Protokoll der Sitzung vom 16.11.2010

Mit der Ihnen vorliegenden Drucks. 18/2994, Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sind Ihnen die zu Wählenden bekannt.Werden weitere Vorschläge gemacht? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, wir können dann in die Abstimmung eintreten. Zunächst frage ich Sie: Sind Sie einverstanden, dass wir per Handzeichen wählen? – Das ist so.

Wer dem Wahlvorschlag Drucks. 18/2994 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE mit den übrigen Stimmen des Hauses somit beschlossen.

Ich stelle fest,damit sind zu Mitgliedern der Versammlung der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk folgende Personen gewählt: Frau Abg. Karin Wolff, CDU, Herr Abg. Wilhelm Dietzel, CDU, Herr Abg. Uwe Frankenberger, SPD, Herr Abg. Florian Rentsch, FDP, und Herr Abg. Jürgen Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ

NEN. Im Namen des Hauses gratuliere ich allen Gewählten.

b) Nachwahl eines Schriftführers

Meine Damen und Herren, mit Schreiben vom 25. Oktober 2010 teilt Abg. Alexander Bauer mit, dass er mit Wirkung vom 10. November 2010 sein Amt als Schriftführer niederlegt. Somit ist nach § 4 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags eine Nachwahl erforderlich.

Mit der Ihnen vorliegenden Drucks. 18/2995 schlägt die Fraktion der CDU Abg. Dirk Landau für die Nachwahl vor. Werden weitere Vorschläge gemacht? – Das ist nicht der Fall.

Wir können per Handzeichen wählen. Widerspricht dem jemand? – Auch das ist nicht der Fall.

Wer diesem Wahlvorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Somit ist Herr Landau zum neuen Schriftführer gewählt und kann diese Aufgabe wahrnehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 3 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Hessisches Gesetz zur Verbesserung der Korruptionsbekämpfung und zur Errichtung und Führung eines Korruptionsregisters (Hessisches Korruptionsbekämp- fungsgesetz) – Drucks. 18/3005 –

Es ist vorgesehen, diesen Gesetzentwurf nach der ersten Lesung dem Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, federführend, sowie dem Innenausschuss, begleitend, zu überweisen.

Als Redezeit wurden pro Fraktion sieben Minuten und 30 Sekunden vereinbart. Zur Einbringung dieses Gesetzentwurfs erhält die Sprecherin der SPD-Fraktion, Frau Abg. Nancy Faeser, das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption vom 31. Oktober 2003 ist der erste weltweite völkerrechtliche Vertrag zur Bekämpfung von Korruption. Es verpflichtet die Vertragsparteien zur Bestrafung verschiedener Formen der Korruption gegenüber Amtsträgern sowie zur internationalen Zusammenarbeit. Am 14. Dezember 2005 trat diese Konvention in Kraft. Zurzeit haben 143 Staaten dieses Abkommen ratifiziert.

Deutschland hat dieses Übereinkommen zwar am 9. Dezember 2003 unterzeichnet, es bislang aber nicht ratifiziert.

(Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vor- sitz.)

Meine Damen und Herren, es ist ein Unding, dass die Bundesrepublik Deutschland dieses Übereinkommen noch nicht ratifiziert hat. Korruption ist eine Bedrohung unserer Gesellschaft. Es gilt, sie auf allen Wegen zu bekämpfen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, wir sehen es alle so: Wünschenswert wären umfangreiche Regelungen gegen Korruption auf Bundesebene. Als Landespolitiker können wir dies leider nur recht begrenzt beeinflussen. Aber wir von der SPD fordern die Landesregierung auf, sich auch auf Bundesebene dafür stark zu machen, dass Korruption in Deutschland einheitlich bekämpft wird.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren,Korruption beeinträchtigt den fairen Wettbewerb und führt dazu, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat und seine Einrichtungen sinkt. Angesichts des hohen Nichtwähleranteils gilt es dringend, dem entgegenzuwirken. Wir sollten alles tun, damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat wieder wächst.

Hierbei geht es aber nicht nur um Transparenz,sondern es geht bei der Korruption im Rahmen öffentlicher Vergaben auch um hohe finanzielle Schäden, die dem Staat und somit letztlich den Bürgerinnen und Bürgern entstehen.

Ich darf Ihnen die Lektüre einer Studie empfehlen, die PricewaterhouseCoopers in Deutschland vor wenigen Tagen vorgelegt hat. Danach verursacht Behördenkorruption – nur bei der öffentlichen Hand – einen Schaden von jährlich 2 Milliarden c. Die Umfrage von PricewaterhouseCoopers hat ergeben, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat sinkt. Denn nach dieser Studie sind 53 % aller Bürgerinnen und Bürger der Auffassung, dass von deutschen Behörden häufig Vermögensdelikte begangen werden. 50 % der Bevölkerung glaubt an stark verbreitete Korruption in deutschen Behörden. Meine Damen und Herren, da besteht wirklich dringend Handlungsbedarf.

(Beifall bei der SPD)

Weil sich Korruption entfalten kann, wenn verbindliche Regeln und Kontrollen fehlen, legen wir heute einen Gesetzentwurf vor, der die Korruption zumindest im Bereich der Auftragsvergabe in unserem Bundesland bekämpfen will.

Präventiv lässt sich Korruption vor allen Dingen durch Transparenz bekämpfen, d. h. durch eine Verstärkung von Mitteilungs- und Anzeigepflichten. Es muss verhindert werden, dass ein nicht kontrollierbares, für korruptes Verhalten so wichtiges Nähe- und Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Vorteilsgeber und dem -nehmer entstehen kann.

Neben einer Ausweitung der Kontrollmechanismen im Rahmen der Vergabeverfahren ist hierbei ganz wesentlich die Einführung eines Korruptionsregisters. Hier kann korruptes und die Allgemeinheit schädigendes Verhalten in transparenter Weise dokumentiert werden. In einem solchen Register werden Unternehmen geführt, natürliche und juristische Personen, die aufgrund bestimmter Korruptionsverfehlungen und darüber hinaus nicht mehr an der Vergabe öffentlicher Aufträge beteiligt werden.

Meine Damen und Herren,an der aktuellen Debatte über die rechtswidrigen Vergaben im Lande Hessen sieht man, wie notwendig Transparenz in solchen Verfahren ist. Dieses Transparenzgebot fordern wir in Hessen dringend ein.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Korruptionsregister gibt es bereits in Nordrhein-Westfalen und Berlin. Das gab es auch in Hamburg – aber er

staunlicherweise haben CDU und GRÜNE dieses Korruptionsregister dort wieder abgeschafft, warum auch immer. Das finde ich sehr erstaunlich und nicht erklärbar.

Bislang hat Hessen lediglich einen Erlass über Vergabesperren zur Korruptionsbekämpfung für die hessische Landesverwaltung. Dieser wendet sich aber nur als Richtlinie im Sinne von § 55 der Landeshaushaltsordnung an die Behörden des Landes Hessen.

Ohne jetzt jemandem zu nahe treten zu wollen: Ich glaube, dieser Erlass wird zwar befolgt, aber ausreichend ist das nicht.

Mit unserem Gesetz wollen wir uns an alle öffentlichen Auftraggeber in Hessen wenden. Es soll auch unmittelbar für die Kommunen gelten, selbstverständlich. Ich kann nicht einen Korruptionserlass beschließen, der nur für die Landesbehörden gilt, darunter aber sonst für niemanden. Für sie alle soll Transparenz geschaffen werden. Sie alle sollen in einem einheitlichen Verfahren Einblick in ein solches Korruptionsregister erhalten.

Hierzu bedarf es einer zentralen Informationsstelle in Hessen, der die Führung dieses Registers obliegt. Natürlich trifft sie selbst keine Entscheidung darüber, wer ausgeschlossen werden soll. Dazu haben wir die notwendigen Hinweise auf die Rechtslage.

Wir haben keine Festlegung getroffen, wer diese Informationsstelle sein soll; aber in der Begründung haben wir darauf hingewiesen, dass möglicherweise die Oberfinanzdirektion in Frankfurt, die auch jetzt mit diesen Fällen befasst ist, der richtige Ort dafür ist.

In das Korruptionsregister sollen korruptionsrelevante und sonstige Rechtsverstöße im Geschäftsverkehr eingetragen werden.Die maßgeblichsten sind Schwarzarbeit,illegale Beschäftigung, Steuerunehrlichkeit und natürlich Verstöße gegen das Strafrecht. Aber auch wenn Unternehmen von Auftraggebern wegen Unzuverlässigkeit in einem Vergabeverfahren aufgefallen sind, sollen sie ausgeschlossen werden.

Die zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten berufenen Behörden und die Strafverfolgungsbehörden werden durch dieses Gesetz verpflichtet, der Informationsstelle die notwendigen Mitteilungen über Verfehlungen der Unternehmen zu machen.

Für die öffentlichen Auftraggeber schaffen wir auf der anderen Seite die Verpflichtung, sich in diesem Register kundig zu machen,bevor sie einen Bieter auswählen – wer dort drinsteht und sich Verfehlungen schuldig gemacht hat.

Meine Damen und Herren, mit unserem Gesetzentwurf werden die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, um die Korruption im öffentlichen Bereich effizient präventiv bekämpfen zu können. Deshalb bitten wir um Ihre Unterstützung.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vielen Dank, Frau Faeser. – Als Nächster hat sich Herr Kollege Klose von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat ist die öffentliche Auftragsvergabe in Deutschland durch ein zersplittertes und hochkomplexes Vergaberecht geprägt. Die Folgen sind Intransparenz, fehlerhafte Anwendung und Ineffizienz. Zusätzlich verursacht das einen hohen bürokratischen Aufwand und durchaus eine gewisse Rechtsunsicherheit, die häufig unnötige Ausgaben verursacht.

Sauber zwischen Unwissenheit und Absicht zu unterscheiden ist häufig unmöglich. Dass davon auch Hessen nicht ganz frei ist, haben wir in den vergangenen Wochen gemeinsam erfahren,meine Damen und Herren.Das Problem ist also derzeit sehr konkret.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Gleichzeitig sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge mehrere Ziele zu beachten, die leider manchmal im Konflikt zueinander stehen. Zum einen möchten alle, die auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene zu entscheiden haben, dass ihre Aufträge möglichst schnell und reibungslos vergeben werden können; denn sowohl die Politik selbst als auch die Bürgerinnen und Bürger erwarten durchaus zu Recht, dass Aufträge rasch vergeben und eben auch rasch ausgeführt werden können. Eilige Vergabeverfahren auf der einen Seite und Korruptionsbekämpfung auf der anderen Seite können sich aber durchaus widersprechen.Darüber hatten wir nicht zuletzt anlässlich der Vergabeerleichterungen im Zuge der Konjunkturprogramme gestritten.

Zum anderen möchten insbesondere die Entscheidungsträger auf regionaler oder kommunaler Ebene Unternehmen vor Ort an Aufträgen beteiligen. Der Wunsch, die einheimische Wirtschaft zu stärken, ist selbstverständlich legitim; denn natürlich arbeitet man gerne mit Unternehmen zusammen, deren Leistungsfähigkeit man kennt und die auch nach dem Auftrag für Gewährleistung und Wartung bereitstehen. Aber wir wollen auch einen umfassenden Wettbewerb.Wir möchten aus einer möglichst großen Zahl von Angeboten wählen können. Das sind Ziele, die manchmal zueinander in Widerspruch geraten.

Korruption ist in vielen Staaten auf diesem Planeten das wichtigste Hindernis wirtschaftlicher Entwicklung. Ich weiß schon,in Deutschland tun wir gerne so,als hätten wir damit nichts zu tun.Aber beispielsweise die Fälle bei Siemens und VW vor wenigen Jahren haben sich eben hier abgespielt, und das Bundeskriminalamt hat festgestellt, dass die wirtschaftlichen Schäden durch Korruption und Vetternwirtschaft jährlich in Milliardenhöhe liegen. Es gibt also überhaupt keinen Grund, an dieser Stelle überheblich zu sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)