Herr Hahn hat allerdings an einer Stelle sehr recht gehabt, als er am 8. September 2009 erklärte – eigentlich hätte man große Lust, in dieser Debatte nur wörtliche Zitate von ihm aus den letzten acht Monaten vorzulesen –:
Sie haben so recht, Herr Hahn. Der entscheidende Punkt ist nur, wir haben wahrscheinlich sehr unterschiedliche Wahrnehmungen darüber, wer eigentlich gemeint ist. Eine Mitverantwortung tragen ganz dezidiert Sie, und zwar Sie auch als Person, Herr Hahn.
Es kann nicht sein, dass wir in einer schwierigen Situation schwierige Entscheidungen vorbereiten und treffen – ich bin häufig hinter den Kulissen und auch vor den Kulissen
dafür kritisiert worden, dass ich gelegentlich dem Ministerpräsidenten zur Seite gesprungen bin und gesagt habe, er macht das richtig, wir unterstützen die Landesregierung in all dem, was dort passiert, und die Abstimmung war auch ordentlich –, dass es aber gleichzeitig eine Situation gab, in der Teile der Landesregierung und Sie als Person das, was der Ministerpräsident erklärt hat, anschließend systematisch dementiert oder in ein anderes Verhältnis gerückt haben.
Ich beginne am 27. Mai.Am 27. Mai erklärt der Ministerpräsident vor der Opel-Runde im Kanzleramt, das Konzept zur Übernahme des Autoherstellers sei überschaubarer und klarer beurteilbar als bei der Konkurrenz; deswegen gebe es einen klaren Vorzug von Magna im Vergleich zu Ripplewood und auch zu Fiat. Gleichzeitig erklärt der Hessische Minister der Justiz und für Integration, dass man diese Wege nicht so schnell gehen dürfe, dass man keine voreiligen Schlüsse ziehen dürfe und dass man sich zeitlich nicht unter Druck setzen lassen dürfe.
Am 31. Mai, also vier Tage später, trifft sich der Haushaltsausschuss des Hessischen Landtags zu einer Sonntagssitzung in Ihrer Anwesenheit und entscheidet auf der Grundlage eines eilig zusammengetragenen Konzepts oder Gutachtens, das im Wesentlichen auf Antrag Ihrer Fraktion zustande gekommen ist,
dass das richtig so ist. Das ist die Frage von zeitlichen Abläufen. Herr Hahn, danach haben Sie gleich wieder nachgelegt nach dem Motto, ob das alles richtig sei.
Dann kam, wie gesagt, das berühmte Zitat am 8. September:„Politik hat Mitschuld...– Ich habe von Anfang an die Politik gewarnt, sich auf eine Seite zu schlagen“. – Wir haben eine bewusste Entscheidung getroffen, Herr Hahn. Das geschah in einer Situation, in der wir vergleichbare Angebote von Fiat und Ripplewood hatten. Aus guten Gründen haben wir auf der Grundlage eines Gutachtens, das Sie eingefordert hatten, eine Entscheidung getroffen. Dann kommen Sie drei Monate später und stellen alles wieder infrage. Da müssen Sie sich schon fragen lassen: Wie ernst wollen Sie sich in dieser Debatte eigentlich nehmen lassen?
Dann erklären Sie immer mit einer Attacke auf die Sozialdemokratie, weil Sie Ihren Ministerpräsidenten natürlich nicht öffentlich angeigen können, dass es insbesondere die Sozialdemokraten waren. Wie gesagt: Wir haben das Gutachten gar nicht in Auftrag gegeben. Wir hätten das auch auf der Grundlage des Wortes des Ministerpräsidenten – und fairerweise muss ich dazusagen: das der Bundesregierung,insbesondere der sozialdemokratischen Teile um Frank-Walter Steinmeier – nicht gebraucht.
Herr Posch war bei den entscheidenden Gesprächen in der Nacht auch dabei. Das heißt: Sie haben auf der einen Seite versucht, zu erklären, dass Sie da bei den Beschäftigten sind und dass das alles ganz schwierig sei. Auf der anderen Seite haben Sie das Ganze systematisch hintertrieben. Jetzt erklären Sie am 09.11. – und es gab zwischendurch noch ein paar andere Wellen – auf einmal: „Kein Sonderprogramm Opel II.“ Das sei offensichtlich alles gescheitert, und der Staat solle sich heraushalten. Das wird dann mit einer Debatte gepaart.
Deswegen müssen Sie,Herr Hahn,sich leider noch einmal die Frage nach dem Wackeldackel anhören. Ganz offen
sichtlich hatten die Ministerpräsidenten eine andere Verabredung mit dem Bundeswirtschaftsminister. Anders ist nämlich die Berichterstattung der „FAZ“ von gestern nicht zu begründen: „Ministerpräsidenten entsetzt über Brüderle“ – nach dem Motto:Er hat sich durchgewurstelt, da gab es Dampfplauderei, er habe über alles Mögliche geredet und bewiesen, dass er wenig Ahnung vom eigentlichen Thema hat, weil Sie sozusagen aus Ihrer Ideologiefalle beim Thema Opel nicht herauskommen.
Deswegen haben Sie recht, wenn Sie sagen: Ja, Politik hat Mitverantwortung. – Denn Sie haben mit Ihren Stänkereien im Hintergrund und halb öffentlich und den Infragestellungen einer gemeinsamen Verhandlungsposition, die extrem schwierig aufzubauen war, um sich gegen die US-Amerikaner und die Konzernzentrale von General Motors durchzusetzen und um Opel eine europäische Perspektive, eine technologie- und industriepolitisch begründete Strategie und Perspektive zu geben, diese Strategie systematisch unterlaufen.Deswegen ist dieses Scheitern das Scheitern der FDP im gesamten Bundesgebiet.
Und dann kommen Sie und packen jetzt die ordnungspolitische Grundsatzdebatte noch einmal aus. Wie bereits gesagt, haben Sie erklärt: Kein weiteres Sonderprogramm Opel II. Wenn Opel da jetzt selbst herauskommt, soll es uns recht sein. – Wir sagen nicht, dass wir eine Bürgschaft um jeden Preis wollen. Wir führen die Debatte zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht. Denn wir sagen: General Motors muss jetzt erst einmal liefern.
Warum führen wir eine Debatte darüber? – Wir führen sie doch nur deswegen, weil Herr Brüderle sich profilieren will, weil Sie sich profilieren wollen – frei nach dem Motto: Das, was wir die letzten sechs oder sieben Monate gemacht haben, haben wir eigentlich gar nicht so gemeint. Jetzt kommen wir wieder zur freien und reinen Lehre, für die wir eigentlich stehen. – Ich sage Ihnen: Das, was Sie hier treiben, Herr Hahn, ist verantwortungslos.
Noch abenteuerlicher ist dann gerade nach dem Bericht der „FAZ“ von gestern das, was der Herr Wirtschaftsminister gestern nachgelegt hat, wenn wir uns alle einig sind, den Druck auf General Motors zu konzentrieren und zu sagen: „Jetzt wollen wir doch einmal sehen, was da kommt“.
Was macht die FDP im Bund und im Land? Sie führt munter eine Debatte über die Frage, ob wir eine Bürgschaft machen oder nicht. Ich sage Ihnen: Im Moment gibt es überhaupt keine Entscheidungsgrundlage,um diese Frage aufzurufen. Deswegen ist es völlig unnötig, wenn sich der Landeswirtschaftsminister in eine Debatte einbringt, die in einem bestimmten Kontext stattfindet. Es ist ja nicht kontextfrei, was hier gerade stattfindet. Er meint jetzt, sich auch noch einmal erklären zu müssen – nach dem Motto: Für Bürgschaften sieht er im Moment überhaupt keine Grundlage.
Ich komme zum Schluss, weil ich auch das Fiepen höre. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in diesem Landtag Gutes geschafft. Wir haben in einer schwierigen Frage gemeinsam eine Position formuliert. Aber Fakt bleibt, dass die FDP in Hessen und in Berlin, aber insbesondere auch Sie als stellvertretender Ministerpräsident permanent die gemeinsame Verhandlungsstra
tegie torpediert und beschädigt haben. Sie haben sie boykottiert. Deswegen tragen Sie Mitverantwortung für das Scheitern, wenn es jetzt keine europäische Lösung für Opel gibt.
Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. – Nächster Redner ist Herr Kollege Reif für die CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die einzig positive Meldung, die ich in den letzten Monaten von General Motors über Opel erfahren habe, war, dass General Motors zum Jahresende seine Europazentrale von Zürich nach Rüsselsheim verlegt und 150 Mitarbeiter ihre Zelte am Hauptstammsitz des hessischen Automobilbauers aufschlagen. Das war eine längst überfällige Entscheidung, meine ich. Im Falle des Automobilbauers Opel und dessen prekärer Situation ist es geradezu lebensnotwendig, dass das Management und die Geschäftsführung nah an die Entwicklungsabteilung, die Produktion und den Verkauf gerückt sind. Man stelle sich einmal vor,VW,BMW, Mercedes oder andere Automobilhersteller in Deutschland hätten ihre Zentrale außerhalb des Landes an einem Ort, wo überhaupt keine Autos gebaut werden.
Eine zweite Bemerkung. Opel muss aus unserer Sicht schnellstens wieder aus den Schlagzeilen kommen. Die täglichen negativen Zeitungsüberschriften, die Radiound Fernsehsendungen, die Kommentare der Medien schlechthin und die Bemerkungen angeblicher Automobilexperten, von denen ich und, so glaube ich, Sie alle in der Vergangenheit noch nie so viel gehört haben, schaden dem Ansehen des Automobilbauers in Rüsselsheim. Sie helfen nicht. Sie schaden vor allem auch den künftigen Verkaufszahlen.
Was auch nicht hilft, Herr Kollege Schäfer-Gümbel, ist Folgendes: Was nutzt die akkurate historische Aufarbeitung dieses Falles aus Sicht der Sozialdemokraten? – Auch sie hilft nichts. Es hilft nicht, zu sagen, was im Mai, Juni und September gewesen ist, wer was erklärt hat und ob gegebenenfalls der stellvertretende Ministerpräsident mit dem Ministerpräsidenten an einem Strang in dieselbe Richtung gezogen hat. Was haben der Autobauer Opel und seine Beschäftigten davon, dass Sie heute diesen Antrag gestellt haben?
Er hat überhaupt nichts davon. Im Gegenteil.Wir sind dabei, eine weitere Aneinanderreihung von negativen Schlagzeilen zu produzieren. – Frau Kollegin Fuhrmann, ich kann ja verstehen, dass Sie von den grandiosen Auftritten des Ministerpräsidenten Roland Koch bei den Opel-Arbeitnehmern in Rüsselsheim stark irritiert sind. Das kann ich verstehen.
(Lachen bei der SPD Ich kann auch verstehen, dass Sie stark davon irritiert sind, dass Sie innerhalb von acht Monaten am Standort Rüsselsheim und in Groß-Gerau zwei Landtagswahl- kreise mit Karacho verloren haben und dass Sie bei den Bundestagswahlen auch noch einen Wahlkreis verloren haben, und zwar in der Herzkammer der Sozialdemokra- tie in Hessen. Dass Sie das alles irritiert, ist mir doch klar. (Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD) – Zuruf von der SPD: Das ist doch absurd!)
Mir ist auch klar, dass Sie natürlich die neue Männerfreundschaft zwischen Roland Koch und Klaus Franz irritiert. Dass Ihnen das alles nicht passt, kann jeder in diesem Hause verstehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sagte es bereits: Ich bin nicht glücklich, dass wir die Causa Opel in diesem Hause zum wiederholten Mal unnötigerweise öffentlich behandeln. Wir sind deshalb nicht glücklich, weil diese Art der politischen Auseinandersetzungen niemandem nutzt, vor allem nicht Opel – im Gegenteil, dem Automobilunternehmen und seinen Mitarbeitern schadet es sogar.
Versetzen wir uns doch einmal in die Normalität eines potenziellen Autokäufers, der meint, er müsste in Deutschland ein Auto kaufen. Glaubt denn jemand in diesem Hause, derjenige sei nach all diesen Diskussionen hoch motiviert, ein Auto dieses Autoherstellers zu kaufen? – Dieses Unternehmen muss aus den Schlagzeilen heraus und sich wieder dem widmen, was es am besten kann. Hören Sie etwa von Mercedes, BMW,Audi,VW oder von anderen ausländischen Herstellern etwas über Risiken, Werksschließungen, Insolvenz, Arbeitsplatzabbau, über Fortführungsgutachten oder über Staatskredite und anderes?
Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, all das, was wir hier machen und mit unseren Diskussionen unter Umständen sogar noch befördern, sind doch keine Dinge, die jemanden in Ekstase versetzen, der ein Auto kaufen will.
Wenn wir Hessen uns in den letzten zwölf Monaten nicht so verhalten hätten, wie wir es getan haben, gäbe es Opel heute nicht mehr. Das müssen wir meines Erachtens immer und immer wieder in den Vordergrund der Diskussion stellen.
Wir in Hessen waren es, die das Heft des Handelns in die Hand nahmen. Herr Schäfer-Gümbel, unsere Landesregierung und unser Ministerpräsident haben den Weckruf aus Rüsselsheim frühzeitig vernommen und haben sofort das Parlament – auch die Opposition, das bestreitet doch niemand – eingeschaltet, und wir haben alle am selben Strang gezogen.
Wir sind sofort aktiv geworden, auch unter Einschaltung des Parlaments. Das ist doch ein wundervoller, ein sehr schöner Erfolg, den wir als Politiker allesamt erreicht haben. Wir reden nur nicht davon. Ich würde mich freuen, wenn wir mehr darüber reden würden.
Wir hangeln uns von Thema zu Thema und meinen, wir müssten in atemloser Hetze nach jedem Thema und nach jedem Erfolg ein neues Thema aufmachen. Wer denkt denn heute in Hessen noch daran, dass wir es waren, die dem Automobilbauer Opel das Überleben sicherten? Wir Hessen haben mit der Bundesregierung und mit den drei anderen betroffenen Landesregierungen, den Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen,von Rheinland-Pfalz und von Thüringen, Opel einen Überbrückungskredit in Höhe von 1,5 Milliarden c eingeräumt und als Sicherheit dafür 65 % der Gesellschaftsanteile von Opel durch GM übertragen bekommen. Das Ärgerliche ist, dass GM nun seine Eigentumsrechte wahrgenommen hat.
So ist das, Frau Kollegin Wissler. Ich habe Ihren Antrag gelesen. – Wenn Sie einen Kredit aufnehmen und dafür eine Sicherheit geben,dann wollen Sie natürlich auch Ihre Sicherheit zurückhaben, nachdem Sie in der Lage sind, den Kredit zurückzuzahlen.Wo kämen wir denn hin,wenn wir auf der einen Seite Kredit geben würden und auf der anderen Seite die Sicherheit einsacken würden? Das geht doch nicht.