Aber bei einer Reform dieses Umfangs ist es natürlich auch klar, dass man nicht alles vorher sehen kann und nachsteuern muss. Das ist selbstverständlich, und der De
batte werden wir uns auch ständig stellen. Deshalb muss man heute deutlich machen, dass diese inhaltliche Diskussion, die Auswertung, die Evaluierung, die Optimierung dieser Reform fortgesetzt werden müssen.
An der Stelle möchte ich auf eine Kontroverse hinweisen. Das haben wir heute schon das eine oder andere Mal gehört. Das ist eine Kontroverse, die nicht einmal speziell in diesem Hause ausgetragen wird, sondern das ist eher eine Kontroverse zwischen den Ländern und Bundesarbeitsminister Scholz mit seiner unsäglichen Politik zu § 16 SGB II. Diese Politik haben wir hier schon häufiger – aus meiner Sicht zu Recht – kritisiert.
Mit seiner Politik hat Herr Scholz die falschen Lehren gezogen. Falls man unterstellt, dass Herr Scholz in der Lage ist, die klaren Vorteile von regionalen und zielgenauen Förderinstrumenten für Langzeitarbeitslose zu erkennen, trotzdem den Spielraum der Argen und Optionskommunen maßgeblich einschränkt und damit nicht wirklich aufhört, hat dies möglicherweise keine fachliche, sondern eine grundsätzliche politische Motivation.
Mit diesem Verhalten hat sich Herr Scholz zumindest in den Augen der FDP als Verfechter des Kerns der HartzReform beschädigt. Aus diesem Grund sind wir natürlich auch, wenn wir erleben, was Herr Scholz in diesem Bereich auf den Weg bringt, mehr als misstrauisch. Ich bin der Meinung – das ist jetzt einmal von der inhaltlichen Debatte abgehoben –, das sich die politisch Verantwortlichen nicht einfach in den Wahlkampf verabschieden dürfen. Dieses Thema ist einfach viel zu wichtig, um es an der Stelle zu zerreiben.
Die Kommunen haben es in einem Gewaltakt unter größten Anstrengungen und unter Erschwernissen für die Betroffenen, die Hilfeempfänger, aber auch unter maßgeblicher Leistung der Mitarbeiter in der Verwaltung geschafft, diese Reform in einem Rekordtempo umzusetzen.
Natürlich hakt es an der einen oder anderen Stelle. Aber ich möchte darauf hinweisen: Hier wurde viel investiert, um eine neue Verwaltung aus dem Boden zu stampfen,die sich passgenau mit den Langzeitarbeitslosen beschäftigt.
Sicher sind noch nicht alle Optionskommunen und Argen an ihrem Leistungsoptimum angekommen. Ich glaube, das ist unstrittig.Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, was passieren wird, wenn wir keine verfassungsändernde Mehrheit zusammenbekommen, um die Argen und Optionskommunen verfassungsmäßig abzusichern. Ich bin sehr erschrocken, wenn ich mir überlege, wie das eigentlich weitergehen soll.
Hier ist die Große Koalition in einer besonderen Verantwortung. Wenn die Große Koalition nicht in der Lage ist, diese Verfassungsänderung zu stemmen, dann wird es für eine andere Mehrheit, die vielleicht im September zustande kommt, umso schwieriger.
Deshalb ist hier verantwortungsvolles Handeln gefragt. Und deshalb ist es richtig und wichtig, dass die Landesregierung im Sinne dieses Kompromisses im Bundesrat nach Mitstreitern sucht und, sobald sich eine Gelegenheit bietet, diese klug und energisch ergreift.
Genau das ist die Aussage unseres Antrags. Mehr kann man momentan aus Sicht des Landes Hessen hier nicht tun.
Für Hessen ist es dabei natürlich wichtig, dass die bestehenden Optionskommunen abgesichert werden, aber sich künftig auch weitere Kommunen für das Optionsmodell entscheiden dürfen.
Ich glaube, im Grundsatz gibt es hier keinen Dissens zu dem, was die GRÜNEN wollen, sondern nur beim zeitlichen Ablauf. Sie fordern einen anderen zeitlichen Ablauf, nämlich eine sofortige Initiative. Nach unserer Einschätzung hätte diese zurzeit keine Chance auf Erfolg. In der Sache sind wir einer Meinung, nur über die richtige Taktik gibt es womöglich noch unterschiedliche Einschätzungen.
Bei dieser Diskussion habe ich immer den Eindruck, viele Verantwortliche – vielleicht auch einige hier im Haus – glauben, die Konsequenzen für die Auflösung der Argen seien derart undenkbar, dass sie schon nicht kommen werde; es werde irgendwann Manna vom Himmel regnen, und uns werde eine Lösung in den Schoß fallen. – Das wird so nicht kommen.
Wer heute nicht energisch an einem Kompromiss und an dessen verfassungsmäßiger Absicherung arbeitet, der vergeht sich an allen Menschen, die von dieser Leistung abhängig sind, und an denen, die in diesem Bereich arbeiten.
Die Einstellung, dieses Problem aussitzen zu wollen, halte ich für sehr gefährlich. Deswegen glaube ich, das Land Hessen ist gut beraten, jede Möglichkeit zu ergreifen, die hier Abhilfe schafft. Hier habe ich großes Vertrauen in die Landesregierung. – Danke.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Thema, das wir heute diskutieren, ist ein Beispiel, an dem man gut erkennen kann,dass auch dann,wenn alle etwas Gutes wollen, nicht automatisch etwas Gutes herauskommt.
Das, was uns heute diese Probleme bereitet, hat in sich seine Sinnhaftigkeit und Logik. Die saubere Trennung der verschiedenen Ebenen und der Zuständigkeiten durch die Föderalismusreform ist für die Zukunft unseres Landes sicherlich wichtig und richtig. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts,das die Argen in ihrer bisherigen Form für verfassungswidrig erklärt hat, finde ich in einer Hinsicht sogar richtungweisend. Das Verfassungsgericht hat gesagt, der Bürger muss, wenn er mit dem Staat zu tun hat, wissen, welche Ebene er für das, was ihm geschieht, verantwortlich machen kann. Das halte ich für ei
nen ganz elementaren demokratischen Grundsatz, der richtig ist. Dass er leider zu dem Ergebnis führt, dass die Arge verfassungswidrig ist, ist ein
Wenn sich eine Bundestagsfraktion auf den Standpunkt stellt, unsere Verfassung sei so wichtig, dass man sie nicht einfach ändern könne, wenn das Verfassungsgericht etwas für verfassungswidrig erklärt,und man grundsätzlich nicht mit unserer Verfassung beliebig umgehen könne, dann ist das prinzipiell richtig.
Das sind die Probleme, die wir auf der einen Seite haben. Auf der anderen Seite gibt es zwei Prinzipien, die wir ebenfalls einräumen müssen. Zum einen ist es gerade in schwierigen, in Notsituationen wichtig – und Langzeitarbeitslose sind in Notsituationen –,dass klare Konzepte zur Hilfe zur Verfügung stehen. Dass dabei Hilfe aus einer Hand unterschiedlichen Strukturen immer überlegen ist, liegt ebenso logisch auf der Hand.
Genauso klar ist auch, dass Langzeitarbeitslosigkeit ein Problem ist,das in der Regel in der Region beheimatet ist. Das ist weniger eine Branchenfrage, sondern eine Frage danach, wie die Gesamtstruktur einer Region aufgestellt ist,um die Zukunftschancen und die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen zu erleichtern. Deswegen ist es sinnvoll, Langzeitarbeitslosigkeit zumindest näher an den Kommunen anzusiedeln.
Herr Staatsminister Banzer, Sie haben gesagt, es ist richtig, dass auch eine Bundestagsfraktion das Thema Verfassungsänderung problematisiert. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass die Staatskanzleien und die Justizministerien der beteiligten Länder ebenso wie die Bundesebene diese Frage sehr ernsthaft geprüft haben und zu der Überzeugung gekommen sind, dieser Kompromiss sei verfassungsgemäß?
Ja, das glaube ich schon. Aber wir erleben es öfter, praktisch auch bei jedem Tagesordnungspunkt in diesem Landtag, dass jede Fraktion ein Problem ernsthaft prüft und merkwürdigerweise dennoch zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. Das ist leider der Lauf der Dinge.
Wir stehen jetzt vor der Aufgabe, richtige Prinzipien, die an schwierigen Kriterien zu scheitern drohen, miteinander in Einklang zu bringen. Dies ist natürlich massiv erschwert worden – diese Kritik muss sich der Kollege Scholz gefallen lassen –, weil man zu spät mit der Problemlösung begonnen hat. Denn gerade dann, wenn es so viele unterschiedliche Positionen gibt, braucht es die parlamentarische Diskussion, um die verschiedenen Standpunkte und Lösungsmöglichkeiten aneinander anzuglei
chen. Hier ist viel Zeit verschenkt worden. Meine Vorgängerin und die Landeskollegen hatten erhebliche Mühe, um das Bundesministerium zuerst einmal auf die Linie zu bringen, die Verfassung ändern zu wollen, also die Argen verfassungsmäßig abzusichern. Herr Scholz war lange Zeit nicht auf diesem Trip,über ein Jahr lang.Das ist ja das Problem. Dieses Jahr ist verloren gegangen, das brauchen wir jetzt, um überhaupt das Bewusstsein zu schaffen und zu diskutieren.
Inzwischen sind wir aber ein gutes Stück weiter.Wenn ich die Stellungnahmen des heutigen und des gestrigen Tages sehe – Diskussionsbereitschaft seitens der FDP; Herr Scholz ist optimistisch, dass es zu einer Lösung kommt –, dann sage ich: Diese parlamentarischen Debatte muss sein. Dafür werden wir uns jetzt die Zeit nehmen müssen.
Ich verstehe es, wenn eine Fraktion, die weder hier noch in Berlin regiert, sagt: Macht schnell eine Bundesratsinitiative. – Das würde ich mir auch nicht nehmen lassen.
Aber wir wissen doch: Die ist schnell geschrieben, aber sie braucht eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat und im Bundestag. Deswegen muss hier schon sauber diskutiert werden. Es kommt jetzt nicht darauf an, Aktionismus zu zeigen, sondern es muss in einem geeigneten Abstimmungsprozess versucht werden, die Prinzipien, über die wir uns Gott sei Dank einig sind, mit den Kriterien, die uns das Leben an dieser Stelle erschweren, in Übereinstimmung zu bringen und das Beste für die Betroffenen herauszuholen. Ich bleibe optimistisch und hoffe immer noch, dass wir das hinbekommen.
Herr Minister, der Kollege Dr. Jürgens hatte eigentlich an Sie eine Zwischenfrage. Das würde jetzt zu einer Schlussfrage, wenn Sie damit einverstanden sind.
Herr Staatsminister,sind Sie nicht der Auffassung,es wäre sehr viel einfacher, eine notwendige Einigung herbeizuführen, wenn das parlamentarische Verfahren zunächst einmal gestartet wird, anstatt bei dem bekannten Zeitproblem, das wir haben, jetzt abzuwarten, bis alles zu spät ist, und dann gar keine Chance mehr zu haben, eine Gesetzesinitiative zu starten?
Nein, ich habe gelernt, dass es in einem Irrgarten oft darauf ankommt, an welcher Stelle man einfädelt, um zum Ziel zu kommen. Deswegen glaube ich, man muss bei dieser Diskussionslage schon genau schauen, wann und wie man anfängt, damit man zum Erfolg kommt.
Herr Minister, es gibt noch eine.Wollen Sie antworten? – Also, bitte, das ist die letzte Zwischenfrage am Schluss.
Herr Minister, Sie sprachen von der „verständlichen Position der Bundestagsfraktion“, die man nachvollziehen könne. Die Bundestagsfraktion der CDU lehnt diesen Kompromiss ja ab, weil sie keine Verfassungsänderung will.Herr Minister,ich frage Sie:Können Sie mir erklären, welche Lösung es jenseits einer Verfassungsänderung geben könnte? Wir sind uns dessen bewusst, dass Sie dazu immer eine Zweidrittelmehrheit brauchen. Die Bundestagsfraktion will sie aber nicht. Glauben Sie, dass Sie nach der Bundestagswahl allein eine Zweidrittelmehrheit haben werden? Auch dann brauchen Sie noch die SPD. Deswegen erklären Sie uns bitte diese Position.