Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

Herr Minister, Sie sprachen von der „verständlichen Position der Bundestagsfraktion“, die man nachvollziehen könne. Die Bundestagsfraktion der CDU lehnt diesen Kompromiss ja ab, weil sie keine Verfassungsänderung will.Herr Minister,ich frage Sie:Können Sie mir erklären, welche Lösung es jenseits einer Verfassungsänderung geben könnte? Wir sind uns dessen bewusst, dass Sie dazu immer eine Zweidrittelmehrheit brauchen. Die Bundestagsfraktion will sie aber nicht. Glauben Sie, dass Sie nach der Bundestagswahl allein eine Zweidrittelmehrheit haben werden? Auch dann brauchen Sie noch die SPD. Deswegen erklären Sie uns bitte diese Position.

Ich bin relativ optimistisch, was die Bundestagswahl betrifft, aber zwei Drittel halte ich für übertrieben.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das trügt! – Heiterkeit bei der SPD)

Nein, wir haben – das wollte ich deutlich machen – einen klassischen Zielkonflikt. Ich finde, dieses eine Argument lässt sich in jeder verfassungsmäßigen Diskussion hören, aber es führt an dieser Stelle zum falschen Ergebnis. Deswegen weise ich ja darauf hin: Wir brauchen Zeit, um das mit den Beteiligten zu diskutieren und dieses eine Kriterium abzuwägen: Lasst an dieser Stelle die Verfassung in Ruhe, weil man das prinzipiell nicht so machen sollte. Es kommt zum einen sehr darauf an, dass diese Hilfen aus einer Hand erfolgen und dass sie kommunal verantwortlich sind und dass sie zum anderen vom Bund mitfinanziert werden. Das ist ein Zielkonflikt; und da brauchen wir Zeit, bis wir ihn austragen können.

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Es wurde vereinbart, sofort abzustimmen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf:Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Hilfe aus einer Hand bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhalten – Landesregierung muss im Bundesrat aktiv werden, Drucks. 18/229.

Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und GRÜNE. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Enthaltungen? – DIE LINKE. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 72 auf: Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Reform der Betreuungsstrukturen für Arbeitsuchende nach dem SGB II, Drucks. 18/301.

Wer hier seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und FDP. Gegenstimmen? – DIE LINKE. Enthaltungen? – SPD und GRÜNE. Damit ist dieser Dringliche Entschließungsantrag, Drucks. 18/301, mit Mehrheit beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 38 auf:

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend sichere, umweltverträgliche und preiswerte Energieversorgung für Hessen – Drucks. 18/259 –

mit dem Tagesordnungspunkt 19:

Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend kein Ausstieg aus dem Atomausstieg – Drucks. 18/209 –

und Tagesordnungspunkt 21:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Umweltministerin Lautenschläger betreibt Geschäft der Atomlobby – Drucks. 18/223 –

und Tagesordnungspunkt 25:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Energieversorgung von morgen gestalten – Atomrisiko beenden – Drucks. 18/227 –

sowie Tagesordnungspunkt 78:

Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend sichere, umweltverträgliche und preiswerte Energieversorgung für Hessen nur ohne Kohle und Atom erreichbar – Drucks. 18/307 –

Die vereinbarte Redezeit zu dieser verbundenen Debatte beträgt zehn Minuten. Es beginnt der Kollege Stephan von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, verehrte Kollegen! Es liegen uns heute fünf Anträge zur Behandlung vor. Das ist zum einen ein zukunftsgerichteter Antrag von der CDU und der FDP

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der FDP)

für eine sichere, umweltverträgliche und preiswerte Energieversorgung. Es sind zum anderen vier Anträge, die sich mehr oder weniger ausschließlich und einseitig mit dem Ausstieg aus der Kernenergie beschäftigen und die überschrieben sind mit solchen Begriffen wie: „Atomrisiko“, „Atomausstieg“ und „Atomlobby“. Aber auch in diesen Anträgen finden wir Begriffe wie: „Energie sparen“, „Energieeffizienz“ und auch den Dreiklang von „sicher“, „umweltverträglich“ und „preiswert“ für ein Energiekonzept. Da können wir schon auch einmal nach gemeinsamen Schnittmengen suchen.

Meine Damen und Herren, doch zunächst ein paar Sätze zu den Anträgen der Opposition.Wir müssen wissen, dass im Jahr 2006 – die Zahlen habe ich so gefunden – 57,6 % des Stromverbrauchs in Hessen und 20,5 % des gesamten Energieverbrauchs in Biblis erzeugt wurden, mit der Kernenergie.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Aber nur dann, wenn es lief!)

Wer am vergangenen Freitag die Berichte und Kommentare zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gelesen hat – da ging es um die Übertragung von Reststrommengen auf den Block A in Biblis –, dem wird aufgefallen sein, dass der Richter den Begriff „missraten“ in den Wortschatz aufgenommen hat. Er hat dieses Ausstiegsgesetz aus dem Jahre 2002 als „missraten“ bezeichnet – eine ungewohnte Deutlichkeit für einen Richter.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Sehr richtig!)

Wenn im Antrag der SPD, der vorliegt, festgestellt wird, dass jetzt schon eine sichere Energieversorgung ohne

Strom aus den Kernkraftwerken möglich sei, dann halten wir das auch für eine missratene Aussage. Dafür gibt es auch in der SPD genügend Kronzeugen – selbst Erhard Eppler spricht davon, dass man sich über eine Verlängerung der Laufzeiten mal unterhalten kann.

(Beifall bei der CDU)

Der Ausstiegsvertrag selbst ist auch missraten, denn ansonsten würden die Betreiber, die Unternehmen heute nicht versuchen, den Ausstieg aus diesem Vertrag – den Ausstieg vom Ausstieg – zu schaffen.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Sie haben es gemerkt:Die CDU,die CSU und die FDP haben daran schon damals ihre Kritik geäußert. Wenn nun die Unternehmen in der Energiewirtschaft versuchen, Restmengen von anderen Kraftwerken auf die Kraftwerke zu übertragen,die als Nächste ausscheiden müssen, dann ist das recht und richtig, denn dies ist im Gesetz so vorgesehen. Wenn nach der Bundestagswahl tatsächlich über dieses Gesetz neu gesprochen wird, sodass wir die Kernenergie auch hier in Deutschland weiterführen können, dann dürfen wir jetzt nicht Fakten schaffen, die wir dann nicht mehr rückgängig machen können.

(Beifall bei der CDU)

In Biblis haben diese Unternehmen – auf Veranlassung auch der Landesregierung in Hessen – milliardenschwere Investitionen in die Sicherheit vorgenommen. Wir sagen: Diese beiden Kraftwerksblöcke sind sicher. Wir haben in Hessen keine Schrottreaktoren.

(Beifall bei der CDU – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Deshalb sind sie abgeschaltet!)

Wenn es stimmt, was im Antrag der GRÜNEN aus der Zeitschrift „Capital“ zitiert wird, dass nämlich bei einem Weiterbetrieb der Kernkraftwerke in Deutschland Gewinne zwischen 61 und 316 Milliarden c entstehen würden,so die Annahme,dann kann man der Staatsministerin Silke Lautenschläger nur gratulieren, dass sie rechtzeitig gesagt hat: Von diesem Geld will ich etwas haben, wenn wir denn diese Kernkraftwerke weiter betreiben.

(Beifall bei der CDU – Axel Wintermeyer (CDU): Davon wollen wir etwas haben!)

Meine Damen, meine Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, laut einer Umfrage auf der Homepage des Bundesumweltministeriums sprechen sich immerhin 57 % aller Teilnehmer dafür aus, dass der Ausstieg aus der Kernenergie rückgängig gemacht wird. Nur 41 % wollen ihn beibehalten – auch dies ist ein Votum des Volkes. Wenn wir die Kernenergie weltweit betrachten, dann stellen wir fest, haben in Deutschland 17 Anlagen; wir haben 438 Anlagen weltweit.Wir haben 100 Anlagen in der Planung und 42 im Bau. Sie sehen, die Kernenergie hat weltweit ihren Rang und ihre Berechtigung.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die vorliegenden Anträge von SPD, GRÜNEN und LINKEN haben nur ein Ziel, nämlich die Kernkraft als Teil einer sicheren,nachhaltigen und preiswerten Energieversorgung zu diskreditieren

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Sicher?)

jawohl –,eine sichere Energieversorgung für unser Land zu diskreditieren und die Werke sofort zu schließen. nicht erst dann, wenn wir andere Energieformen haben, die

diese Versorgungslücke schließen. Das ist nicht unser Weg.Wir wollen das anders:Wir wollen ein sicheres Energiekonzept für Hessen haben, mit der Kernenergie auf höchstem sicherheitstechnischem Niveau.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun zu dem Antrag von der CDU und der FDP kommen. Ziel der CDU/FDP-Koalition ist es, bis zum Jahre 2020 20 % des Endenergieverbrauchs ohne Verkehr aus erneuerbaren Energien zu bestreiten. Heute beträgt dieser Anteil, je nachdem, welche Quelle Sie dort finden, viereinhalb, sechs oder auch mehr Prozent.

(Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, ja, es sind 4,5 %!)

Je nach Quelle,die Sie finden.Es gibt sicherlich mehr als die Quellen, die Sie haben. Wir können uns einmal ausgiebig darüber unterhalten, wie man das genau misst, denn das werden wir auf jeden Fall tun müssen, wenn wir die 20 % festlegen. Wir brauchen auch einen Maßstab. Die Diskussion werden wir führen.

Für den Weg dorthin wird die Hessische Landesregierung ein Programm „Energie 2020“ erstellen,das konkrete und realistische Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels beinhaltet. Externe Fachleute sollen beteiligt werden.All dies erfolgt unter Einbindung in die Nachhaltigkeitskonferenz, die unser Ministerpräsident Roland Koch im vergangenen Jahr sehr erfolgreich ins Leben gerufen hat.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Damit, mit diesem Antrag und der Erarbeitung dieses Konzepts, wollen wir das Thema einer sicheren, umweltverträglichen und preiswerten Energieversorgung versachlichen. Wir wollen dabei – Sie sehen das Ziel: 20 % – den forcierten Einsatz auch der regenerativen Energien in Hessen.

(Zuruf des Abg. Martin Häusling (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))