Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist richtig!)

Ich nenne noch einen Punkt, den man dabei nicht vergessen darf. Dieser Punkt kommt in den Diskussionen ein wenig zu kurz. Wir haben auch die Situation, dass nicht jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer gleich leistungsstark und gleich qualifiziert sind. Auch da bietet Zeit- und Leiharbeit eine Chance, dass Beschäftigte entsprechend ihren Qualifikationen eingesetzt werden können. Mir ist doch jeder Mensch lieber, der eine Arbeit hat,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Richtig!)

anstatt dass er vor dem Arbeitsamt steht und auf eine Stelle wartet. Das ist doch auch unser Ziel. Das ist die Zielgruppe, die wir im Auge haben müssen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Natürlich gilt es dabei auch, dass Missbrauch verhindert wird.Wir können nicht zulassen, dass normal Beschäftigte ausgelagert oder entlassen werden, und die gleichen Beschäftigten wieder über eine Leiharbeitsfirma in das Stammunternehmen kommen.

Herr Staatsminister, Sie denken bitte an die Redezeit.

Ja, Herr Präsident. – Genau an dieser Stelle setzt der Entwurf zur Verhinderung des Missbrauchs von Leiharbeit an, den die Bundesregierung vorgelegt hat. Ich kann an dieser Stelle noch keine intensive Prüfung vornehmen. Aber es ist doch vollkommen klar, dass es Fälle, wie auch wir sie schon diskutiert haben, nicht mehr geben darf, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlassen und als Leiharbeitskräfte zu schlechteren Bedingungen wieder eingesetzt werden. Das darf es zukünftig nicht mehr geben. Der vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesregierung zeigt das sehr deutlich.

Wir alle wissen auch, dass die EU-Leiharbeiterrichtlinie mit diesem Gesetzentwurf umgesetzt werden soll. Damit wird unter der Leiharbeiterrichtlinie der Mitgliedstaaten ein Gesamtschutz der Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer berücksichtigt. Das geltende Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sieht daher auch vor,dass Leiharbeitskräfte zwar grundsätzlich mit den vergleichbaren Arbeitnehmern des Entleihers gleichgestellt werden müssen, durch Anwendung von Tarifverträgen von diesem Grundsatz aber abgewichen werden kann.

Lassen Sie mich noch etwas zum Mindestlohn sagen: Wenn ich mir die Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche anschaue, dann stelle ich fest, der niedrigste Stundenlohn liegt derzeit bei 7,60 c und steigt in den nächsten Jahren noch an. Daher sehe ich überhaupt keinen Grund dafür, einen Mindestlohn zu fordern. Unser Auftrag ist es, für so viele Menschen wie möglich Beschäftigung zu schaffen und ihnen nicht einen Mindestlohn, sondern ein Mindesteinkommen und damit die Möglichkeit zu gewährleisten, ihre Existenz auch zu bestreiten. Das ist unser Auftrag, und Leiharbeit leistet dazu einen wesentlichen Beitrag. Mindestlöhne oder zu starre Regelungen auf dem Arbeitsmarkt verhindern genau das, was wir mit unserer Zielrichtung verfolgen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Grüttner. – Meine Damen und Herren, damit ist der Tagesordnungspunkt 57 behandelt.

Bevor wir den Punkt 58 aufrufen, darf ich Sie darauf hinweisen – das haben Sie auch schon bekommen; es ist eingegangen und verteilt worden –, dass es zu Tagesordnungspunkt 66, Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Landtagsanhörung zur Verankerung der Schuldenbremse in der Hessischen Verfassung für eine breite gesellschaftliche Debatte nutzen,Drucks.18/2805,einen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der FDP und der GRÜNEN, Drucks. 18/2808, gibt. Das wird dann gemeinsam aufgerufen. Hat irgendjemand etwas dagegen? – Nein. Dann ist das so bekanntgegeben.

(Günter Rudolph (SPD): Ja, das macht Sinn!)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 58 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Henners Albtraum end- lich beenden: kein Wolkenkuckucksresort Beberbeck) – Drucks. 18/2788 –

Das Wort hat Herr Abg. Klose, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Günter Rudolph (SPD): Wolkenkuckucksheim passt auch, Herr Präsident! Das ist egal!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist längst an der Zeit, dass sich der Hessische Landtag endlich wieder mit dem Thema Wolkenkuckucksresort Beberbeck beschäftigt; denn schließlich geht es um die Zukunft einer hessischen Staatsdomäne und um 30 Millionen c Infrastrukturförderung aus dem Landeshaushalt. Das ist beileibe kein Pappenstiel.

(Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vor- sitz.)

CDU, SPD und FDP in diesem Hause haben 2007 gegen unsere Stimmen beschlossen,

(Zurufe von der CDU: Oh!)

die Staatsdomäne Beberbeck, deren Eigentümer das Land Hessen ist, unter bestimmten Bedingungen an die Stadt Hofgeismar zu übertragen. Eine dieser Bedingungen war, dass die Stadt bis zum 31. März 2008 – das war in

zwischen vor mehr als zweieinhalb Jahren – einen unterschriebenen Vertrag mit einem Investor vorlegt. Das ist der sogenannte Closingtermin, von dem noch die Rede sein wird.

Seither hat der ohne Zweifel rührige Hofgeismarer Bürgermeister Heinrich Sattler gewirbelt. Er hat sich mit dem Konzept eines Ferienresorts mit 7.000 Betten, das der Stadt von einem windigen Planer wort- und bildreich verkauft worden ist, wirklich die Hacken abgelaufen: von der Expo Real nach Nizza und zurück. Das alles konnten wir und mit uns Tausende Kino- und Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer in „Henners Traum“ miterleben, einem Film, der inzwischen nicht nur den Hessischen Filmpreis, sondern auch den Adolf-Grimme-Preis erhalten hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur war all das Werben nicht erfolgreich. Bis heute hat er niemanden gefunden, der seinen Namen und sein Geld für dieses Wolkenkuckucksheim hergibt, und wir sagen Ihnen: Das war erstens absehbar, und zweitens ist es gut so; denn Nordhessen, der Reinhardswald und Schloss Beberbeck haben jede Menge touristisches Potenzial. Dort aber ein solches Disneyland zu landen, künstliche Seenlandschaften, Polo- und Golfplätze anzulegen, pervertiert diese Potenziale, und das können wir alle nicht wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Leider hat diese Erkenntnis bisher nicht dazu geführt, dass die Landesregierung entsprechend dem Landtagsbeschluss gehandelt hat und am 1. April 2008 gesagt hätte: „Sorry, Henner, es war eine visionäre Idee, leider will sie keiner bauen; lass uns einmal neu nachdenken.“ – Nein, Sie haben diesen Termin einfach immer weiter verlängert, zunächst bis zum 31. Dezember 2008. Das war noch vom Landtagsbeschluss gedeckt, wo es heißt, eine Verlängerung – also über den 31. März hinaus – könne einvernehmlich vereinbart werden, sofern eine oder mehrere aufschiebende Bedingungen noch nicht eingetreten seien, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2008. Als jedoch das Jahr 2008 ohne jede Aussicht auf einen Investor zu Ende ging, hat man ganz einfach weitergemacht.

(Günter Rudolph (SPD): Ja, genau, wir haben ja Zeit!)

Noch vor wenigen Wochen hat Bürgermeister Sattler erkennen lassen, dass er auf eine nochmalige Verlängerung des Closingtermins setzt. Es ist Ihre Pflicht, ihn endlich auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Stattdessen, Herr Minister Posch, antworten Sie leider auf jede Frage zu dieser Sache in diesem Hause: „Mein Name ist Hase“, und tun so, als könnten uns und Ihnen 30 Millionen c Landesgelder egal sein. So werden Sie weder den Menschen in der Region noch Ihrer Verantwortung für unser Bundesland gerecht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fakt ist doch heute: Bürgermeister Sattler hat angekündigt, Ende 2009 sei der Vertrag unterschrieben, dann war es der Februar 2010, Mai 2010 und zuletzt Mitte August 2010, doch unterschrieben ist bis heute nichts. Niemandem, außer angeblich dem Bürgermeister – noch nicht einmal Ihnen, Herr Posch, ausweislich Ihrer Auskünfte hier am Dienstag –, sind die Firmen oder Personen bekannt,die sich hinter den ominösen Investoren verbergen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage Sie:Wie seriös sind eigentlich Investoren, die über Monate anonym bleiben wollen?

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Mit der Altenpflegeeinrichtung in Schloss Beberbeck – auch das ist eine der Bedingungen des Landes – wurde bisher weder gesprochen, noch wurde ein neues Domizil gesucht. Es liegt auch kein von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer testiertes Gesamtkonzept vor. Sie wissen ganz genau, die Reihe ließe sich fortsetzen. Keine der damals gestellten Bedingungen wurde bisher erfüllt, meine Damen und Herren, nicht eine einzige, und das wird auch bis zum 31. Dezember nicht gelingen. Deshalb ist es wichtig, dass der Landtag ein klares Signal nach Hofgeismar sendet, das da heißt: Eine weitere Verlängerung des Closingtermins kommt nicht infrage.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir wollen stattdessen eine behutsame Entwicklung der Region. Was hätte in dieser Hinsicht längst alles bewegt werden können, mit wenigstens einem Teil der Mittel, die das Land für die bisherige, völlig überdimensionierte Planung reserviert hat?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident Bouffier hat am Dienstag angekündigt, mehr auf die Menschen im Lande hören zu wollen. Herr Bouffier, da können Sie hier direkt vorangehen. Treten Sie ein in den Dialog mit den Menschen vor Ort. Diese haben für eine sanfte touristische Nutzung von Beberbeck viele gute Ideen entwickelt. Sie wollen die Wertschöpfung in der Region erhalten. Sie wollen auch weiterhin die bestehende landwirtschaftliche Nutzung ermöglichen.

Herr Klose, bitte zum Schluss.

Wir GRÜNE haben einen Antrag im Verfahren, der genau diesen Weg aufzeigt. Zeigen Sie, dass Sie die Zukunft Nordhessens nicht wie Ihr Vorgänger nur in Großprojekten wie Beberbeck und Calden sehen. Zeigen Sie, dass es Ihnen mit dem Zuhören ernst ist und dass es keine Worthülse war, und machen Sie „Henners Albtraum“ ein Ende.Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Klose. – Als Nächster spricht Herr Lenders für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich die Überschrift des Antrags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Aktuellen Stunde gelesen habe, habe ich erst einmal keine Kritik in der Sache feststellen können, sondern nur, dass sie die Glaubwürdigkeit des Vorhabens infrage stellen. Jetzt klang dabei doch noch etwas Kritik an. Ich habe auch eine gewisse Ahnung, dass das Ziel von Hohn und Spott in diesem Antrag gar nicht das Vorhaben sein soll, sondern dass es wohl vielmehr die Landesregierung sein soll, die mit der Verlängerung des

Termins und der Einstellung der Verpflichtungsermächtigung in den Haushalt wohl Ihres Erachtens nicht richtig gehandelt hat.

Meine Damen und Herren, wenn eine Gruppe oder ein Bürgermeister eine Idee davon hat, wie sie eine Region weiterentwickeln wollen – von diesen Bürgermeistern gibt es wahrlich nicht sehr viele, die eine gewisse Vision oder Idee entwickeln können; das muss man einfach einmal sagen –,

(Beifall bei der FDP – Lachen bei der SPD)

und wenn eine solche Geschäftsidee

(Günter Rudolph (SPD): Das kann aber auch ein Albtraum werden!)

darauf basiert, dass sie auch eine gewisse Größenordnung hat, denn sonst würde sie gar nicht funktionieren, sonst hätte sie kein Alleinstellungsmerkmal,dann braucht so jemand private Investoren und Betreiber.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns darüber einig sind, dass das Land bei solchen Vorhaben, bei Infrastrukturmaßnahmen auch in der Verpflichtung ist, solchen Investoren im Rahmen der Wirtschaftsförderung alles Erdenkliche an Hilfe zukommen zu lassen, dann war es seinerzeit wohl richtig, dass diese Verpflichtungsermächtigung in den Haushalt eingestellt worden ist.