Protokoll der Sitzung vom 02.02.2011

und zwar genau im Interesse des Gemeinwohls, im Sinne demokratischer Steuerung.

Das ist die Antwort darauf. Es würde mich sehr verwundern, wenn Sie nicht in der Lage wären, dieses Stückchen Weg mitzugehen und zu sagen: Ja, das ist richtig, wir haben gelernt, dass das, was bei der Finanzmarktkrise passiert ist, auch teilweise in den Parlamenten, die in Stundenentscheidungen milliardenhohe Bürgschaften zur Verfügung stellen mussten, um das System vor dem Kollaps zu sichern, eine Ohnmacht bei den Bürgerinnen und Bürgern ausgelöst hat, die eine Antwort erfordert. – Genau das ist die Kritik daran, und die ist richtig formuliert.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will mir Ihre Anmaßung nicht zu eigen machen. Aber insofern hätten Sie die Möglichkeit, in einer weiteren Runde jetzt Ihrerseits zu erklären, wie Sie eigentlich mit diesen Umständen umgehen wollen.

Ich will eine letzte Bemerkung machen. Vorhin habe ich nur Teile zitiert. Ich lasse keine Belehrungen mehr zu – das ist ja der Punkt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das müssen Sie schon zulassen!)

Mein Eindruck ist, Sie glauben, Sie hätten die Deutungshoheit über Freiheit und Demokratie. Die haben Sie nicht.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das kommt nicht auf uns an, das müssen Sie schon ertragen!)

Wir werden es in diesem Hause nicht mehr zulassen, dass Sie glauben, mit Ihrer Mehrheit Deutungshoheiten – – Wir werden es akzeptieren, dass Sie die Mehrheit haben. Aber wir werden nicht widerspruchsfrei akzeptieren, dass Sie immer versuchen, solche Debatten im politischen Kampf, in der politischen Auseinandersetzung zu missbrauchen.

Deswegen habe ich die Beispiele von Ihnen und Ihre Bemerkungen über Freiheit und Demokratie zum Thema gemacht. Ich werde sie auch immer wieder in Bezug auf

Herrn Irmer zum Thema machen. Denn nach wie vor bin ich davon überzeugt, Freiheit und Demokratie sind mehr als rein formale Rechte. Sie beinhalten auch das Recht, sich offen zu sexueller Orientierung zu bekennen, zu politisch anderen Grundauffassungen – und niemand hat das Recht, jemanden deswegen zu diskreditieren, wie das Herr Irmer in seinem Schmierblatt immer wieder tut. Genau das ist der Kern der Debatte, um den es geht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Lebhafte Zurufe von der CDU und der FDP – Peter Beuth (CDU): Wie Sie es gerade gemacht haben! Sie sind ein Heuchler!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, ich sage Ihnen,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie fangen ja schon wieder an!)

Freiheit und Demokratie, Gerechtigkeit und internationale Solidarität sind die Tradition der deutschen Sozialdemokratie.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Sie finden ihre Verwirklichung in der Gewaltenteilung, in unserer parlamentarischen Demokratie und in demokratischen Institutionen. Sie finden ihre Verwirklichung im umfassenden Schutz persönlicher Freiheitsrechte. Sie finden ihre Verwirklichung in einem solidarischen Sozialstaat, der die Würde des Menschen ohne Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit schützt. Sie finden ihre Verwirklichung in der Gleichwertigkeit eines jeden Menschen. Darum geht es – nicht um Ihren kleinen politischen Kram, den Sie heute hier gerade wieder versucht und hinreichend versenkt haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Judith Lannert (CDU): Ist das wirklich Ihre Meinung?)

Das Wort hat Herr Abg. Al-Wazir.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass der Versuch, Geschichte in einem parteipolitischen Sinne zu interpretieren und sie dann in der tagespolitischen Auseinandersetzung als Knüppel einzusetzen, nicht funktioniert, dann hat die Debatte der letzten zwei Stunden gezeigt, dass es so ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Lieber Kollege Wagner, lieber Kollege Rentsch, die Debatte der letzten zwei Stunden, die Tatsache, wie wir hier debattiert haben, die Tatsache, dass wir natürlich – danach hätte man die Uhr stellen können – im Ältestenrat gelandet sind, dazu sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP: Ziehen Sie diesen Antrag zurück,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja!)

und lernen Sie daraus. Ziehen Sie ihn zurück, und lernen Sie daraus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Herr Ministerpräsident, ich habe mich aus folgendem Grund noch einmal gemeldet. Es ist schon ein ziemlich starkes Stück, dass wir am Ende einer Debatte in eine Situation kommen, in der der Regierungschef hierhin tritt und die SPD-Opposition befragt, was denn von Bad Godesberg noch gilt oder nicht. Das zeigt doch, in welcher verrückten Situation wir am Ende dieser Debatte gelandet sind.

Wissen Sie, das Grundproblem, das Sie bisher nicht thematisiert haben – deswegen verstehe ich auch, warum die Kolleginnen und Kollegen der SPD langsam allergisch werden –, ist doch Folgendes. Wenn man am Ende dieser Debatte immer noch Diktatur des Proletariats, Kommunismus und demokratischen Sozialismus im Programm der SPD von 2007 gleichsetzt,

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Dann hat man nichts verstanden!)

dann will man es nicht verstehen. Man will es nicht verstehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das genau ist der Punkt, der hier unter dem Stichwort intellektuelle Fähigkeiten oder bewusstes Nichtverstehen mehrfach genannt wurde. Ich stelle mich doch auch nicht hin, zitiere das Ahlener Programm der CDU und behaupte, deshalb ist die CDU eine sozialistische Partei. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist doch albern. Das ist doch völlig albern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Peter Beuth (CDU): Sie können sich beruhigen: Das Ahlener Programm gilt nicht mehr!)

Insofern möchte ich Sie bitten – wir haben noch eine Plenarrunde vor der Kommunalwahl –, damit wir beim nächs ten Setzpunkt der CDU nicht wieder die Uhr stellen können, wann wir im Ältestenrat landen, zu überlegen

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Unglaublich! Das hat doch nichts mit Absicht zu tun! Wer ist denn gerügt worden?)

Herr Wagner, überlegen Sie doch einmal –, ob das wirklich dieses Parlament weiterbringt, ob das dieses Land weiterbringt, ob das diese Regierung weiterbringt.

Ich verstehe ja, was in Ihrem Hinterkopf vorgegangen ist. Sagen wir doch einmal, worum es geht.

Die letzte Umfrage, die wir aus Hessen haben, sieht die Union bei 32 %, die FDP bei 5 %. Jetzt kommt Gesine Lötzsch daher und schwafelt vom Kommunismus – und da sagen Sie: Da ist ja unser Defibrillator! Damit bringen wir unsere Stammwähler wieder ins Leben zurück.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das ist doch genau das, worum es hier geht. Darum bitte ich Sie, doch einmal genau zu überlegen, ob das am Ende wirklich im Sinne der Erfinderin oder des Erfinders ist.

Herr Ministerpräsident, neuer Stil – den Sie angekündigt haben – war weder Ihr Redebeitrag noch das, was Ihre Koalition hier gemacht hat. Deswegen war das heute hier ein abschreckendes Beispiel, aus dem wir lernen sollten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Peter Beuth (CDU): Ein Beispiel?)

Das Wort hat der Abg. Rentsch.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ihr gebt es nicht auf!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Al-Wazir, ich glaube, mit Ihrem Redebeitrag haben Sie das Problem relativ kenntlich gemacht, das es heute hier gibt. Das war der Versuch – wie auch der Redebeitrag vom Kollegen Wagner –, bei einem Thema, das wirklich eine große Bedeutung hat – ich will Ihnen auch gleich erklären, warum –, zu relativieren, abzulenken

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ist es!)

und Geschichte in einen falschen Kontext zu stellen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich muss wirklich sagen, dass ich nach den Debatten und den Ordnungsrufen wirklich glaube, dass Sie beide mit Ihren Reden heute dem Problem und der Gefahr, die sich aus dieser Thematik ergibt, wirklich nicht gerecht geworden sind.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was?)

Es ist doch nicht die Frage, wer eine Debatte setzt. Das war doch ein bisschen Ihre Argumentation: Sie haben diese Debatte gesetzt, also müssen Sie auch davon ausgehen, dass es in diesem Haus schlechtes Benehmen gibt.

(Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))