Protokoll der Sitzung vom 04.10.2011

Zu bewerten sind hierbei die Entwicklung der Schülerzahlen über einen längeren Zeitraum, das voraussichtliche Verhalten der Eltern bei der Wahl der Bildungsüber

gänge und ein ausgeglichenes Bildungsangebot in der Region. Im Kern ist zu beurteilen, ob der Bestand an Schulen jetzt und zukünftig ausreicht, um alle Bewerberinnen und Bewerber zu unterrichten.

Neue Schulen können nicht ohne Berücksichtigung der Entwicklung von Schüler- und Anmeldezahlen errichtet werden. Da jede Angebotserweiterung unmittelbare Auswirkungen auf bestehende Schulen hat, indem sie Schülerströme verändert und damit andere Schulstandorte beeinträchtigt, sind hohe Anforderungen an das Zustimmungsverfahren geknüpft. Gerade auch im Hinblick auf eine zweckmäßige Schulorganisation muss das bestehende regionale Bildungsangebot beachtet werden.

Nach Prüfung und Bewertung der vom Schulträger eingereichten Unterlagen hat das Kultusministerium festgestellt, dass die Rahmenbedingungen für ein zusätzliches Schulangebot in der Sekundarstufe I insgesamt nicht gegeben sind. Eine kooperative Gesamtschule in Mühltal würde das Schulangebot der Sekundarstufe I in der Region erweitern, ohne dass hierfür ein öffentliches Bedürfnis nachgewiesen ist. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass auch in absehbarer Zeit alle Kinder in der bestehenden Schullandschaft einen Schulplatz im gewünschten Bildungsgang erhalten werden. Alle bestehenden Angebote sind auf Sicht nicht ausgeschöpft.

In den vergangenen Jahren war darüber hinaus ein sehr geringes Interesse der Elternschaft an Haupt- und Realschulzweigen festzustellen. Es ist also gerade nicht zu erwarten, dass das Angebot einer kooperativen Gesamtschule in Mühltal in dem von der Elterninitiative und dem Schulträger erhofften Maße angenommen würde.

Auch die zum Zeitpunkt überhaupt nicht in Rede stehende Kündigung der Vereinbarung mit dem Schulträger in Darmstadt zur gleichberechtigten Aufnahme der Mühltaler Kinder in Darmstadt aus dem Jahre 1997 würde an dem Sachverhalt nichts ändern. Den Eltern stünde es nach wie vor frei, ihr Kind in Darmstadt anzumelden. Die Gymnasien werden die Annahme nicht verweigern, solange Platz ist. Ein Engpass an den Darmstädter Gymnasien ist auf Sicht – angesichts stagnierender Schülerzahlen und des baldigen Verlassens der Schulen der doppelten G-8-Jahrgänge – eher unwahrscheinlich. Dagegen würde ein Eingreifen in die Schullandschaft gegebenenfalls sogar andere Schulen im Bestand gefährden, zumindest aber die Rahmenbedingungen für eine zweckmäßige Schulorganisation empfindlich stören.

Dem Schulträger wurde dieses Ergebnis, das mit dem Staatlichen Schulamt vor Ort abgestimmt wurde, mit Erlass vom 1. September 2011 mitgeteilt.

Zusatzfrage, Frau Kollegin Hofmann.

Wie bewerten Sie es, dass der Landkreis Darmstadt-Dieburg und die dortige Elterninitiative prognostische Schülerzahlen vorgelegt haben, die mit den Zahlen des Kultusministeriums und des Staatlichen Schulamtes wohl nicht übereinstimmen?

Frau Staatsministerin Henzler.

Die Zahlen der Schülerinnen und Schüler in dieser Region sind dem Kultusministerium sehr genau und deutlich bekannt. Ich kann nur aufgrund von Zahlen entscheiden, die uns auch vorliegen.

Zusatzfrage, Herr Abg. Milde (Griesheim).

Ist der Landesregierung noch in Erinnerung, dass vor rund 15 Jahren an gleicher Stelle eine Haupt- und Realschule wegen mangelnder Nachfrage geschlossen wurde?

Frau Staatsministerin Henzler.

Auch das ist uns natürlich bekannt. Wir beobachten sehr genau, wie sich die Schülerzahlen in einer Region entwickeln. Da wir überall stagnierende und, im Gegenteil, sogar zurückgehende Schülerzahlen haben, würde jedes zusätzliche Angebot die bereits bestehenden Angebote in ihrem Bestand gefährden.

Zusatzfrage, Herr Wagner (Taunus).

Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, dass in der Region, über die wir reden, trotz demografischen Wandels von einer Zunahme der Bevölkerung und von einer Zunahme der Schülerzahlen ausgegangen wird? Wie erklären Sie sich, dass der Schulträger von einer Zunahme der Schülerzahlen ausgeht und Sie von einer Abnahme?

Frau Kultusministerin Henzler.

Herr Abg. Wagner, wir beziehen uns auf die uns vorliegenden Zahlen. Ob Schulträger oder Kommunen irgendwelche Wohngebiete ausweisen und darauf hoffen, dass dann mehr Schülerinnen und Schüler dorthin kommen – davon gehen wir nicht aus. Wir gehen allein von Zahlen aus, die uns bereits vorliegen.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war wenigstens mal ehrlich!)

Das waren alle Zusatzfragen.

Frage 555, Herr Kollege Warnecke.

Ich darf die Landesregierung fragen:

Wie hoch ist schätzungsweise der Anteil der in die Schweiz verbrachten unversteuerten Geldmengen aus dem Bundesland Hessen?

Da dies eine Relativfrage ist, natürlich gemessen an der Bundesrepublik Deutschland.

Herr Finanzminister Dr. Schäfer.

Herr Präsident! Herr Abg. Warnecke, da die Zahlen für die Schätzungen des insgesamt in die Schweiz verbrachten Vermögens bei dem, was man aus den Medien entnehmen kann, etwa zwischen 130 Milliarden € und 280 Milliarden € liegen – also mit einer Schwankungsbreite von mehr als 100 % des Ausgangswertes –, kann man daraus ermessen, wie schwer es ist, diesen Betrag überhaupt zu prognostizieren, zumal ich bisher nirgendwo etwas dazu gefunden habe, auf welcher Basis – außer Gefühl und Wellenschlag – diese Schätzungen beruhen. Deshalb habe ich mich auch im Redebeitrag der Aktuellen Stunde in der letzten Plenarrunde bei unseren Berechnungen auf den unteren Rand dieser Schätzgröße bezogen.

Wie schwer es ist, diese Dinge zu schätzen, möchte ich Ihnen an einem Beispiel deutlich machen, das in der Debatte auch eine Rolle gespielt hat, nämlich dem Strafbefreiungserklärungsgesetz der damaligen Bundesregierung Schröder/Eichel vom Dezember 2003. Dieses hatte viel weiter reichende Amnestien zur Folge als das, was in dem aktuellen Abkommen Gegenstand der Erörterung ist.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Dabei sind ursprünglich 20 Milliarden € Einnahmepotenzial geschätzt worden, im Haushaltsplan dann 5 Milliarden €, und am Ende betrug das Rechnungsergebnis 1,4 Milliarden € Mehreinnahmen – das sollte uns mahnen, bei derartigen Schätzungen immer eher auf der konservativen Seite zu bleiben. Deswegen sehe ich mich nicht in der Lage, bei der Bandbreite und vor allem den fehlenden Parametern zum Herunterrechnen auf hessische Basisdaten eine valide Schätzung abzugeben. Auf jeden Fall ist es ein relativ großer Geldbetrag, und wir wären gut beraten, dafür zu sorgen, dass er sehr schnell in Deutschland versteuert wird.

(Beifall bei der CDU)

Zusatzfrage, Herr Abg. Warnecke.

Herr Staatsminister Schäfer, Sie gehen trotz der vagen Andeutungen davon aus, dass diese Gelder aufgrund der Abgeltungssteuer, die dann in der Schweiz eingeführt werden sollte, in ihre Heimat, die Bundesrepublik Deutschland, zurückfließen?

Herr Finanzminister.

Ich habe noch in der Debatte der letzten Plenarrunde gesagt, dass es bei den vorgesehenen Regelungen für die Zukunft egal ist, was jemand mit seinem Geld macht, das in der Schweiz liegt, weil die Besteuerungsfolge identisch ist: 1.000 €, die in der Schweiz liegen, werden künftig nach dem gleichen Steuersatz der Abgeltungsteuer in der Schweiz zugunsten des deutschen Fiskus versteuert, wie wenn sie zurückgeholt und bei einer deutschen Bank angelegt würden. Das ist ja gerade einer der Vorteile dieser Regelung, dass es in der Zukunft keine Anreize mehr gibt, Geld unterhalb der Wahrnehmungsschwelle in die Schweiz zu verschieben.

Zusatzfrage, Herr Kollege Warnecke.

Ich darf Sie noch fragen, ob Sie die Auffassung teilen, wonach die USA gegenüber der Schweiz erfolgreicher verhandelt und agiert haben als die Bundesrepublik Deutschland und die Bundesregierung.

Herr Finanzminister Dr. Schäfer.

Ich vermag nicht zu erkennen, dass die USA dort erfolgreicher verhandelt haben. Nach allem, was wir sehen, sind die Daten, die sich deutsche bzw. europäische Steuerbehörden gegenüber den Schweizer Behörden verschaffen können, weiter reichend als das, was die USA im Moment dort verhandeln. Insofern kann ich diese Einschätzung nicht teilen.

Zusatzfrage, Herr Abg. Milde (Griesheim).

Herr Finanzminister, gibt es am unteren Rand Ihrer Schätzungen Überlegungen, wie viel Geld dem Land Hessen jährlich an Steuereinnahmen entgehen könnte, falls man diesem Doppelbesteuerungsabkommen nicht beitreten sollte?

Herr Finanzminister Dr. Schäfer.

Wenn Sie von einer unteren Rangfolge ausgehen, bei der der Betrag zwischen 130 Milliarden € und 150 Milliarden € liegt, und mit einem Durchschnittszins von ungefähr 4 %

rechnen, sind das Kapitalerträge von 6 Milliarden € im Jahr, die zu versteuern wären. Werden diese mit 26 % versteuert, landet man bei der groben Größenordnung von 1,5 Milliarden €, die jedes Jahr zu versteuern wären. Da es Kapitalertragsteuern sind, werden die aufgeteilt; es gibt 48 % für die Länder.

Sie können daher davon ausgehen, dass uns in der groben Größenordnung, wenn Sie den Königsteiner Schlüssel und die Hälfte von 1,5 Milliarden € zugrunde legen, etwa zwischen 60 und 100 Millionen € jedes Jahr zusätzlich zufließen würden, wenn das Abkommen in Kraft treten würde, wie geplant.

Frage 556, Herr Kollege Warnecke.

Ich frage die Landesregierung:

Hat sich nunmehr die geänderte Ladenöffnungszeit im Bereich der Videotheken in zusätzlichen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen in Hessen niedergeschlagen?

Herr Staatsminister Grüttner.

Herr Abgeordneter, bei Videotheken handelt es sich nicht um Verkaufsstellen im Sinne des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes. Die Möglichkeit der Sonntagsöffnung von Videotheken wurde über eine entsprechende Änderung des Hessischen Feiertagsgesetzes geschaffen. Die entsprechende Änderung trat am 9. Februar 2010 in Kraft. Allerdings ist hiernach nur die inhabergeführte Öffnung der Videotheken möglich. Aus diesem Grunde liegen über zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze im Bereich der Videotheken keine Erkenntnisse vor.

Zusatzfrage, Herr Abg. Warnecke.