Dem stehen in Wiesbaden 500 Hartz-IV-Empfänger gegenüber, die angeblich Schmu gemacht haben. Man muss das einmal mit dem Schaden vergleichen, der durch Steuerhinterziehung entsteht. Allein beim Finanzamt Wiesbaden sind 200 Anzeigen wegen Steuerhinterziehung eingegangen. Man muss sich einmal die Relationen anschauen und prüfen, wodurch der größere Schaden entstanden ist.
Das ist schwierig. Ich komme zeitlich nicht hin. Normalerweise mache ich es gern, aber heute komme ich zeitlich nicht hin.
Deswegen müssen wir auch über Strafverschärfungen nachdenken. Im Übrigen hat der BGH mit seinem Urteil Ende 2008 eine gewisse Laschheit beseitigt: Es wurden nämlich bis dahin keine Freiheitsstrafen ausgesprochen. Wir müssen uns jetzt anschauen,ob diese Rechtsprechung tatsächlich in die Praxis umgesetzt wird, ob also auch einmal Freiheitsstrafen verhängt werden.
Dieser Steuerbetrug schadet dem Gemeinwohl in erheblichem Maße. Man muss feststellen, dass er oftmals mit einer überraschend hohen kriminellen Energie verbunden ist: mit falschen Urkunden, mit Vertuschungen und Täuschungen.All das geschieht über Jahre hinweg. Deswegen glaube ich wirklich, dass wir darangehen müssen.
Das bezieht sich auch auf die Helfershelfer. Bei den Helfershelfern handelt es sich nicht immer um Banken; aber es waren einige Banken darunter. Gerade die Schweizer Banken würde ich klar als Helfershelfer bezeichnen, die ihr Geschäftsmodell genau darauf ausgerichtet haben.Als der hessische Innenminister von Helfershelfern gesprochen hat, hätte er insbesondere über die Banken reden müssen, die ihre Kunden aufgefordert haben, ihr Geld ins
Wirtschaftlicher Erfolg, der auf der Unterstützung krimineller Handlungen aufbaut, ist moralisch verwerflich. Herr Milde, das haben übrigens auch die Schweizer gemerkt. Es gibt eine sehr interessante Debatte in diesem Zusammenhang. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Debatte über den Ankauf der Daten-CD dazu geführt hat, dass in der Schweiz manche nachdenklicher geworden sind. Es wird über die Ausweitung der Amtshilfe nachgedacht, aber auch über die Ausgestaltung eines doppelten Steuerabkommens. Die Schweizer merken nämlich langsam,wie sehr sie unter Druck geraten und dass der Ruf ihres Landes gefährdet ist. Man muss es, was die Wirkung betrifft, mit Ländern auf eine Stufe stellen, die Erhebliches auf dem Kerbholz haben.
Deswegen sage ich auch, dass der Rechtsstaat von den Steuerhinterziehern mit Füßen getreten und am Ende von ihnen auch außer Kraft gesetzt wird. Wer, wie der hessische Innenminister, Täter zu Opfern macht – das steckt hinter dieser Überlegung –, verkennt die Prinzipien des Rechtsstaats. Das dürfen wir nicht zulassen.
Deswegen ist der Ministerpräsident in der Tat gefordert, die Äußerungen seines Innenministers zurechtzurücken und sich zu positionieren, nachdem der Herr Finanzminister zu Recht erklärt hatte, man sei jetzt in Hessen bereit, diese Daten, aber auch schon von Nordrhein-Westfalen angekaufte Daten, die die hessischen Steuerbetrüger betreffen, auszuwerten.
Nehmen Sie Stellung zu dem, was der Innenminister hier gesagt hat, und machen Sie klar, dass das nicht die Haltung der Landesregierung ist.
Okay. – Wer nach der Debatte, die auch in der Schweiz geführt wird, an dieser Stelle die Schweizer Banken in Schutz nimmt, hat in der Tat nicht viel verstanden. Der schafft es auch, einerseits Sozialbetrug zu Recht anzugehen und andererseits sich schützend vor die zu stellen, die unseren Staat systematisch ausrauben. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmitt, Frau Kollegin Erfurth und Herr Kollege Al-Wazir, ich halte es für reichlich unerträglich,
wie Sie eine Abwägung der unterschiedlichen Rechtsgüter in diesem Lande, die auch Mitglieder der Landesregierung durchführen, in die Ecke der Verachtung rücken. Das wird der Diskussion über dieses Thema nicht gerecht. Das polarisiert.
Das polarisiert in einer unerträglichen Art und Weise.Das Thema wird am Ende nur noch unter dem Motto stehen: Rechtsstaat nach Kassenlage. – Das wird dem Thema in keiner Weise gerecht.
Steuerhinterziehung ist eine Straftat,aufgrund derer jedes Jahr immense volkswirtschaftliche und fiskalische Schäden zulasten der Allgemeinheit entstehen. Aber auch der Diebstahl fremden Eigentums, und zwar im konkreten Fall dieser Bankdaten, ist eine Straftat. Ob das jetzt unter eng ausgelegten juristischen Gesichtspunkten als Hehlerei bezeichnet werden muss, will ich einmal dahingestellt sein lassen. Im Volksmund wird aber derjenige, der Diebesgut kauft, hinlänglich als Hehler bezeichnet.
Genau darin liegt doch die Problematik. Wenn sich der Staat als derjenige betätigt, der dieses Diebesgut ankauft, dann hat das zumindest einen Geruch. Genau über diese Frage, nämlich ob das noch rechtsstaatlich ist, muss man zumindest nachdenken dürfen.
Herr Kollege Milde hat das Thema schon angesprochen. Nachfrage erzeugt natürlich Angebot.Wenn der Staat die offene Nachfrage nach solchen Daten öffentlich macht, dann bleibt es nicht aus,dass sich auf diesem Markt immer mehr tummeln, die sich mit gestohlenen Daten persönlich bereichern wollen.
Es muss nur populär genug sein,dann kann ich auch etwas heraushandeln. Frau Erfurth, Sie haben von einem Geschäftsmodell gesprochen, das möglicherweise einige wohl betreiben, indem sie ihre Gelder ins Ausland verschieben. Frau Erfurth, es ergibt sich aber auch ein Geschäftsmodell, wenn der Staat genau nach diesen Daten nachfragt. Denn dann werden diejenigen Geschäftsmänner, die sich mit dem Verkauf solcher Daten beschäftigen.
Dass uns das Ansehen unseres Rechtsstaates auch etwas bedeuten muss, sollte man beachten. Das merkt man, wenn man sich die Stimmen aus dem Ausland anhört. Das darf man auch nicht einfach so unter den Tisch kehren.
Ich will einmal eine sehr dramatische Stellungnahme aus der „Weltwoche“, einer Zeitung aus der Schweiz, zitieren, die auf den Punkt bringt, wie unsere Diskussion im Ausland wahrgenommen wird. Da heißt es:
Es ist nicht die Sache der Schweizer, den deutschen Staat zur Einhaltung seiner eigenen Gesetze aufzufordern, aber für Deutschland ist Merkels Rechtsbruch ein Fundamentalproblem. Wie schlimm es
Der Kanzlerin sei durchaus klar gewesen, dass der Kauf der Daten widerrechtlich sei, aber – und jetzt kommts – angesichts der „aktuellen politischen Gemengelage“ habe sie entschieden, dass in diesem Fall die „reine juristische Lehre“ nicht angewendet werden könne. Das heißt zu Deutsch: Politische Stimmungslage, der Druck der Straße diktieren in Deutschland, ob der Rechtsstaat eingehalten wird. Je nach Opportunität können grundlegende Rechtsprinzipien über den Haufen geworfen werden. Illegal beschaffte Beweisdaten werden legal, wenn der Staat damit in den Besitz von über 100 Millionen mutmaßlich unversteuerten Geldern kommen kann. Die Anschlussfrage muss erlaubt sein: Wie verfährt Deutschland, wenn plötzlich die Aussicht auf 1 Milliarde Schwarzgeld lockt?
So weit will ich gar nicht gehen. Denn das ist eine äußerst einseitige und übertriebene Sichtweise. Sie wird in diesem Fall einer fundierten Abwägung der Rechtsgüter auch nicht gerecht.
Das ist aber die Sicht des Auslandes, die wir nicht ganz außen vor lassen können. Denn auch unser Ansehen als Rechtsstaat, sowohl im Inland als auch im Ausland, muss uns etwas wert sein.
Nein, nach der Rede können wir gerne diskutieren. – Illegale Taten mit illegalem Handel von Daten zu bekämpfen ist ebenfalls kritisch zu hinterfragen. Denn am Ende steht dann Kriminalität gegen Kriminalität.
Die Teilnahme aller an diesem Steuersystem ist die Grundlage für Steuergerechtigkeit. Sie ist Grundlage der Teilhabe an dem,was der Staat der Allgemeinheit an Leistungen bietet. Jedoch muss vor der Verwendung der Daten offen diskutiert werden, wie sie beschafft wurden und ob sie beschafft werden sollen. Es ist eine sorgfältige Abwägung hinsichtlich der Rechtsgüter in diesem Rechtsstaat erforderlich. Das Problem ist aber nicht mit dem Prinzip, schwarz-weiß zu denken, in den Griff zu bekommen. Denn da bewegen wir uns in einer Grauzone.