Ein letztes Argument von Ihrer Seite. Sie argumentieren mit Generationengerechtigkeit. Die Schuldenbremse ist das Gegenteil von Generationengerechtigkeit. Die nachfolgenden Generationen erben nicht nur eine zusammengesparte Infrastruktur, sondern noch ein im Grundgesetz oder in der Hessischen Verfassung verankertes Schuldenverbot. Letzteres macht es ihnen schwer, den maroden Zustand, den Sie den kommenden Generationen hinterlassen, auf sinnvolle Art und Weise zu ändern. Staatsschulden sind außerdem keineswegs Lasten zukünftiger Generationen, sondern den momentanen Schuldnern stehen bekanntlich auch momentane Geldgeber gegenüber. Weil die steuerlichen Belastungen der Großverdiener,der Unternehmen,so gering sind,können und müssen sie dem Staat das Geld leihen. Das ist das letzte Argument gegen Ihre Pläne. Wenn sie es nicht in Deutschland anlegen, legen sie es im Ausland an. Dann würden Projekte anderswo finanziert, und das wäre die schlechteste aller Möglichkeiten.
Einen letzten Satz zu den jetzt vorgelegten Eilanträgen, wie schnell wir diese breit angelegte gesellschaftspolitische Debatte durchziehen sollen. Meine Damen und Herren, wenn wir eine breit angelegte Debatte darüber wollen, dann sollten wir sie auch nicht so zeitlich verkürzen, dass bei einer eng terminlich angesetzten Anhörung der eine oder andere Experte keine Chance hat, daran teilzunehmen.
Lassen Sie uns diese Debatte führen. Lassen Sie uns die Argumente weiter austauschen, aber nehmen Sie bitte den Zeitdruck raus. Es ist doch wirklich nicht notwendig,
dass wir im März darüber entscheiden. Es wäre besser, Sie würden Ihren Antrag zurückziehen. Eine solche Schuldenbremse brauchen wir nicht.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wilken, ich bin überrascht, weil zurzeit über die Ticker und die Medien läuft, dass Fidel Castro das kubanische Modell für gescheitert erklärt hat, dass Sie so eine Rede halten.
Sie haben gerade gesagt, Sie wollten eine Debatte führen. Man kann aber keine Debatte darüber führen wollen, wenn man von vornherein sagt, man wolle die Schuldenbremse nicht. Dann nutzt auch das Angebot zum Gespräch nichts. Man muss das Ziel gemeinsam wollen, dann kann man über den Weg diskutieren.Andersherum macht es keinen Sinn, Herr Kollege Wilken.
Meine Damen und Herren, was wir heute besprechen, Kollege Wagner hat es gesagt, ist aus meiner Sicht fast schon eine historische Debatte, wenn ein Parlament über die Frage diskutiert, wie man das, was alle gemeinsam falsch gemacht haben, endlich begrenzen will.
Die Kollegen der Sozialdemokraten und auch der GRÜNEN – Frau Erfurth – haben gesagt,unter Rot-Grün seien Schulden abgebaut worden. Bevor wir weiter diskutieren, möchte ich das ausräumen.Wer sich den Schuldenbericht des Landes Hessen anschaut, stellt fest, dass 1990 die Gesamtschulden bei 31,5 Milliarden DM lagen und 1999 bei 48,4 Milliarden DM. Jedes Jahr ist also der Schuldenberg angestiegen. Das ist ein Problem, das nicht nur Sie hatten; das hatten wir auch.
Herr Schmitt, an dieser Stelle können Sie sehen: Das ist diese Kurve, das sind die verfassungswidrigen Haushalte von 1993 bis 1998. Herr Kollege Schmitt, auch dieses Problem haben wir beide gehabt.Wir brauchen nicht auf den einen oder anderen zu zeigen, wir sitzen alle in einem gemeinsamen Boot.
Deshalb mein Petitum, dass wir über die Frage streiten, wie wir die Kommunen so schützen können, dass sie an dieser Regelung nicht negativ partizipieren. Wie können wir es erreichen, dass der Weg dorthin so breit diskutiert wird, wie die Kollegen der GRÜNEN das gerade noch einmal angesprochen haben? Dieser Weg ist völlig tragfähig, deswegen haben wir einen gemeinsamen Antrag dazu gemacht. Das ist nicht unbedingt ein völlig anderes Verfahren als bei einer normalen Anhörung, aber es ist eine breite Anhörung. Das werden wir gemeinsam machen.
Es muss doch klar sein, dass wir versuchen, den Konsens, der auf Bundesebene geherrscht hat,zwischen den großen demokratischen Parteien in diesem Land zu halten. Es macht doch gar keinen Sinn, dass die vier Parteien, die dieses Land auch in die Bredouille gebracht haben, sich auseinanderdividieren lassen,weil der Wahlkampf vor der Tür steht. Meine Damen und Herren, das darf nicht passieren.
Deshalb unsere Bitte, das, was auf Bundesebene richtig gemacht wurde, in Hessen auch richtig zu machen. Wir wollen diese Schuldenbremse in der Hessischen Verfassung, weil wir das aktive Ja der Bürger zu einem weiteren Konsolidierungskurs brauchen. Wenn wir darüber reden, dass wir erst 2020 anfangen, keine neuen Schulden mehr zu machen, dann ist das doch kein Tatbestand, der hier schon zu einer kritischen Auseinandersetzung führen darf. Herr Kollege Schmitt, das Problem ist doch, dass der Weg dahin noch so lang ist,dass wir noch weitere Schulden machen und erst ab 2020 anfangen, keine neuen Schulden mehr aufzunehmen. Wenn Sie das schon als ehrgeizig betrachten, dann weiß ich es nicht mehr. Das ist doch kein ehrgeiziges Ziel, das ist das Minimum, was wir als Haushaltsgesetzgeber an dieser Stelle machen müssen.
Wir brauchen diese eigene Regelung, weil die Gefahr besteht, dass wir vielleicht ohne eigene Regelung dastehen, wenn das Land Schleswig-Holstein mit seiner Klage gegen die Schuldenbremse auf Bundesebene Erfolg hat.Das Land Schleswig-Holstein klagt – für uns als Landesparlamentarier sind diese Argumente nicht völlig von der Hand zu weisen. Das, was der Bund beschlossen hat, politisch aus meiner Sicht völlig zu Recht, ist juristisch ein Eingriff in das höchste Recht eines Parlaments, seinen Haushalt selbst festzulegen und damit Schwerpunkte in der Politik festzulegen.
Die Argumente des Bundeslandes Schleswig-Holstein sind nachvollziehbar. Wir möchten nicht, dass Hessen keine eigene Regelung hat, wenn es auf Bundesebene keine Schuldenbremse mehr gibt. Es muss in Hessen eine eigene Regelung geben, weil wir dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren dürfen. Wir legen uns als Politik selbst Handschellen an, wir wollen uns selbst binden, dass wir nicht mehr auf Kosten künftiger Generationen leben. Herr Kollege Wilken, da bin ich diametral anderer Meinung als Sie.Wer immer weitere Schulden macht,engt den Spielraum künftiger Generationen immer weiter ein.
Dazu gibt es Reden aller Parteien. Wir haben verschiedene Reden dazu ausgewertet. Es gibt eine Rede des Kollegen Kaufmann, die auf You Tube zu sehen ist. Da gibt es überhaupt nichts, was man an dieser Rede des Kollegen Kaufmann kritisieren kann.All das, was er sagt, ist richtig. Auch von Sozialdemokraten wird es solche Reden geben. Deshalb müssen diesen Reden Taten folgen.
Sie kritisieren das enge Zeitkorsett.So eng ist es nun wirklich nicht. Wir haben das Thema in unserem Koalitionsvertrag angekündigt. Da wir vieles von dem, was dort drinsteht, bereits umgesetzt haben, ist es nicht ganz überraschend,dass wir auch dieses Thema umsetzen.Natürlich ist es richtig, dass man eine Verfassungsänderung in Hessen gekoppelt mit einer Wahl durchführt. Die Kommunal
Ich bin mir sicher, wenn man mit Menschen über dieses Thema diskutiert – wir haben ja auch schon Reaktionen der Menschen bekommen –, wird es eine große Unterstützung für diese Schuldenbremse geben. Viele Menschen machen privat das Gegenteil von dem, was der Staat macht. Menschen verschulden sich nicht auf Jahrzehnte und sagen dann: Ist mir doch egal, was hinterher passiert. – Viele Privathaushalte leben solide. Meine Damen und Herren,so muss auch der Staat endlich leben:solide, wie Privathaushalte das auch tun.
Ich will nun einen Dissens zu den Kollegen der GRÜNEN beschreiben. Das ist auch gestern bei der Veranstaltung vom Kollegen Schäfer-Gümbel in ähnlicher Weise gesagt worden. Ich bestreite an dieser Stelle den Begriff „die Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte“, den Sie mittlerweile gerne wie einen Stehsatz vor sich hertragen. Sie erzählen ständig, der Staat habe kein Geld, und wir bräuchten mehr Geld. Der Eindruck, den Sie vermitteln, man müsse nur an der Steuerschraube drehen, dann seien alle Probleme gelöst, ist doch Blödsinn.
Wer sich die Entwicklung auf Bundesebene anschaut, der kann doch sehen: 2005 hatte der Bund 451 Milliarden c Steuereinnahmen, 2010 sind es 513 Milliarden c. Das sind 300 Milliarden c mehr gewesen, als im Verlauf prognostiziert war. Sind denn diese 300 Milliarden c Mehreinnahmen dazu genutzt worden, um Schulden abzubauen? – Deshalb war es richtig, die Regelung zu treffen, sich selbst zu binden und gemeinsam – das Land, die Kommunen und der Bund – mit der Konsolidierung anzufangen.
Deshalb will ich zu einem Punkt kommen, den Ministerpräsident Bouffier in seiner Regierungserklärung angesprochen hat. Die Frage, wie wir mit den Kommunen umgehen, die Teil der Länder sind, ist eine ganz zentrale Frage. Wir müssen dafür sorgen, dass die Kommunen ebenfalls wieder Luft zum Atmen bekommen.Kollege AlWazir hat gestern Abend ein Beispiel geschildert, das völlig richtig ist. Er hat gesagt, dass seine eigene Heimatgemeinde mehr Einnahmen aus der Hundesteuer als aus der Gewerbesteuer hat. Das kann auch an Offenbach liegen. Das will ich nicht bewerten.
Fakt ist,dass die Strukturen und die Einnahmesituationen in den Kommunen sehr unterschiedlich sind.Trotzdem ist genauso richtig, dass viele Kommunen in den letzten Jahren nichts dazu beigetragen haben, dass sich ihre Haushaltssituation wirklich verbessert. Bei der Frage, wie man mit öffentlichen Institutionen umgeht, ob man sie weiterführt oder ob man, wie die Stadt Wiesbaden noch vor kurzer Zeit, für über 100 Millionen c öffentliche Wohnungen kauft: Da müssen sich die Kommunen in Zukunft fragen lassen,ob das der richtige Weg ist.Solide Finanzpolitik beginnt im Kleinen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, da ist jeder in der Verantwortung, auch jeder Kommunalpolitiker.
Deswegen ist die Bitte, die der Kollege Wagner geäußert hat, vor allem an Sozialdemokraten und GRÜNE gerichtet: dass wir diesen Weg wie auf Bundesebene gemeinsam beschreiten.
Sie haben sich bei Veranstaltungen immer sehr positiv zu dem Instrument ausgesprochen. Sie haben jetzt die Probleme aufgezeigt, die Sie sehen. Ich bin genauso wie Sie dafür, dass wir das ausführlich diskutieren, dass wir versuchen, einen gemeinsamen Weg zu finden. Ich will aber auch klar sagen, dass es für CDU und FDP keinen Zweifel daran gibt, dass wir diesen Weg im Interesse der Generationengerechtigkeit in diesem Land zur Not auch alleine gehen werden.Wir werden diesen Weg gehen, damit wir dieses Land endlich entschulden und Generationengerechtigkeit in der Verfassung verankern.
(Beifall bei der FDP und der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Die Rede ist gut! Die können wir verbreiten!)
Kollege Schmitt, ich lade Sie ein, nicht nur etwas zu verbreiten, sondern mitzumachen. Machen Sie mit. Versuchen Sie, mit uns gemeinsam dieses Thema voranzutreiben.
Ich habe von den Sozialdemokraten in den letzten Monaten viele Vorschläge gehört. Ich glaube, wenn Sie sich in diesen Diskurs konstruktiv einbringen, dann haben auch Sie etwas davon. Es bringt den Sozialdemokraten doch nichts, auf Bundesebene ein Thema mitzugestalten und auf Landesebene kalte Füße zu bekommen. Das ist unbestritten ein mutiger Schritt.Aber ich glaube, auch die hessischen Sozialdemokraten werden so viel Mut haben, bei diesem Thema mitzumachen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Nun hat sich Herr Kollege Wagner zu einer Kurzintervention zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, als Herr Kollege Rentsch darüber gesprochen hat, wie der Weg hin zu einem Haushalt ohne neue Schulden zu gestalten ist, und er relativ kategorisch gesagt hat, seine Fraktion sei der Meinung, dass man auf diesem Weg keine Debatte über die Einnahmenbasis des Staates bräuchte.
Herr Kollege Rentsch, ich glaube, dass wir der Ernsthaftigkeit der Debatte und den Sorgen vieler Menschen nicht gerecht werden, wenn wir in die Debatte hineingehen und von vornherein Dogmen aussprechen.Wir haben vom Ministerpräsidenten gehört, die Lösung von Problemen würde man leichter finden, wenn man ideologiefrei herangeht. Herr Kollege Rentsch, ich würde mir wünschen, dass wir in dieser Debatte weder die Ideologie der FDP hätten, dass Steuersenkungen allein alle Probleme lösen,