Protokoll der Sitzung vom 19.11.2009

Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir den Beziehern kleiner Einkommen und den Beziehern von Durchschnittseinkommen keine weiteren Belastungen zumuten können.Aber wir stehen vor erheblichen Finanzproblemen.

Herr Kollege Schmitt, Sie müssen zum Schluss kommen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sehr schade!)

Wir haben eine Verschuldung auf allen Ebenen des Staates. Darauf muss reagiert werden. Bevor wir diejenigen belasten, die kleine und mittlere Einkommen haben, wollen wir diejenigen heranziehen, die über große Vermögen verfügen, die Betuchten in dieser Gesellschaft. Deswegen ist die Absicht, eine Vermögensteuer einzuführen, völlig richtig und wird von der hessischen SPD auch unterstützt. – Danke schön.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmitt. – Das Wort hat der Herr Finanzminister.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die an der Vermögensteuer festgemachten ideologischen Differenzen – als solche werden sie bezeichnet – sind im Moment nicht mein Thema. Vielmehr möchte ich versuchen, das auf eine sachliche Ebene zu heben. Sie werden relativ schnell sehen, dass hier von den LINKEN, den GRÜNEN und der SPD ziemlich viel Unsinn vertreten wird.

(Axel Wintermeyer (CDU):Wie immer!)

Übrigens entspricht das Ihrem eigenen Wissen. Die SPD hat beschlossen, eine Vermögensteuer einzuführen. Davon sollen aber die Betriebe ausgenommen sein. Anschließend hat Herr Gabriel den Beschluss insoweit korrigiert, als er betont hat, das gelte nur für Millionäre.

Die GRÜNEN haben einem Parteitagsbeschluss gemäß das DIW 2004 beauftragt, zu prüfen, was eine Vermögensteuer bringen würde,wenn pro Person ein Freibetrag von 200.000 c, pro Kind ein Freibetrag von 50.000 c und pro Betrieb ein Freibetrag von 2 Millionen c gegeben wären.

(Axel Wintermeyer (CDU): Hört mal zu!)

Es ist Erstaunliches dabei herausgekommen.Wir müssten 30 Millionen Grundstücke und ungefähr 3 Millionen Unternehmen auf ihren Verkehrswert überprüfen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Steuerprüfer!)

Bei der Frage nach Wertgegenständen und Sonstigem, was Wert hat, wird es zusätzlichen Aufwand geben. Alle Fachleute, die sich mit der Frage beschäftigen, sagen, für

die Verwaltung insgesamt ergebe sich bei dieser Steuer ein Aufwand von ca. 40 bis 50 % des eingehenden Kapitals. So, nämlich indem man Volksvermögen vernichtet, kann man einen solchen Verwaltungsapparat auch hinbekommen.

(Zurufe von der SPD)

Ja, das ist doch klar. – Wenn Sie die Betriebe mit hineinnehmen, werden Sie die Flucht ins Fremdkapital erleben. Wieso soll denn einer Eigenkapital halten, wenn er Vermögensteuer darauf zahlen soll? Das wäre kontraproduktiv zu dem, was volkswirtschaftlich richtig und wichtig ist und was auch die Sozialdemokraten sicherlich nicht bestreiten, nämlich dass die Betriebe einen Kapitalstock aufbauen, damit sie, z. B. in wirtschaftlichen Krisen, insgesamt robuster werden. Ein Großteil unserer Bemühungen im Zusammenhang mit dem Steuersystem ist doch im Moment darauf ausgelegt, eigenkapitalstärkend zu wirken. Eine Vermögensteuer wäre für Betriebe eigenkapitalschwächend, weil die Marktteilnehmer darauf reagieren würden.

Im Übrigen ist das natürlich eine Substanzbesteuerung; denn sie müsste immer bezahlt werden, auch wenn der Betrieb nichts verdient.Dadurch würde es in Krisenzeiten zu einer erheblichen Schwächung kommen.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen haben sich die Sozialdemokraten auch dafür ausgesprochen, die Betriebe aus der Besteuerung herauszunehmen.Aber selbst wenn man sie herausnimmt, wie es die SPD fordert, haben wir ein weiteres gewaltiges Problem: die Verlagerung von Privatvermögen in Firmenvermögen. Auf Privatvermögen müssten dann nämlich Steuern gezahlt werden, auf Firmenvermögen dagegen nicht.

Wie wollen Sie dieses Abgrenzungsproblem lösen? Es ist ein Teil unserer großen Probleme im Zusammenhang mit den Steuerfragen, dass wir die Verschiebung aus dem privaten Bereich in den Unternehmensbereich – oder auch umgekehrt – immer unter Steueraspekten verfolgen und dass damit Steuerminderungen erreicht werden.Wenn Sie die Betriebe herausnehmen, werden Sie erleben, dass in einem erheblichen Umfang Privatvermögen an die Betriebe fließen, weil die Leute der Vermögensteuer entfliehen wollen.

Ich bin noch gar nicht bei der Transferierung ins Ausland, sondern ich bin bei der Frage, was denn Steuergerechtigkeit an der Stelle bedeutet. Wer keinen Betrieb hat, zahlt Vermögensteuer.Wer einen Betrieb hat, wird jede Menge private Vermögenswerte in seine Firma transferieren,weil er dort nicht von der Vermögensteuer betroffen ist.

Was das Modell der GRÜNEN betrifft – 200.000 c Freibetrag pro Person, 50.000 c Freibetrag pro Kind, 2 Millionen c Freibeträge für Betriebe und eine Verrechnung mit der Einkommensteuer, also eine Art Mindeststeuer –, hat das DIW festgestellt, dass das im Grunde genommen ganz überwiegend zu einer Rentnersteuer werden würde, weil an der Stelle keine Verrechnungsmöglichkeiten mehr bestünden. Alle anderen, die Einkommensteuer zahlen – vor allem diejenigen, die hohe Einkommensteuerbeträge zahlen –, würden entsprechend belastet. Diejenigen, die Vermögen haben und keine Einkommensteuer zahlen, würden in besonderer Weise belastet. Auch das müssen Sie dabei berücksichtigen.

Das hat übrigens dazu geführt, dass Fritz Kuhn – bei den GRÜNEN nicht ganz unbekannt – gesagt hat, die Modellrechnungen zeigten, dass es so nicht gehe. Er bezwei

fle sehr, dass die festgestellten Defizite heilbar seien. Es war nämlich auch auf dem Bundesparteitag der GRÜNEN, der damals in Auftrag gegeben hat, die Idee zu prüfen, sehr umstritten, ob man die Vermögensteuer wieder einführen solle oder nicht. Man hat sich darauf verständigt,ein Gutachten in Auftrag zu geben.Das Ergebnis war ernüchternd bis deprimierend für diejenigen, die die Vermögensteuer wieder einführen wollten.

Die Vermögensteuer vernichtet natürlich auch Kapital, das für die Altersvorsorge gedacht ist. Jetzt stellen Sie sich einmal vor:Wir führen die Riester-Rente und anderes mit staatlicher Förderung ein, damit Vermögen aufgebaut werden können. Wenn Sie eine Vermögensteuer einführten, würden Sie bei sehr niedrigen Freibeträgen gleichzeitig an den Punkt kommen, dass diejenigen, die ein Häuschen oder sonst ein bisschen Vermögen haben, dann Geld zahlen müssten.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wenn Sie auf Ihr Kapital 1 bis 2 % Zinsen bekommen, gleichzeitig 1 % Vermögensteuer zahlen und auch noch die Abgeltungssteuer an der Stelle wirksam wird, was bleibt dann von dem Vermögen überhaupt übrig? Es wird immer kleiner. Worin da die soziale Gerechtigkeit besteht, weiß ich nicht. Das kann ich mir nicht richtig vorstellen.

(Beifall bei der CDU)

Zu der Steuerflucht und zu der Frage, ob es in anderen Ländern besser und günstiger wäre und ob man gehen sollte – wie es der Abg. Schmitt hier formuliert hat –: Die Länder schaffen die Vermögensteuer reihum ab. Europaweit gibt es die Vermögensteuer nur noch in Frankreich, in Norwegen und in einigen Kantonen der Schweiz. Selbst die tendieren dazu, die Vermögensteuer abzuschaffen. Dass diese Länder ein höheres Vermögensteueraufkommen haben, liegt an der Grundsteuer.

Herr Minister, seien Sie so lieb, an die Redezeit zu denken.

Das hängt damit zusammen,dass die anderen Länder eine höhere Grundsteuer haben. Wenn man aber in Deutschland eine Kapitalflucht plant, um die Zahlung der Vermögensteuer zu vermeiden,trifft einen die Grundsteuer in aller Regel überhaupt nicht; denn man transferiert Vermögen, das nicht wieder in Grund und Boden angelegt wird. Dadurch entsteht eine hohe Motivation, aus der Bundesrepublik Deutschland Kapital zu transferieren.

Das ist nur ein Teil unserer Probleme. Ich sage Ihnen: Überprüfen wir einmal 30 Millionen Grundstücke und anschließend zwei Millionen Betriebe auf ihren Verkehrswert. Herr Ondracek, der Präsident der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, hat dazu treffend gesagt: Wenn wir bei uns alles lahmlegen wollen, müssen wir die Vermögensteuer einführen

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Dann werden wir unglaubliche Auseinandersetzungen über Werte haben,und am Ende wird ein Großteil dessen, was wir an Steuern einnehmen – egal wie wir es verwalten –, für die Verwaltung draufgehen. Wenn Sie es fachlich und sachlich betrachten, stellen Sie fest, dass sich das Thema

wirklich nicht dazu eignet, die Steuerprobleme des Staates zu lösen – vorausgesetzt, dass man überhaupt höhere Steuern will, was wir gar nicht wollen; denn wir möchten unsere Volkswirtschaft über Steuersenkungen ankurbeln. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Weimar. – Damit haben wir Tagesordnungspunkt 63 behandelt.Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Noch eingegangen und auf den Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Proteste von Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden verdeutlichen erneut die Notwendigkeit eines Kurswechsels in der Bildungspolitik, Drucks. 18/1559. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist offensichtlich so. Dann wird der Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 80 und kann nach der nächsten Aktuellen Stunde, Tagesordnungspunkt 64, aufgerufen und abgestimmt werden.

Noch eingegangen und auf den Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Wahrnehmung der Fürsorgepflicht gegenüber zwangspensionierten Steuerfahndern, Druck. 18/1560. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 81 mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 64 auf: Antrag der Fraktion – –

(Wortmeldung des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Was ist los? Sie wollen zur Geschäftsordnung reden? – Bitte schön.

Herr Präsident, wir müssen uns bei dem Dringlichen Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch darauf verständigen, wann wir ihn aufrufen. Ich glaube, es gibt interfraktionell die Bereitschaft, ihn nach den Setzpunkten aufzurufen.

Herr Kollege Wintermeyer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben nichts gegen die Dringlichkeit des Antrags.Aber wir werden ihn heute zum Schluss der Tagesordnung als letzten Punkt aufrufen. Damit wird der Forderung der Opposition Rechnung getragen, dass heute darüber debattiert wird. Wir haben damit überhaupt keine Probleme. Das soll aber nicht nach den Setzpunkten geschehen. Wir haben noch wichtigere Dinge heute zu tun, nämlich Gesetze zu lesen. Da sollten wir nicht Klamauk machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Sind wir uns einig, dass wir das so machen?

(Günter Rudolph (SPD): Nein,Abstimmung!)

Wie bitte?

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir wollen sehen, dass die Mitglieder der CDU immer Angst davor haben, so etwas im Hellen zu debattieren!)