Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

Aber sehen wir uns doch einmal an, was uns der Minister bisher zu den Themen Arbeitsmarktpolitik, Familienpolitik vorgelegt hat. Dazu liegt uns überhaupt nichts Konkretes vor – bis auf, wenn wir zum Thema Gesundheit kommen, ein ganzseitiges Interview des Ministers Banzer zum Thema Gesundheit in der letzten Woche. Wenn wir uns dann anschauen, welche Themen dort behandelt werden, so finden wir genau drei.

Das erste Thema ist das Rauchverbot. Dazu sagt der Minister: Da hat sich die FDP durchgesetzt.

Das zweite Thema sind jugendliche Testkäufer, um das Komasaufen zu verhindern. Danach kommt die Presseerklärung der FDP,in der gesagt wird:Hier sind wir mit dem Minister nicht einverstanden.

Das dritte Thema sind die zunehmend unhaltbaren Zustände im privatisierten Klinikum Gießen und Marburg. Auf die Frage, ob der Minister wie die FDP auch mit dem

Rhön-Vorstand reden möchte, sagt der Minister, das sei eigentlich nicht seine Zuständigkeit.

Meine Damen und Herren, das ist das, was im Moment zu den Begriffen, die Sie eben nochmals hervorgehoben haben, aus dem Ministerium gekommen ist. Dazu sage ich Ihnen: Das reicht nicht für eine vernünftige Sozialpolitik – nicht für eine vernünftige Arbeitsmarktpolitik, nicht für eine vernünftige Familienpolitik und schon gar nicht für eine vernünftige Gesundheitspolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, nach Art. 104 Abs. 2 Satz 2 der Hessischen Verfassung hat der Landtag das Recht,die Zuständigkeitsregelungen des Kabinetts zu ändern. Wir möchten von diesem Recht Gebrauch machen und fordern, dass das Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit mit dem Zusatz „und Soziales“ versehen wird. Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Antrag. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schulz-Asche. – Nächster Redner ist Herr Kollege Burghardt für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Schulz-Asche, mich wundert es schon, dass Sie hier sagen, in dem Koalitionsvertrag sei kein Punkt Sozialpolitik enthalten. Schon am Zuschnitt des Ministeriums sehen Sie, dass das Thema Sozialpolitik sehr wichtig ist. Auch im Koalitionsvertrag finden Sie zu Familie und zu verschiedenen Punkten zu dem Thema Soziales genügend Nennungen, die auch Ihre Zustimmung finden werden.

Wir führen diese Diskussion, die aus meiner Sicht völlig an der Sache vorbeigeht, viel zu lange. Die inhaltlichen Sachthemen sollten wir in wichtige Arbeit für unsere Bürgerinnen und Bürger in gesellschaftspolitischen Bereichen wie Arbeit, Familie und Gesundheit in den Vordergrund schieben und die ewige Diskussion um den Namen des Ministeriums endlich beenden.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Wir mussten uns in der letzten Plenarrunde schon anhören, dass mit dem Titel „Arbeit, Familie und Gesundheit“ nichts anzufangen sei; und ich behaupte jetzt: Wenn Sie aus dem Saal gehen und auf der Gasse einmal fragen, was denn Sozialpolitik sei, dann werden die Stichworte Arbeit und Gesundheit gar nicht erst fallen.Für die CDU und die FDP sind das aber zwei ganz wichtige Themen, und deswegen gehören sie in den Titel des Ministeriums.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die drei Bereiche Arbeit, Familie und Gesundheit spiegeln die klassischen Kernbereiche der Sozialpolitik wider und sind die Zukunftsthemen unserer Gesellschaft. Der Bereich Arbeit beinhaltet umfangreiche Aufgaben von aktiver und passiver Arbeitsmarktpolitik. Sozial ist, was Arbeit schafft und sichert. Dies ist die Leitlinie der Arbeitsmarktpolitik des Landes Hessen. Die Situation auf

dem Arbeitsmarkt nachhaltig zu verbessern und die Arbeitslosigkeit abzubauen, ist daher ein erklärtes Ziel der CDU/FDP-geführten Landesregierung. Zur Familie als kleinster Einheit unserer Gesellschaft gehören Kinder, Jugendliche, Frauen, Senioren und Behinderte gleichermaßen. Familienpolitik ist somit eine Querschnittsaufgabe von besonderer Bedeutung.

Unter die Bezeichnung Gesundheit fällt die Gesundheitsversorgung mit der Sicherung und dem Ausbau der gesundheitlichen Infrastruktur ebenso wie der Ausbau der Prävention. Ziel ist es, mit dieser Namensgebung auf die zahlreichen Gesellschaftsthemen, die unsere Bürgerinnen und Bürger in Hessen betreffen, hinzuweisen. Das Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit ist das Zukunfts- und Gesellschaftsministerium, das mit unserer schwarz-gelben Politik die Weichen für die Gesellschaft der Zukunft in Hessen stellen soll.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zum Schluss möchte ich noch eine Bitte loswerden: Lassen Sie uns endlich von der Diskussion um den Namen des Sozialministeriums bzw. des Ministeriums für Arbeit, Familie und Gesundheit wegkommen und endlich über Inhalte diskutieren,die die Bürgerinnen und Bürger wirklich beschäftigen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Burghardt. Das war die erste Rede des Kollegen Burghardt hier im Parlament. Dazu herzlichen Glückwunsch des gesamten Hauses.

(Allgemeiner Beifall)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Dr. Spies für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Burghardt hat eben einen sehr bezeichnenden Satz getan – ich darf diesen noch einmal wiederholen –: Mit dem Namen des Ministeriums wird auf die zahlreichen Themen, um die es da geht, hingewiesen.

Sehen Sie, meine Damen und Herren, genau das ist das Problem, und deshalb ist es keine linguistische Übung, über die Namensgebung dieses Ministeriums zu diskutieren, sondern es ist Ausdruck einer politischen Inhaltssetzung. Diese Inhaltssetzung haben Sie eben vorgenommen, verehrter Herr Kollege Burghardt. Dazu darf man Sie in Ihrer ersten Rede wirklich beglückwünschen. Sie haben noch einmal sehr deutlich gemacht, was der Gedanke dahinter ist: Sozial ist, was Arbeit schafft.

Jetzt schauen wir uns die Vorlage der Landesregierung genauer an und stellen fest: Da gibt es ja doch noch mehr als Arbeit. Es gibt z. B. das Thema Menschen mit Behinderungen. Meine Damen und Herren, im Umgang mit Menschen mit Behinderungen ist die Reduzierung von Sozialpolitik auf: „Sozial ist, was Arbeit schafft“, grober Unfug, mit Verlaub.

(Beifall bei der SPD – Janine Wissler (DIE LINKE): Das stimmt!)

Dann finden wir darin die Zuständigkeit für die Schuldnerberatung. Bei der Schuldnerberatung ist die Reduzie

rung von Sozialpolitik auf: „Sozial ist, was Arbeit schafft“, grober Unfug. Deshalb gilt das in gleicher Weise. Genau darin liegt das Problem, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der CDU)

In der Frage des Umgangs mit Flüchtlingen und Heimatvertriebenen – auch diese gehören zur Zuständigkeit dieses Ministeriums – ist die Reduzierung auf:„Sozial ist,was Arbeit schafft“, auch eine beachtliche Einschränkung. Da liegen die Probleme, das wissen wir doch, ganz anders.

Meine Damen und Herren, es ist übrigens sehr interessant, dass die Landesregierung an dieser Stelle eine zentrale Herausforderung, wie wir jedenfalls aus der Enquetekommission zur Demografie der letzten Legislaturperiode wissen, nämlich die Frage der Integrationspolitik, nunmehr auf zwei Ministerien verteilt. Das eine ist nämlich zuständig für die Integration und das andere für die Heimatvertriebenen.Wenn man sich die Probleme, insbesondere mit Jugendlichen aus Aus- und Übersiedlerfamilien, anschaut, dann werden wir mit Interesse feststellen, wie da zwei wieder zusammenkommen. Nein, Herr Minister, Sie können einem schon leidtun.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Sie können einem wirklich leidtun. Sie haben ein kleines Restministerium bekommen, ein Ministerium, wo die Sozialpolitik über Jahre hinweg aus dem Abbau von Zuständigkeiten eben des Ministeriums bestand. Jetzt kommt da auch noch die FDP und sagt Ihnen dauernd, dass das, was Sie wollen, gar nicht geht. Sie können einem leidtun.

(Zuruf von der CDU: Oh!)

Meine Damen und Herren, insofern ist die Namensgebung politisch falsch, aber vollständig folgerichtig. Mit der „Operation düstere Zukunft“ ist in Hessen die Sozialpolitik auf ein Minimum zusammengefahren worden.

(Beifall bei der SPD)

Mit den Methoden der Kommunalisierung hat sich das Land aus der sozialpolitischen Verantwortung herausgemacht. Mit dem Mantra der Privatisierung hat man sich der Reste der Sozialpolitik entledigt.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Deshalb hat die SPD 22 %!)

Lassen Sie mich noch auf ein Thema eingehen.Wir hatten ja gerade die Frage der Armutsbekämpfung. Meine Damen und Herren, dass nun die Senioren, der Bereich der Altenpflege und – viel spannender, da wären wir wieder bei den Herausforderungen einer sich wandelnden Gesellschaft – gerade die soziale Dimension z. B. der Seniorenpolitik im Namen Ihres Ministeriums keine Rolle spielten – wir haben gerade gehört und der Minister hat im Interview gesagt, dass der Name des Ministeriums sage,worum es gehe –,zeigt offenkundig:Es geht nicht um die Leute, die in absehbarer Zeit die Hälfte der Bevölkerung ausmachen werden, nämlich die Senioren. Die Herausforderung ist da nicht, das Ganze auf die Rentenpolitik zu reduzieren. Gerade die Frage, wie wir dafür sorgen, dass aus mehr Jahren gute Jahre werden, und zwar für alle und überall in Hessen, ist eine der zentralen Herausforderungen der Sozialpolitik.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, leider überall sonst, nur nicht in Hessen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Warum sind Sie bei 22 %?)

Nein, die Festlegung auch der Namensgebung dieses Ministeriums zeigt, dass es mit der Sozialpolitik in Hessen weiter auf dem Weg nach unten geht.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Oh, das sieht man Ihnen an!)

Wir bedauern das, aber man hat ja vorher wissen können, was einen erwartet und dass es so weitergeht.

Meine Damen und Herren, setzen Sie ein Zeichen. Geben Sie sich einen Ruck, und tun Sie dem Herrn Minister einen Gefallen. Machen Sie deutlich, dass er auch etwas zu sagen hat. Ändern Sie den Namen des Ministeriums, damit deutlich wird, auch in Hessen gibt es in Zukunft noch Sozialpolitik. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Spies. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Schott für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! „Ein Sozialministerium ist ein Ministerium, zuständig für die Sozialpolitik eines Staates“, heißt es bei Wikipedia. Ein Land, das kein Sozialministerium und keinen Sozialminister hat, hat auch keine Verantwortlichkeit für Sozialpolitik und damit letztlich auch gar keine Sozialpolitik mehr.