Protokoll der Sitzung vom 03.03.2010

Schauen Sie sich in Hessen um, wie viele Aktivitäten am 8. März in allen Städten und Landkreisen stattfinden – von der Frauenbörse bis zu Diskussionsrunden, und wir bekommen auch ein breites Presseecho. Einige wenige Länder, meist mit kommunistischem Hintergrund – Frau Schulz-Asche hat es auch erwähnt –, haben den 8. März zum Feiertag erklärt.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Burkina Faso hat keinen kommunistischen Hintergrund! – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ach ja, Burkina Faso!)

Ich habe gesagt: meist mit kommunistischem Hintergrund. Ich kann Angola, die Ukraine, Uganda oder Russland erwähnen. – Wenn Sie aber meinen, dass uns diese Länder beim Thema Gleichberechtigung weit voraus wä

ren, sage ich Ihnen: Da liegen Sie völlig falsch. Falsch liegen Sie auch, wenn Sie glauben, dass der russische Feiertag ein Kampftag für Frauenrechte wäre. Das ist auch ein schlichter Fehlglaube. In Russland hat der Weltfrauentag Tradition. Er ist ein fröhlicher Tag, der Liebe und den Blumen gewidmet. Frauen bekommen an diesem Tag von ihren Kollegen oder Familien Blumensträuße überreicht.Es ist also eine Mischung aus Valentins- und Muttertag. Ist es denn das, was Sie wollen?

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Selbst in Ihrem sozialistischen Vorbildstaat, der DDR, war der 8. März kein Feiertag.

(Holger Bellino (CDU): Hört, hört!)

Sie meinen, Sie könnten die Ungerechtigkeiten, die Frauen im Alltag nach wie vor erdulden, durch die Einführung eines Feiertags lösen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Platter geht es nicht mehr!)

Dazu sage ich klar: Nein.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Haben Sie sich überhaupt schon einmal Gedanken darüber gemacht, welch volkswirtschaftlichen Schaden ein solcher Feiertag verursachen würde? Sie scheinen die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt zu haben.

(Beifall bei der CDU)

Das zieht sich wie ein roter Faden durch Ihre Anträge.Wir stecken in einer der größten Finanzkrisen, die unsere Wirtschaft jemals erleben musste. Viele Frauen und auch Männer müssen nach wie vor um ihre Arbeitsplätze bangen, und auch die öffentlichen Haushalte erleben ein Desaster. Da fällt Ihnen nichts anderes ein, als einen zusätzlichen Feiertag einzuführen.

(Beifall bei der CDU – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das kann nicht gesund sein!)

Lassen Sie uns vielmehr an der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf arbeiten und die Probleme lösen, die auf Familien zukommen, wenn sie ältere Menschen zu pflegen haben. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass gleiche Arbeit für Frauen und Männer auch gleichen Lohn bedeutet, und – Frau Schott – lassen Sie uns auch über die Jungen reden, die unsere besondere Aufmerksamkeit benötigen.Auch das ist Gleichstellung.Lassen Sie uns die Gewalt gegenüber Frauen und Kindern ächten; lassen Sie uns gemeinsam Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung anprangern. Meine Damen und Herren, damit können wir mehr erreichen als mit einem zusätzlichen Feiertag.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Die CDU lehnt die Einführung des 8. März als Feiertag ab.Wir sind davon überzeugt, dass der 8. März ein wichtiger Tag ist, ein Tag, der mehr als linke Symbolpolitik verdient hat. Wir rufen heute dazu auf, den 8. März dazu zu nutzen, um auf die Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen in unserem Land und in der Welt aufmerksam zu machen. Lassen Sie uns nicht Schaufenster bekleben wie die LINKEN, sondern aktive, pragmatische Frauenpolitik machen. Danach handeln die CDU und die Hessische Landesregierung, und genau hinter dieser Politik stehe ich als frauenpolitische Sprecherin.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zu einer Kurzintervention hat Frau Abg. Schott das Wort.

Herr Präsident! Frau Ravensburg, Sie haben hier eben tatsächlich den Tag des Baumes und den Internationalen Frauentag gleichgesetzt. Sie haben noch ein paar andere Tage aufgezählt, und es gibt derer sicherlich viele.

(Judith Lannert (CDU): Haben Sie nicht zugehört oder nichts verstanden?)

Ich finde es schon erstaunlich, dass Sie Ihren Redebeitrag mit einer solchen Gleichsetzung einleiten. Das heißt: Die vielfältigen Probleme, die Frauen in diesem Land, in Hessen, tagtäglich nach wie vor haben und die ich vorhin exemplarisch fünf Minuten lang aufgezählt habe, setzen Sie mit dem Tag des Baumes und mit ein paar anderen Tagen gleich. Ich finde, das beschreibt ihre Haltung zu dem, was Frauen betrifft.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Oh, Ihre Haltung zu dem, was Frauen betrifft, möchte ich, glaube ich, wirklich nicht wissen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Ir- mer (CDU):Soll ich Ihnen ein Taschentuch geben?)

Das beschreibt die Haltung Ihrer Fraktion – wir sehen gerade, was in der ersten Reihe passiert – zu den Problemen der Frauen in diesem Land wirklich deutlich, und das finde ich abgrundtief beschämend. Ich glaube, darüber sollten Sie wirklich noch einmal nachdenken.

Was die Feiertagsregelung anderer Länder und das wirtschaftliche Darniederliegen anbelangt, wenn wir noch einen Feiertag einführen würde, sage ich Ihnen: BadenWürttemberg hat zwölf Feiertage; Bayern hat 13 Feiertage. Das allein zeigt doch, dass wirtschaftliches Florieren und die Anzahl der Feiertage nicht zwingend miteinander einhergehen. Dass man mit einem Feiertag nicht alle Probleme der Welt löst, ist auch klar. Man setzt damit aber noch einmal ein Zeichen und sagt:An der Stelle haben wir einen Bedarf, ganz dringend hinzuschauen. – Ich glaube, das sollte auch jedem klar sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Erwiderung, Frau Abg. Ravensburg.

Frau Schott, der Tag des Baumes scheint für Sie wichtiger zu sein als der Tag des Kindes. Das finde ich unverschämt. Wir reden hier über Feiertage, nicht über Tage, wo wir uns Themen widmen und die wir nutzen, um unsere Meinung kundzutun, sondern es geht hier um Feiertage.

(Petra Fuhrmann (SPD):Wer hat diese Aufzählung denn gemacht?)

Ich bin der Meinung, dass wir den Tag der Frauen nicht zum Feiertag erheben und eine Inflation der Feiertage machen sollten. Dann auch noch Feiertage aller anderen Bundesländer, die aus einer christlich-abendländischen Tradition stammen, in Zahlen aufwiegen zu wollen, finde ich ganz und gar beschämend.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Blechschmidt für die FDPFraktion.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Herr Al-Wazir, die letzten drei Minuten haben deutlich gemacht: Wir reden über Innenpolitik. Herr Schaus, das wird auch noch den Innenausschuss beschäftigen, da können wir uns austauschen. Die letzten beiden Beiträge haben deutlich gemacht, dass es um das Feiertagsgesetz, um die Frauenpolitik und darum geht, in der Tat einmal die Frage zu stellen,welche Feiertage wir in Hessen haben müssen. Ich finde es auch nicht okay, den Tag des Baumes mit dem 8. März zu verbinden.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich bin aber auch der Meinung, dass eine Aufzählung von Feiertagen nicht vonnöten ist, genauso wenig würde es mich als Liberalen reizen – das mache ich auch nicht –, die LINKEN aufzufordern, vielleicht den Frauentag zu forcieren und dafür den 1. Mai zu streichen, damit wir auf denselben Saldo kommen. Das ist alles absurd.Wir reden hier über das Feiertagsgesetz und in der Tat über die Frage: Wollen wir das, was Tradition und Geschichte und auch seine Berechtigung hat – die eine oder andere Nachdenklichkeit bringe ich zum Schluss gleichwohl mit rein –, hier zum Feiertag erheben? – Ich bin der Meinung: Nein.

Da der Antrag von den LINKEN eingebracht worden ist, möchte ich einfach ein Zitat einbringen,das jetzt doch fast 100 Jahre alt ist:

Die großartige politische und gewerkschaftliche Aufrüttelung der Massen des weiblichen Proletariats in den letzten eineinhalb Jahrzehnten ist nur deshalb möglich geworden, weil die Frauen des arbeitenden Volkes trotz ihrer Entrechtung am politischen Leben und an den parlamentarischen Kämpfen ihrer Klasse den regsten Anteil nehmen.

Rosa Luxemburg, „Frauenwahlrecht und Klassenkampf“, 12. Mai 1912. Ich hatte dieses Zitat eigentlich von dieser Seite erwartet.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es macht aber auch deutlich, dass wir bei dieser Thematik aufpassen müssen,dass das,was historisch bedingt und begründet war, noch aktuell ist, und dass wir den Frauentag – das haben auch die Beiträge der Rednerinnen vor mir deutlich gemacht – mit einer modernen Komponente versehen müssen. Nicht umsonst wurde auch gesagt, dass die Vereinten Nationen diesen Tag nicht nur zum Weltfrauentag, sondern auch zum Tag für die Rechte der Frauen und den Weltfrieden gemacht haben, um die Komponenten ein bisschen breiter zu streuen und dies deutlich zu machen.

Ich will nicht zu weit in die Geschichte zurückgehen. Im Zweifelsfall höre ich dann Zitate, auf die ich nicht vorbereitet bin, die von den LINKEN einfach abgespult werden. Ich wollte nur deutlich machen, dass alles eine Ge

schichte hat und auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung gesehen werden muss.

Da ist es in der Tat wichtig, auch einmal zu schauen, wie andere Länder das feiern. Da bin ich genauso wie meine Vorrednerin auf Russland gekommen, wo ich gesehen habe – ich habe mich auch mit Frauen aus den neuen Bundesländern unterhalten –, dass noch vor wenigen Jahren der 9. März in den neuen Bundesländern als Muttertag gefeiert wurde, wie das in Russland heute noch üblich ist. Ist das wirklich gewollt, wollen wir das? Da sage ich Nein. Gleichberechtigung ist etwas anderes. Das wird am 8. März hochgehalten, und das ist auch wichtig.

Ich bin auch der Meinung, wie es die GRÜNEN gesagt haben, dass am 8. März Spaß haben im Mittelpunkt steht, dass Frauen zusammenkommen, für Gleichberechtigung stehen und gleichwohl Spaß haben weiterhin im Mittelpunkt stehen sollte.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Genau, dann können wir an dem Tag nicht arbeiten!)

Da bin ich auf den Beitrag einer Journalistin aus Frankreich gestoßen, der mich nachdenklich gemacht hat und den ich einmal zitieren will. Er war Teil eines Beitrags im Deutschlandradio Kultur, Überschrift: „Der Klagetag“, Unterüberschrift: „Der Internationale Frauentag wirkt in Deutschland wie die Verabredung zur kollektiven Depression. Ein Tag zum Heulen.“ Eine französische Journalistin stellt fest, dass die deutsche Version des 8. März schon seit Jahren als „verkniffener und verkrampfter Tag“ aufzufassen ist, „voll alarmierender Statistiken und deprimierender Evaluationen“.

Jede Statistik, jede Zahl, jede Kurve, die am 8. März mit großer Geste publiziert wird,behauptet:Frauen sind in dieser Gesellschaft per se Opfer. Und darüber hinaus selbstverständlich ohnehin überall. Wahrscheinlich verschafft diese erdenschwere Grundhaltung in der grob selektiven Wahrnehmung durchaus Satisfaktion. Opfer sein macht mächtig. Glücklich jedoch macht es nicht.