Protokoll der Sitzung vom 28.04.2010

Der pfändungsfreie Sockelbetrag ist automatisch vorhanden. Bis hierhin dürfte der Schuldner auch kein Problem haben, mit der Bank bilateral die Sicherung seiner Existenz zu regeln.

Das Problem tritt erst auf,sobald Unterhaltspflichten vorhanden sind. Denn jetzt braucht der Schuldner genau

diese Bescheinigung darüber, wie vielen Personen er oder sie zu Unterhalt verpflichtet ist.

Hier bleibt ihm nach wie vor der Weg zum Gericht, und es kostet nach wie vor Geld.Der Schuldner,der sich ohnehin in einer Beratung befindet, wird sich an seine Beratungsstelle wenden, die dann eine solche Bescheinigung relativ schnell und unproblematisch ausstellen kann. Denn ihr liegen die Unterlagen ohnehin vor.

Schwierig wird es mit all den Menschen, die bislang noch nicht bei einer Beratungsstelle waren.

Hier entsteht das erste Problem: Der Hilfesuchende bekommt gar keinen Termin, denn die Beratungsstellen sind allesamt so überlaufen, dass sie monatelange Wartezeiten haben.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Bei Kontopfändungen braucht der Mensch aber kurzfristig und unmittelbar Hilfe. Das heißt, im Zweifelsfall wird er ohnehin zum Gericht gehen, und dann kostet es ohnehin Landesmittel.

Sollen die Beratungsstellen hier tatsächlich zügig helfen, dann müssen diese monatelangen Wartezeiten beendet werden. Sie stellen die Katastrophe dar.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Wenn dafür Sprechstunden angeboten werden sollen, dann muss dafür Personal vorgehalten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür muss eine wirtschaftliche Absicherung vorhanden sein, das Ganze darf nicht von Spendengeldern leben.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD))

Die Mitglieder der LAG Schuldnerberatung sind sich darüber einig, dass sie dieser zusätzlichen Aufgabe nur gewachsen sind, wenn dafür neue Mittel zur Verfügung stehen.

Der von der SPD vorgeschlagene Betrag von 40 c entspricht etwa dem, was die Fachleute dafür ausgerechnet haben, was es im Mittel für die Ausstellung einer solchen Bescheinigung braucht.

Damit entsteht aber ein neuer bürokratischer Aufwand. Der schmälert diese 40 c wieder, denn die muss man wieder irgendwo abrechnen. Diese Abrechnungsarbeit stellt obendrein eine Belastung für die Berater dar. Letztlich ist bereits das Ausstellen dieser Bescheinigung eine reine Verwaltungstätigkeit.

Wenn wir für diese Arbeit hoch qualifizierte Schuldnerberater einsetzen, geht so noch mehr wertvolle Beratungszeit verloren. Hier braucht man also einen Verwaltungsapparat, der ganz viel Arbeit abnehmen kann, damit die Leute, die beraten können, dafür auch wirklich Zeit haben.

Deshalb ist es richtig, die Beratungsstellen grundsätzlich mit den notwendigen Mitteln auszustatten, damit sie ihre Arbeit, wirtschaftlich abgesichert, langfristig durchführen können – wie es im zweiten Teil dieses Antrags steht

(Petra Fuhrmann (SPD): Wie es früher war! – Ernst-Ewald Roth (SPD): Genau wie es früher war!)

und wie es früher war.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu muss man wissen, dass viele Beratungsstellen mit den Argen und den Jobcentern zusammenarbeiten. Denn dort ist ihre Arbeit abgesichert.

All die Schuldner jedoch, die nicht von Erwerbslosigkeit betroffen oder bedroht sind, haben im Grunde überhaupt keinen Anspruch auf eine Beratung. Das heißt, alle Überschuldeten, die unter den Geringverdienern anzusiedeln sind – die in der Regel verschuldet sind, die häufig überschuldet sind –, zahlen Raten an Gläubiger, die sie gar nicht zahlen müssten, weil sie keinen Zugang zur Beratung haben. Sie tun das deshalb, weil sie nicht rechtlich informiert sind. Auch diese Situation ist ein Grund dafür, dass wir Schuldnerberatungen dringend absichern müssen, und zwar für alle Betroffenen, egal, ob sie in einem Arbeitsverhältnis stehen oder nicht.

All diesen Problemen können wir wirklich nur dann begegnen, wenn wir diese „Operation düstere Zukunft“ – – Ja, das ist eine Provokation, aber es beschreibt die Realität. Die Provokation bestand darin, das zu tun, was Sie damals getan haben. Sie haben Menschen ihrer Existenzgrundlage beraubt. Sie haben Arbeitsplätze vernichtet. Sie haben Hilfsangebote vernichtet. Das war düstere Zukunft. Das war eine Provokation und ist es nach wie vor. Das muss zurückgeführt werden.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wäre Schuldnerberatung wirtschaftlich ordentlich abgesichert, dann gäbe es vielleicht sogar die Möglichkeit – überhaupt nicht auszudenken –, Präventionsarbeit zu leisten. Wir könnten erhebliche Verluste in der Wirtschaft und viel menschliches Leid vermeiden, wenn wir Überschuldung vermeiden würden.

So weit aber denkt hier überhaupt niemand – dass das auf diese Weise möglich wäre. Sprechen Sie doch einmal mit Schuldnerberatern, was die gerne tun würden. Die wollen nicht immer nur Insolvenzbescheinigungen ausstellen. Die wollen aktiv daran arbeiten, dass Menschen in die Lage versetzt werden,mit ihrem Einkommen umzugehen. Die wollen aktiv daran arbeiten, dass sich Menschen nicht verschulden.

Ja, es ist auch zu überlegen, wie all diese leichtfertig vergebenen Kredite funktionieren.

Ich weiß, die FDP möchte hier die absolute Freiheit: Jeder darf alles.Aber auch da könnte man einmal schauen,ob es nicht sinnvoll wäre, die Kleinkreditvergabe und die Ratenverkäufe anders zu reglementieren.

Heute wird jedem die Möglichkeit geboten, alles in Raten abzuzahlen, und anschließend wundern sich die Menschen, dass sie überschuldet sind. Wir stellen in diesem Zusammenhang oftmals eine Überforderung der betroffenen Menschen fest,allerdings auch eine weit verbreitete Geschäftspolitik, die die Menschen zum Ratenkauf animiert.

Frau Kollegin, ich bitte Sie, zum Schluss Ihrer Rede zu kommen.

Anschließend wird den Menschen eingeredet, dass sie das schon irgendwie bezahlen würden, und auf diese Weise wird das Risiko gedrückt. Viele zahlen auch, obwohl ihr Einkommen so gering ist, dass sie eigentlich gar keine Raten zahlen müssten.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Dorn für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! In zwei Monaten tritt die Reform des Kontopfändungsschutzes in Kraft. Fast alle hier haben gesagt, dass es ein gutes Gesetz ist, und im Bundestag ist es auch mit großer Mehrheit verabschiedet worden. Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir die Umsetzung dieses Gesetzes hier im Landtag mit einer großen Mehrheit hinbekommen. Diese Hoffnung habe ich leider nicht mehr.

Es wurde schon klargemacht, warum dieses Pfändungsschutzkonto für uns von Belang ist. Wenn man sich ein Pfändungsschutzkonto für den Sockelbetrag von 985 c einrichten lassen möchte, dann braucht man diese Bescheinigung über gesetzliche Unterhaltspflichten, unpfändbare Sozialleistungen usw. Diese Bescheinigung können zugelassene Insolvenzstellen ausschreiben, aber auch Schuldnerberatungsstellen, Rechtsanwälte und Gerichte.

Herr Stephan, Sie haben gerade kritisiert, dass der Antrag der SPD einen Fehler enthalte. Auch wir haben mit der SPD Kontakt gehabt und sie auf den Fehler aufmerksam gemacht. Ich möchte allerdings auf eines hinweisen, Herr Stephan: Nicht einmal Minister Banzer hat es in der Antwort auf die Kleine Anfrage, die wir gestellt hatten, ganz klar und deutlich ausgeführt. Insofern würde ich mich an Ihrer Stelle mit der Kritik etwas zurückhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

In der Antwort auf die Kleine Anfrage wurde sehr deutlich, dass die meisten Menschen die Schuldnerberatungsstellen aufsuchen würden, wenn sie diese Bescheinigung brauchen. Das ist auch sehr gut. Denn dort findet die Beratung statt, und aufgrund der Beratung kommen die Menschen sicherlich mit einer sehr viel höheren Wahrscheinlichkeit aus der Verschuldung wieder heraus. Genau das wollen wir für unseren Staat, für unsere Volkswirtschaft.

Des Weiteren kommt hinzu, dass die Rechtsanwälte bisher noch nicht über eine Gebührenordnung verfügen, die vorgibt, wie teuer das Ausstellen der Bescheinigungen sein soll. Das heißt, die Rechtsanwälte werden wahrscheinlich erst einmal gar keine Bescheinigungen ausstellen. Darüber hinaus wäre die Bescheinigung eines Anwalts sicherlich teurer als die einer Schuldnerberatungsstelle; Gleiches gilt für die Gerichte. Insofern stellt der Vorschlag der SPD eine mittel- und langfristige Einsparmöglichkeit dar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Fachleute gehen davon aus, dass die Mehrarbeit erheblich sein wird. Beispielsweise soll die Bescheinigung allein in Darmstadt zu drei zusätzlichen Beratungen pro Tag führen. Frau Fuhrmann hat schon darauf hingewiesen, dass die Förderung der Schuldnerberatungsstellen auf null reduziert wurde.

(Petra Fuhrmann (SPD): Skandalös!)

Wir sind das einzige Land, das die Schuldnerberatungsstellen gar nicht mehr unterstützt, und das ist wirklich ein Skandal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Dazu kommt – und das ist ganz wichtig zu wissen –, dass die Schuldnerberatungsstellen gar nicht verpflichtet sind, diese Bescheinigungen auszustellen. Sie haben auch schon angedeutet, dass sie diese Bescheinigungen vielleicht nicht ausstellen werden, wenn sie den Mehraufwand dafür nicht erstattet bekommen. Das verstehe ich angesichts des Aufwands, den sie ohnehin schon haben, sehr gut.Daher besteht hier dringender Handlungsbedarf.

Was bedeutet es für das Land Hessen, wenn die Schuldnerberatungsstellen die Bescheinigungen nicht ausstellen werden? – Das bedeutet, dass unsere Gerichte dann blockiert sind und dass uns dies teuer zu stehen kommt. Insofern sollten wir mit diesem Haushalt endlich damit anfangen, die Schuldnerberatungsstellen wieder so auszustatten, dass sie ihre Arbeit vernünftig erledigen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr von Zech, bei den 2 Millionen c an Kürzungen, die die SPD zurückzunehmen beantragt hat – das unterstützen wir auch –, geht es nicht um die Kosten der Bescheinigungen, sondern um den generellen Ansturm vieler insolventer Verbraucher. Herr Banzer hat es in der Antwort auf die Kleine Anfrage, die wir gestellt haben, eindeutig beschrieben: Von 2002 bis 2009 ist die Anzahl der Verbraucherinsolvenzen um das Sechsfache gestiegen. Daher können Sie sich den Ansturm auf die Verbraucherberatungsstellen sicherlich gut vorstellen.

Noch einmal: Die Verbraucherberatungsstellen sind sehr wichtig, um die Verbraucher aus der Verschuldung und der Arbeitslosigkeit zu führen. Das lohnt sich doch für uns. Wenn Sie schon den sozialen Aspekt darin nicht sehen wollen, dann denken Sie doch wenigstens an die Investitionen.