Protokoll der Sitzung vom 18.05.2010

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Dr.Walter Arnold (CDU): Gerne!)

Herr Schäfer-Gümbel.

Herr Arnold, können Sie wenigstens versuchen, mir zu erklären, wie Sie bei der Herausforderung von 80 Milliarden c Einsparvolumen im Bundeshaushalt das alleine mit Ausgabenkürzungen im nächsten Jahr erreichen wollen? Wenn Sie mir das erklären können, dann Chapeau.

(Zurufe von der FDP)

Wir stimmen überein, dass es nicht gelingen kann, diese Einsparung in einem Jahr zu machen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Danke!)

Ich glaube aber, dass es z. B. möglich ist – um die Schulden unserer hessischen Verhältnisse zu kommentieren, die wir beide besser kennen –, in den nächsten zehn Jahren von den 3 Milliarden c Neuverschuldung herunterzukommen, wenn wir konsequent Dinge umsetzen, die wir uns jetzt vorgenommen haben.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD):Welche denn?)

Dazu gehört beispielsweise das, was Finanzminister Weimar zur Beteiligung der Kommunen an Einsparmöglichkeiten im Landeshaushalt vorgeschlagen hat. Ich glaube schon,dass die Kommunen dort einen Beitrag leisten werden und auch leisten können. Ich glaube auch, dass wir in der Lage sind, den Kommunen andererseits Kompensation insoweit anzubieten, dass sie sagen: Wir sitzen in einem Boot, und das zeigt sich ganz deutlich.

Ich glaube auch, dass wir bei der einen oder anderen Frage – wo ist das Bundesland Hessen möglicherweise teurer als andere Bundesländer, wo liegen die Ursachen? – zu Erkenntnissen kommen, die wir miteinander diskutieren müssen. Aber ich sage eines ganz deutlich: Diese Staatsverschuldung, die dadurch entstanden ist, dass verantwortungslose Politiker mit öffentlichem Geld leichtfertig umgegangen sind, muss aufhören.

(Zuruf von der SPD:Weimar-Schelte!)

Dazu gehören ganz klar entsprechende Konsolidierungen der Haushalte. – Wenn ich einen Einwurf aufgreifen darf, der immer wieder den Finanzminister Karlheinz Weimar angreift, dann sage ich eines: Wir haben in diesen zehn Jahren der Regierung Roland Koch durchaus gute Jahre gehabt, wenn man einmal an 2006 und 2007 denkt.Wir haben auch sehr schwierige Jahre gehabt, wo uns die Körperschaftsteuer in einer Art und Weise weggebrochen ist, dass wir über 3 Milliarden c verloren haben.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber Schulden haben Sie immer gemacht!)

Damals ist durch eine falsche Entscheidung in der Steuerpolitik durch Rot-Grün die Körperschaftsteuer weggebrochen mit bundesweit über 22 Milliarden c.

(Zuruf der Abg.Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Dieser Finanzminister hat eine hervorragende Finanzpolitik geleistet. Sie haben die Zahlen genannt. Aber in der gleichen Zeit haben wir über 20 Milliarden c in den Länderfinanzausgleich hineingegeben.

Was uns hier in den nächsten Jahren beschäftigen wird, ist die Frage:Wie entwickelt sich unser Bundesland Hessen? Durch die heutige Regierungserklärung ist sehr klar geworden: Der Euro ist für uns wichtig: als Hessen, als wirtschaftsstarkes Land, als Deutschland. Wir sind gut beraten, den Regierungschefs anzuraten, diese Dinge zu machen. Wenn in dieser Woche im Bundestag und im Bundesrat entsprechende Entscheidungen fallen, dann wird den Menschen draußen, in Hessen und in Deutschland, hoffentlich klar sein, warum: Das ist verantwortungsvolle Politik für Deutschland und für unser Bundesland Hessen. – Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort hat Herr Staatsminister Jörg-Uwe Hahn.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Hinblick auf die schon relativ fortgeschrittene Uhrzeit und die Tatsache, dass wir noch eine Reihe von Ausschusssitzungen abzuarbeiten haben, will ich für die Landesregierung die Debatte wie folgt zusammenbinden.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eine Koregierungserklärung geht immer schief!)

Ich weise mit großer Freude darauf hin, dass es fast allen Rednern in einem Großteil der Debatte darum gegangen ist, die Sorgen und die Nöte – –

(Zurufe von der SPD)

Herr Kollege Hahn, wir haben viel Zeit.

Vorhin war der Kollege Kaufmann hilfreich in der Fragestunde. Jetzt will er anscheinend weg und muss deshalb ein bisschen stören. Aber wir können das gerne ein bisschen weitermachen.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wollte darauf hinweisen, dass wir eine Debatte führen und dass wir sie jetzt über einen Zeitraum von dreieinhalb Stunden geführt haben, die deutlich macht, dass Europa gerade an einer Wegkreuzung ist. Wir reden nicht über irgendwelche Nebensächlichkeiten.Wir reden nicht darüber, ob irgendeine Banane oder irgendeine Glühbirne in irgendeiner Weise geformt werden muss, sondern wir re

den über die Stabilität des Euro und damit über den Zusammenhalt von Europa.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir reden über die Frage „Europa quo vadis?“ 60 Jahre, nachdem Robert Schuman das berühmte Schreiben an die politischen Führer Europas geschickt hat, fünf Jahre nach Abschluss des fürchterlichen Zweiten Weltkriegs. Die Jahrestage sind noch gar nicht so lange her, wir haben sie erst vor 14 Tagen gehabt: 65 Jahre Kapitulation Deutschlands und Befreiung Europas, oder andersherum, die Europäer mit den Alliierten haben Deutschland befreit.Fünf Jahre später schrieb Robert Schuman an die Europäer: Wollen wir nicht versuchen, ob wir es schaffen, auf diesem Kontinent Frieden zu organisieren?

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir ist es zu wenig, wenn wir uns in einer Debatte über die Frage „Europa quo vadis?“ ausschließlich damit auseinandersetzen, ob es eine FAT oder eine FTT gibt. Ich möchte hier noch einmal darauf hinweisen: Gäbe es Europa nicht, müsste es unverzüglich erfunden werden. Denn es ist die Grundlage dafür, dass wir seit 65 Jahren Frieden in Mitteleuropa und darüber hinaus haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Weil es so ein besonderer Wert an sich ist, müssen wir auch mit besonderen Einsätzen arbeiten, wenn wir merken, dass es im Hause Europa brennt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage das sehr deutlich: Wir haben jetzt zum zweiten Mal in dieser Woche eine Situation, in der unter Umgehung sämtlicher Geschäftsordnungsregeln des Deutschen Bundestages und des Bundesrates eine gesetzliche Normierung stattfinden muss. Wir, die Hessische Landesregierung – ich habe eben mit Freude zur Kenntnis genommen, auch die zwei die Regierung tragenden Fraktionen, aber offensichtlich auch die Fraktion der Bündnisgrünen –, sind bereit, diesen Noteinsatz auch zum zweiten Mal zu bringen. Das ist ein Wert an sich, auf den man noch einmal hinweisen muss. Verlieren wir uns doch bitte nicht in den Spiegelstrichen, ob wir die eine Steuer besser als die andere finden,sondern gehen wir erst einmal von den Werten aus, um die es hier geht. Der Wert ist auf der einen Seite schon 65 Jahre Frieden in Mitteleuropa und darüber hinaus,kein Kriegsherd mehr wie in den vergangenen Jahrhunderten. Dafür ist der Einsatz auch notwendig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir müssen darüber hinaus aber auch feststellen, dass alles das, was mit der Einführung des Euro verbunden worden ist, offensichtlich von Anbeginn an so nicht zu 100 % klug angelegt worden ist. Da war die Euphorie anscheinend größer als das Umsetzen des Fachwissens, das damals schon allen zur Verfügung stand.

Wir haben heute ein doppeltes Problem. Auf der einen Seite haben wir ein System im Rahmen der Stabilisierungsverträge – Maastricht und andere –, das es bisher nicht möglich gemacht hat, dass Europa frühzeitig in die Bücher seiner nationalen Regierungen schauen konnte. Darüber hinaus waren bisher nicht die Möglichkeiten vorhanden, dass es Sanktionen geben muss, wenn irgendjemand nicht ordentlich berichtet hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb ist es richtig, dass die Bundesrepublik Deutschland nunmehr mit anderen nationalen Regierungen eine entsprechende Voraussetzung festgeschrieben hat, die besagt, Europa muss künftig die Möglichkeit haben, in die nationalen Bücher hineinzuschauen und, wenn dort Fehler zu erkennen sind, auch Sanktionen auszusprechen. Nur so können wir die Stabilität des Euro weiterhin gewährleisten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Dazu gehört in den Augen der Hessischen Landesregierung auch, dass wir eine unabhängige EZB haben. Ich will nicht bewerten,was in den letzten Tagen geschehen ist.Ich hoffe aber, dass die nationalen Präsidenten, Kanzler, und wie sie alle heißen, erkennen, dass es nicht klug ist, in die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank hineinzuregieren. Sie ist einer der Horte dafür, dass wir einen stabilen Euro haben, und den können wir nicht der politischen Beliebigkeit preisgeben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ja, wir brauchen eine unabhängige Ratingagentur auf europäischer Ebene – eine Forderung, die ich als Person von diesem Pult aus und auch von dem Pult im Rathaus der Stadt Wiesbaden aus immer wieder geäußert habe. Ratingagenturen, die gleichzeitig Bewerter und auf der anderen Seite auch Hersteller von Finanzprodukten sind, können nicht unabhängig sein.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Eben!)

Deshalb brauchen wir eine unabhängige Ratingagentur. Das war bisher auf europäischer Ebene nicht umsetzbar. Nutzen wir das Zeitfenster. Nutzen wir die Möglichkeit, dass es jetzt auch wirklich umgesetzt werden kann.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, tun Sie mir bitte einen Gefallen, und nehmen Sie die Worte des Ministerpräsidenten ernst:

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Jawohl!)

Es handelt sich um einen Notfall. – Das heißt, dass die Bundesregierung auch eine Befristung derjenigen Maßnahmen vornehmen wird und wir im Bundesrat schon einmal mit Ja dazu gestimmt haben, dass nach drei Jahren eine Überprüfung stattfindet. Ich glaube, wir müssten uns hier im Raum gerade als Hessen alle einig sein, dass wir nicht einen neuen Länderfinanzausgleich auf europäischer Ebene haben wollen, sondern dass wir ein anderes System in Europa vereinbart haben, gegen das wir jetzt aufgrund der Notfallsituation zwar nicht rechtlich verstoßen, aber gegen dessen Willen wir jedenfalls vorgehen müssen. Das ist aber befristet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich den Kollegen von den LINKEN höre,muss ich sagen:Alle hier im Raum wissen und er selbst auch, denn er ist eigentlich ein Europäer, dass er die Wahrheit nicht nur karikiert, sondern auf den Kopf gestellt hat. Wir sind ein demokratisches Europa, und darauf sind wir auch alle stolz. Ich lasse mir das auch nicht von einem Postkommunisten zerreden – so nicht.