Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Studieren statt Marschieren“ ist die Überschrift dieser Aktuellen Stunde. Das gibt der Opposition wieder einmal die Möglichkeit, die Backen aufzublasen – ohne jede vernünftige Grundlage an belastbaren Daten.
Das Motto ist: Auf diese Weise wird schon irgendetwas Negatives an der hervorragenden Arbeit dieser Ministerin für die Hochschulen hängen bleiben.
Mit dieser Aktuellen Stunde versuchen Sie, wieder alte Kamellen aufzutischen, die wir bereits Anfang dieses Jahres anlässlich der Großen Anfrage der SPD hier ausführlich miteinander besprochen haben.
Herr Kollege, warten Sie ab, ich komme dazu. Meine Rede dauert fünf Minuten. Sie werden schon sehen, was ich dazu noch zu sagen habe.
Die Kultusministerkonferenz hat die Anzahl zusätzlicher Studienplätze für Hessen auf 23.000 prognostiziert. Die setzt sich wie folgt zusammen: im Jahr 2011 ca. 3.000, im Jahr 2012 ca. 3.600. Im Jahr 2013 steigt das auf 6.000 zusätzliche Plätze an, im Jahr 2014 wiederum auf 6.000. Im Jahr 2015 fällt diese Zahl dann auf 4.000 zurück.
Denn die Prognosen zeigen, dass dann die Studienanfängerzahlen fallen. Das bedeutet insgesamt, wenn man es prozentual betrachtet: Es geht von 45 % auf 59 % und fällt dann wieder auf 51 %.
Über die doppelten Jahrgänge haben wir hier ausführlich gesprochen. Da haben wir in Hessen eine besondere Lösung. Wir haben das auf drei Jahre aufgeteilt. Deswegen wird es in diesem Bereich eine Entlastung geben. Da sind wir besser als andere Bundesländer. Deswegen wird dieser Bereich etwas abgedämpfter sein, sodass sich die doppelten Abiturjahrgänge auf 2012 und 2014 verteilen können.
Jetzt kommt der neue Zusatz dazu. Wir werden allerdings die Aussetzung der Wehrpflicht berücksichtigen müssen. Wir müssen auch berücksichtigen, wie der Zusammenhang in diesem Bereich aussieht, was die Ersatzdienstleistenden betrifft, Frau Kollegin. Darauf haben Sie auch nicht geschaut. Das müssen wir auch ansehen. Wenn wir die ganze Sache betrachten, dann müssen wir das richtig machen und nicht nur Halbwahrheiten hier berichten. Beide Beispiele, die dort relevant sein könnten, müssen berücksichtigt sein.
Die Frau Ministerin hat bereits am Dienstag hier in der Fragestunde präzise darauf geantwortet, zumindest was den Bereich betrifft, der sich im Moment abzeichnen könnte, weil es kein richtiges Datenmaterial und keine Vergleiche zu einem Aussetzen des Wehrdienstes gibt; und es gibt keine Vergleiche dazu, was das an Folgen auch für den Ersatzdienst hat, Frau Kollegin. Deswegen sprach sie hier für diesen Zeitraum von etwa 3.000 bis 5.000 zusätzlichen Studenten. Damit könnte man rechnen. Das ist aber noch nicht abgesichert.
Vergleichen Sie das damit, dass allein die TU Darmstadt im letzten Jahr 5.000 Studenten mehr hatte. Dann ist das eine Zahl, die wir in Hessen verkraften können.
Das ist im System. Ich denke, das ist durchaus machbar. Das sind Herausforderungen, aber das ist zu machen. Da kann man sich nicht hierhin stellen und von einem Kollabieren unseres Systems sprechen. Das ist derart daneben und unverantwortlich von Ihrer Seite.
Wenn man sich einmal die Strukturen anschaut, wer heute in die Kasernen einrückt, dann sieht man, dass es sowieso nur noch jeder sechste junge Erwachsene ist, der zum Bund geht. Nur die Hälfte der Abiturjahrgänge geht entweder zum Bund oder zum Ersatzdienst. Daran sieht man, wie das auch abgefedert werden kann. Zum anderen – weil Sie das angesprochen haben – werden aufgrund der nicht belastbaren Daten die Verhandlungen mit der Bundesregierung und der Landesregierung im Moment vorangetrieben. Es gibt hier bereits eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern. Dort kümmert man sich bereits intensiv um diese Lösung und auch um die Finanzierung. Damit sind wir hervorragend gerüstet und werden dann weitersehen.
Wenn Sie das noch einmal auf der anderen Seite betrachten, darf ich Sie an unser HEUREKA-Programm erinnern. Wir sind in der Lage, in den nächsten Jahren dort über 3 Milliarden € in die bauliche Substanz zu investieren. Das betrifft die bauliche Infrastruktur, die komplette Erneuerung der Bauten an allen hessischen Hochschulen und die Konjunkturprogramme von über 540 Millionen €. Das Studentenwerksgesetz versucht, Verbesserung der Studienbedingungen aller Studierenden zu bringen. Das ist bereits in Auftrag gegeben und hat die ersten Erfolge zu vermelden.
Sie sehen, dass wir gut gerüstet sind. Wenn Sie noch weitere Fragen zu diesem Sachverhalt haben, gibt die Antwort auf die Große Anfrage Drucks. 18/1746 Ihnen Aufschluss. Das ist ein sehr gutes Papier der Landesregierung. Da können Sie noch bestimmte Dinge nachlesen. Ich glaube, dass wir gut gerüstet sind. Zum Schluss sage ich hier an dieser Stelle: Der Schnee ist im Anmarsch. Wir können locker in die Winterpause marschieren. Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten. Ich glaube, Hessen ist gut gerüstet für das Jahr 2011. – Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Tarek Al-Wa- zir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Rafael, Rafael, das ist ja schrecklich!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Studieren statt Marschieren“ haben die GRÜNEN diese Aktuelle Stunde genannt. Herr Al-Wazir, wir können dieses antimilitaristische Motto nur unterstützen, denn junge Menschen sind in der Tat an Hochschulen sehr viel besser aufgehoben als bei der Bundeswehr.
Meine Damen und Herren, wir sprechen über die geplante Aussetzung der Wehrpflicht, die einen neuen Ansturm von Erstsemestern an den hessischen Hochschulen erwarten lässt. Dabei haben wir bereits in diesem Wintersemester ein Rekordniveau an Studienanfängern erreicht. Im Vergleich zum letzten Jahr hat sich die Zahl um 3 % erhöht. Und die doppelten Jahrgänge durch die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit, durch G 8, kommen erst noch, nämlich ab 2012, an die hessischen Hochschulen. Frau Ministerin, Sie wissen seit Jahren, dass das so kommt, aber unternommen haben Sie nichts.
Herr Reißer, es gibt Studien, die davon ausgehen, dass der Bedarf sogar noch über der Prognose der KMK liegt. Es gibt eine Studie, die davon ausgeht, dass bis 2020 eine Million zusätzliche Studienplätze bundesweit nötig wären. Für Hessen würde das bedeuten: Im nächsten Jahre fehlen 4.500 und im Jahr 2014 sogar 8.000 Studienplätze, die benötigt werden.
Dabei haben die Hochschulen schon heute ihre Kapazitätsgrenzen überschritten. Die Hochschule Rhein-Main erhält derzeit Geld für 6.200 Studierende, bildet aber 9.300 aus. Das ist eine Auslastung von 150 %.
Der Präsident der TU Darmstadt hat uns im Ausschuss berichtet, wie dramatisch die Situation an seiner Uni ist. Auf 5.000 Studienplätze kommen 25.000 Bewerberinnen und Bewerber. Die TU Darmstadt stößt an ihre Kapazitätsgrenze, und durch den Hochschulpakt bekommt sie auch noch 4,5 Millionen € weniger an Finanzierung.
Das ist genau das Problem, Frau Ministerin. Denn genau in einer solchen Zeit zwingen Sie die Hochschulen mit Ihrem Hochschulpakt dazu, mehr Studierende mit weniger Mitteln auszubilden. Sie kürzen 30 Millionen € jährlich an den Hochschulen. Dieser Pakt wurde mit den Hochschulen nicht verhandelt, sondern mit der Androhungen weiterer Mittelkürzungen von den Hochschulen erzwungen. Frau Ministerin, wer den Hochschulen ein solches Spardiktat aufzwingt und die Präsidenten so massiv unter Druck setzt, wie Sie das getan haben, der handelt wirklich absolut verantwortungslos und darf sich auch nicht beschweren, wenn der Gegenwind mal etwas schärfer wird.
Die Landesregierung brüstet sich damit, dass sie die Ausgaben für die Hochschulen stetig erhöht habe. Wenn man
den Anstieg der Studierendenzahlen berücksichtigt und auch die Inflation mit berechnet, dann sieht man, dass sich die Ausgaben pro Studierenden nicht nach oben entwickelt haben, wie Sie das darstellen. Wenn der Hochschulpakt 2015 ausläuft, werden wir bei den Mitteln pro Studierenden ungefähr 20 % unter dem Niveau von 1999 liegen. Frau Ministerin, das ist wirklich ein Armutszeugnis für elf Jahre Hochschulpolitik dieser Regierung.
Die Hochschulen sollen auf der Basis sinkender Mittelzuweisungen dann noch zusätzliche Aufgaben erfüllen: die Zahl der Studienplätze erhöhen, die Bologna-Reform durchsetzen, die Studienabbrecherquoten senken. Diese Aufgaben sind derzeit schon nicht zu bewerkstelligen, schon gar nicht mit drastisch gekürzten Mitteln.
Von den Hochschulen wird bundesweit erwartet, dass sie mehr Studienplätze schaffen, damit die im internationalen Vergleich niedrige Studienanfängerquote in Deutschland erhöht wird. Aber das geht nicht ohne eine entsprechende finanzielle Ausstattung. Denn wenn der zusätzliche Bedarf an Studienplätzen nicht ausreichend finanziert wird, dann droht natürlich eine ganz erhebliche Verschlechterung der Ausbildungsqualität an den Hochschulen.
Das zeigt sich gerade: Infolge des Hochschulpaktes werden an den Hochschulen gerade Hunderte Stellen abgebaut. Das heißt, dass die Betreuungssituation noch schlechter werden wird.
Angesichts der zunehmenden Studierendenzahlen bei sinkenden Mitteln liegt es auf der Hand, was passieren wird: Die Clusterpreise werden sinken. Das heißt, die Ausbildungsqualität wird schlechter werden. Und die Hochschulen werden gezwungen sein, ihre Türen für Studierende und Menschen, die gern studieren möchten, dichtzumachen. Das wird durch NCs, durch Aufnahmestopps oder vielleicht sogar durch die Wiedereinführung von Studiengebühren geschehen.
Im Namen der Generationengerechtigkeit und der sogenannten Schuldenbremse beschneiden Sie die Bildungschancen kommender Generationen. Der Hochschulpakt bedeutet, dass die Qualität der Ausbildung in den nächsten Jahren abnehmen wird und dass eben nicht jeder, der das möchte, auch studieren kann. Die Kürzungen sind eine existenzielle Gefahr für Forschung und Lehre in Hessen.
Deshalb fordern wir, dass die unterfinanzierten Hochschulen konsolidiert werden, statt selbst einen Konsolidierungsbeitrag zum Haushalt leisten zu müssen. – Mein letzter Satz, Herr Präsident. – Daher fordere ich Sie auf, Frau Ministerin, den Hochschulpakt aufzuschnüren, neu zu verhandeln und die Kürzungen zurückzunehmen. Die Hochschulen brauchen eine höhere Grundfinanzierung, um diesen erneuten Studierendenansturm bewältigen zu können. – Vielen Dank.
gangspunkt dieser Aktuellen Stunde ist. Sie als GRÜNE, die diese Aktuelle Stunde beantragt haben, tun so, als gehe es in erster Linie um ein Problem. Nein, in erster Linie geht es um eine sehr positive Entwicklung. Aufgrund der Überwindung der Teilung der Welt und der Tatsache, dass wir als Deutschland nur noch von Freunden umgeben sind, können wir jetzt auf eine Wehrpflichtarmee verzichten.
Die Wehrpflicht ist ein großer Eingriff in die Freiheit eines jungen Menschen. Sie war historisch erforderlich. Heute ist sie dies nicht mehr.