Protokoll der Sitzung vom 15.12.2010

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber vielleicht ist das mit dem „Focus“ nicht so treffend. Dann ist vielleicht eher treffend, was Frau Nahles dazu gesagt hat.

Meine Damen und Herren, niemand ist glücklich über Kürzungen. Auch die Hessische Landesregierung hätte sich durchaus vorstellen können, dass die Eingliederungstitel in unveränderter Höhe weitergeführt werden. Das ist vollkommen klar. Aber es darf nicht verschwiegen werden, dass wir ein ehrgeiziges Ziel auf der Bundesebene vor uns haben. Das haben wir auch auf der Landesebene vor, und das ist, dass wir eine Schuldenbremse haben und dafür auch Einsparungen vornehmen müssen. Dann muss man sagen: Ein konsolidierter Haushalt, egal an welcher Stelle, kommt ausdrücklich auch dem Arbeitsmarkt zugute.

Herr Bocklet hat hier eine Reihe von Zahlen genannt. Ich verstehe, dass Leistungsanbieter, wie die in der LAG Arbeit versammelten Beschäftigungsträger und auch die Liga der Wohlfahrtsverbände, gegen Kürzungen sind.

(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie sind natürlich auch gegen Kürzungen, weil damit ihre eigenen Umsätze als Beschäftigungsträger in Gefahr sind. Das darf an der Stelle nicht verschwiegen werden.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sind doch gemeinnützige Träger und keine Hotels! Was soll denn der Quatsch?)

Die Fairness würde es eigentlich gebieten, dass man auf solch eine Interessensverquickung hinweist. Stattdessen wird immer wieder versucht, zu skandalisieren.

Deswegen zu den Textbausteinen. Fakt ist, dass die Zahl der Arbeitslosen im Oktober auf dem niedrigsten Stand seit 1992 gewesen ist. Auf das Jahr gesehen, liegt die Arbeitslosigkeit wieder auf dem Niveau vor dem Einbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise. Alle Prognosen deuten darauf hin, dass es nach der schnellen Erholung der deutschen Wirtschaft auch künftig längere Wachstumsphasen gibt. Auch davon werden zunächst weiter diejenigen Arbeitslosen profitieren, die näher am Arbeitsmarkt sind, d. h. die noch nicht so lange arbeitslos sind. Denn wir alle

wissen: Je länger die Arbeitslosigkeit dauert, desto schwieriger wird die Rückkehr in den Arbeitsmarkt.

Ich bin fest davon überzeugt, dass es uns gelingen wird, kurz- und mittelfristig auch die Zahl derer nachhaltig zu senken, die arbeitsfähig sind und derzeit Arbeitslosengeld II beziehen.

Hier ist durchaus das zu unterstützen, was die Bundeskanzlerin in den letzten Tagen gesagt hat, dass sie dem Ziel „Arbeit für alle“ Schritt für Schritt näherkommen will. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, und das unterstützen wir. Aber ein solches Ziel ist keineswegs utopisch. Deswegen teile ich den Optimismus, der durch diese Aussage kommt. Ich will sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen: Wir haben im Grunde keine Wahl; denn die Alternative wäre, zu resignieren und akzeptieren, einen nicht unerheblichen Teil unserer Bevölkerung auf Dauer zu alimentieren. Das wollen wir nicht. Das kann ich nicht akzeptieren. Das entspricht auch nicht all meinen Erfahrungen, die ich im sozialpolitischen Bereich in vielen Jahren gemacht habe.

Ich sage aber auch, das kommt nicht von alleine. Deswegen unterstützt Hessen mit seiner dezentral angelegten Förderung die notwendigen Maßnahmen in den Jobcentern. Wenn aber auch der Aufschwung am Arbeitsmarkt zunächst naturgemäß den Arbeitsmarktnahen zugute kommt, so müssen Sie dennoch auch zur Kenntnis nehmen, dass sich die Langzeitarbeitslosigkeit ebenfalls positiv entwickelt hat. Durch die verstärkte Aktivierung langzeitarbeitsloser Personen insbesondere im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende konnte in den Jahren 2006 bis 2009 die Anzahl derjenigen, die langzeitarbeitslos gewesen sind, fast halbiert werden. Ich finde, das ist ein hervorragender Erfolg unserer Arbeitsmarktpolitik.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Diese günstige Entwicklung muss naturgemäß auch im Eingliederungstitel ihren Niederschlag finden. Weiterhin ist zu bedenken, dass immer noch ein beachtlicher Teil der Eingliederungsmittel in Maßnahmen fließt, deren Eingliederungswirkung auf dem Arbeitsmarkt höchst zweifelhaft ist. Herr Kollege Rock hat darauf hingewiesen. Das, was Herr Kollege Rock gesagt hat, ist auch durch den jüngsten Bericht des Bundesrechnungshofs eindeutig bestätigt worden.

So kommt es aus Sicht des Hessischen Sozialministeriums und von meiner Seite darauf an, die vorhandenen Mittel so einzusetzen, dass eine möglichst optimale Hilfe zur Selbsthilfe und zur Wiedereingliederung erreicht wird.

Aus diesem Grunde haben wir, auch aufgrund langjähriger Erfahrungen, den Versuch gemacht, Optionskommunen und Jobcenter so zu organisieren, dass sie genau an dieser Stelle passgenau arbeiten können. Ich erwähne nur die gegenwärtig bei neun zugelassenen kommunalen Trägern bestehenden Werkakademien, die ganz bewusst zu denjenigen gehen, die sie aktivieren müssen, bei denen ein spezielles Programm aufgelegt wird. Das gilt nicht nur für diejenigen, die unter 25 Jahre alt sind, sondern speziell auch für diejenigen, die 50 Jahre und älter sind.

Ich sage noch einmal: Ein wesentliches Merkmal aller dieser Werkakademien ist die Zuweisung der Hilfesuchenden sofort bei Antragstellung und die verpflichtende Teilnahme an fünf Arbeitstagen pro Woche für maximal acht Wochen. Das führt sehr schnell dazu, dass sie direkt wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können.

Insofern denke ich, dass wir insbesondere im Zuge der für 2011 geplanten Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente eine weitere Straffung und Vereinfachung des Maßnahmenkatalogs erreichen können, damit vor Ort und regional schneller und flexibler auf entsprechende Bedürfnisse reagiert werden kann. Ziel muss es dabei sein, den Verantwortlichen in den Jobcentern die Möglichkeit zu eröffnen, passgenau auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes zu reagieren und die zur Verfügung gestellten Mittel dann sehr effektiv und sehr zielgerichtet einzusetzen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Abg. Schäfer-Gümbel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil von den Vertretern der Regierungsfraktionen hier sehr wortreich über den Antrag geredet wurde, ohne wirklich Bezug auf den Antrag zu nehmen. Der Kern des Antrags lautet: Wir wollen, dass die unverhältnismäßigen Kürzungen – das sind nicht irgendwelche erfundenen Zahlen, sondern Sie können sie im Bundeshaushalt nachlesen – zurückgenommen werden, weil sie unbillige Härten mit sich bringen, mit massiven Auswirkungen für die regionale, die lokale Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, für die Projekte, die dahinter liegen, und vor allem für die betroffenen Menschen, die Langzeitarbeitslosen.

Herr Grüttner hat eben gesagt, den Sozis fällt nichts mehr ein, deswegen müssen sie sich mit solch einem Thema beschäftigen. Ich will Ihnen sagen, warum wir diesen Antrag gestellt haben.

Erstens geschah das aufgrund einer Initiative der Umweltwerkstatt Laubach, die konkret betroffen ist. Dort haben die Stadtverordnetenfraktionen von CDU, SPD, FDP, Freien Wählern und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in einer gemeinsamen Unterschriftenaktion für den Erhalt der Mittel geworben.

Zweitens hat uns die Vorsitzende der Gesellschafterversammlung der GIAG – das ist die Arbeitsgemeinschaft in Gießen –, eine gewisse Andrea Kaup, FDP, in einem Brief ausdrücklich aufgefordert, alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um die unverhältnismäßigen Kürzungen zu verhindern. Der letzte Punkt ist der Beschluss des Kreistags des Landkreises Gießen vom vergangenen Montag. Ich will ihn kurz in Punkt 2 zitieren:

Öffentliche Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik ist Zukunftspolitik. Sie ist nicht zum Nulltarif zu haben. Wer hier kürzt, zerstört Perspektiven. Der Kreistag kritisiert daher die von der Bundesregierung im Rahmen des Sparpakets beschlossene Kürzung des Budgets für Eingliederungsleistungen und Verwaltungskosten im Bereich des SGB II um 1,5 Milliarden €...

Das wurde beschlossen von den Fraktionen CDU, SPD, FDP, Freie Wähler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Linkspartei. Im Übrigen ist das der Kreisverband, wo Volker Bouffier Ehrenvorsitzender der CDU ist. Vielleicht sollten Sie einfach einmal das Reflexionsniveau, das auf der Ebene existiert, zum Maßstab Ihrer eigenen Arbeit machen. Denn dann könnten Sie solch unsinnige Reden,

wie sie hier gehalten wurden, nicht halten, sondern würden sich dem Problem sachangemessen zuwenden. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Es ist vereinbart den Antrag Drucks. 18/3445 dem Sozialpolitischen Ausschuss zur weiteren Bearbeitung zu überweisen. – Dem widerspricht keiner. Dann ist das so beschlossen.

Meine Damen und Herren, folgende Information. Zunächst darf ich Ihnen mitteilen, dass die Berichte aus den Ausschusssitzungen gestern Abend in die Postfächer verteilt worden sind. Damit sind sie jetzt eingebracht.

Dann haben wir festzustellen, dass auf Ihren Tischen ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Kaliproduktion sichern und Salzwasserbelastung von Werra, Weser und Grundwasser so bald als möglich beenden, Drucks. 18/3488, eingegangen ist. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 75 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit Tagesordnungspunkt 46 aufgerufen werden. – Somit ist das Verfahren einmütig beschlossen.

Weiter eingegangen und verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Volksbegehren und Volksentscheid in Hessen, Drucks. 18/3489. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird das Tagesordnungspunkt 76 und wird mit Tagesordnungspunkt 21 aufgerufen. – Das ist auch Konsens.

Schließlich haben wir einen Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend umfangreiche Ganztagsangebote unterstreichen die Bedeutung des Sports als Maßnahme der Gesundheitsprävention insbesondere bei Kindern und Jugendlichen – Hessen bewegt sich, Drucks. 18/3490. – Das war nicht der Antragstext; das war der Titel. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann machen wir das zu Tagesordnungspunkt 77 und rufen es mit Tagesordnungspunkt 45 auf.

Damit haben wir die Erweiterung der Tagesordnung erledigt.

Ich weise noch einmal darauf hin, dass um 13 Uhr im Foyer unsere Marketinggesellschaft für Apfelwein und Handkäse wirbt – also für Dinge, die Sie jeden Tag zu Hause haben.

(Leif Blum (FDP): Haben sie etwas dabei, oder werben sie nur dafür?)

Herr Kollege Blum, ich verrate nicht alles. Das soll wie Weihnachten sein. Deswegen gehen Sie um 13 Uhr hin. Die Frau Ministerin wird es eröffnen. Mit Sicherheit werden sie auch Kostproben haben. Sonst macht es keinen Sinn. Es ist eine Marketinggesellschaft. 13 Uhr im Foyer.

Dann rufe ich als nächsten Punkt den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Gleichstellung

von Lebenspartnerschaften im hessischen Landesrecht – Drucks. 18/3430 zu Drucks. 18/3124 –

Berichterstatter ist Herr Abg. Tipi. Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beschluss empfehlung: Der Rechts- und Integrationsausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und in Abwesenheit der LINKEN, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, das war der Bericht. Vielen Dank dem Berichterstatter. – Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als Erster Herr Abg. Dr. Jürgens für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle fest: Der anhaltende Widerstand von Schwarz-Gelb gegen die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften geht weiter.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Herr Dr. Jürgens, hören Sie doch auf!)

Wir haben gerade den Bericht des Ausschusses gehört. Sie werden also unseren Gesetzentwurf ablehnen, einen Gesetzentwurf, mit dem wir eine Rückwirkung der Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften bei der Beamtenbesoldung und -versorgung erreichen wollten.

Ich darf, wie in der ersten Lesung, daran erinnern, dass wir unseren Gesetzentwurf schon zu Beginn dieser Wahlperiode vorgeschlagen hatten. Wir haben dies gemeinsam mit der SPD und der LINKEN in einem Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf der Regierungsparteien wiederholt. Beides wurde jeweils von der Mehrheit abgelehnt.

Wir vertreten weiterhin die Auffassung, dass die rückwirkende Geltung der Gleichstellung nach der einschlägigen europäischen Gleichstellungsrichtlinie an sich sogar zwingend ist. Diese hätte nämlich bis zum 02.12.2003 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Da dies von Hessen erst in dieser Wahlperiode, fünfeinhalb Jahre zu spät, umgesetzt wurde, konnten sich die betroffenen Beamtinnen und Beamten direkt auf diese Richtlinie berufen und die entsprechende Besoldung und Versorgung einfordern. Das hat inzwischen auch eine Reihe von Gerichten zugesprochen, zuletzt das Verwaltungsgericht Wiesbaden. Wir haben darüber ausführlich gesprochen. Von einzelnen Bundesländern wurde die Rückwirkung auch in das Landesrecht übernommen.