Die weitere Dynamik, die sich jetzt entfalten wird, ist klar. Denn die Möglichkeit der Pauschalierung der Kosten der Unterkunft trifft auf kommunale Haushalte, die vor allem von den immensen eichelschen Steuersenkungen marode gemacht und in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind. Was das bedeutet, steht in den Stellungnahmen. Die angemessenen Standards werden vor dem Hintergrund der jeweiligen Finanzsituation definiert werden. Es ist ein Kostensenkungswettlauf zwischen hessischen Städten und Gemeinden zu befürchten.
Ich darf weiterhin aus der Stellungnahme des Mieterbundes zitieren: Die eigene Wohnung stellt gerade für Menschen in Arbeitslosigkeit den zentralen Punkt der sozialen Verankerung dar, der bei einem kostenbedingten Umzugsdruck die Gefahr sozialer Desintegration begründet.
In der Gesamtschau zeigt sich, wie das Zusammenspiel der neoliberalen Sozialmarodeure funktioniert und wie sich ein Puzzleteil zum anderen fügt. Kochs rechtspopulistische Ideen des OFFENSIV-Gesetzes werden zunächst von der SPD und den GRÜNEN aufgenommen. Die machen dann Hartz I bis Hartz IV daraus. Das wiederum wird von einer CDU-Bundesregierung aufgenommen, die mit der Möglichkeit der Pauschalierung eine erneute Verschärfung vornimmt. Die systematisch von Eichel in die Verschuldung getriebenen Haushalte sind der Boden, auf den dieser Samen fällt. Testläufe für die Pauschalierung der Kosten der Unterkunft wurden ebenfalls in Hessen absolviert, unter tatkräftiger Unterstützung von SPD und GRÜNEN. Deswegen freue ich mich ganz besonders, dass hier jetzt andere Töne von Ihnen kommen.
(Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Wolfgang Decker (SPD): Das liegt an dem schlechten Gesetz!)
Wir haben in Kassel erlebt, dass eine Unmenge von Verfahren die Gerichte belastet hat und dass es eine große Unklarheit gegeben hat, wie das sinnvoll zu regeln ist. Die Verfahren wurden durchweg von den Klagenden gewonnen.
Meine Damen und Herren, was hier droht, nenne ich politisch gesteuerte Entwurzelung und Vertreibung. Was infolge dieses Gesetzes droht, ist die weitere Erzeugung von Angst und Verzweiflung. Es droht die weitere Zunahme von psychischen und physischen Erkrankungen. Nicht ohne Grund haben die Fachausschüsse des Bundesrates die Ablehnung dieser Satzungsermächtigung gefordert. Ich fordere Sie daher auf, diesem Gesetzentwurf die Zustimmung zu verweigern.
Da Sie sicherlich kein Interesse an einer Klageflut haben werden, habe ich noch einige Fragen an die Fraktion der CDU und an Minister Grüttner. DIE LINKE geht davon aus, dass eine Satzungsermächtigung zur Pauschalierung der Unterkunfts- und Heizungskosten allenfalls dann mit der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts vereinbar wäre, wenn die Pauschale nicht niedriger wäre als die geltende Angemessenheitsgrenze. Teilen Sie diese Ansicht? – Falls nicht, aus welchen Vorgaben des Bundesgesetzgebers ergeben sich nach Ansicht der Hessischen Landesregierung der genaue Betrag der Pauschale und damit der konkrete Leistungsanspruch des Bürgers im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom letzten Frühjahr?
Ist die Hessische Landesregierung der Ansicht, dass die Kreise und kreisfreien Städte aufgrund einer Satzungsermächtigung nach § 22a Abs. 1 berechtigt wären, von den rechtlichen Anforderungen des Bundessozialgerichts an eine fehlerfreie Ermittlung der Angemessenheitsgrenze des § 22 SGB II abzuweichen? Falls ja, dürfte der kommunale Satzungsgeber von der Produkttheorie des Bundessozialgerichts abweichen und auch die Angemessenheit der Wohnfläche und des Quadratmeterpreises als zusätzliche, selbstständige, leistungsbegrenzende Grenzwerte, also die Kappungsgrenze, vorschreiben. Herr Grüttner und die Damen und Herren der CDU werden auf diese Fragen sicher vorbereitet sein, da Sie sich eingehend mit den Stellungnahmen beschäftigt haben und ihr Gesetz gut durchdacht haben, wie ich annehme.
Wir beantragen die dritte Lesung, damit die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen noch einmal überdenken können, ob sie diese Pauschalierung tatsächlich wollen. – Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Decker hat es angesprochen. Das OFFENSIV-Gesetz kam in seiner ersten Lesung in der Tat wenig spektakulär daher. Es hat seine Brisanz erst durch den Änderungsantrag von CDU und FDP bekommen. In § 4a neu wollen Sie die Kommunen ermächtigen, zukünftig bei Heiz- und Wohnungskosten zu pauschalieren. Wir halten dieses Instrument für sozialpolitisch falsch. Folgerichtig wollen wir auch nicht, dass wir den Kommunen diese Spielräume einräumen. So einfach kann es sein. Deshalb lehnen wir diesen Änderungsantrag und somit das OFFENSIV-Gesetz ab.
Die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 des Sozialgesetzbuches II sind neben der Regelleistung für erwerbsfähige Hilfebedürftige ein elementarer Leistungsbestandteil zur Sicherung ihrer Existenz. Wohnung und Wohnumfeld nehmen gerade für diese Leistungsbezieher einen außergewöhnlich hohen Stellenwert ein. Für uns GRÜNE ist klar: Der Sozialstaat ist zur Sicherung eines menschenwürdigen Daseins verpflichtet. Das Grundbedürfnis eines Menschen nach Wohnen ist als Teil des soziokulturellen Existenzminimums zu decken – ich füge hinzu –, und zwar nach den tatsächlich anfallenden Kosten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, wenn ich sage: „nach den tatsächlich anfallenden Kosten“, dann kommen wir schon auf das Problem. Die Pauschalierung ist ein ungenaues und damit ungerechtes Instrument. Wir haben in Hessen Wohnungskosten pro Person von 160 € in Waldeck-Frankenberg bis zu 250 € in Frankfurt.
Ich bleibe bei Frankfurt. Was machen Sie, wenn Sie den Menschen 250 € auszahlen, die Wohnung aber 280 € kostet? Diese 30 € muss der ALG-II-Empfänger von seinem Existenzminimum abzweigen. Aber das Existenzminimum ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung unantastbar. Es ist eine unantastbare Summe und dient ausschließlich der Bestreitung des Lebensunterhalts. Aber diese Person muss 30 € von seinem Regelsatz nehmen. Das ist sozialpolitisch ungerecht, es ist kontraproduktiv in seiner Zielführung, und es ist ein falsches Instrument. Deswegen sage ich noch einmal: Es ist falsch. Stoppen Sie den Gesetzentwurf in dritter Lesung. Wir als GRÜNE lehnen den Gesetzentwurf ab.
Lassen Sie mich noch einen Aspekt anführen. Selbst wenn es gerade in größeren Städten die Möglichkeit gäbe, umzuziehen, ist es ein falscher Weg, sozial Schwache in soziale Brennpunkte zu drängen und damit das Problem der sozialen Segregation zu vergrößern. Darauf haben viele Verbände hingewiesen. Wir sind froh, dass in großen Städten auch sozial Schwächere im normalen Mietsegment wohnen können. Wir werden aber bei den Notlagen der Haushalte zunehmend dazu kommen, dass Kämmerer sagen: „Lasst uns pauschalieren. Der Regierungspräsident hängt uns im Nacken. Wir können damit Gelder sparen, und wir werden damit eine Umzugswelle auslösen.“ Das ist sozialpolitisch schlicht und ergreifend völliger Irrsinn. Deswegen bitten wir Sie noch einmal, zu überdenken, was Sie mit dieser Ermächtigung einleiten.
Sie werden vielleicht ganz entspannt sagen: „Was wollen Sie denn? Wenn die Kommunen ihre Position teilen, werden sie das nicht einführen.“ Aber genau das ist die entscheidende Frage. Wenn wir alle im Saal davon überzeugt sind, dass es Quatsch ist, das man vor Ort pauschaliert, dann sollten wir die Ermächtigung auch gar nicht erst zulassen. Deswegen bitten wir Sie erneut: Unterlassen Sie diese Ermächtigung an die Kommunen. Es ist ein falsches Signal, ein sozialpolitisch irrsinniges Instrument. Nehmen Sie das wieder zurück. Unser Änderungsantrag fordert schließlich auch die Streichung dieses Paragrafen. So kann man Sozialpolitik und Wohnungspolitik vor Ort, gerade in großen Städten, nicht gestalten. Nehmen Sie Abstand von diesen Wegen. – Herzlichen Dank.
Im OFFENSIV-Gesetz haben wir die bundesgesetzlichen Ermächtigungen aus dem Sozialgesetzbuch II zu regeln. Da ist das Land Hessen einen klugen Weg gegangen, gerade mit den Zielvereinbarungen. Sie kennen das aus dem Gesetz: Mit den Zielvereinbarungen wollen wir die Hilfebedürftigkeit verringern, die Integration in die Erwerbstätigkeit verbessern, langfristigen Leistungsbezug vermeiden. Auch die Integration der Alleinerziehenden ist ein wichtiger Punkt, der hierdurch gesteuert werden soll. Zu den Zielvereinbarungen soll es Steuerungsdialoge geben, die zweimal im Jahr stattfinden sollen. Das ist ein kluger Weg, um in Hessen weiter an der Optimierung im Bereich des Sozialgesetzbuches II zu arbeiten.
Es ist auch wichtig, deutlich zu machen, dass die Landesregierung von ihrer Fachaufsicht in der Regel wenig Gebrauch machen wird, sondern den kommunalen Trägern ihre Freiheiten lassen und nur in wichtigen Fällen dort eingreifen will. Das ist an dieser Stelle sehr wichtig.
Aus unserer Sicht ist es auch wichtig, dass in § 8 die Verhinderung des Leistungsmissbrauchs nicht nur aus bürokratischer Perspektive betrachtet wird, sondern auch, ob der Leistungsmissbrauch beim Empfänger ausreichend bekämpft wird. Auch das wird durch dieses Gesetz als ein wichtiger Punkt geregelt.
Dann möchte ich noch auf etwas eingehen, was meine Vorredner so ins Schaufenster gestellt haben, um einen Gesetzentwurf abzulehnen, bei dem ich in diesem Hause eine breite Zustimmung erwartet habe. Ich muss wirklich sagen: Über Ihre Argumentation hier bin ich etwas überrascht.
Diese Pauschalierung ist optional: Die Kommune, der Optionskreis kann selbst entscheiden, ob er eine Pauschalierung vornimmt. Das ist nur eine Option. Jeder, der anders vorgehen möchte, kann das tun. Woraus leiten Sie ab, dass das automatisch als eine Sparfunktion gesehen wird?
Auch die Satzung wird gerichtlich überprüft werden. Die Satzung dient dem Zweck, Bürokratiekosten zu sparen, und man erhofft sich eine Verminderung der Klagen in diesem Bereich. Denn die meisten Klagen gehen um die Angemessenheit des Wohnraums. Genau diese beiden Punkte versucht man mit der Pauschalierung in den Griff zu bekommen.
Wenn ich Ihre Argumentation hier höre, dann kommt es mir so vor, als hätten Sie sich mit der aktuellen Umsetzung noch nie beschäftigt. Mit Sicherheit wird es auch in Frankfurt für die einzelnen Stadtbezirke und Bereiche Richtlinien geben,
welchen Betrag man dort für eine Wohnung als zulässig erachtet. Der SGB-II-Träger empfiehlt dem Hartz-IVEmpfänger eben nicht, umzuziehen,
sondern sagt ihm: Du kannst in dieser Wohnung bleiben, aber ich bezahle dir weniger, das Delta bezahlst du von deinem Geld. – Das ist schon heute so.
Wenn Sie hier davon sprechen, ein Satzungsbeschluss werde eine Umzugswelle auslösen, dann muss ich wirklich sagen: Sie sind fernab jeglicher Realität. Denn auch die Umzüge müssen von den Optionskommunen bezahlt werden. Jede Optionskommune wird da natürlich genau abwägen, ob ein solcher Umzug sinnvoll ist. Deswegen wird auch jeder überlegen, welchen Pauschalbetrag er festlegt. Das Szenario, das Sie hier zeichnen, ist einfach fernab jeglicher Realität. Ich glaube, in keinem einzigen Fall in Hessen wird das so werden.
Kein Kreis, der sich für die Pauschalierung entscheidet, wird dies als Instrument zur Gängelung von Hartz-IVEmpfängern nutzen wollen.
auf gar keinen Fall aber, Hartz-IV-Empfänger schlechter zu stellen. Sie bauen hier etwas auf, was es so gar nicht gibt.
Wenn Sie sich mit der Realität beschäftigen würden, dann wüssten Sie, dass die Menschen vor Ort, die dort Verantwortung tragen und darüber diskutieren, welche Sätze zugrunde gelegt werden, damit verantwortungsvoll umgehen. Davon gehe auch ich aus. So viel Vertrauen habe ich zu meinen kommunalen Mandatsträgern: Die werden damit verantwortungsvoll umgehen.
Natürlich ist jedem klar: Wer eine Pauschalierung macht, der wird unter besonderer Beobachtung stehen. Deshalb sollten wir in dem einen oder anderen Kreis probieren, ob diese positive Wirkung tatsächlich greift und man tatsächlich Bürokratiekosten einsparen kann, dass man Anreize setzen kann und dass man vor allem auch die Klagen in diesem Bereich vermindern kann.
Wir sind da guter Hoffnung und glauben, der Minister hat einen hervorragenden Entwurf vorgelegt. Wir werden ihn unterstützen. – Vielen Dank.