Protokoll der Sitzung vom 05.10.2011

(Mario Döweling (FDP): Sie haben den Antrag gar nicht verstanden!)

Die Aussetzung des Grundwehrdienstes war in Ihren Reihen schon sehr schwierig. Herr Kollege Schork, bei den Standortentscheidungen hätten Sie schon das eine oder andere sagen können und nicht nur das Problem benen

nen dürfen. Meines Wissens regiert in Berlin eine Regierung aus CDU und FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es reicht nicht aus, das Problem zu benennen; man sollte auch dazu Position beziehen, wie es in den Regionen weitergehen soll und welche Entscheidungen sie dann im Bundesverteidigungsministerium treffen. Herr Kollege Schork, meines Wissens stellen Sie den Bundesverteidigungsminister. Meines Wissens brauchen Sie dazu keine Resolution des Hessischen Landtags. Sie stellen den Bundesverteidigungsminister und sollten vielleicht bei ihm vorstellig werden.

Herr Frömmrich, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Die Standorte, die Bundeswehr in der Fläche, sind für viele Regionen ein starker Wirtschaftsfaktor; die Beschäftigten und Soldaten sind auch Bestandteil des Gemeinwesens und des Lebens in den jeweiligen Regionen. Standortentscheidungen werden aber nicht nur getroffen, weil sie Wirtschaftsfaktoren in Regionen sind, sondern es kommt auch darauf an, Entscheidungen über Standortfaktoren auf der Grundlage von Aufgaben zu treffen. Wenn Sie den Grundwehrdienst aussetzen, macht es keinen Sinn, Standorte aufrechtzuerhalten, die in der Hauptsache für die Ausbildung des Grundwehrdienstes zuständig waren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Schork, von daher braucht ein Standort eine Aufgabe. Sie sollten sich mit diesen Fragen und diesen Bitten an die Bundesregierung wenden. Die Bundesregierung wird von CDU und FDP gestellt. Wie ich gelesen habe, wird das in enger Abstimmung mit den Chefs der Staatskanzleien vorgenommen.

Herr Frömmrich!

Ich komme zum Schluss. – Herr Kollege Schork, nicht nur reden, sondern handeln. Dafür sind Sie zuständig, in Berlin stellen Sie die Regierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Frömmrich. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Kollege Blum zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Frömmrich, Sie haben jetzt zehn Minuten lang versucht, sich zwischen der CDU und der Linkspartei zu positionieren. Das Ergebnis war, dass Sie gar keine Position vorgetragen haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich will deswegen einen Punkt aufgreifen, vielleicht kommen wir dann doch noch zu einer Positionierung Ihrerseits. Das ist die Frage Hessentag.

Sie haben vollkommen zu Recht vorgetragen, dass es selbstverständlich Positionen gibt, dass die Bundeswehr fester Bestandteil des Hessentags ist, und dass es natürlich das grundgesetzlich verbriefte Recht gibt, auch dagegen zu demonstrieren. Aber sagen Sie doch einmal, wie Sie es halten mit der Bundeswehr auf dem Hessentag, ob die Bundeswehr auch für Sie Bestandteil des Festes aller Hessen ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Eines will ich Ihnen deutlich sagen, das ist ein Stück weit auch der Hintergrund im Verhältnis zu dem, was wir auf dem letzten Hessentag erlebt haben. Herr Kollege Frömmrich, da könnten auch Sie einmal eine klare Position beziehen. Es geht dabei nicht nur um die Frage, ob die Bundeswehr grundsätzlich Bestandteil des Hessentags ist. Als man die Linkspartei im Rahmen des Appells und der Ehrung für Bürger in Uniform beteiligte, also zu einem Zeitpunkt, als es nicht um die Frage von Bundeswehr ja oder nein ging, sondern um die Frage, ob diese Gesellschaft und ihre politischen Vertreter diesen Menschen, die sich als Bürger in Uniform für diese Gesellschaft verdient gemacht haben, den notwendigen Respekt entgegenbringt, dabei ist es zu Störungen gekommen, die im Interesse der Menschen, die dort geehrt werden sollten, nicht hinnehmbar sind.

Da mag es vielleicht ein grundgesetzliches Recht zum Demonstrieren geben, aber es gibt auch eine moralische Pflicht, an dieser Stelle diesen Menschen den notwendigen Respekt entgegenzubringen. Hier frage ich mich, wie Sie dazu stehen, Herr Kollege Frömmrich.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU – Zu- ruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Danke, Herr Blum. – Herr Frömmrich nimmt sein Recht auf Antwort jetzt in Anspruch. Auch Sie haben zwei Minuten Zeit dafür.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Blum, von Keine-Position-Haben verstehen Sie am meisten.

(Florian Rentsch (FDP): Einmal zur Sache reden!)

Herr Blum, wenn Sie zugehört hätten, wüssten Sie, was ich zu diesem Themenkomplex gesagt habe.

(Florian Rentsch (FDP): Nichts!)

Ich empfehle Ihnen die Lektüre des Protokolls.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lebhafte Zurufe von der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Frömmrich. – Als Nächster spricht Herr Kollege Roth für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich komme aus einer Familie, die vier Menschen zu beklagen hat, die im Krieg geblieben sind. Diese Erfahrung und das Reden über diese Erfahrung machen deutlich, dass man über Krieg und Frieden nicht reden kann und schon gar nicht streiten kann wie über irgendeine andere Sache.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Reden über Krieg und Frieden und den Tod von Menschen erfordert eine andere Sprache, als wir sie oft genug in anderen Debatten an den Tag legen. Natürlich war ich sehr froh, als wir – ich glaubte, es sei so gewesen – den Kalten Krieg überwunden hatten, dass es zu immer mehr Annäherung gekommen ist. Aber wir erleben von Zeit zu Zeit hier und anderswo, dass es bis heute Kalten Krieg gibt. Auch heute in der Debatte ist das deutlich geworden. Kollege Frömmrich hat es angesprochen.

Es gibt nach wie vor den Kalten Krieg in den Köpfen und leider auch in den Herzen von vielen, die zu diesem Thema sprechen. Ich habe angesichts dieser Thematik einmal eine Rede mit der Frage nach dem Warum begonnen: Warum diese beiden Anträge? Nur um die Solidarität mit den Soldatinnen und Soldaten zum Ausdruck zu bringen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Soldatinnen und Soldaten unseres Landes können sich unserer Solidarität sicher sein.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Aber weil sie sich unserer Solidarität sicher sein können, tragen wir auf ihrem Rücken keinen Kalten Krieg aus.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von unserer Solidarität, die bekannt wird, und von unserer Solidarität, die in Symbolen zur Schau gestellt wird – das meine ich nicht abfällig, sondern in dem Sinne, dass „zur Schau stellen“ „demonstrieren“ bedeutet –, davon allein können sie nicht leben. Es ist wichtig, dass in diesem Zusammenhang, und damit komme ich zu einem der Stichworte in den Anträgen, die Bundeswehrreform zu einem Erfolg im Sinne der Soldatinnen und Soldaten wird, dass es nicht auf ihrem Buckel ausgetragen wird.

Ein Zweites. Wenn wir über Solidarität sprechen, dann müssen wir veränderte Bedingungen zur Kenntnis nehmen. Die klassische Aufgabe der Bundeswehr, die Landesverteidigung, hat sich seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994 immer mehr zu einer anderen Aufgabe entwickelt. Seitdem haben wir Zug um Zug mehr Auslandseinsätze.

Wer solidarisch sein will mit Soldatinnen und Soldaten, der muss die in den Blick nehmen, die von dort zurückkommen – viele von ihnen tot und nicht wenige traumatisiert. Sie können, wenn sie aus dem Auslandseinsatz zurückkommen, oft nicht in ihre Familien zurück, sondern müssen sich langwierigen Behandlungen unterziehen, damit ihnen ein normales Leben wieder möglich ist.

Eine solche Situation – das meinte ich mit meiner Eingangsbemerkung – setzt voraus, dass wir eine angemessene Sprache benutzen, wenn wir unsere Solidarität mit Soldatinnen und Soldaten zum Ausdruck bringen wollen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wer Haushalte konsolidieren will, der darf nicht nur ein enges finanzielles Korsett anlegen oder es verlangen, sondern der muss auch sagen, wie am Ende das ganze Konstrukt aussehen soll, welche Struktur die Bundeswehr bekommen soll, welche Ausrüstung sie bekommen soll, damit wir sie nicht von uns aus mit dem, wie wir sie dann in die kriegerische Auseinandersetzung schicken, von vornherein in eine schwierige Lage bringen.

Ich will etwas sagen zu einer Position, von der ich glaubte, dass wir sie im gesellschaftlichen Dialog miteinander gefunden hatten, sozusagen als Brücke, die den Fronten des Kalten Krieges buchstäblich einen Weg bietet, zusammenzukommen.

Wir haben nach dem NATO-Doppelbeschluss und dem Ringen darum – mit all den Verletzungen, die es da gab – zumindest eine Position gefunden, die da hieß: Friedensdienst mit und ohne Waffen. Es muss für die, die ihre Solidarität mit Soldatinnen und Soldaten bekunden, immer wieder deutlich werden, dass der erste Satz heißt: Das ist ein Dienst am Frieden.

Es ist kein Dienst am Krieg und für den Krieg. Genauso muss die andere Seite anerkennen, dass es Menschen gibt, die den Dienst mit der Waffe ablehnen und sich in unserem Land auf einem guten Grund, auf dem der Verfassung, bewegen und bewegen können. Das müssen wir uns gegenseitig zugestehen, und dann kommen wir, glaube ich, zu einer vernünftigen Lösung im Umgang mit Krieg und Frieden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu dem Thema, das die CDU in ihrem Antrag als letzten Punkt angesprochen hat, frage ich: Was wird im Zusammenhang mit der Bundeswehrreform aus den verschiedenen Standorten der Wehrbereichsverwaltung? Ich habe vor wenigen Wochen die Wehrbereichsverwaltung in Wiesbaden besucht und dort lange mit Verantwortlichen gesprochen. Noch vor 14 Tagen war von der Wehrbereichsverwaltung Wiesbaden zu lesen: Bundeswehrreform, wohin geht die Reise?

Auch hier gilt es, die Sache nicht einfach auf dem Rücken der Betroffenen durchzuziehen. Hier geht es um eine Menge Arbeitsplätze. Ich glaube, wer Soldatinnen und Soldaten gerecht werden will, darf im Zusammenhang mit der Bundeswehrreform nicht auch noch die Wehrbereichsverwaltung so verändern, dass am Ende Soldatinnen und Soldaten auf der Strecke bleiben.

Das Verhältnis von Soldaten zu Zivilbeamten beträgt in den USA 1,5 : 1, bei uns 3 : 1. Wenn wir die Zahl der Soldatinnen und Soldaten verringern, dann können wir nicht gleichzeitig die Zahl der Zivilbeamten deutlich verringern, nur um Geld zu sparen. Wer A sagt, muss in der Situation auch B sagen. Das kann nicht auf dem Rücken von Betroffenen ausgetragen werden.

Von daher ist in Punkt 6 des CDU-Antrags ein wichtiges Thema angesprochen, aber Kollege Frömmrich hat es gesagt: Das Gesetz des Handelns haben Sie im Bund in der Hand, und der Minister kann seinerseits eine entsprechende Vorgabe machen.