Protokoll der Sitzung vom 28.04.2010

Ich will noch kurz auf zwei geschichtliche Punkte eingehen.1989 bis 1991,die Grenze war geöffnet,und neue Verkehre entstanden, die man so nicht hatte sehen können,

als 1987 die A 44 aus dem Bundesverkehrswegeplan herausgenommen wurde – ohne Protest aus Hessen. Bis 1991 – Regierung Wallmann, Verkehrsminister Schmidt – gab es keine Planungen für eine Autobahn.Man begann,Ortsumgehungen zu beplanen.Das wurde fortgesetzt.Das war auch die Grundlage für weitere anschließende Planungen.

Ab 1993 war mit dem Verkehrsprojekt Deutsche Einheit klar, dass das eine ganz wichtige Verbindung sein wird. Es geht nicht um eine Verbindung zwischen Eschwege und Kassel, sondern darum, dass dieser ganze Raum angebunden wird an das Ruhrgebiet, angebunden wird an die Länder, die jetzt Teil der EU sind, Städte und Zentren wie Prag, die jetzt direkt an einer entsprechenden großen Verkehrstrasse liegen. Das ist völlig unstreitig.

Unter Lothar Klemm kamen die Planungen so voran,dass 1999 Verkehrsminister Posch gemeinsam mit uns allen den ersten Spatenstich machen konnte. Großer Jubel in der Region, große Freude, große Erwartungen – und dann auch große Enttäuschung. Insofern besteht kein Anlass zum Jubel für das, was wir hinbekommen haben, sondern eher Ernüchterung.

Herr Posch, jetzt zwei Sachen, die uns nachdenklich machen sollten, bei ein oder zwei Dingen sind wir beieinander. Naturschutz ist wichtig, und Naturschutz ist erwünscht. Wir wünschen uns das ehrenamtliche Engagement. Es sollten auch alle in solche Planungsprozesse einbezogen werden. Das muss sein, das gehört als EU-Recht selbstverständlich dazu. Das gehört für mich zu einer freiheitlichen Gesellschaft.

Aber es findet dort Grenzen, wo daraus Fundamentalismus wird, der nur verhindern will. Das entdecke ich leider an dieser Stelle beim BUND.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU und der FDP)

Ein Zweites. Die Akzeptanz in der Bevölkerung hat auch Grenzen.Wenn jeder Kilometer Autobahn das Zehnfache kostet, dann gerät der Naturschutz in Akzeptanzprobleme und wird möglicherweise zu einem Bumerang. Auch daher sage ich: Freunde, überzieht nicht. Die Akzeptanz in der Bevölkerung hat mit völlig überzogenen Forderungen deutlich gelitten.

Ich hoffe sehr, dass der BUND verstanden hat, dass er zweimal verloren hat, dass ihm zweimal das höchste Gericht attestiert hat: Die Planungen sind selbstverständlich unter ökologischen Aspekten das Bestmögliche, was man leisten kann.

Herr Posch, wenn Sie sagen, der Sofortvollzug steht sozusagen im Planfeststellungsbescheid, dann muss ich daran erinnern, dass Ihr Kollege und Vorgänger Dr. Rhiel sagte: Wir machen davon keinen Gebrauch, wir setzen das aus.

Natürlich steht wieder eine Ansage im Raum, es kann weiter geklagt werden. Aber wir wollen ein klares Bekenntnis, eine klare Ansage. Nach zwei Gerichtsurteilen sind wir sicher, die Planungen sind rechtlich wasserdicht. Deshalb bitten wir um Sofortvollzug, die Menschen erwarten es.

Ein letzter, abschließender Punkt. Es wird immer von Entlastung gesprochen.Das ist richtig,es geht um die Entlastung der Menschen entlang der B 7, der B 400 usw. Aber es geht genauso um die Erschließung der Region.Es geht darum, diesen Wirtschaftsraum an andere Zentren anzubinden. Hessisch Lichtenau und Sontra haben die Bundeswehr verloren. Dort liegen große Konversionsflä

chen. Die haben nur eine Chance, einer neuen Funktion, einer neuen Wertschöpfung zugeführt zu werden, wenn entsprechende verkehrliche Anbindungen bestehen.

Deshalb brauchen wir aus zwei großen Gründen eine schnelle Lösung: Entlastung und Erschließung. Deshalb ist diese Maßnahme für den Werra-Meißner-Kreis so immens wichtig.

Noch einmal: Lasst uns mit vereinten Kräften dafür sorgen, dass wir in absehbarer Zeit nicht nur über diese Straße reden,sondern dass wir diese Straße auch befahren können. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU, der FDP und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen.Wir sind am Ende der Debatte.

Es wird beantragt, den Antrag der CDU- und der FDPFraktion mit dem Dringlichen Antrag der SPD-Fraktion dem Ausschuss zu überweisen. – Kein Widerspruch, dann ist dies so beschlossen.

Bevor wir in den nächsten Punkt eintreten können,gibt es eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung. Herr Kollege Schäfer-Gümbel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten jetzt etwa 1:15 Stunden Zeit, und die Unruhe in diesem Saal war deutlich spürbar. Dies gilt für alle Fraktionen.Der Debatte wurde nicht hinreichend gefolgt. Der Grund hierfür ist sehr einfach beschrieben. Es sind die unerträglichen Erklärungen von Herrn Irmer in der heutigen „Wetzlarer Neuen Zeitung“.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir können nach dem Interview, das Herr Irmer der „Wetzlarer Neuen Zeitung“ gegeben hat, nicht zur Tagesordnung übergehen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir können nicht so tun, als wäre nichts passiert. Wir haben in Nr.6 der Drucks.18/1690 gemeinsam Folgendes beschlossen:

Der Landtag setzt sich fortlaufend und dauerhaft für die Umsetzung eines Klimas des gesellschaftlichen Miteinanders im Lichte von Toleranz und Akzeptanz ein.

Dies haben wir gemeinsam beschlossen. Das, was Herr Irmer heute in seinem Interview erklärt hat, ist in diesem Licht nicht akzeptabel.Deswegen bieten wir an und schlagen erneut vor, dass der Tagesordnungspunkt 12, Antrag der Fraktion der SPD betreffend Kopfpauschale stoppen, von der Tagesordnung zurückgezogen wird und wir umgehend in die Debatte über die unerträglichen Äußerungen von Herrn Irmer eintreten.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Dies ist erstens in der Verantwortung vor unserem gemeinsamen Beschluss notwendig. Dies ist zweitens in der

Verantwortung vor diesem Haus selbst und ausdrücklich auch in Verantwortung und in Solidarität mit dem Kollegen Tipi notwendig, den wir vor wenigen Wochen als neues Mitglied im Hessischen Landtag begrüßt haben.Ich sage das ausdrücklich; denn wenn man die Erklärungen von Herrn Irmer zu Ende denkt,der sagt,der Islam sei auf die Eroberung der Weltherrschaft fixiert, heißt das umgekehrt, dass Herr Tipi, der islamischen Glaubens ist, hier offensichtlich das U-Boot einer Weltverschwörung ist.

Ich halte das für eine unerträgliche Weise der Abgrenzung gegen ein Mitglied des Hessischen Landtags. Ich weiß, wie schwer das für die Unionsfraktion ist. Ich biete Ihnen ausdrücklich an, sich eine Auszeit zu nehmen und das in Ihrer Fraktion zu klären. Ich bin aber nicht bereit – und meine Fraktion ist es auch nicht –, einfach zur Tagesordnung überzugehen – auch aus Respekt vor dem Kollegen Tipi.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Herr Al-Wazir hat das Wort zur Geschäftsordnung. Ich bitte, wirklich zur Geschäftsordnung zu sprechen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte die Mehrheit des Hauses, den Vorschlag des Kollegen Schäfer-Gümbel anzunehmen.

Es ist ein Antrag meiner Fraktion auf der Tagesordnung, den, wenn Sie ehrlich sind, eigentlich kein vernünftiger Mensch ablehnen kann. Herr Irmer wird ihn ablehnen, aber ich habe ja gesagt: kein vernünftiger Mensch dieses Hauses. Ich sage Ihnen sehr deutlich, dass wir den Antrag nicht gestellt haben, um Ihnen ein Problem zu bereiten, sondern Sie haben ein Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Ich bitte ausdrücklich darum, dass wir als Hessischer Landtag jetzt sagen – und zwar jetzt, nicht irgendwann –, dass diese Äußerungen nicht mit dem übereinstimmen, was Grundkonsens in diesem Land, was Grundkonsens im Hessischen Landtag, was Verfassungslage in der Bundesrepublik Deutschland und damit auch in Hessen ist. Ich finde, es ist uns nicht möglich, einfach zur Tagesordnung überzugehen und so zu tun, als sei nichts,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

wenn wir es mit Äußerungen zu tun haben, die man ansonsten nur von der NPD liest.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Ich sage sehr deutlich, dass wir auch deshalb nicht zur Tagesordnung übergehen können und wollen, weil wir in den letzten Monaten gemerkt haben, dass Herr Irmer immer weitermacht und dass seine Äußerungen immer abstruser werden. Das hat einen Grund: weil es keine Konsequenzen hat, was er tut.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Herr Kollege Al-Wazir, seien Sie so lieb, und sprechen Sie jetzt zur Geschäftsordnung.

Zur Geschäftsordnung: Wir müssen hier und jetzt diskutieren, denn wenn Sie wieder versuchen, heute Nacht irgendetwas herbeizuzaubern, was am Ende dazu führt, dass es eben keine klare Distanzierung gibt, dann können Sie sicher sein, dass Sie im nächsten Monat das gleiche Problem wieder haben. Das ist der Grund, warum wir weder zur Tagesordnung übergehen können noch wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Kollege Wintermeyer für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon ein sehr ungewöhnlicher Vorgang, dass wir innerhalb einer Stunde zweimal über den gleichen Antrag abstimmen müssen.

Es gibt dem,was ich vorhin gesagt habe,an sich nichts hinzuzufügen. Ich möchte aber ankündigen, Herr Präsident, dass Herr Irmer eine persönliche Erklärung nach § 81 unserer Geschäftsordnung abgeben möchte.

Das Wort hat Frau Kollegin Wissler zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion ist zutiefst entsetzt über die erneuten Äußerungen des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU.Wir sind entsetzt,weil wir diese Äußerungen für gefährlich halten. Sie beleidigen alle Musliminnen und Muslime in diesem Land. Wir halten die Äußerungen für gefährlich,und wir halten sie,ehrlich gesagt,auch für zutiefst rassistisch.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)