Anders kann ich es nicht nennen, wenn man jetzt nicht die Absage der Stadt Vellmar als Chance begreift, über den Hessentag neu nachzudenken, sondern fragt, welche Stadt sich künftig für die Ausrichtung zur Verfügung stellt. Ich möchte Ihnen noch einmal ein paar Zahlen in Erinnerung rufen. Die Durchführung des Hessentags in Langenselbold 2009 hat mehr als 3,3 Millionen € Landesmittel gekostet. Hinzu kommen Zuwendungen aus Landesmitteln für Investitionen von mehr als 5,6 Millionen €. Außerdem wurden aus dem Kommunalen Finanzausgleich noch mal 2,8 Millionen € zur Verfügung gestellt. Da kann man sich durchaus fragen, wo die Schwerpunkte sind und ob es nicht Möglichkeiten gibt, hier nach Einsparpotenzialen zu suchen.
Der Hessentag oder die Hessentage, wie man vielleicht besser sagt, haben ein Ausmaß angenommen, das mit dem eigentlichen Ansatz des Hessentags nicht mehr viel gemein hat. Ursprünglich als Fest der Begegnung von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Herkünfte angelegt, haben wir jetzt eine zehntägige Megaparty, bei der sich die Bürgermeister und Stadtverordneten erst einmal damit beschäftigen müssen, was denn gerade die angesagte Teenygruppe ist, damit sie für diese Gruppe ordentlich Werbung machen können. Das Hessentagspaar und der Bürgermeister gehen über das Fest, bewegen sich zwischen der Oldiepartie des Hessischen Rundfunks und angesagten Teenygruppen und versuchen, dafür Werbung zu machen.
Das eigentliche Programm des Hessentags, nämlich das Info- und Kulturprogramm, das eigentlich einmal der Kern der Sache war, verkommt dabei oft zu lästigem Beiwerk.
Herr Bellino, ich bin sehr oft dabei, und ich weiß, dass sich die Veranstalter und die Landesregierung immer sehr bemühen und dass diese Veranstaltungen oft von sehr geringen Besucherzahlen beglückt werden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Holger Bellino (CDU): Dann waren Sie zum falschen Zeitpunkt da!)
Getreu dem Motto „höher, schneller, weiter“ ist der Maßstab immer noch, wie viele Besucher denn zum Hessentag strömen.
Ich frage mich, ob es wirklich die richtige Messgröße ist, nur zu messen, wie viele Besucherinnen und Besucher zu einer großen Megasause kommen. Ich frage mich auch, welche Art des Austauschs zwischen Kommerz und lauter Rock-, Pop- oder Schlagermusik möglich ist. Ich finde, dabei geht etwas verloren, was doch eigentlich der Kern der Sache ist.
Wir müssen uns doch fragen: Ist es die Aufgabe der Landespolitik, eine solche große Feier zu organisieren? Ist es nicht an der Zeit, umzudenken und sich auf den Kern der Sache zu konzentrieren und das zu tun, was die Aufgabe der Landespolitik ist, nämlich ein Forum für Austausch und Begegnung in einem qualitativ hochwertigen und angemessenen Rahmen zu schaffen? Dafür würde es nach Überzeugung der GRÜNEN reichen, wenn man dieses Fest alle zwei Jahre ausrichtet. Das würde den Landeshaushalt zunächst einmal ziemlich entlasten.
Natürlich haben wir auch weiterhin die Frage der Kommunen zu klären, denn die müssen weiterhin Kosten für den Hessentag stemmen.
Da hängt die Höhe der Kosten doch sehr davon ab, wie ich ein solches Fest ausrichte und ob ich es den Kommunen zumute, Plätze und Räume für große Veranstaltungen sowie große Parkplätze vorzuhalten, oder ob ich es ein kleines Stück weiter runterfahre, mich nach den örtlichen Gegebenheiten richte und nicht den Kommunen ein starres Konzept aufpresse und sage: Es muss aber eine internationale Veranstaltung, und es muss dann wirklich immer die ganz große Party sein.
Herr Präsident, vielen Dank für den Hinweis. – Wenn wir den Menschen weitere Wege zu Gerichten zumuten, müssen wir uns doch die Frage stellen, ob es dann nicht auch möglich sein muss, darauf zu verzichten, die Fantastischen Vier und Oliver Pocher aus Landesmitteln zu finanzieren. Das müssen wir nicht tun. Von daher: „Der Hessentag lädt uns ein, künftig alle zwei Jahre dabei zu sein.“
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit ihrer Forderung, den Hessentag nur alle zwei Jahre stattfinden zu lassen, schießen die GRÜNEN meines Erachtens etwas über das Ziel hinaus.
Denn natürlich geht es um die Frage, wie man inhaltlich damit umgeht. Ich bin der Meinung, dass man diesen Wanderzirkus eigentlich nicht so lange und so ständig braucht.
Wie gesagt: Ich kann Sie verstehen. Das ist aber nicht der Kern der Auseinandersetzung. Denn bei der Absage des
Hessentags durch die Gemeinde Vellmar hat es überhaupt keine Rolle gespielt, dass dieser jedes Jahr stattfindet. Auch wenn er nur alle zwei Jahre stattfinden würde, hätten die Stadtoberen von Vellmar die gleichen Gründe gehabt, den Hessentag abzusagen. Denn die Kommunen sind nicht im Zweijahresrhythmus unterfinanziert. Sie sind es unter dieser Landesregierung permanent.
Was bewegt denn die Städte und Gemeinden, den Hessentag auszurichten? – Im Wesentlich geht es ihnen doch darum, dass sich das Land an der Finanzierung der notwendigen Infrastruktur beteiligt. Zuletzt haben wir das in Oberursel gesehen. Dort wurde nicht nur der Bahnhof saniert.
Auch in der aktuellen Debatte, wer den Hessentag des Jahres 2013 übernehmen soll, zeichnet sich ab, dass die Stadt Korbach ihn nur unter Bedingungen haben will. Der dortige Bürgermeister würde das Landesfest in zwei Jahren gerne ausrichten, aber nur, wenn dafür das Rathaus saniert wird.
Die Hessentage haben immer wieder Defizite in Millionenhöhe in die Haushalte der Gastgebergemeinden gerissen. Sie haben sich für die Ausrichter nur gerechnet, wenn im Vorfeld erhebliche Beträge in die Infrastruktur flossen.
Kurz gesagt: Die Gemeinden werden die Hessentage nur dann ausrichten, wenn ihre Finanzierung zumindest keine zusätzlichen Kosten verursacht. Angesichts der leeren Kassen der Kommunen ist das nur zu verständlich.
Unserer Auffassung nach ist das Land in der Verantwortung, die Kommunen endlich so auszustatten, dass sie ihre Pflichtaufgaben – die Sanierung des Rathauses gehört sicherlich dazu – ordentlich finanzieren können. Stattdessen haben Sie aber den Kommunen 350 Millionen € weggenommen, um den Landeshaushalt zu sanieren.
An der Unterfinanzierung der hessischen Kommunen wird sich auch nichts ändern, wenn der Hessentag nur alle zwei Jahre stattfinden würde.
Frau Erfurth ist darauf eingegangen. Das ist nur ein Teil der Debatte. Denn man muss sich auch ernsthaft Gedanken darüber machen, was man mit einem Hessentag erreichen will. Will man einen Hessentag, auf dem Strandkörbe verkauft werden und auf dem, wie zuletzt in Oberursel geschehen, Kinder fröhlich auf der Panzerhaubitze 2000 spielen, oder will man einen Hessentag, der Ausdruck eines Gemeinwesens ist, auf dem sich Vereine und Initiativen präsentieren, um in den Dialog mit den Mitmenschen zu kommen? Wir wollen keinen Hessentag, auf dem die Werbung von Rekruten und der Umsatz die entscheidenden Kriterien für den Erfolg sind.
Wir wollen einen Hessentag, der die Gemeinde weiterbringt, weil er das Vereinsleben und den sozialen Zusammenhang stärkt.
All das ist uns beim Hessentag wichtig. Ob er dann jedes Jahr stattfindet – wir machen das übrigens mit den Sozial
foren jährlich –, ist sicherlich vom Charakter der Veranstaltungen abhängig. Ob er jedes Jahr oder nur alle zwei Jahre stattfindet, ist also letztlich nicht entscheidend.
Ich bin optimistisch, dass sich jedes Jahr eine Gemeinde finden wird, die den Hessentag ausrichten kann, wenn dieser kein Fest des Kommerzes und des Militärs ist und wenn dieser nicht die Gemeinden an den Rand des Bankrotts treibt. Er könnte auch wirtschaftlichen Erfolg haben.
Wir wollen den Hessentag. Aber wir wollen sicherlich keine Megakirmes, die ein Forum für die Bundeswehr und für Ramschanbieter ist. – Vielen Dank.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum ist die ganze FDP geflüchtet? Leif, wo ist denn deine Fraktion? Ist die beim nächsten Hessentag? – Gegenruf: Die plakatieren!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Hessentag ist fester Bestandteil im Jahreskalender unseres Bundeslandes. Genauso bedauerlich, wie die Entscheidung der Stadt Vellmar ist, den Hessentag im Jahr 2013 nicht ausrichten zu wollen, genauso muss man diese Entscheidung auch respektieren. Aber der Umstand, dass mit Korbach und Bad Hersfeld gleich zwei Kommunen erklärt haben, dass sie gerne bereit wären, den Hessentag im Jahr 2013 auszurichten,
macht auch deutlich, dass sich der Hessentag auch im jährlichen Rhythmus nach wie vor großem Zuspruch bei den Kommunen erfreut.