Protokoll der Sitzung vom 18.11.2009

(Beifall bei der LINKEN)

Angesichts dieser ernsthaften finanzpolitischen Lage mit drastischem Einbruch der Steuerdeckungsquote, gigantischen, wirtschaftspolitisch alternativlosen Konjunkturprogrammen und des historisch beispiellosen Versagens des Finanzkapitalmarktes sollte es gerade das Interesse

von uns politischen Entscheidungsträgern sein, die horrende Zockerei an Börsenplätzen einzuschränken und die Verursacher der Finanz- und Wirtschaftskrise an den Kosten zu beteiligen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Vermögensteuer, eine Finanzmarkttransaktionssteuer und eine Großerbensteuer sind deshalb das Gebot der Stunde. Wer solche Vorschläge ablehnt, muss den Menschen sagen, wie er das strukturelle Defizit von 2 Milliarden c abbaut. Genau diese Aussage lassen Sie, Herr Weimar, tunlichst vermissen. Stattdessen werden wir wieder einmal darauf verwiesen, dass Dritte die Sündenböcke und Zahlmeister sind.

Die Nummer eins ist wieder einmal der Länderfinanzausgleich. Da werden die einzelnen Reformnotwendigkeiten des Länderfinanzausgleichs und die milliardenschweren Belastungen des LFA zu einem Pappkameraden aufgebauscht, der für die Milliardendefizite haftbar gemacht wird, nach dem Prinzip: „Schuld sind immer alle anderen.“ Deshalb dürfen das Saarland, Berlin und Bremen bangen, wenn die Solidargemeinschaft der Bundesländer und des Finanzausgleichs einseitig durch Hessen aufgekündigt werden soll. Wer so agiert und dann auch noch von SPD und GRÜNEN,muss ich leider sagen,stehenden Applaus bekommt, stellt in Zeiten der größten Krise die Solidargemeinschaft infrage.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE hat immer kritisiert, dass der Länderfinanzausgleich Schwächen hat. Jedoch ist unser Ansatz die gemeinsame Reparatur und nicht der Abriss der Solidargemeinschaft.

Nummer zwei sind die hessischen Kommunen.Trotz dreistelliger millionenschwerer Gewerbesteuereinbrüche, millionenschwerer Sonderlasten bei Erziehung, Bildung und Investitionsprogrammen sollen die Kommunen 2011 pauschal auf weitere 400 Millionen c aus dem Kommunalen Finanzausgleich verzichten. Resultat dieser finanzpolitischen Geisterfahrt werden kommunale Haushaltsnotstände, millionenschwere kommunale Sparorgien und Sonderbelastungen der Bürgerinnen und Bürger durch Abgaben- und Gebührenerhöhungen sein.

Herr Kollege van Ooyen, gestatten Sie mir den Hinweis, dass die für Ihre Fraktion angegebene Redezeit abgelaufen ist.

Ich will nur kurz auf einen letzten Punkt hinweisen, der uns aber sehr wichtig erscheint. Die Landesregierung tut nichts im Interesse der Stärkung der Einnahmekraft. Dort, wo sie das Personal bei der Steuerverwaltung aufstockt, wird auf eine Aufstockung von Betriebsprüfern und Steuerfahndern verzichtet. Eine solche Politik wird den Notwendigkeiten,die Einnahmeseite wirklich zu stärken, nicht gerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Die hektische Einbringung von neuen Gesetzesvorschlägen zeigt, dass nach wie vor Strohfeuerhandeln das Prinzip der Regierung ist.

Ich will nur ganz kurz sagen: Dem Antrag der SPD werden wir zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege van Ooyen. – Nun hat für die Landesregierung Herr Finanzminister Weimar das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, die Redebeiträge – ich nehme sie alle ernst, habe sie alle ernst genommen – zeigen auch unser Dilemma.

Die Bandbreite, wie man mit solchen Haushaltsproblemen umgeht, geht von: „Wir müssen die Einnahmeseite dadurch stärken, dass in unserem Land mehr erwirtschaftet wird, gleichzeitig schauen, dass wir bei unseren Ausgabenstrukturen auch in schwierigen Zeiten einigermaßen über die Runden kommen“, bis hin zu: „Es ist egal, was in diesem Lande verdient wird, wir müssen den Rest nur richtig verteilen, dann geht es allen gut.“

Herr van Ooyen, Sie haben das „bornierte Umverteilungspolitik“ genannt. Ich will nur ganz kurz darauf eingehen, weil ich glaube, dass die Zuhörerinnen und Zuhörer, der Landtag gemerkt haben, wie stark ideologiegeprägt die ganze Sache ist. Die Vorstellung, dass man aus einer Volkswirtschaft unbegrenzt Geld für unbegrenzte Wachstumswünsche herausholen kann, wenn in einem Land wirtschaftlich nichts verdient wird, ist geradezu selbstmörderisch. Das hat übrigens die DDR über 30 Jahre lang gemacht.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Gegenruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU): Ewiggestriger! – Gegenruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wir sind die Zukunft! – Gegenruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU): Nein, die Vergangenheit!)

Entschuldigen Sie, das ist genau dort passiert. Hören Sie doch zu. Ich versuche doch, mich ernsthaft damit auseinanderzusetzen. Es ist genau das passiert, was Sie immer wieder vertreten: Es ist nichts verdient worden, weil die Volkswirtschaft nicht in der Lage war, wettbewerbsfähig zu sein. Es ist immer mehr herausgezogen worden, bis die Sache, Gott sei Dank, in die friedliche Wiedervereinigung kulminierte und wir diese Länder mit vielen Hundert Milliarden Euro erst einmal wieder auf die Beine gestellt haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In dieser Größenordnung, in der demokratischen Gesellschaft, wie wir sie haben, wird das nicht passieren.Aber es darf, auch vom Gedanken her, nicht der Fall eintreten, dass man sagt: Es ist doch völlig egal, was in diesem Land verdient wird. Ich muss es nur – wem auch immer; das können Sie sich immer aussuchen – denen abnehmen, dann ist genug da.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das sagt doch keiner! Das ist doch Schattenboxen!) – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Gerechter verteilen!)

Das ist falsch. Die Substanz wird kleiner.

(Axel Wintermeyer (CDU): Richtig! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wir brauchen Substanz, um in der Zukunft unser Geld auch verdienen zu können. Deswegen haben wir meiner Meinung nach auch angemessen reagiert.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie haben gesagt, es werde umverteilt. Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das in Berlin vorgelegt wird, gehen über 60 % an Familien mit Kindern. Ich weiß nicht, was daran eine ungerechte Umverteilung in diesem Lande ist. Aber das können wir einmal an anderer Stelle diskutieren.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Die Hartz-IVEmpfänger bekommen gar nichts davon!)

Meine Damen und Herren, dass wir erfolgreich sind – übrigens hat der große Teil dieses Landtags dem zugestimmt; darüber können wir gemeinsam froh sein –, zeigt, dass das Konjunkturprogramm, das wir in Hessen aufgelegt haben,ein außergewöhnlicher Erfolg ist.Wenn Sie sehen, dass die Auftragsbücher der Bauwirtschaft, der Handwerker, der Zulieferer usw. gut gefüllt sind und damit Entlassungen, Verkleinerungen oder Wegschrumpfen vom Markt von vielen, vielen kleinen und mittleren Firmen vermieden worden sind, dann muss ich sagen:

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das kommt alles noch!)

Wir können schon jetzt stolz auf das sein, was dort geleistet worden ist. Hier werden immer wieder die Schulen und die Hochschulen angesprochen. Der ganz große Teil dieser Investitionsprogramme geht im Übrigen in die Schulen und Hochschulen. Meine Damen und Herren, von knapp über 2.000 Schulen werden derzeit 1.400 renoviert und saniert.

Das ist übrigens das größte Umweltprogramm, das dieses Land Hessen je erlebt hat. Denn überall dort, wo die Schulen saniert werden, werden die alten, aus ökologischer Sicht unzumutbaren Zustände beseitigt, sodass wir Konjunktur ankurbeln, Bildung fördern und Umwelt fördern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Gleichzeitig erreichen wir, dass Hessen offenkundig bis zum jetzigen Zeitpunkt und mit der Hoffnung, dass es so weitergeht, bei dieser Krise besser wegkommt als andere Bundesländer.

Meine Damen und Herren, das ist gesichertes Wissen, das wir fortschreiben bis 2010 und möglicherweise noch ein Stück danach. Dann müssen wir uns anschauen, wie die konjunkturelle Entwicklung ist. Jedenfalls sind die höchsten Investitionsbeiträge, die wir je in den Haushalten hatten, in den Jahren 2009 und 2010 aus hessischer Sicht die richtige Antwort auf die Krise gewesen. Hier haben wir nicht nach anderen gerufen, sondern wir haben es aus eigener Kraft gestemmt.

Irgendjemand, ich weiß nicht, wer es war, hat gesagt: Der Großteil dieses Geldes ist den hessischen Kommunen zugutegekommen. Ich erwarte kein Dankeschön. Aber ich warte gelegentlich auf den Hinweis darauf, dass wir uns um die Kommunen kümmern.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der zweite Punkt ist das Wachstumsbeschleunigungsgesetz.Ich habe schon gesagt,60 % davon sind direkt für Fa

milien. Beim Rest handelt es sich im Wesentlichen um wichtige Korrekturen, um unsere Wirtschaft für die Veränderungen, die auch in den nächsten ein oder zwei Jahren anstehen, fit zu machen.

Meine Damen und Herren, wenn man Mantelkaufregelungen macht und vieles mehr in diesem Zusammenhang, ist das nicht sehr spannend. Es hat aber etwas damit zu tun, dass in Phasen des Aufschwungs die Zahl der Insolvenzen immer am höchsten ist. Da wir hoffen, in diesen Aufstiegspfad hineinzugehen, ist mit einer ganzen Menge an Insolvenzen zu rechnen. Daher müssen wir steuerlich die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die insolventen Firmen oder Firmen, die in dieser schwierigen Situation sind und noch nicht insolvent sind, übernommen werden können, dass die Rahmenbedingungen entsprechend sind. Schließlich wird mehr Volksvermögen durch Insolvenzen vernichtet, bei denen die Betriebe nicht fortgeführt werden, als mit einer steuerlich vernünftig gestalteten Übernahme von Firmen durch Dritte, die dazu in der Lage sind, die die Mitarbeiter, die Immobilien und mögliche sonstige Firmenwerte übernehmen.

Meine Damen und Herren, das alles hat seinen wirtschaftlichen Zweck. Darüber brauchen wir hier nicht so ideologisch zu diskutieren. Meinen Sie, ich hätte als Finanzminister etwas zu verschenken? Auf der anderen Seite bin ich auch dafür da, dass wir uns gemeinsam Gedanken machen, wie wir die nächsten ein oder zwei Jahre überstehen und wie die Kassen wieder voll werden, und zwar real verdient auf der Einnahmenseite. Dann brauchen wir uns viel weniger darüber zu streiten, wie der Mangel insgesamt verteilt wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Übrigens haben wir beim Haushalt 2010 gespart. Wir haben halt keine Nächte mit Tränen und sonst was eingestreut. Das macht diese Regierung, diese Koalition nicht. Das haben wir, solange ich Finanzminister bin, nicht gemacht. Aber wir haben 214 Millionen c Sparauflagen an die Ressorts gegeben, nachdem der Haushalt intern aufgestellt war, um die 0,5 % Wachstum bei den allgemeinen Kosten nicht zu überschreiten und einen beachtlichen Teil – das waren 94 Millionen c – der Personalkosten aufzufangen.

Meine Damen und Herren, 94 Millionen c, insgesamt 214 Millionen c,das sind gigantische Größenordnungen in einem Landeshaushalt. Die Ressorts haben sich damit einverstanden erklärt. Sie werden das auch leisten, wie heute schon abzusehen ist, dass sie 2009 die großen Einsparungen leisten können. Deswegen machen wir das nicht so.

Zu den Anträgen,die die Opposition eingebracht hat.Der Beitrag eben von den GRÜNEN war schon das richtige Beispiel.Sie haben gesagt,wir hätten dann 53 Millionen c weniger Schulden im Saldo. Ja, aber wenn ich 100 Millionen c oder mehr Grundwasserabgabe im Land erhebe und das Geld den Leuten erst einmal abnehme,dann kann ich leicht einen Teil davon wegstecken.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber, meine Damen und Herren, wie kommt das an? Auf der einen Seite versuchen wird, die Wirtschaft zu fördern, sie voranzubringen und ein öffentliches Bewusstsein zu schaffen, dass es aufwärtsgeht und dass wir Steuersenkungen machen wollen, damit gerade diejenigen im mittleren Bereich, diejenigen, die Leistungsträger sind und in der Progression die Schwierigkeiten haben, ermutigt werden, weiter anzupacken und zu schaffen. Gleichzeitig würden

auf der anderen Seite die Steuern erhöht. Das passt nicht zusammen. Das können Sie auch nicht von den Regierungsfraktionen verlangen, dass sie in einer solchen Frage so gegenläufig argumentieren, wenn wir insgesamt offensichtlich mit dem sehr erfolgreich sind, was wir wirtschaftspolitisch über die Haushaltspolitik in diesem Land bringen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)