Herr Präsident, zwischenzeitlich hat sich mein Anliegen erledigt. Ich bedauere, dass der Innenminister als zuständiger Ressortminister bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs nicht zugegen war, sondern erst zum Schluss dieser Debatte gekommen ist.
(Axel Wintermeyer (CDU): Er hat nichts verpasst! – Holger Bellino (CDU): Sie haben doch gar nicht zum Thema gesprochen, deswegen war das unschädlich!)
Mein Geschäftsordnungsantrag bezog sich darauf, den Innenminister über die Einbringung dieses Gesetzentwurfs zu informieren. – Danke schön.
Wir führen die Debatte fort. Das Wort hat Frau Abg. Schulz-Asche für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Schott, zu Recht haben Sie viele Ungerechtigkeiten angesprochen.Es wäre nur schön gewesen,wenn Sie auch noch erklärt hätten, was ein Feiertag an solchen Ungerechtigkeiten ändern würde. Das ist mir nicht so ganz klar geworden.
Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung. Der 8. März als Internationaler Frauentag ist sehr wichtig, denn er gibt uns jedes Jahr die Möglichkeit – auch in den Wochen davor und danach –, auf bestehende Ungerechtigkeiten hinzuweisen und an verschiedenen Orten darüber zu diskutieren. Meine Fraktion wird das heute Abend mit einem kleinen Frauenempfang hier im Haus tun. Darauf freue ich mich.
Die SPD hatte ihn schon. Ich glaube, es ist angemessen, solche Gelegenheiten zu schaffen – zum Vernetzen, zum Sprechen, zum Miteinander-Spaß-Haben. Dazu braucht man keinen Feiertag, sondern Orte, und man muss es organisieren. So wird es auch überall in Deutschland gemacht.
Niemand will den Internationalen Frauentag abschaffen. Er erlaubt uns einen Rückblick auf die Frauenbewegung in Deutschland in den vergangenen 200 Jahren. Die erste Welle hatten wir um die Wende zum 20. Jahrhundert, da kämpften die Frauen um den Zugang zur Bildung und das allgemeine Wahlrecht. – Beim passiven Wahlrecht gibt es bis heute Fraktionen hier im Haus, wo man sagen kann,
In der zweiten Welle ging es um rechtliche Gleichstellung, um Chancengleichheit und das Recht auf Selbstbestimmung. Seit den Neunzigerjahren diskutieren die Frauen, zusammen mit den Männern, über Projekte zur konkreten Frauenförderung, zur Vernetzung und insbesondere zur Nutzung des Internets.
Meine Damen und Herren, trotz alledem gibt es nach wie vor keine Gleichberechtigung von Männern und Frauen, auch nicht in Deutschland.Trotz wirklicher Erfolge in der Familienpolitik, beispielsweise durch den Ausbau der Kinderbetreuung, sind viele Probleme ungelöst. Dazu gehört die eigenständige Existenzsicherung im Erwerbsleben. Ich nenne hier nur das Stichwort gesetzlicher Mindestlohn. Dazu gehören das Problem der sozialen Sicherungssysteme und auch hier die eigenständige Absicherung. Ich verweise auf die Gefahr der steigenden Altersarmut aufgrund der besonderen Erwerbsbiografien von Frauen – das zeichnet sich bereits ab. Ich bin mir auch nicht sicher, ob nicht die Finanznot in den Kommunen dazu führen wird,dass in Zukunft auch der Schutz vor Gewalt für Frauen und Kinder darunter leiden wird, dass in den Kommunen so wenig Geld vorhanden ist, um wirkliche Daseinsvorsorge zu betreiben.
Meine Damen und Herren, entgegen dem europäischen Trend haben wir in Deutschland eine weitere Zunahme des Abstands der Löhne und Gehälter von Männern und Frauen. Das ist eine der ganz großen Ungerechtigkeiten, die unbedingt abgestellt werden müssen. In den Führungsgremien von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Kirche haben wir eine Unterrepräsentanz von Frauen, die mit Gleichstellung überhaupt nichts zu tun hat. Ich finde, es ist an der Zeit, das tatsächlich zu ändern.
Eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung führt uns nochmals vor Augen, dass wir kaum Frauen in den Vorständen der 20 größten deutschen Unternehmen haben: Dort gibt es 812 Männer und 21 Frauen. Meine Damen und Herren, mit wirklicher Qualität von Führung kann das nichts zu tun haben,wenn man sich die Bildungsabschlüsse anschaut.
Um das gleich fortzusetzen: In den Aufsichtsräten der 200 größten Unternehmen in Deutschland sitzen gerade 10 % Frauen – und das auch nur in den Unternehmen, in denen Mitbestimmung herrscht; in allen anderen Unternehmen sieht es noch schlimmer aus.
Meine Damen und Herren, das sind die Ungerechtigkeiten, bei denen es wirklich an der Zeit ist, dagegen gesetzlich vorzugehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, da muss ich Ihnen ehrlich sagen: Dazu ist Ihr Antrag, einen Feiertag einzuführen, nicht nur falsch, sondern sogar kontraproduktiv.
Schauen wir uns beispielsweise Russland an. Dort ist das ein Feiertag. Im Prinzip ist das dort inzwischen eine Art Valentinstag oder Muttertag. Ich habe aber keine Lust, im Interesse der Frauengleichstellung die Floristikunternehmen in Deutschland zu fördern. Das ist nämlich das, was in Russland davon übrig geblieben ist.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Weil Sie gerade dazwischenrufen, erzähle ich Ihnen das Folgende: Im Jahr 1986 war ich in einem der Länder, die Sie eben gerade so schön vorgelesen haben, in Burkina Faso, und zwar in der berühmten Hauptstadt Ouagadougou – seit Steinbrück kennt auch die SPD diesen Ort.Dort gibt es seit 1985 diesen Feiertag.
Ich war damals im Stadion, als dieser Feiertag begangen wurde. Dort hat der damalige, später ermordete Präsident Thomas Sankara vor sehr vielen Frauen vom Land, die zum ersten Mal überhaupt mit dem Problem der Frauengleichstellung konfrontiert waren, gesagt: Frauen gehört die Hälfte des Himmels.
Damals habe ich mir gedacht: Schau mal, der hat es kapiert – Helmut Kohl in Deutschland hatte es zu diesem Zeitpunkt noch nicht kapiert.
Deswegen müssen wir darüber reden,welche gesellschaftlichen Prozesse wir haben. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Wir blicken auf 200 Jahre Frauenbewegung zurück. Das ist der Unterschied zu den Frauen in Burkina Faso. Wir blicken auf selbstbewusste 200 Jahre zurück – und da brauchen wir keinen Feiertag.Wir müssen endlich unsere Rechte durchsetzen. Wir müssen in die Führungsgremien von Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Meine Damen und Herren – oder meine Herren von der FDP –, dort gehören wir in die Führungspositionen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen brauchen wir eine vierte Welle der Frauenbewegung – und keine Symbolpolitik mit Feiertagen. Wir müssen dahin, wo die Entscheidungen gefällt werden. Wir müssen die Machtfrage stellen. Das heißt, wir brauchen die Frauen in den Führungsetagen – durch Vernetzung, durch gegenseitige Förderung und Unterstützung, durch Gesetze zur Gleichstellung und die gesetzliche Einführung von Quoten. Dann erreichen wir das, was Sie mit Ihrem Feiertag nie erreichen werden, nämlich tatsächliche und rechtliche Gleichstellung. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall der Abg. Petra Fuhrmann und Timon Gremmels (SPD))
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Schott,mit dem Gesetzentwurf der LINKEN, den Internationalen Frauentag zum Feiertag zu erheben, haben Sie uns wieder einmal einen typischen Schaufenster-Gesetzentwurf vorgelegt. Frau Schott, Ihre Rede hat gezeigt, dass Sie ihn selbst nicht so ernst nehmen.
Selbst das grandiose Scheitern ähnlicher Anträge Ihrer LINKEN-Kollegen in anderen Bundesländern konnte Sie nicht davon abhalten, heute diesen Entwurf vorzulegen.
Wie wollen Sie es rechtfertigen, dass die Kinder am 20.09. keinen eigenen Feiertag bekommen – oder die Umwelt am 05.06. oder vielleicht der Tag des Baumes?
Nein, danke. – Der 8. März wird seit mehr als 100 Jahren von Frauen genutzt, um auf ihre Rechte aufmerksam zu machen. Es war im Jahr 1977 eine sehr kluge Entscheidung der Vereinten Nationen, den 8. März von der Generalversammlung der UN als Internationalen Frauentag anzuerkennen. Es ist richtig, dass an einem Tag weltweit auf die Rechte der Frauen aufmerksam gemacht wird. Nur gemeinsam können wir die notwendige Aufmerksamkeit der Presse und von Entscheidungsträgern erreichen, um gesellschaftspolitische Entwicklungen anzustoßen, und das ist notwendig, um etwas zu bewegen. Dazu brauchen wir aber keinen Feiertag.
Schauen Sie sich in Hessen um, wie viele Aktivitäten am 8. März in allen Städten und Landkreisen stattfinden – von der Frauenbörse bis zu Diskussionsrunden, und wir bekommen auch ein breites Presseecho. Einige wenige Länder, meist mit kommunistischem Hintergrund – Frau Schulz-Asche hat es auch erwähnt –, haben den 8. März zum Feiertag erklärt.