenannten Schuldenbremse künftigen Entscheidungsträgern in den Parlamenten das antizyklische Handeln bei Konjunktureinbrüchen zu verbieten – verheerend ist. In diesem Sinne freuen wir uns auf eine Anregung der Debatte im Haushaltsausschuss und auch auf die Strategie des Finanzministers,sich kunst- und kraftvoll wie Pudding zu bewegen, um die Widersprüche und Probleme seiner Politik auszusitzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege van Ooyen. – Nächster Redner ist Herr Kollege Schork für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die GRÜNEN haben einen Antrag vorgelegt, mit dem sie eine Alternativrechnung zum Finanzplan verlangen, mit der die Nettoneuverschuldung schrittweise zurückgeführt wird und die steuerpolitischen Rahmenbedingungen konkretisiert werden. Wohl dem, dem dies möglich ist.

Frau Kollegin Erfurth hat uns dazu im Wesentlichen die gesetzlichen Bestimmungen und Regelungen aus den Haushaltsgesetzen des Bundes und des Landes vorgetragen. Den entscheidenden Punkt, der in der aktuellen Situation zum Tragen kommt, der für das Jahr 2009 und auch für das Jahr 2010 gilt, hat sie aber nicht genannt. Die Verschuldungsgrenzen gelten nämlich nicht, wenn eine Stö

rung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts benannt und vorhanden ist. Dann sind Abweichungen möglich.

(Beifall bei der CDU)

Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Sie haben in einem Nebensatz gesagt, dass wir in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation sind – nicht nur in Hessen und in der Bundesrepublik Deutschland, sondern weltweit.