Protokoll der Sitzung vom 23.06.2010

Drittens soll das Hessische Verwaltungsvollstreckungsgesetz an die geänderte Zivilprozessordnung und die geänderte Abgabenordnung angepasst werden. Es wird unter anderem ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto eingeführt werden. Das ist also etwas Verbraucherfreundliches. Auch das halten wir für eine gute Regelung.

Ich habe den Gesetzentwurf damit eingebracht und freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Staatssekretär, vielen Dank. – Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält Herr Abg. Wilken für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Rhein, Sie haben es eben angesprochen, und ich will mich heute auf diese eine Facette bei der ersten Lesung beschränken, dass Sie eine Veränderung am Hessischen Verwaltungsgerichtshof planen, die mich – ehrlich gesagt – doch ein wenig überrascht.

(Nancy Faeser (SPD): Ja!)

Sie sagen, die Senate des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs werden von fünf Berufsrichterinnen und -richtern auf drei Richterinnen und Richter verkleinert, und, das überrascht mich am meisten, auf die Beteiligung der bisher zwei ehrenamtlichen Richterinnen und Richter wird komplett verzichtet. In Ihrer Gesetzesbegründung heißt es dazu: „…überproportional viel richterliche Arbeitskraft für die Erledigung der Verfahren nach den §§ 47 und 48“.

Was steckt denn hinter diesen §§ 47 und 48? – Das sind die Verfahren, die z. B. die Errichtung und den Betrieb von Kraftwerken, von Müllverbrennungsanlagen, von Verkehrsflughäfen, von Verkehrslandeplätzen betreffen sowie die Planfeststellungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb von Hochspannungsleitungen, Bundeswehr, Straßenbahn und Eisenbahnen. Die Landesregierung ist also der Meinung, dass eine Beteiligung von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern in diesen und in den übrigen Verfahren nicht zielführend sei.Wir werden noch einmal genauer nachfragen.

Sie berufen sich auf Stellungnahmen und Gutachten, die ich bereits aus Ihrem Hause zu bekommen versucht habe. Die werden wir uns genauer ansehen. Die Neue Richtervereinigung hat sich gegen den Wegfall der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter ausgesprochen.Wir sind der Meinung, dass es nicht sinnvoll ist, auf dieses Laienelement in der Rechtsprechung zu verzichten.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich möchte daran erinnern, das Amt des ehrenamtlichen Richters geht auf die politische Aufklärung im 19. Jahrhundert und die Emanzipation des Bürgertums zurück. Die Beteiligung von Nichtjuristen an der Rechtsprechung sollte den Einfluss der Obrigkeit verringern. Das wollen Sie jetzt zurückdrehen? – Da werden wir nachhaken. So geht das nicht. – Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Frau Abg. Faeser für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär Rhein, ich bin ein bisschen überrascht, dass Sie so tun, als sei das so unspektakulär, was heute eingebracht wird, und dass es sich um notwendige Anpassungen handele. Wenn dem so wäre, könnten wir dem durchaus zustimmen.Aber dem ist leider nicht so.

Es beginnt damit, dass Sie zur Änderung des hessischen Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung zunächst Bezug darauf nehmen, dass das, was in der Vergangenheit in Hessen zu den Widerspruchsverfahren und Vorverfahren entschieden wurde, richtig sei. Das teilen wir ausdrücklich nicht.

Sie wollen weiterhin Vorverfahren abschaffen. Das sehen wir in Gänze und in dem Umfang nicht so.Es hat sich auch nicht bewährt. Das Interessante ist, wenn man Ihre Begründung zum Gesetzentwurf liest, dann steht das genau so drin. Es steht nämlich auf Seite 12 Ihres Gesetzentwurfs in der Begründung, dass sich durch den Wegfall des Widerspruchverfahrens – ich zitiere das jetzt – „der Abstimmungs- und Beratungsbedarf... erhöht“ hat.

Also ist es doch unlogisch, hinzugehen und zu sagen: Deswegen schaffen wir die anderen Verfahren auch noch ab, die übrig geblieben sind.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich habe das damals schon im Landtag getan und appelliere an die Kolleginnen und Kollegen – es gibt in der FDP-Fraktion den einen oder anderen Rechtsanwalt –, die in der Praxis gearbeitet haben, bitte genauer hinzuschauen. Ich kann das aus meiner eigenen Praxis noch sagen. Zum Beispiel war der Wegfall des Widerspruchs im Bereich des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, wovor ich damals schon gewarnt habe, ein Riesenfehler, weil genau in diesen Widerspruchs- und Vorverfahren rechtzeitig geklärt werden konnte, wo es Abstimmungsbedarf gibt und wo nicht. Das ist jetzt weggefallen. Das ist gerade für diejenigen, die solche Anlagengenehmigung beantragen – das sind im Wesentlichen die Unternehmen –, aber auch für die Verwaltung ein Riesennachteil.

Die Abschaffung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter im Gesetzentwurf damit zu begründen – der Staatssekretär hat leider überhaupt kein Wort dazu gesagt –, sie seien nicht zielführend, finde ich schon sehr zynisch. Ehrenamtliche Richterinnen und Richter, das müssten Sie aus Ihrer eigenen Praxis und von denjenigen,die Sie dafür benannt haben, wissen, leisten einen wesentlichen Beitrag im Verwaltungsgerichtsverfahren und erhöhen auch die Akzeptanz von Gerichtsentscheidungen bei der Bevölkerung.

Es handelt sich auch um einen Vertrauensschutz für diejenigen, die dorthin gewählt wurden, und diejenigen, die dazu beitragen, dass Gerichtsentscheidungen in der Bevölkerung erklärt werden. Das wird mit dem Satz, es sei nicht zielführend, hier abgetan. So schätzt diese Landesregierung das Engagement der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter ein.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

In dem Berufungsverfahren sollen ausschließlich Berufsrichter eingesetzt werden. Nur spezialgesetzliche Verfahren, wie z. B. die Verfahren nach dem HPVG – dafür sind wir Ihnen ja sogar noch dankbar –, sollen die ehrenamt

lichen Richterinnen und Richter behalten. Aber im Wesentlichen schaffen Sie sie ab, wie z. B. auch in beamtenrechtlichen Streitigkeiten. Es ist aus unserer Sicht in keinster Weise sachgerecht, das hier einzuschränken.

Sie wollen auf den Sachverstand der Bürgerinnen und Bürger in komplexen Verwaltungsverfahren verzichten. Dies wird nicht zu einer besseren Qualität und höheren Akzeptanz des Gerichts oder seiner Entscheidungen führen.

Wenn man sieht, wie sehr die Änderungen in dem Ausführungsgesetz zur VwGO mit den Bediensteten kommuniziert wurden, nämlich wieder einmal gar nicht, dann zeigt das auch, dass die Landesregierung von ihrem Gesetzentwurf nicht so ganz überzeugt ist. Es ist schlechter Stil, und er zieht sich durch.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wir haben es gestern bei den Kürzungen im Justizbereich in der Fläche bei den Amtsgerichten erlebt, und wir erleben es heute bei diesem Gesetzentwurf wieder. Sie schränken Berufsrichter ein und diskutieren das noch nicht einmal mit den Betroffenen. Das ist ganz schlechter Stil, den wir eindeutig ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der VGH hat – ich hoffe, Sie stimmen mir zu – bislang in der Besetzung,wie sie jetzt ist, ausgezeichnete Arbeit geleistet. Deswegen wollen wir daran festhalten. Dass der VGH ausgezeichnete Arbeit geleistet hat, zeigt sich an einem VGH-Beschluss, der in der momentanen Debatte eines der Untersuchungsausschüsse ist, nämlich im Untersuchungsausschuss zur Polizeichefaffäre. Dort haben wir einen ausgezeichneten Beschluss des VGH, der festgestellt hat, dass das Auswahlverfahren der Landesregierung bei der Benennung des Bereitschaftspolizeipräsidenten rechtswidrig war. An der Qualität dieser Entscheidung möchte ich zumindest nichts ändern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Auch die Verordnung über die Senate und Kammern bei den Verwaltungsgerichten sehen wir kritisch. Das müssen wir in der Anhörung gemeinsam mit den Betroffenen erörtern. Meines Erachtens diente diese Verordnung der Besetzung der Kammern und Senate bislang der Transparenz. Das ist ein Vorteil gegenüber der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Deswegen müsste man daran eigentlich nicht rütteln.

Herr Staatssekretär, Gegenstand und Ziel des Gesetzentwurfs ist eben nicht nur die Anpassung an andere Rechtsvorschriften, wie es zu Beginn Ihres Gesetzentwurfs so großzügig beschrieben wird, sondern im Wesentlichen bedeutet die Abschaffung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter einen Paradigmenwechsel, den wir so nicht mittragen werden.

Auch die Kürzung der Berufsrichterbesetzung in sogenannten Großverfahren und in Verfahren der Normenkontrolle ist der falsche Weg. Man hat am Flughafenverfahren gesehen, dass gerade die Besetzung einer großen Kammer mit fünf Berufsrichtern der richtige Weg ist. Da erschließt sich mir Ihre Begründung im Gesetzentwurf nicht. Ich glaube, dass, wenn mehr Richter vorhanden sind und die Arbeit untereinander aufteilen können, die Verfahren zügiger bearbeitet werden können und nicht das Gegenteil der Fall ist.

Insofern sind wir der Auffassung, dass das so beibehalten werden sollte,wie das bislang ist.Es hat sich bewährt.Rütteln Sie nicht daran, meine Damen und Herren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Herr Dr. Blechschmidt für die Fraktion der FDP, bitte.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Wir beraten heute in erster Lesung. Ich will das nur am Rande erwähnen.Das hat nicht die Brisanz wie die anderen Themen. Das Verwaltungsvollstreckungsgesetz wird auch im Ausschuss zu besprechen sein. Ich möchte gleichwohl den Zungenschlag auch auf das legen, was die Vorredner angesprochen haben.

Wir evaluieren gerade in regelmäßigen Abständen, das heißt in fünf Jahren. Für mich als Praktiker ist es interessant, dieses Gesetz einmal evaluiert zu sehen. Den Zungenschlag in der Gesetzesbegründung, was in der Anlage zu § 16a angeführt wird, kann ich nachvollziehen. Ob das, was in der Anlage zu § 16a eingeführt wurde, bestehen bleiben kann oder modifiziert werden muss, wird die Anhörung erbringen.

In der Praxis hat das weiter gehende Auswirkungen. Das, was hier ergänzt wird, sehe ich nicht als bedeutungsvoll an.Aber ob gleichwohl das, was darin steht, bleiben sollte oder nicht bleiben sollte, müsste man in der Gesetzesanhörung kritisch überprüfen, sodass ich davon ausgehe, dass wir in der Anhörung im Ausschuss und danach das Gesetz noch einmal kritisch darauf überprüfen werden, ob das alles seinen Bestand hat, den es in der Vergangenheit hatte, oder ob das eine oder andere modifiziert werden kann.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Gleichwohl erachte ich als Praktiker das,was hier noch ins Gesetz hineingeschrieben werden soll, als eine sinnvolle Ergänzung.

Ich sage das auch zum Laienrichtertum; denn seit vielen Jahren gewinne ich als Kommunalpolitiker Parteifreunde dafür, nach Kassel zu gehen und diese Stelle zu besetzen. Die Kosteneinsparung muss im Gesetzentwurf dargelegt werden. Das ist keine Einsparung im eigentlichen Sinne, sondern ein kleinerer Geldbetrag, der im Gesetzentwurf angeführt werden muss. Wir müssen auch darüber entscheiden, ob die Verringerung der Zahl der Berufsrichter – das gestaltet sich nachvollziehbar – auch beim Laienrichtertum fortgeführt werden soll. Das müssen wir in der Gesetzesanhörung prüfen.

Ich freue mich auf eine höchst interessante Beratung, auf eine spannende Gesetzesanhörung. Das wird eine Gesetzesanhörung sein, bei der ich als Parlamentsneuling auf die Evaluierung gespannt bin. Vielleicht müsste der Praxisbezug des Entwurfs nochmals überprüft werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Nächste Wortmeldung, Herr Frömmrich, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kollegen Vorredner haben im Großen und Ganzen das gesagt, was zu diesem Gesetzentwurf zu sagen ist. Auch ich glaube, wir sollten uns sehr viel Zeit nehmen, um den Evaluierungsprozess nachzuvollziehen und mit den Anzuhörenden die Debatte zu führen.

Herr Staatssekretär, ich finde schon, man kann das nicht mit einem einfachen Wisch abtun und sagen, das ist alles problemlos, und wir machen das, weil es alternativlos ist. Ich glaube, man sollte an dem einen oder anderen Punkt schon die Debatte führen.

Ich muss lobend erwähnen, dass ich selten einen Gesetzentwurf gesehen habe, dessen Begründung wirklich auf den Evaluierungsprozess eingeht und aufzeigt, was die Einzelnen getan haben. Das ist ein Indiz dafür, dass das nicht aus dem Innenministerium kommt, sondern eher im Justizministerium vorbereitet worden ist.

(Beifall der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) und Nancy Faeser (SPD))

Das will ich durchaus lobend erwähnen.Vielleicht sollten Sie im Innenministerium sich das einmal zum Vorbild nehmen. – Zu drei Punkten will ich etwas sagen, weil man über die nachdenken sollte.