Protokoll der Sitzung vom 03.03.2010

Die Teilnahme aller an diesem Steuersystem ist die Grundlage für Steuergerechtigkeit. Sie ist Grundlage der Teilhabe an dem,was der Staat der Allgemeinheit an Leistungen bietet. Jedoch muss vor der Verwendung der Daten offen diskutiert werden, wie sie beschafft wurden und ob sie beschafft werden sollen. Es ist eine sorgfältige Abwägung hinsichtlich der Rechtsgüter in diesem Rechtsstaat erforderlich. Das Problem ist aber nicht mit dem Prinzip, schwarz-weiß zu denken, in den Griff zu bekommen. Denn da bewegen wir uns in einer Grauzone.

Frau Erfurth, es gibt auch keine pauschale Festlegung. Das ist der Kardinalfehler, den Sie machen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wir wollen mehr Prüfer!)

Bevor die Prüfung stattgefunden hat, wollen Sie schon festlegen, dass in jedem Fall alle angebotenen Daten immer gekauft werden. So kann man mit dem Problem nicht umgehen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Deswegen ist die Information, die der Finanzminister gegeben hat, gut. Wir wissen nun ganz konkret, dass es Daten gibt, die Hessen angeboten werden. Die Finanzverwaltung hat nun unter Abwägung all der Rechtsgüter zu entscheiden,ob es im Interesse unseres Landes liegt,diese Daten unter Hintanstellung anderer Bedenken zu erwerben, oder ob die Umstände es gebieten, dies nicht zu tun.

Diese Prüfung ist nicht abgeschlossen. Der Finanzminister hat deutlich gemacht, dass dieses Angebot erst seit Kurzem vorliegt. Aus diesem Grund kann eine Prüfung natürlich noch nicht abgeschlossen sein.

(Beifall bei der FDP)

Wenn das Ergebnis der Prüfung lautet, dass wir als Land Hessen unter Hintanstellung aller anderen rechtsstaatlichen Erwägungen diese Daten besorgen sollten, dann wird die Landesregierung dieser Erwägung stattgeben. Sollte das nicht der Fall sein, muss es auch erlaubt sein, zu sagen: Nein, wir kaufen diese Daten nicht.

Im Vordergrund der gesamten Debatte muss doch nicht die Frage stehen:Wie kommen wir zu Steuergerechtigkeit unter Heranziehung aller möglichen illegalen Methoden des Staates? – Vielmehr muss der Hauptaspekt doch darauf liegen, sämtliche rechtsstaatlichen Mittel zur Bekämpfung einzusetzen, um Steuerhinterziehung zu unterbinden – nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei der FDP)

Erwecken Sie doch nicht den Eindruck, dass bislang nichts geschehen sei. Die Landesregierung hat in den vergangenen Jahren einiges dazu beigetragen, die personelle Aufstockung der Steuerverwaltung zu erreichen. Das ist erfolgt.

In unserem Dringlichen Antrag wird auch dargestellt, welche Erfolge das bislang gezeitigt hat. Deswegen können wir die Landesregierung nur ermuntern, an diese Erfolge anzuknüpfen und in der bewährten Weise weiter zu verfahren.

Es wäre schön, wenn es dem Bundesfinanzminister gelänge, was schon angesprochen wurde, dass mit Ländern wie der Schweiz Abkommen erzielt werden,die eine Steuerhinterziehung in Deutschland und eine Kapitalflucht in die Schweiz nicht so ohne Weiteres möglich machen, aber dass wir dann mit rechtsstaatlichen Mitteln zu Informationen kommen, die eine gerechte Besteuerung in diesem Land ermöglichen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das zum Abschluss sagen. Interessant ist, was eigentlich mit den Erträgen passiert, die jene Anbieter durch diese Steuer-CD erzielen. Wie werden die denn eigentlich versteuert? Da bin ich einmal gespannt.

(Zurufe von der FDP und der CDU sowie des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Wenn wir auch dieses Problem gelöst haben,dann sind wir einige Schritte weiter. Ich kann die Regierung nur darin ermutigen, den erfolgreichen Weg in der Steuerhinterziehungsbekämpfung weiterzugehen, dieses Angebot sorgfältig zu prüfen und am Ende nach sorgfältiger Abwägung aller wichtigen Rechtsgüter dieses Landes zu einer klugen Entscheidung zu kommen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.Die Landesregierung hat am Anfang gesprochen.

Die Überweisung der Tagesordnungspunkte 24 und 25 an den Haushaltsausschuss ist verabredet. Wer widerspricht dem? – Niemand. Dann wird das überwiesen. Der Dringliche Antrag soll wohl abgestimmt werden?

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU):Ausschuss!)

Auch an den Haushaltsausschuss. Widerspricht dem jemand? – Das ist auch so erfolgt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Feiertagsgesetzes – Drucks. 18/1957 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt siebeneinhalb Minuten. Zur Einbringung hat Frau Abg. Schott das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen – sie bekommen nichts.“ Weil dieser Satz von Simone de Beauvoir leider wahr ist, haben wir Frauen nach wie vor eine Menge zu fordern. Wir fordern endlich gleiche Berufschancen, gleiches Einkommen, gleiche Karrierechancen, mehr Schutz vor Gewalt, unabhängige Grundsicherung bei Erwerbslosigkeit, gleiche parlamentarische Vertretung, bessere Betreuung für unsere Kinder und keine Altersarmut.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD))

Es gibt kaum einen Lebensbereich, in dem Frauen nicht benachteiligt sind.Die Erwerbsquote liegt bei Männern in Hessen bei 81 %, bei Frauen bei 68 %. Das höchste Armutsrisiko liegt bei den Alleinerziehenden, und das sind bekanntlich überwiegend Frauen. Über 30 % der Frauen in Deutschland haben gar kein eigenes Einkommen. Inzwischen haben junge Frauen im Hinblick auf Schulbildung die Männer überholt. Das führt aber noch lange nicht dazu, dass sie auf der nachfolgenden Stufe der akademischen Laufbahn gleich repräsentiert sind.

(Holger Bellino (CDU): Wann kommen Sie denn zum Thema?)

Das ist das Thema. – Trotz der größeren Anzahl weiblicher Lehrkräfte sind Frauen in den westdeutschen Bundesländern in Schulleitungspositionen in der Minderheit. Die atypische Beschäftigung steigt in Hessen insgesamt. Von ca. 1 Million atypisch Beschäftigten sind 700.000 Frauen. Von 400.000 Teilzeitbeschäftigten sind 300.000 Frauen. In Hessen sind von 118 Abgeordneten 34 Frauen. Es könnte besser aussehen, wenn die FDP keine frauenfreie Zone wäre.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) und Ursula Hammann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Auch in den Betriebsräten liegt der Anteil nur bei 25 %. Wenn es um weibliche Führungskräfte geht, gehört Deutschland im internationalen Vergleich zu den Schlusslichtern. Von 68 Vorstandspositionen der zehn umsatzstärksten Unternehmen hat nur eine einzige Frau eine Vorstandsposition – es sei denn, es hätte sich in den letzten Tagen etwas geändert.Von 518 Aufsichtsratsmandaten bei DAX-Unternehmen sind nur 64 von Frauen besetzt, gerade einmal 12 %.Auf der Arbeitgeberseite sind in diesen Kontrollgremien nur 3 % weiblich.

Die Initiative „Frauen in die Aufsichtsräte“ fordert eine gesetzliche Quotenregelung für die Aufsichtsräte. In Norwegen, das seit 2008 eine gesetzliche Frauenquote von 40 % für Aufsichtsräte hat, liegt der Anteil der weiblichen Mitglieder immerhin bei 42 %.Auch die Niederlande und Spanien haben eine Quote. Wenn wir das hier fordern würden, wissen wir, was wir zur Antwort bekommen. Dann wird von freiwilliger Selbstverpflichtung geredet. Das heißt, alles bleibt beim Alten.

Der durchschnittliche Verdienst liegt bei Frauen konstant 23 bis 24 % niedriger als bei Männern. Auch dabei sind wir europäisch am Ende der Reihe. In Deutschland lebende Frauen haben in ihrem Leben bis zu 40 % körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren. Zu dieser Gewalt gehören sexuelle Belästigung, Demütigung, Beleidigung, Prügel, Bedrohung, soziale Kontrolle, sexuelle Nötigung, Stalking,Vergewaltigung bis hin zu Totschlag.

Wir haben in Hessen mehr als 20 Frauenhäuser, und keines von ihnen steht leer.Auch in Hessen gibt es leider Familien, die ihre Töchter zwangsverheiraten. Im letzten Jahr wurde Serap Çileli mit dem Elisabeth-Selbert-Preis für ihre mutige Arbeit ausgezeichnet. Es gibt inzwischen in Deutschland leider auch weibliche Genitialverstümmlung.Wir brauchen nach wie vor Veränderungen im Denken am Bewährten und eine kritische Auseinandersetzung mit Überkommenem.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Männer dazu sagen, dass das Quatsch ist, und diese Männer hier auf der Regierungsbank sitzen,dann wird die Forderung, dass endlich Gleichberechtigung herrscht, noch viel dringender. Stattdessen bekommen wir inzwischen eine massive Gegenbewegung. Wir hören, dass Jungs und Männer die Verlierer der Emanzipation seien, dass Pädagogik verweiblicht würde und dass Alphamädchen den Raum erobern.

Natürlich verändert sich etwas, wenn Mädchen und Frauen nicht mehr die Dekoration der Männerwelt und auch nicht mehr die Haushälterinnen der Männer sind. In den letzten 100 Jahren hat sich einiges bewegt. Das heißt auch, Männer müssen ihre Rolle neu finden. Wenn Männer und Frauen wirklich gleichberechtigt werden, werden Männer an der einen oder anderen Stelle tatsächlich et

was verlieren. Aber an ebenso vielen Stellen werden sie gewinnen. Es ist doch ein Gewinn, wie sich die Vaterrolle in den letzten Jahren verändert hat. Es ist auch ein Gewinn, wenn Männer nicht mehr unter allen Umständen die Ernährer von Familien sein müssen.

All diese Punkte lassen es notwendig erscheinen, einen Feiertag einzurichten, der in den Ländern Angola,Armenien, Aserbaidschan, Burkina Faso, Eritrea, Georgien, Guinea-Bissau, Kasachstan, Kambodscha, Kirgisistan, Laos, Madagaskar, Moldawien, Mongolei, Nepal, Russland, Sambia, Serbien, Tadschikistan, Turkmenistan, Uganda, Ukraine, Usbekistan, Vietnam, Weißrussland und Zypern bereits ein gesetzlicher Feiertag ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen einen Tag ähnlich dem 1. Mai, an dem Zeit besteht, sich des Geschafften zu erinnern, aber vor allem Pläne für die Zukunft zu schmieden. An vielen Stellen gibt es in immer noch kleinen Kreisen Veranstaltungen zum 8. März. Die werden mehr und größer, finden aber nach wie vor in der Nische statt. Im Anblick der Probleme der vor uns stehenden Aufgaben kann es nur hilfreich sein, einen freien Tag für Bildungs- und Informationsveranstaltungen, für Seminare und Vorträge, für Workshops, Ideenbörsen, aber auch zum Feiern zu haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben den diesjährigen 8. März ausgewählt, weil wir den Internationalen Frauentag im nächsten Jahr zum 100. Mal begehen. Wir sind der Meinung, dass es ein guter Zeitpunkt wäre, ihn zum Feiertag zu machen.

Am 8. März 1857 waren die Textilarbeiterinnen in New York in einen Streik getreten. Anderen Quellen zufolge wurde der 8. März als Tag im Gedenken an 129 Arbeiterinnen ausgewählt, die am 8. März 1908 im Streik um bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen eingesperrt in ihrer bestreikten Fabrik verbrannt sind, weil die Fabrik in Flammen aufging und kaum noch jemand herauskam. 129 Frauen sind in diesen Flammen gestorben.

Die Wurzeln des 8. März liegen also in der Tradition proletarischer Frauenkämpfe. 1909 streikten 20.000 Näherinnen von Manhattan.Tausende wurden verhaftet.Doch die Unternehmer mussten ihren Forderungen nach 21-monatigem entschlossenen Streik nachgeben.Zum ersten Frauentag 1911 kamen in Dänemark, Österreich, Schweden, der Schweiz, Deutschland und den USA Frauen zu Demonstrationen und Versammlungen zusammen.

Im Mittelpunkt stand damals die Forderung nach dem Wahlrecht für Frauen. Ein Höhepunkt in der Geschichte des 8. März nach dem Zweiten Weltkrieg war im Jahr 1994 der Frauenstreiktag – damals waren bundesweit etwa 1 Million Frauen gegen die Diskriminierung auf den Straßen.

Wenn Sie jetzt der Meinung sind, Hessen könne sich keinen weiteren Feiertag leisten, so kann ich nur sagen: Wir haben in Hessen zehn Feiertage im Jahr, in anderen Bundesländern bis zu 13. Weder Bayern noch BadenWürttemberg liegen deshalb wirtschaftlich am Boden, und die haben mehr Feiertage als wir.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie glauben, es sei nur DIE LINKE, die diesen Feiertag wolle, so ist auch das ein Irrtum. Bereits zum 90. Geburtstag des Internationalen Frauentags haben Gewerkschaftsfrauen gefordert, diesen Tag zum Feiertag zu machen. Seither haben sie ihre Forderung nicht aufgege

ben. Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir dem nachkommen.