Protokoll der Sitzung vom 17.11.2009

Wir treten damit in die Gesetzeslesungen ein. Ich darf Tagesordnungspunkt 3 aufrufen:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Hessisches Gesetz über die Freiheit des Informationszugangs (HFI-G) – Drucks. 18/1225 –

Herr Dr.Wilken hat sich zur Einbringung gemeldet.

(Günter Rudolph (SPD): Fünf Minuten Redezeit, Herr Präsident!)

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Uns liegen bereits zwei Entwürfe zu einem Informationsfreiheitsgesetz vor. Deswegen will ich mich inhaltlich ganz kurz fassen. Die fünf Minuten werden dicke ausreichen.

(Axel Wintermeyer (CDU):Wir achten drauf!)

Herr Präsident, wir sind sicherlich geschlossen in diesem Hause der Meinung, dass Demokratie Informationen braucht, dass Bürgerinnen und Bürger Informationen brauchen, um demokratische Teilhabe in unserem Gemeinwesen zu ermöglichen.Es wird in diesem Hause auch gerne gesagt, dass Hessen das Mutterland des Daten

schutzes ist. Was ungern in diesem Hause gesagt wird, ist, dass Hessen das Schlusslicht darstellt, was Informationsfreiheit anbelangt.

Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, dass Informationen und Daten, selbstverständlich nicht personenbezogene Daten, nicht einem Amt gehören, sondern allen Bürgerinnen und Bürgern gehören und zur gemeinsamen demokratischen Willensbildung zur Verfügung gestellt werden müssen, eben auch von Ämtern und Behörden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben im Ausschuss eine Anhörung zu den vorliegenden Gesetzentwürfen zum Informationsfreiheitsgesetz gehabt. Dort sind zwei Dinge deutlich geworden.

Erstens. Die Regierungsfraktionen wollen eindeutig nicht, dass Hessen ein Informationsfreiheitsgesetz bekommt. Ich spare mir hierzu eine Wortwahl, wie sie Herr Banzer gerade gefunden hat. Ich rede nicht von Borniertheit.

Zweitens. Die beste, einfachste und fortschrittlichste Lösung für ein modernes Informationsfreiheitsgesetz ist die Erweiterung des bestehenden Hessischen Umweltinformationsgesetzes zu einem allgemeinen Informationsgesetz, und genau so legen wir das mit unserem Gesetzentwurf jetzt vor.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben selbstverständlich registriert, dass es Kritik daran gibt, dass wir diesen Gesetzentwurf so spät vorlegen. Ich möchte Ihnen in aller Deutlichkeit sagen, meine Damen und Herren: Unser Verständnis von Anhörungen von Experten ist eben, dass wir als Parlamentarier von diesen Experten etwas lernen können und es dann parlamentarisch umsetzen sollen. Das tun wir. Wir folgen dem Vorschlag einiger Experten aus der Anhörung und sagen: Macht das Umweltinformationsgesetz in Hessen zu einem allgemeinen Informationsgesetz, und Hessen kann sich wieder an die Spitze einer Bewegung setzen, dieses Mal zur Informationsfreiheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit, dass wir diesem Expertenvorschlag folgen, vermeiden wir außerdem Probleme, wie sie schon in der Diskussion der Gesetzentwürfe offenkundig geworden sind, die von GRÜNEN und SPD vorliegen, nämlich Probleme mit Einschränkungen und Ausnahmen,die in den anderen Gesetzentwürfen formuliert sind und die nahe an das Problem herankommen, dass wir zu einem Informationsverweigerungsgesetz kommen könnten.

Mit unserem Gesetzentwurf vermeiden wir diese Probleme.Wir sind der Meinung, dass Umweltinformationen für Bürgerinnen und Bürgern genauso wichtig und zugänglich sein sollten wie z. B. Informationen zur städtebaulichen Entwicklung. All dies ermöglichen wir mit diesem Gesetzentwurf. Wir bringen ihn hiermit in die Beratung ein. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr Dr. Wilken. – Ich darf die Aussprache eröffnen. Als Erster hat sich Herr Frömmrich für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Herr Kollege, Sie haben fünf Minuten Redezeit. Das ist bekannt?

Das ist bekannt, vielen Dank. – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schön, dass die LINKE erkannt hat, dass der Zugang zu Informationen ein wichtiges Element der freiheitlichen Demokratie ist und dass wir in Hessen an diesem Punkt ein Gesetzgebungsdefizit haben. Deswegen begrüßen wir natürlich ausdrücklich jede Initiative, die sozusagen in diesen Bereich geht und uns dabei unterstützt,in Hessen endlich ein fortschrittliches Informationsfreiheitsgesetz zu bekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren,es ist bedauerlich,dass Hessen als Stammland des modernen Datenschutzes immer noch kein Gesetz zur Regelung der Informationsfreiheit verabschiedet hat. Trotz vieler Appelle des Datenschutzbeauftragten, trotz Appellen von Verbänden, Initiativen und interessierten Bürgerinnen und Bürgern haben wir immer noch kein Gesetz, das den freien Zugang zu Informationen sicherstellt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Datenschutz und Informationsfreiheit sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Diesen Satz des Hessischen Datenschutzbeauftragten muss man sich immer wieder vor Augen führen. Dieser Satz hat nach wie vor seine Aktualität. Wir konnten beim 17. Datenschutzforum hören, wie der Präsident des Bundesverfassungsgerichts kurz auf den Themenbereich Informationsfreiheit eingegangen ist.

Meine Damen und Herren, wir GRÜNE haben schon in der 15. und 16.Wahlperiode Gesetzentwürfe eingebracht, die den Zugang zu Informationen regeln. Leider haben die Gesetzentwürfe keine Mehrheit im Landtag gefunden.Wir bedauern das ausdrücklich.Der Landtag hat jetzt aber die Möglichkeit, dieses Defizit zu beheben, indem er die beiden in der Beratung befindlichen Gesetzentwürfe von SPD und GRÜNEN positiv begleitet und dann endlich ein Informationsfreiheitsgesetz für Hessen beschließt. Jetzt liegt ein weiterer Entwurf der Fraktion DIE LINKE vor, der in das laufende Verfahren einfließen soll.

Wir appellieren nochmals an CDU und FDP, sich nicht länger einem modernen Informationsfreiheitsgesetz zu verweigern. Ermöglichen Sie endlich den Bürgerinnen und Bürgern in Hessen das, was bereits in elf anderen Bundesländern und im Bund gute Verwaltungspraxis ist. Informationsfreiheitsgesetze in den anderen Bundesländern und im Bund haben sich durchweg bewährt. Beenden Sie endlich die Benachteiligung der hessischen Bürgerinnen und Bürger an diesem Punkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Informationsfreiheit stärkt die Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern in ihrem unmittelbaren Umfeld. Informationsfreiheit sorgt für Transparenz und Kontrolle der Verwaltung. Informationsfreiheit trägt einem modernen Verwaltungsverständnis Rechnung, indem es die Bürger als Kunden und nicht als Bittsteller betrachtet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, wovor haben Sie eigentlich Angst? Warum sträuben Sie sich gegen dieses Ansinnen? Haben Sie Angst vor dem kompetenten Bürger,der seine Interessen offensiv vertritt und dafür Informationen einfordert? Haben Sie Angst vor dem informierten Bürger insgesamt? Haben Sie Angst

vor einer aktiven Bürgergesellschaft, die mitreden und mitentscheiden will über Dinge, die in ihrem unmittelbaren Umfeld passieren?

Wir haben vor alledem keine Angst. Wir freuen uns über jeden und über jede, die sich an diesem Prozess beteiligt, die mitgestalten will, die mitarbeiten will, die sich für ihr Gemeinwesen engagiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun will ich zu dem Gesetzentwurf der LINKEN noch ein paar Bemerkungen machen. Er weist ein paar handwerkliche Schwächen auf. Das sollten Sie sich noch einmal anschauen.

Bei einem der Paragrafen, den Sie aus dem Umweltinformationsgesetz übernommen haben,stimmen die Verweise nicht.Sie schreiben,eine Antragstellung „per E-Mail oder in elektronischer Form“ solle möglich sein. Dabei erschließt sich mir der Unterschied zwischen E-Mail und „elektronischer Form“ nicht.

(Zurufe von der LINKEN)

Seltsam erscheint auch, dass der Gesetzentwurf bei der Antragsbefugnis von juristischen Personen des öffentlichen Rechts fordert, dass sie Grundrechtsträger sind. Es ist doch gerade Ziel eines Informationsfreiheitsgesetzes, allen Personen, seien es natürliche oder juristische, Zugang zu Informationen zu geben.Das sollten Sie sich noch einmal anschauen, meine Damen und Herren.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wenn sonst nichts ist!)

Zweitens vermittelt der Gesetzentwurf insgesamt den Eindruck eines Staates und seiner Amts- und Funktionsträger, den wir GRÜNEN ausdrücklich nicht teilen. An verschiedenen Stellen des Gesetzentwurfs entsteht der Eindruck, es soll nunmehr primäre Aufgabe der Verwaltung sein, ihre Arbeit und ihre Entscheidungen in der Öffentlichkeit zu rechtfertigen.Das kann aber nicht sein.Wir wollen die Rechte der Bürgerinnen und Bürger stärken und staatliches Handeln transparenter machen. Wir wollen den Wünschen vieler Bürgerinnen und Bürger Rechnung tragen, die mehr Mitsprache, mehr Transparenz und mehr bürgerschaftliche Kontrolle des Verwaltungshandelns haben wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Frömmrich, kommen Sie bitte zum Schluss.

Wir wollen das deshalb,weil wir in dieser aktiven Teilhabe auch ein Mittel zur Beseitigung von Politikverdrossenheit und Wahlmüdigkeit sehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Prof. Ronellenfitsch sagte in der Anhörung 2007: „Ein mündiger, ein informierter Bürger ist allemal das, war wir uns in unserer Demokratie vorstellen.“ Prof. Ronellenfitsch hat recht. Sie sollten den Weg für ein modernes Informationsfreiheitsgesetz in Hessen frei machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Frömmrich. – Herr Beuth, Sie haben Gelegenheit, für die CDU-Fraktion zu sprechen. Fünf Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf für die CDU-Fraktion feststellen, dass wir kein Gesetzgebungsdefizit in Fragen der Informationsfreiheit sehen. Das haben wir schon in vielen Debatten in diesem Hause miteinander erörtert.Es gibt keinen Grund,warum wir nunmehr ein dunkelrotes Schnüffelgesetz für erforderlich halten sollen.

(Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein solches Gesetz hat sogar der Althaus in Thüringen fertiggebracht!)

Die Möglichkeit der Akteneinsichtnahme existiert bereits in großem Umfang. Wir brauchen kein Bürokratiemonster. Dabei ist uns egal, ob es in Rot, Grün oder eben in Dunkelrot daherkommt.

(Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir haben zu diesem Thema eine Anhörung durchgeführt.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Das Bürokratiemonster kommt noch, Herr Kollege Frömmrich. – Die Meinung derer, die es insbesondere betrifft, nämlich der kommunalen Seite, lautet: Wir brauchen ein solches Bürokratiemonster nicht. – Das ist das Ergebnis der Anhörung, zumindest was die Kommunalen Spitzenverbände angeht. Ich finde, das sollten wir in diesem Plenarsaal nicht verheimlichen.