Ich finde es schade im Interesse der Betroffenen, dass an dieser Stelle eine solche Stimmung mit falschen Behauptungen gemacht wird, mit Unterstellungen, mit denen nur Stimmung gemacht werden soll, mit denen abgelenkt werden soll im Hinblick auf die Flucht aus der eigenen Verantwortung, die SPD und GRÜNE in diesem Zusammenhang zu tragen haben.
Deswegen will ich Ihnen sagen, dass die regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben, die in § 6 des Regelbedarfsermittlungsgesetzes entsprechend zu berücksichtigen sind, letztendlich auch über das Bundeskindergeldgesetz berücksichtigt werden und insofern allen berechtigten Personen eine entsprechende Fahrtkostenerstattung geleistet wird. – Auch an dieser Stelle ist der SPD-Antrag falsch. Er ist wahrscheinlich sogar wissentlich falsch, und das finde ich ziemlich verwerflich.
Herr Kollege Rudolph, das ist nicht unverschämt, sondern da steht es schwarz auf weiß. Ihren Dringlichen Antrag haben Sie zu Beginn der Plenarwoche eingebracht, und da waren die Regelungen schon längst klar. Hätten Sie ihn vor drei Wochen eingebracht, hätten wir noch darüber reden können. Aber Ihr Antrag datiert von vorges tern mit der Unterschrift Ihres Fraktionsvorsitzenden. Da war die Sache schon klar, dass es falsch ist, was Sie hineinschreiben, dass Sie Stimmung machen wollen und nicht die Realitäten wahrnehmen wollen. Das ist der Grund, weshalb ich das an dieser Stelle sage. Ich finde das auch schade.
Ich will noch etwas sagen. Hätte es nicht die Initiative von drei Ministerpräsidenten gegeben, würden wir möglicherweise heute noch verhandeln. Wir würden deswegen heute noch verhandeln, weil diese Verhandlungen – das kann ich im Nachhinein sagen – von Anfang an aufseiten der Verhandlungsführer, Frau Schwesig auf der SPD-Seite und Herrn Kuhn auf der Seite der GRÜNEN, geprägt worden sind von den Machtverhältnissen im Bundesrat und nicht von der Sache. Sie wollten eigentlich keine Einigung.
Herr Beck hat es Ihnen ein bisschen gezeigt, hat es Ihnen vorgemacht. Das ist an dieser Stelle auch akzeptabel. Aber Sie wollten keine Einigung, deswegen können Sie
sich heute nicht hierhin stellen und so tun, als ob diese Einigung nur auf Ihrem Mist gewachsen wäre.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Grüttner, ich finde das schon einen bemerkenswerten Vorgang: Im letzten Plenum, als es um die Frage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ging, standen Sie an diesem Pult und haben die SPD und die GRÜNEN dafür kritisiert, dass sie Forderungen in den Vermittlungsausschuss eingebracht haben, die mit dem Regelsatz eigentlich überhaupt nichts zu tun haben. Damals haben Sie wortreich erklärt, wie unsachlich das sei, wie gemein das sei, das habe Roland Koch nie gemacht, als die CDU im Bundesrat noch die Mehrheit hatte. Nebenbei bemerkt: Das hat er genauso gemacht. – Sie haben darüber geklagt, dass im Vermittlungsausschuss über den Mindestlohn, über Equal Pay und über viele andere Fragen verhandelt wurde. Darüber haben Sie sich hier wortreich beschwert. Sie haben gesagt: Eigentlich geht es doch nur um den Regelsatz.
Heute stellen Sie sich hierher und sagen: Liebe Freundinnen und Freunde, ich komme aus Berlin, hört mal her, was ich alles erreicht habe; ich habe so viele Verbesserungen erreicht, das Bildungspaket ist toll, die Kostenübernahme durch den Bund ist toll. – Herr Grüttner, Sie wollten das alles anfangs doch gar nicht. Wenn es nach Ihnen, nach CDU und FDP gegangen wäre, hätte der Bundesrat im Dezember der Vorlage der Bundesregierung zugestimmt. Dann hätte es kein Jota an Verbesserungen gegeben. Das ist die Wahrheit.
Nur weil GRÜNE und SPD dieses Vorhaben im Bundesrat gestoppt haben, kamen die Verbesserungen überhaupt in die Diskussion.
Es ist natürlich eine große Frechheit, sich hierhin zu stellen und zu sagen: Jetzt schleicht ihr euch aus der Verantwortung. – Allein mit Hessen und allen anderen schwarz regierten Ländern hätte es diese Verbesserung nie gegeben.
Zweitens. Herr Grüttner, Sie haben aus den Interna der Verhandlungen berichtet. Ihre Aussage steht jetzt im Raum; wenn Herr Kuhn da wäre, würde er Ihnen wahr
scheinlich widersprechen. Deshalb kann man darüber nachdenken, ob es ein guter Stil ist, aus internen Verhandlungen zu berichten. Das müssen Sie aber mit sich ausmachen.
Fakt ist – Herr Rock, Sie können das ja „detailverliebt“ nennen –, dass die entscheidenden Fragen, die uns das Bundesverfassungsgericht in das Hausaufgabenheft geschrieben hat – Veränderung der Referenzgruppe: 15 oder 20 %, Herausrechnung der „verdeckten Armen“, um Zirkelschlüsse in der Berechnung zu vermeiden –, in Ihrem Entwurf nicht auftauchen. Warum das so ist, konnten Sie nicht beantworten. Sie können das nur als finanzpolitisch motiviert erklären. Aber es steht im Widerspruch zu dem, was das Bundesverfassungsgericht gesagt hat. Ich habe zu Beginn meiner Rede die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zitiert. In drei Punkten hat uns das Bundesverfassungsgericht doch klare Hausaufgaben gegeben. Diese Punkte sind in dem Entwurf der Bundesregierung vernachlässigt worden.
Herr Grüttner, wenn Sie sich darauf zurückziehen, zu sagen: „Damit stehlen Sie von den GRÜNEN sich aus der Verantwortung“, dann antworte ich Ihnen – ich meine das gar nicht böse –: Ich glaube, man sieht sich an diesem Punkt ein zweites Mal. Bei der Privatisierung der Uniklinik Gießen haben wir heute Vormittag schon einmal erlebt, dass Sie sich bei der Frage vergaloppiert haben, ob ein Gesetz verfassungsgemäß ist. Ich glaube, auch an dem Punkt werden wir uns wiedersehen, und dann werden wir wissen, ob das, was Sie in den letzten Wochen beschlossen haben, tatsächlich verfassungskonform ist. Aber es ist zu billig, zu sagen: Weil die GRÜNEN eine andere Position zu dem haben, mit was uns das Bundesverfassungsgericht beauftragt hat, und jetzt dagegen sind, sind sie verantwortungslos. – Ich glaube vielmehr, dass wir Verantwortung dafür tragen, dass wir auch noch in einem Jahr in den Spiegel schauen und sagen können: Wir haben davor gewarnt, dass das nicht verfassungskonform ist.
Deshalb kommen Sie nicht so billig davon, sich für Erfolge zu feiern, die Sie gar nicht verdient haben, weil Sie am Anfang dagegen waren. Sonst wäre dieses Gesetz schon längst verabschiedet worden. Das waren nicht Ihre Erfolge, sondern die Erfolge der SPD und der GRÜNEN. Sie konnten die Frage nicht beantworten, wie Sie die Probleme lösen wollen, die das Bundesverfassungsgericht angesprochen hat. Herr Grüttner, Ihre heutige Argumentation war sehr billig.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bocklet, ich hätte Ihnen wirklich gern eine Zwischenfrage gestellt. Da Sie sie nicht zugelassen haben, stelle ich sie auf diesem Wege.
Erstens. Welchen konstruktiven Beitrag haben die GRÜNEN dazu geleistet, dass wir heute dieses Ergebnis haben?
Zweitens. Für den Fall, dass Sie sagen, Sie haben keinen konstruktiven Beitrag zu dem Ergebnis geleistet, wäre ich dankbar, wenn Sie den Hessischen Landtag darüber informierten, weshalb die GRÜNEN in ihren jeweiligen Regierungsbeteiligungen dem Kompromiss nicht zugestimmt haben.
Eine sachliche Frage sollte man sachlich beantworten. Der konstruktive Beitrag der GRÜNEN im Bundestag dazu war, dass die GRÜNEN gesagt haben: Wir wollen ers tens eine neue Berechnungsgrundlage – –
Wollt ihr keine Antwort haben? – Die GRÜNEN haben die Position eingebracht, 20 % der untersten Einkommensbezieher zur Berechnung heranzuziehen – statt 15 % –, wir haben die Position eingebracht, dass man einen Mindestlohn braucht, weil das direkt damit zusammenhängt, wie viele Zahlungen aus ALG II man tatsächlich leisten muss, und die GRÜNEN fordern Equal Pay bei der Zeitarbeit von Anfang an. Die GRÜNEN haben also mehrere Punkte eingebracht. Das war der Beitrag, Herr Boddenberg, den die GRÜNEN geleistet haben.
Die Bundestagsfraktion kam am Ende in der Abwägung bei der Frage, ob man Verantwortung dafür übernehmen kann, dass man einen Beschluss fasst, der große Zweifel an der Verfassungskonformität lässt, zu einem ablehnenden Beschluss. Ich weiß nicht, wie wir hessischen GRÜNEN in solchen Verhandlungen abgeschnitten hätten. Das lasse ich offen. Ich nehme aber zur Kenntnis, dass die Bundestagsfraktion so entschieden hat. Ich glaube, man kann diese Entscheidung guten Gewissens vertreten. Ich glaube auch, in einem Jahr sind wir schlauer, ob Sie recht hatten oder ob es tatsächlich verfassungswidrige Regelsätze sind.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, ich finde es schon erstaunlich, wie lange und wie ausführlich Sie an den wesentlichen Dingen vorbeireden können. Kein Wort darüber, wie die Regelsätze für Kinder und Jugendliche zustande gekommen sind, kein Wort zu den Dingen, die ich hier als Kritikpunkte konkret benannt habe. Dazu schweigen Sie. Aber Sie schreiben sich die sozialpolitische Kompetenz zu und sprechen sie allen anderen ab. Ich glaube, dass man in der Sozialpolitik immer verschiedene Wege gehen kann und dass der eine Weg richtig sein kann, ohne dass der andere Weg zwingend falsch sein muss. Das wäre ein Minimalkonsens. Aber
nicht einmal dazu sind Sie in der Lage. Nur Ihr Weg ist der richtige, auch wenn sich seit Jahren zeigt, dass es eben nicht der richtige Weg ist. Die Zahlen weisen das objektiv nach.
Herr Minister, erklären Sie mir, wie Sie in Hessen „fördernd und fordernd“ 200.000 Arbeitslose auf 30.000 Arbeitsplätze – mit Vollzeitbeschäftigung – verteilen wollen, sodass die Menschen von ihrem Einkommen leben können. Das geht objektiv gar nicht. Das habe ich schon in der Grundschule im Mathematikunterricht gelernt. Das kann nicht funktionieren. Das heißt, Ihr gesamtes Modell ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Sich dann hierhin zu stellen und zu sagen: „Wir brauchen aber Sanktionen, weil sich sonst die Menschen nicht um Arbeit bemühen“, ist dreist. Die Bundesagentur für Arbeit hat ermittelt, dass 90 % der Erwerbslosen arbeiten wollen und bereit sind, dafür niedrige Löhne in Kauf zu nehmen, bereit sind, dafür weite Wege zur Arbeit in Kauf zu nehmen, bereit sind, dafür in einem Job unterhalb ihrer Qualifikation zu arbeiten.
All das hat die Bundesagentur für Arbeit ermittelt. Wenn Sie das einfach negieren und sagen: „Wir brauchen Sanktionen“, dann antworte ich Ihnen: Nein, Sie missbrauchen die Sanktionen, um noch einmal Geld zu sparen. Sie führen unsinnige Maßnahmen durch. Die Menschen werden x-mal für nichts und wieder nichts einbestellt. Die Menschen werden immer und immer wieder in Maßnahmen gesteckt. Das Tollste, was ich gehört habe, war ein sechsmonatiger Putzfrauenkurs, wo eine Frau mittleren Lebensalters darin qualifiziert wurde, wie sie richtig putzt. Das finde ich zumindest grenzwertig.
Ja, auch das muss man lernen, aber ich glaube nicht, dass eine Mutter von vier Kindern im mittleren Lebensalter dafür einen sechsmonatigen Kurs braucht.
Man kann noch mehr solcher Maßnahmen finden. Wir alle haben bei Anne Will von der Maßnahme gehört, bei der Menschen mit einem Rasenmäher, in dem keine Messer eingebaut sind, lernen sollen, wie man einen Rasen mäht. So etwas ist nicht sinnvoll. Wenn sich Menschen weigern, solche Maßnahmen über sich ergehen zu lassen, werden sie sanktioniert.
(Michael Boddenberg (CDU): Das ist eine Beleidigung all derer, die sich von morgens bis abends um diese Leute kümmern! Das ist eine Unverschämtheit!)
Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, machen Sie es in Form einer Kurzintervention. Das, was Sie hier machen, halte ich für ein Unding.