Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Auf jeden Fall geht nicht, was die Gewerkschaftsvertreter auch deutlich gemacht haben: Wir haben keine zweite oder dritte Lesung verschoben, wie einer der Vorsitzenden meinte. Heute ist ein besonderer Punkt, über den wir nur diskutieren, Herr Schaus, weil Sie es mit einer Diktion, die ich nicht für gut halte, auf die Tagesordnung gebracht haben. Dass die Regelung 67/42 von den Gewerkschaften anders gesehen wird und dort auf Widerstand stößt, ist nichts Neues. Das war den vier Mediatoren bekannt, als sie am 2. Dezember des letzten Jahres – wir reden nur vom letzten Jahr; wir diskutieren heute im Parlament dank des ersten Gesetzentwurfs schon darüber – ihren Bericht abgaben. Das war sogar schon vorher bekannt, als es Diskussionspapiere gab und Anhörungen stattfanden. Es war bekannt, dass dieser Weg so ist und dass die Gewerkschaften diesen Weg nicht gehen.Das war auch CDU und FDP bekannt und auch der Landesregierung.

Das ist auch der Punkt, weshalb ein erstes Gesetz durchaus Sinn macht, weil wir hierüber heute streiten müssen und wir gleichwohl feststellen, dass wir dort keinen Konsens erzielen werden wie bei den anderen Punkten, die uns noch bis Ende 2011 begleiten werden. Da kann man keinen Punkt machen, sondern die Diskussion muss man führen und feststellen, dass der gesellschaftliche Konsens, den Sie angeführt haben, nicht herzustellen ist.

Die jetzige Diskussion über die Tatsache, dass ein Fraktionsentwurf vorliegt und nicht ein Regierungsentwurf, halte ich, gelinde gesagt, für aufgesetzt.

(Günter Rudolph (SPD): Geschenkt!)

Das ist ein typisches Oppositionsspielchen. Das verstehe ich auch.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Doch. – Aber in der Diktion ist deutlich geworden, dass Sie es anders begründen als Herr Schaus, der sich gerade zu Wort meldet. Deshalb sage ich ganz deutlich:Wir reden heute über den Antrag der LINKEN, wobei Ihre Wortbeiträge, Herr Kollege Rudolph und Herr Kollege Frömmrich, in der Tat moderat und konstruktiv waren.Wenn die LINKEN von einem Dienstunrechtsgesetz sprechen, dann ist das absurd und realitätsfern. So etwas von absurd habe ich noch nicht erlebt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen, meine Herren, wir diskutieren heute über die erste Stufe der Dienstrechtsreform.Wir haben das alle vor der Sommerpause groß und breit diskutiert. Wir diskutieren heute – insofern ist das vielleicht auch ganz gut – nach einer breit angelegten Anhörung. Die Unterlagen dazu haben einen guten Leitz-Ordner gefüllt. Es war eine inhaltlich sehr gute Anhörung im Innenausschuss, wo unter den zahlreichen Anzuhörenden auch 13 Vertreter der Gewerkschaften waren, die heute laut kritisieren, dass sie nicht gehört wurden. Ich mache deutlich, dass sie gehört wurden. Sie haben sich auch vor und nach der Anhörung Gehör verschafft. Dieses Spielchen mit Regierungsentwurf oder Fraktionsentwurf kann ich nur formal verstehen, materiell aber nicht.

Ich bringe in diesem Zusammenhang auch in Erinnerung, dass der Entwurf für ein Erstes Gesetz zur Modernisierung des Dienstrechts nicht nur die Anhebungen der Al

tersgrenzen und die damit in Zusammenhang stehenden versorgungsrechtlichen Regelungen beinhaltet, sondern auch weiter gehende Regelungen, wie z. B. die Möglichkeiten eines Hinzuverdienstes, was von den Gewerkschaften unisono gelobt wird. Weiterhin beinhaltet er das von den Gewerkschaften gelobte Auskunftsrecht des Einzelnen gegenüber der Dienstbehörde zum Versorgungsanspruch, § 49a. Das muss auch einmal betont werden. Das ist auch Gegenstand des Gesetzentwurfs und wird von den Gewerkschaften sogar begrüßt, aber nicht in den letzten Tagen.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Dass dies heute alles nicht das Ende ist, sondern der Anfang, das haben wir schon im Sommer festgestellt. Das wurde auch von allen Fraktionen während der Beratungen vor der Sommerpause so gesehen. Das ist ein erstes Gesetz. Kollege Bellino hat gesagt, einem ersten Gesetz folgt mindestens ein zweites Gesetz. Dieses Gesetz wird auch noch eine weiter gehende Modernisierung im Sinne des Mediatorenberichts beinhalten. So wird, da gebe ich den Kollegen Frömmrich und Rudolph recht, das Laufbahnrecht neu gestaltet werden müssen. Das ist ein für uns Liberale sehr wichtiger Punkt. Ebenso werden leistungsorientierte Besoldungen in diesem Gesetz einzubauen sein. Der Wechsel zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft muss geregelt werden. Das sind nur Beispiele. Der Mediatorenbericht muss als Paket geschnürt werden. Das wird uns noch bis Ende 2011 in diesem Parlament beschäftigen. Das haben wir auch schon festgestellt.

Hierzu wird auch die von den Gewerkschaften dringend erbetene Regierungsanhörung – die formal als etwas anderes angesehen wird, als wir es bisher gemacht haben – im Jahr 2010 stattfinden.Wir haben als Parlamentarier die Möglichkeit, uns im Sommer 2011 mit dem Entwurf für ein Zweites Gesetz zur Modernisierung des Dienstrechts zu beschäftigen. Das gehört sich und ist auch notwendig. Neben der Regierungsanhörung werden wir, darauf legt meine Fraktion Wert, eine parlamentarische Anhörung durchführen. So haben wir es auch bei dem ersten Gesetz im Innenausschuss getan.

Lassen Sie mich ganz kurz auf die Anhörung eingehen. Herr Kollege Rudolph hat das auch schon gemacht. Herr Kollege Rudolph,ja,hier besteht Handlungsbedarf,insbesondere bei den angesprochenen Punkten Schicht- und Wechselschichtdienst, § 194. Es besteht auch Handlungsbedarf im Regelungsbereich der Behinderten, das hat die Anhörung ergeben. Das ist so. Hier müssen wir ein Signal setzen. Gerade bei dem letzten Punkt, bei den Behinderten, bin ich persönlich der Auffassung, die FDP und die Koalition auch, dass das besser und anders gestaltet werden muss. Darüber werden wir auch diskutieren. So verstehe ich aber auch aufgrund meiner juristischen Ausbildung Gesetzesberatungen.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Dass das gerade hier stattfindet, macht deutlich, wie wichtig dieses Thema ist und wie wichtig die Parlamentarier dieses Thema nehmen.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Es gibt immer einmal etwas, was passiert und auch positiv passiert. Das möchte ich für meine Fraktion und für die Koalition hier schon anmelden.

Der Ausschuss muss beraten und das, was verbesserungswürdig ist, in den Gesetzentwurf einarbeiten. Bei aller

Kompromissbereitschaft der CDU und der FDP in der Sache selbst, da komme ich auf Herrn Kollegen Rudolph zurück,gehen wir unseren Weg weiter und stellen 67 Jahre und 42 Stunden nicht zur Disposition. Ein modernes Beamtenrecht als solches muss diskutiert werden und muss breit diskutiert werden.Es sollte Ende 2011 verabschiedet sein.

Die FDP und die Koalition wollen ein modernes Dienstrecht.Wir werden es bis Ende 2011 in einen Gesetzestext gießen. Ich bitte Sie, das haben wir schon das letzte Mal gesagt, dass Sie mit uns gemeinsam diesen Weg gehen, ungeachtet der Meinungsverschiedenheiten zu 67 Jahren und 42 Stunden, die schon immer bestanden haben. Dies zeigt sich nicht nur am Gewerkschaftsprotest und an der Initiative der LINKEN. Letzterer hätte es nicht bedurft, Herr Schaus. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Schönen Dank, Herr Dr. Blechschmidt. Das war eine Punktlandung. – Für eine Kurzintervention hat Herr Kollege Frömmrich das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, um auf etwas einzugehen, was Herr Kollege Dr. Blechschmidt vorgetragen hat. Der Zungenschlag in Richtung der Gewerkschaften hat mir nicht gefallen, Herr Kollege Blechschmidt. Es ist Aufgabe der Gewerkschaften, sich für die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzusetzen. Das machen sie mit Kraft und natürlich auch mit Demonstrationen. Das ist das Wahrnehmen von Rechten, die den Gewerkschaften zustehen.Von daher verstehe ich den Zungenschlag nicht, den Sie in der Debatte haben anklingen lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Blechschmidt,es muss doch klar sein,dass es unterschiedliche Aufträge gibt. Es gibt den Auftrag der Gewerkschaften, die Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu vertreten. Auf der anderen Seite muss es Aufgabe des Haushaltsgesetzgebers sein, das Große und Ganze im Blick zu haben und nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch die Zukunftsfähigkeit des Landes. Von daher glaube ich, dass diese Gewerkschaftsschelte nichts bringt. Ich hatte das auch schon von Ihrem Kollegen Greilich gehört und kann das nicht ganz nachvollziehen.

Ich glaube, Sie haben diese Art und Weise der Auseinandersetzung selbst erzeugt. Das ist doch der Punkt, weshalb ich sage, es wäre aller Ehren wert gewesen, die Vorschläge der Mediatorengruppe im breiten Diskurs mit allen Betroffenen zu diskutieren, um dann in einem Prozess des Gebens und Nehmens nicht unbedingt zu einem gemeinsamen Vorschlag zu kommen, aber doch wenigstens die Knackpunkte diskutiert zu haben. Somit haben die Gewerkschaften und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Gefühl, bei einem solchen Reformprozess als Gesprächspartner willkommen zu sein und ernst genommen zu werden. Dieses Gefühl haben sie nicht, weil Sie diesen Weg gewählt haben, den Sie gerade hier skizziert haben.

Herr Kollege Blechschmidt, ich werde auch das sehr ernst nehmen,was Sie zur Anhörung gesagt haben.Meine Frak

tion hat das Interesse, insbesondere zum Schicht- und Wechselschichtdienst eine neue Regelung zu treffen. In der Anhörung gab es einen guten Vorschlag.Wir brauchen auch für die Schwerbehinderten eine andere Regelung.

Herr Kollege!

Ich komme sofort zum Schluss, Herr Präsident. – Ich bin sehr gespannt, wie Sie auf das eingehen werden, was sehr fachkompetent in der Anhörung vorgetragen worden ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Frömmrich. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Innenminister Rhein das Wort. Bitte schön, Herr Innenminister.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Schaus, ich muss sagen, das war ein schwacher Auftritt mit abenteuerlichen Thesen. Du liebe Güte.

(Beifall bei der CDU und der FPD)

Ich sage „abenteuerlich“; denn das, was Sie erzählt haben, hat mit der Realität und mit der Lage des öffentlichen Dienstes

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Sehr viel zu tun!)

in unserem Land überhaupt nichts zu tun. Fast alles, was Sie gesagt haben, ist falsch. Vieles zeugt von einer ganz bitteren Unkenntnis der Materie – erstaunlich bei Ihrem Werdegang. Ich muss Ihnen sagen, der Rest war Populismus. Ich kann mich exakt dem anschließen, was Jürgen Frömmrich gesagt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): So war es gedacht!)

Sehr geehrter Kollege Schaus, ich will auf das kommen, was Sie in Ihrem Antrag geschrieben haben. Es handelt sich um ein abenteuerliches Sammelsurium, um eine Verquickung von Dingen, die überhaupt nicht zusammenpassen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sagen Sie etwas zur Sache!)

Stichwort: breiter gesellschaftlicher Diskurs. Dieser Diskurs hat angeblich nicht stattgefunden. Das trifft auch auf Günter Rudolph zu, der das gesagt hat.

Die Hessische Landesregierung hat die Dienstrechtsreform in einer kontinuierlichen und massiven Kommunikation vorangetrieben, wie bei keinem anderen Vorhaben in einem solchen Zusammenhang jemals zuvor. Der Dienstrechtskongress im Mai 2007 im Kurhaus in Wiesbaden war der Auftakt. Alle Interessierten, die Kommunen, die Spitzenverbände, die Gewerkschaften, die Personalräte, die Leitungen der Verwaltungen, die Vertreter des Bundes und die Vertreter der Länder waren eingeladen. Dann haben interessenübergreifende Arbeitsgruppen Eckpunktepapiere zur Neukonzeption des Besoldungs-,

Versorgungs- und Laufbahnrechts in Hessen erarbeitet. Diese Eckpunktepapiere wurden dann zu einem Diskussionspapier weiterentwickelt,das den Fraktionen im Sommer 2008 bekannt gegeben worden ist.

Im August 2008 hat der damalige Ministerpräsident Roland Koch zu dem Thema Dienstrechtsreform eine parteiübergreifende Mediatorengruppe berufen. Diese Mediatorengruppe hat ein Gespräch mit den Kommunalen Spitzenverbänden, mit den Gewerkschaften geführt. Im Dezember 2009 hat die Mediatorengruppe ihren Abschlussbericht für ein eigenständiges, ein leistungsorientiertes und ein den Zukunftsaufgaben gerecht werdendes Dienstrecht vorgelegt.

Einen Moment, Herr Minister. – Der Geräuschpegel im Saal ist wieder so hoch, dass man Ihrer Rede nicht folgen kann. Das gilt auch für die Regierungsbank links und rechts. Bitte Gespräche nach außerhalb des Plenarsaals verlegen, damit dem Innenminister in der Rede gefolgt werden kann.

Dann gab es im Mai 2010 einen weiteren Schritt. Günter Rudolph, wir haben von Anfang an gesagt, dass wir es in mehreren Schritten machen wollen, dass wir zunächst einmal dringend anstehende Fragen, insbesondere in Bezug auf die Altersgrenze, regeln wollen. Es war von Anfang an klar, dass wir es mehrstufig machen wollen.

Zum Stichwort Wahlkampf kann ich nur sagen:Wenn wir Wahlkampf hätten machen wollen oder das Thema aus dem Wahlkampf hätten heraushalten wollen, dann hätten wir es nicht so gemacht. Dann hätten wir es bis nach der Kommunalwahl verschoben. Wir haben die Diskussion nun vor der Kommunalwahl.Die Argumentation ist daher ziemlich unlogisch. Insoweit kann man uns diesen Vorwurf nicht machen.

Als weiterer Schritt wurde also im Mai 2010 das erste Dienstrechtsmodernisierungsgesetz in den Landtag eingebracht.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD) – Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)